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IX. Hauptstück.
Paul Krüger Staatspräsident (1883-1888).

 

1. Die Wahl.

Der Volksrat des Jahres 1882 faßte einstimmig den Beschluß, einen Staatspräsidenten zu wählen, nachdem Joubert den Antrag dazu gestellt hatte. Krüger und Joubert wurden beide gebeten, sich zur Wahl zu stellen, und nahmen auch beide an, wobei jedoch einer den anderen beim Volke als Kandidaten anbefahl. Krüger legte in zwei ausführlichen Antworten auf die an ihn ergangenen Wahlaufforderungen die Grundsätze dar, nach denen er im Falle seiner Wahl die Regierung leiten werde. Gottes Wort, die Richtschnur auch der Politik und das Fundament, darauf der Staat gegründet sein muß, Förderung des Landbaues, Erschließung der Hilfsquellen des Landes und Verwendung derselben durch Schaffung einer Industrie, Eisenbahnverbindung mit dem Meere, Eindämmung der Einwanderung (am wenigsten Gefahr schien ihm die Einwanderung aus Holland zu bieten), damit nicht die Burennationalität erdrückt werde, freundliches Verhältnis zu England und engere Verbindung der Südafrikanischen Staaten, Aufrechterhaltung der Regierungsautorität gegenüber den Eingeborenen und freundliche Behandlung gehorsamer Eingeborenenstämme auf dem ihnen zugewiesenen Gebiete, Förderung aller Bestrebungen, die das Volksleben unter den Einfluß des Evangeliums stellen, »vor allem aber« Förderung des Jugendunterrichtes: das war, was er als Lebensfragen der Republik bezeichnete. Bei den Wahlen erhielt Krüger dreiviertel der Stimmen und war also zum Staatspräsidenten für die nächsten fünf Jahre gewählt.

 

2. Der Krieg mit den Kaffern im Lijdenburgdistrikt (Mapoch und Mampur).

In der Zeit, da die Wahl eines Präsidenten beschlossen wurde, war die Republik in einen Krieg verwickelt mit Mapoch (auch Njabel genannt) im Sekukuniland (im Osten der Republik). Mapoch hatte dem Mörder Sekukunis (Mampoer) – Sekukuni war seit der Wiederaufrichtung der Republik ihr ein treuer Freund geworden – Zuflucht gewährt und weigerte sich, ihn auszuliefern. Der Krieg war also unvermeidlich, aber er dauerte nicht weniger als 9 Monate, und zuletzt mußten 4000 Bürger ins Feld gestellt werden, um ihn mit Erfolg zu beendigen. Krüger begab sich im Verlauf der Belagerung selbst zu den Kommandos, wo er darauf hinwies, daß alle Kraft eingesetzt werden müsse, um den Krieg rasch zu einem erfolgreichen Ende zu bringen. Die Kommandos hatten einen Ausländer Namens Nelmapius bei sich, der die Höhlen, in denen sich die Kaffern verschanzt hatten, mit Dynamit sprengte. Erst im Juli des Jahres wurde der Krieg beendigt. Mapoch lieferte Mampoer aus. Mampoer wurde gehängt, Mapoch zu lebenslänglicher Gefängnisstrafe verurteilt, aber kurz vor Ausbruch des letzten Krieges auf freien Fuß gesetzt, wonach er sich mit einigen seiner Anhänger dicht bei Pretoria niederließ. Das Ansehen der Republik stieg durch diesen Krieg sehr, denn auch ihre Feinde mußten zugeben, daß sie stark genug war, um Ordnung und Gesetz zu handhaben und nicht etwa wegen inhärenter Schwachheit den Schutz einer fremden Macht bedurfte.

 

3. Unruhen an den südwestlichen Grenzen der Republik. Buren-Freiwillige lassen sich trotz einer Proklamation des Präsidenten von den Häuptlingen Moshette und Mankoroane zu ihrem Kampfe gegen andere Häuptlinge anwerben und gründen auf dem ihnen zum Lohne für ihre Dienste geschenkten Grund und Boden die Republiken Stellaland und Gosen. Die Häuptlinge Montsioa und Moshette stellen sich unter den Schutz Transvaals, wogegen England protestiert. Verhandlungen über die Regelung der Westgrenze zwischen Krüger, Sir Warren, Cecil Rhodes.

