Heinrich Kruse
Seegeschichten. Neue Folge
Heinrich Kruse

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Was kostet der Stockfisch?

        »Sieh mal Vater!« »Was hast Du denn da?« »Ja, rathe mal, Vater.«
»Ein Nußknacker vielleicht? Ein Pfropfenzieher? Vielleicht ein
Stiefelhaken?« »O nein, ich sehe, Du kannst es nicht rathen.«
So sprach Robert zu seinem geachteten Vater, dem Rheder
Und Großhändler in Korn. Er war in des Vaters Geschäft schon
Als Theilhaber getreten und zankte sich oft mit dem Alten,
Glaubte wohl klüger zu sein, doch übersah ihn der Vater.
»Sieh,« sprach Robert zu ihm, »das hab ich mir eben ersonnen.
Ist ein Instrument, womit man auf leichteste Weise
Schrauben sich selbst anfertigt.«»Du hast wohl Schrauben im Kopfe!«
»Nein,« sprach Robert. »Wozu sich Schrauben kaufen im Laden,
Wenn man selbst sie verfertigen kann mit meiner Erfindung.«
»So, so, lieber Sohn; doch berechnest Du auch Dir die Kosten?«
»O, dies Instrument,« sprach Robert mit Stolz es betrachtend,
»Kostet nicht viel.« »Ich meine,« so sagte der Vater dagegen,
»Nicht was Dich das Metall mag kosten; ich meine vor Allem,
Robert, die Zeit, die Du mit solcherlei Dingen vergeudest.
Gehst Du zu Weiergang in der Wasserstraße, so kannst Du 174
Schrauben nach Herzenslust für wenige Pfennige kaufen.«
Und so stritten sie oft; denn der Sohn war fleißig und sparsam,
Aber sein Sinn war stets auf Kleinigkeiten gerichtet,
Während der Vater im Großen betrieb die Geschäfte mit Kühnheit.
Und nicht lange darauf sprach so zum Sohne der Vater:
»Immer bläst aus Osten der Wind und Kapitän Eggert,
Der mit der neu'n Galeasse Johanna segelt nach London,
Konnte sich besseren Wind nicht verschreiben. Da nimmt es mich Wunder,
Immer noch nicht von Sack und Bremer in London zu hören,
Daß mein Waizen gekommen an Ort und Stelle und schleunigst
Jetzt zu den herrlichen Preisen verkauft. Wo bleibt die Johanna?
Ich mag Eggert wohl leiden – sonst gab ich ihm nicht die Johanna –
Denn er ist freundlich, der Mann, anständig und weiß auch zu reden
Glatt wie Honigseim. Doch was hilft das alles? So langsam
Sollte das neue Schiff nicht segeln. Das weiß doch der liebe«–
Damit brach er dann ab, denn es war so seine Gewohnheit,
Niemals den letzten Satz, wenn er ärgerlich war, zu beenden.
Herr Commerzienrath, er ahnte nicht, konnte nicht ahnen,
Wie sich indeß die Johanna die Zeit vertrieb auf der Nordsee,
Kapitän Eggert war an der Rügenschen Küste geboren,
Und sein Dorf lag hart an der See. Von Jugend auf war nun
Angeln und Fischen das Liebste für ihn. Ob Karauschen im Teiche
Er mit dem Netze sich fing, ob Bungen für Schleien und Hechte 175
Er in das Schilf auslegte mit lockenden Eierschalen,
Oder ob Aale er stach, war gleich ihm, wenn er nur fischte;
Niemand verstand sich so gut auf Geräthe für Angeln und Fischen.
Als ihm, dem hübschen und freundlichen Mann, ein Schiff nun vertraut ward,
War sein erster Gedanke, man könnt' auf dem Meere auch fischen.
Und so brachte der junge Kaptän, indeß man Johanna
Neben der Ballastkiste belud, ein gewaltiges Schleppnetz
Triumphirend an Bord, voll Hoffnung auf herrlichen Fischfang.
Und kaum ist er heraus aus dem Sunde und riechet die Nordsee,
Läßt er die Segel herab, so schön sie schwellten im Winde,
Und läßt treiben das Schiff, und dann in die See mit dem Schleppnetz.
Nun war gerade die Zeit, wo man Kabliau fänget; er macht auch
Einen so reichlichen Fang, daß das Herz ihm lachet im Leibe.
»Seile gespannt!« so befiehlt er, und rings um das Schiff, von dem Bugsprit
An bis zum Heck und rechts und links auf jeglicher Seite
Werden nun Seile gespannt, die gefangenen Fische zu trocknen,
Was nach Wunsch auch gelang bei dem Sonnenschein und der Brise,
Nachdem regelrecht man ausgeweidet sie hatte.
Darauf verstand sich der junge Kaptän, und riesige Fische
Baumelten nun von den Seilen zur Herzensfreude von Eggert.
Schmunzelnd in himmlischer Lust ob seines gelungenen Fanges
Hißt er die Segel von Neuem, um fortzusetzen die Reise,
Und so fuhr denn das Schiff seltsamlich behangen mit Stockfisch
Auf die Themse zum Staunen von sämmtlichen Uferbewohnern,
Ein Kauffahrer, zu sehn wie ein Fischerschmack in Neufundland 176
Wo man den Kabliau fängt für den ganzen katholischen Erdkreis.
Und zwei Tage bloß gingen verloren beim herrlichen Fischfang.
Leider nur fiel indessen in kaum zwei Tagen der beste
Waizen am Londoner Markt um einen Schilling und Sixpence.
Als in Stralsund nun sein Rheder vom Herrn Kapitäne
Einen Sack erhielt mit den herrlichsten Fischen, so rief er:
»Robert, so komme mal her!« und erzählt' ihm die ganze Geschichte
Und dann fügt' er hinzu als Nutzanwendung und Lehre:
»Siehe, der junge Kaptän der Johanna ist gerade ein solcher
Kerl, wie Du selbst, denn er rühmt mir sehr den vorzüglichen Fischfang
Und hat uns zur Probe gesandt da den Sack mit dem Stockfisch.
Stockfisch mag ja für Liebhaber ein gutes Gericht sein.
Einmal laß ich mir das im Jahre gefallen. Gewässert,
Reichlich behandelt mit Senf und mit Salz und mit Butter, so schmecket
Solch ein Stockfisch fast, als sei es ein menschliches Essen.
Aber wie Gold, so kann auch Stockfisch werden zu theuer:
Wie viel kostet uns da der Sack mit den Fischen, was meinst Du?
Wenn ich berechne den Preis, den ohne den dämligen Fischfang
Wir für den Waizen erzielt, und der nun später bezahlt wird,
Kommt uns schlecht gerechnet der Sack auf mindestens tausend
Thaler zu stehn. Du bist, mein Sohn ja gewesen in England,
Und dort sagt man: Für Pfennige klug ist thöricht für Pfunde.«

 


 


 << zurück weiter >>