Heinrich Kruse
Seegeschichten. Neue Folge
Heinrich Kruse

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Die feurige Nase.

          »Nun ist nichts mehr zu thun, als Gott zu befehlen die Seele!«
Sprach der Captain und stand am Bug mit der sämmtlichen Mannschaft.
Nur ein starker Matrose war hinten gelassen beim Helmsmat,
Mitzuhelfen am Steuer in dieser gefährlichen Stunde;
Denn wir waren zu weit nach dem Leger-Walle getrieben.
Und ein gewaltiger Fels sprang weit und drohend vom Ufer
Ins Fahrwasser hinein, das ohnehin schon so enge.
Näher und näher schon rückte der Fels, und uns klopften die Herzen,
Namentlich unserm Captain, der für Schiff und Ladung besorgt war.
Captain Suhlberg führte die stattliche Brigg »Die Gebrüder«
Und war selbst ein stattlicher Mann, nur mehr in die Breite
Als in die Höhe gewachsen. Im fleischigen vollen Gesichte
Stach vor allem hervor die gebogene feurige Nase,
Welche sich anzutrinken er manch ein Jährlein gebrauchte.
»Kinder, wir kommen vielleicht noch vorbei!« so wollt' er uns trösten.
Aber er fügte mit Seufzen hinzu: »Ich glaub's nicht! Ich glaub's nicht!« 103
Und ihm füllten dabei sich vor Sorgen die Augen mit Thränen.
»Macht darauf Euch gefaßt, bald liegen wir Alle im Wasser.«
Kaum war gesprochen das Wort, so hörte man deutlich ein Kichern.
Und wer war nur der Spötter? Wer anders als Heinrich, der Schiffsjung.
»Heinrich, was greinest Du da? Ist dies zum Lachen die Zeit wohl?
Du Gelbschnabel bist immer bereit Dich lustig zu machen
Ueber erwachsene Leute. Ich habe Dich längst auf dem Kieker.
Sprich, worüber Du jetzt grieflachtest.« Der Junge versetzte:
»Herr Capitain, das kann ich nicht sagen.« »Das willst Du nicht sagen?
Aber das sollst Du sagen. Ich schlage Dir, Heinrich, den Buckel
Braun und blau. Ich zerbreche Dir sämmtliche Knochen im Leibe!«
Sprach der Captain mit steigendem Zorn. »Geht, holt mir den Tagel!«
Heinrich entgegnete drauf mit sehr wehleidiger Miene:
»Wenn ich nicht thue, was Ihr mir befehlt, so wollt Ihr mich strafen.
Sag' ich es aber, so komm' ich vom Regen wohl gar in die Traufe.«
»Nein, so bin ich doch nicht; wenn Du ganz aufrichtig erzählest,
Wird kein Haar Dir gekrümmt. Doch heraus mit der Sprache! Da hilft nichts.«
Heinrich, der Junge, bequemte darauf sich zu diesem Geständniß: 104
»Als Ihr sagtet vorhin: Bald liegen wir Alle im Wasser!
Mußt' ich denken – man hat manchmal seltsame Gedanken –
Mußt' ich denken – ›Woran?‹ ›An Eure feurige Nase,
Wenn sie das Wasser berührt, wie wird sie zischen, die Nase!‹«
Unsere Mannschaft wollte vor Lachen sich wälzen. Der Eine
Hielt sich die Seite dabei und der Andere lachte sich Thränen.
Nur der Captain war verdutzt und hätte trotz seines Versprechens
Gern weit ausgeholt, um Heinrich Mores zu lehren.
Aber der Fels war da, das vom Steuer erbebende Schiff fuhr
Handbreit kaum am Riffe vorbei. Doch glitt es vorüber.
Hurrah! Hoch! so erscholl es darauf aus den jauchzenden Kehlen;
Denn wir waren befreit von dem Alp, der uns lange bedrückte.
Ja, wir tanzten vor Freuden auf Deck. Von der zischenden Nase
Wurde noch öfter erzählt, und Einige ahmten das Zischen
Nach mit der Zunge geschickt, wie wenn Wasser mit Feuer sich menget.
Doch der Captain kam bald dahinter und sprach zu den Leuten:
»Kinder, ich möcht' Euch rathen, Euch nicht zu verbrennen die Zunge.
Wer von Zischen nur spricht, dem werd' ich's besorgen. Verstanden?«

 


 


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