Ungefähr in derselben Zeit entstanden auch Verwicklungen an der Südwestgrenze der Republik. Zwei Häuptlinge, Moshette und Montsioa, (-Montsiwa), führten Krieg mit einander. Später bekam Montsioa Hilfe von Mankoroane, Moshette von Massouw. Mankoroane, der immer dicke Freundschaft mit den Engländern hielt, suchte Freiwillige unter ihnen anzuwerben. Massouw und Moshette folgten diesem Beispiel und warben auch Freiwillige, deren sie jedem 3000 Morgen Land versprachen. Natürlich hatte dieses Angebot für viele etwas Bestechendes. Nicht nur aus Transvaal, sondern auch aus dem Oranjefreistaat und selbst aus der Kapkolonie kamen Anmeldungen. Die Regierung von Transvaal erließ nun eine Proklamation, welche den Bürgern der Republik verbot, sich den Kaffern anzuschließen. Aber ein Teil von ihnen weigerte sich, diese Proklamation zu beachten, verzichtete auf das Bürgerrecht und meldete sich dann bei den Kaffernkapitänen an. Später sandte die Regierung General Joubert nach der Westgrenze, um die Bürger, welche die Proklamation mißachtet hatten, zur Rückkehr nochmals aufzufordern – direkt eingreifen in den Streit der Kaffernhäuptlinge konnte die Republik nicht, da ihr die königliche Kommission von 1881 das Recht über dieses Gebiet genommen hatte – sie weigerten sich aber entschieden. Inzwischen war auch der Häuptling Calveyn im Distrikt Marico aufrührerisch geworden, fügte sich aber sofort, als ihm General Joubert mit einem Kommando drohte. Massouw und Moshette schlugen unterdessen mit Hilfe ihrer Freiwilligen ihre verbündeten Gegner Mankoroane und Montsioa völlig. Die Freiwilligen bestanden NB. nicht ausschließlich aus Buren, sondern es waren auch Engländer dabei. Diese Freiwilligen suchten sich nun das versprochene Land aus und bildeten mit anderen Auswanderern, die zuzogen, zwei kleine Republiken: Stellaland und Land Gosen, die erstere mit G. J. van Niekerk als Administrator und Drijburg als Hauptstadt, die letztere mit Gey van Pittius als Administrator und Rooigrond als Hauptstadt. Beide Republiken befanden sich aber fortwährend in Gährung und Streit und hatten selbst gegen einige der vorher genannten Kaffernhäuptlinge zu kämpfen. Eine Partei in den Republiken verlangte, der Kapkolonie einverleibt zu werden, während sich ein anderer Teil an die Südafrikanische Republik wandte. Darum sandte die Kapkolonie Cecil Rhodes nach dem Norden, um die Dinge zu regeln, von Seite der Südafrikanischen Republik wurde General Joubert, welcher zugleich »Kommissar für die Westgrenze« war, zu dem gleichen Zwecke hingesandt. Dieser erklärte den Rooigrondern, daß die Transvaalregierung nichts für sie thun könne, da auch die Londoner Konvention – es war unterdes das Jahr 1884 geworden – sie aus der Einflußsphäre der Republik ausgeschlossen habe. Joubert war zu einer solchen Erklärung gezwungen, da der britische Geschäftsträger in Pretoria die Transvaalregierung beschuldigte, sie treibe mit den Rooigrondern geheimes Spiel, und die Republik also in Schwierigkeiten mit England hätte geraten können.

Die Barolonghäuptlinge Montsioa und Moshette stellen sich unter den Schutz der Südafrikanischen Republik. England protestiert.

Kurz danach wurde General Joubert als Kommissar für die Westgrenzen durch Pfarrer du Toit, den Unterrichtsdirektor (Superintendent van Onderwijs), ersetzt. Zu gleicher Zeit wurde ein Brief von Montsioa an General Joubert veröffentlicht, worin dieser ersuchte, Unterthan der Südafrikanischen Republik werden zu dürfen, um Schutz zu finden, da er »fast ausgerottet« sei. Es wurde nun eine Proklamation erlassen unter den Bestimmungen der Konvention von 1884, welche der Republik das Recht gab, mit den Eingeborenenstämmen im Osten und Westen der Republik unter nachträglicher Zustimmung Englands Verträge zu schließen. Durch diese Proklamation wurden die Kapitäne Moshette und Montsioa mit ihren Unterthanen und Rechten unter den Schutz der Südafrikanischen Republik gestellt, um so weiteres Blutvergießen zu verhindern. Der Erlaß endigte mit den Worten: »Diese Proklamation geschieht vorläufig gemäß den Bestimmungen und unter Beachtung von Artikel 4 der Londoner Konvention.« Du Toit hatte unterdessen die Flagge der Republik auf dem »proklamierten« Gebiete gehißt, worüber seiner Zeit ein lebhafter Streit entbrannte. Aber sofort, als er Kenntnis davon erhielt, verwies ihm das Krüger und fragte, wie er dazu käme. Du Toit antwortete, er habe die Flagge nicht gehißt zum Zeichen der Besitznahme, sondern um auf die Proklamation aufmerksam zu machen, und habe sie nun wieder herabgenommen. Die Proklamation selbst ist nicht, wie es bisher dargestellt wurde, das Werk einer Intrigue oder eine unbedachte That, sondern ein Unternehmen, das Präsident Krüger auch heute noch als richtig vertritt. D. H. Diese Worte ließen die Thür offen für eine eventuelle Widerrufung der Proklamation und zeigen zugleich, daß die Regierung für diese Annexion von der britischen Regierung die Zustimmung einholen wolle. Die britische Regierung war aber nicht im mindesten geneigt, so etwas zuzulassen, sondern sandte Sir Charles Warren mit einer starken Truppenmacht (5000 Mann) nach Südafrika, um den Unruhen an der Westgrenze ein Ende zu machen, und Sir Hercules Robinson telegraphierte nach Pretoria, die Republik müsse ihre Proklamation zurückziehen, denn England habe bereits erklärt, daß das fragliche Gebiet in seine Einflußsphäre falle. Daraufhin zog die Regierung, die bisher von den Ansprüchen Englands auf die Schutzherrschaft über Montsioa nichts gewußt hatte, ihre Proklamation zurück. Präsident Krüger begab sich mit dem Staatsprokureur Dr. Leyds persönlich an die Westgrenze und ermahnte die Bewohner von Gosen zur Ruhe.

Verhandlungen Krügers mit Sir Warren und Cecil Rhodes.

Kurz darauf fand eine Zusammenkunft statt zu Fourteen Streams zwischen Krüger, Warren und Rhodes. Diese Konferenz hatte jedoch kein weiteres Resultat, als daß man sich dahin einigte, es sollten Kommissare von beiden Seiten ernannt werden, um die Grenzlinie, wie sie durch die Konvention festgesetzt sei, abzustecken, und im Falle von Uneinigkeit solle Präsident Brand vom Oranjefreistaat entscheiden. Rhodes stellte sich in jener Zeit, als ob er auf Krügers Seite stände. Dagegen versuchte er auf Joubert zu schimpfen, bis ihn Krüger darauf aufmerksam machte, daß es sich um einen Abwesenden handelte. Die Kommissare setzten dann die Westgrenzen endgültig fest. Krüger hatte vorgeschlagen, die Sache sofort zur Erledigung zu bringen und zwar dadurch, daß das Reiterkommando von Warren zusammen mit der Polizei und einigen Bürgern, die in seinem (Krügers) Gefolge waren, die Grenze abritten, und so die Pferde durch das Zerstampfen des Bodens von selbst eine Grenzlinie zögen. Warren verweigerte aber seine Zustimmung, indem er vorgab, er fürchte, daß es dabei zum Handgemenge zwischen seinen Truppen und den Bürgern käme.

 

4. Präsident Krüger zum dritten Male in London. Sir Herkules Robinson. Aufhebung der Suzeränität (Londoner Konvention 1884). Besuche bei europäischen Regierungen. Dr. Leyds

Damit sind wir aber der Zeit fast um zwei Jahre vorausgeeilt, denn die letzten Ereignisse fanden statt nach Krügers Rückkehr von seiner dritten Reise nach England. Diese Reise, mit der die Regelung der Westgrenze in enger Verbindung stand, hatte ihre Veranlassung in einem Beschluß des Volksrates von 1883, eine Deputation nach England abzuordnen, um den Versuch zu machen, die Konvention von 1881 durch eine andere zu ersetzen, die mehr in Uebereinstimmung mit den Wünschen des Volkes war. Der Deputation gehörten an: Präsident Krüger, General Smit und Pfarrer du Toit, der damalige Unterrichtsdirektor (Superintendent van Onderwijs). Der Kommission vorausgereist war Dr. Jorissen und hatte von England aus Bericht gesandt, daß die englische Regierung bereit sei, eine Deputation zu empfangen und über die erwähnte Sache zu verhandeln.

Pfarrer du Toit war früher Herausgeber des »Patriot« in Paarl (Kapkolonie) gewesen und hatte während des Krieges warm die Afrikanersache verteidigt. Kurz nach Friedensschluß kam er in die Südafrikanische Republik und übernahm da das Amt eines Unterrichtsdirektors. Auf Veranlassung des Haupt- (Obersten) Richters Kotzé und mit Hilfe du Toits wurde in derselben Sitzung, in der die Kommission nach England abgeordnet wurde, Dr. Jorissen in sehr unhöflicher Art seines Amtes als Staatsprokureur entsetzt, wodurch dann du Toit Gelegenheit bekam, Mitglied der Deputation zu werden. Diese Handlungsweise gegenüber Dr. Jorissen war nicht nur unhöflich, sondern auch im höchsten Maße ungerecht, wenn man bedenkt, welche wichtigen Dienste er seinem Lande bereits erwiesen hatte, vergebens hatte Krüger dagegen protestiert. Man behauptete aber, der Sekretär einer solchen Gesandtschaft müsse gesetzlicher Weise bestimmten Anforderungen an eine Vorbildung genügen, die Dr. Jorissen nicht habe.

Verhandlungen mit Lord Derby.

Im August 1883 reiste die Kommission über Kimberley, Paarl und Kapstadt, wo sie überall herzlich empfangen wurde, nach England ab und landete am Orte ihrer Bestimmung am 28. September, wo sofort die langwierigen Verhandlungen mit Lord Derby, dem damaligen Kolonialminister, begannen. Es dauerte nicht lange, so bekam die Deputation von ihm die Erklärung, daß die britische Regierung bereit sein werde, der Republik, was die inneren Verhältnisse anlange, dieselbe Unabhängigkeit zuzugestehen, wie sie der Oranjefreistaat besaß. Nicht gegen irgend welche Entschädigung oder durch Handeln wurde dieses Zugeständnis erreicht, sondern es handelte sich für die Deputation um eine Rechtsfrage. Sie wies nach, daß auf Grund des Vertrages von 1852 die Republik ein Recht habe auf ihre Unabhängigkeit, die ihr widerrechtlich genommen und auch im Vertrage von 1881 nicht in der Weise zurückgegeben worden sei, wie es mündlich zugesichert gewesen. Außer über diesen Punkt wurde noch über Abänderungen der Westgrenze der Republik verhandelt, und es glückte der Deputation, eine Grenzregulierung in der Weise zu erreichen, daß wenigstens ein beträchtliches Stück des Landes, um das sich die Republik stritt, und das 1881, widerrechtlich abgeschnitten worden war, in das Gebiet der Republik fiel.

Sir Herkules Robinson.

Während dieser Verhandlungen kam es zu einem Zusammenstoß zwischen Präsident Krüger und Sir Herkules Robinson. Krüger hatte gerade das Wort und führte aus, daß gewisse Farmen, unter anderen z. B. Polfontein und Rietfontein, unbedingt innerhalb der Republik zu liegen kommen müßten, zumal sie früher auch zu ihr gehört hätten. Wie er die letzten Worte sprach, flüsterte Sir Herkules Robinson, der den Verhandlungen beiwohnte, Lord Derby zu: » It is a lie«. (Das ist eine Lüge.) Sofort sprang der Präsident auf und wollte Sir Herkules anpacken. Lord Derby und die anderen Herren, die zugegen waren, warfen sich dazwischen, und Lord Derby redete beiden sehr freundlich zu und sagte schließlich: »Die Herren dürfen doch nicht thätlich werden.« Der Präsident erwiderte aber, Sir Herkules habe ihn beleidigt, und das könne er sich nicht gefallen lassen. Er gab sich jedoch zufrieden, als dieser sich entschuldigte und erklärte, er habe es »nicht so gemeint«. Trotz dieses Zwischenfalls wurden Krüger und Sir Herkules später gute Freunde und blieben es auch bis zu des letzteren Tod. Er war der einzige Hohe Kommissar, dem Präsident Krüger vertrauliche private Briefe schrieb, und von dem er solche empfing. Es muß zu seiner Ehre gesagt werden, daß er ein durch und durch ehrlicher Mann und ein Gentleman im vollsten Sinne des Wortes war.

Aufhebung der Suzeränität.

Kurz darauf wurde die Konvention von 1884 unterzeichnet, wodurch die Republik ihre völlige Unabhängigkeit zurückerlangte. Es blieb nur ein Artikel in der neuen Konvention, welcher die Rechte der Republik beschränkte, nämlich der wohlbekannte Artikel IV. Die verhaßte Suzeränität aber wurde aufgehoben. Die spätere Behauptung des Herrn Chamberlain, daß die Republik noch unter der Suzeränität von England stehe, ist durch und durch falsch, wie später noch gezeigt werden wird.

Besuche bei europäischen Regierungen.

Nachdem die Konvention am 27. Februar 1884 unterzeichnet war, begab sich die Deputation wieder nach dem Festland, um, vor allem in Holland, eine Anleihe zustande zu bringen zu suchen zur Erbauung einer Eisenbahn nach der Delagoabai. Ueberall wurde sie mit großer Begeisterung und Herzlichkeit empfangen, Festessen wurden zu ihrer Ehre gegeben, und jedermann freute sich, die Stammesverwandten aus Südafrika kennen zu lernen, aber die Hauptsache, nämlich das Geld zum Bahnbau, war nicht zu bekommen, von Holland ging die Deputation über Brüssel, Paris, wo sie ebenfalls aufs herzlichste aufgenommen und auch von dem Präsidenten von Frankreich empfangen wurde, und Madrid nach Lissabon, und hier erreichte sie von den Portugiesen, daß diese sich bereit erklärten, die Delagoabahn zu bauen, wenigstens soweit sie auf portugiesisches Gebiet fiel, und sofort in Angriff zu nehmen. Die Uebernahme der ganzen Bahn durch Portugal und damit die einheitliche Verwaltung der Linie war nicht zu erreichen. Nach Holland zurückgekehrt, verlieh man nun die Konzession zum Baue der Fortsetzung dieser Bahn auf transvaalischem Gebiete an einige Private, die die Grundlage bildeten für die spätere Niederländisch-Südafrikanische Eisenbahngesellschaft (N. Z. A. S. M.). Von hier kehrte die Deputation über Deutschland, wo sie sehr herzlich von Bismarck und Kaiser Wilhelm I. empfangen wurde, nach Afrika zurück. Bei dieser Gelegenheit war es, wo Fürst Bismarck auf der Treppe des königlichen Schlosses in Berlin stolperte und Kaiser Wilhelm scherzend sagte: »Fürst, Sie werden alt«. Bismarck antwortete darauf: »Jawohl, Majestät, das ist gewöhnlich so, daß das Roß vor dem Reiter alt wird.« Die Geschichten von Krügers Aufenthalt bei einem Großgrundbesitzer, die in Deutschland vielfach verbreitet sind, beruhen auf Erfindung. Präsident Krüger erklärt, keinen solchen Besuch gemacht zu haben. D. H. In der Volksratssitzung, die nun folgte, erklärte der Präsident, daß die Unabhängigkeit errungen, die Republik in die Reihe der selbständigen Mächte aufgenommen sei und die Suzeränität nicht mehr bestehe. In England dachte niemand daran, zu widersprechen. Aus Holland hatte Krüger Dr. W. J. Leyds als Staatsprokureur mitgebracht. Die wichtige Rolle, die Dr. Leyds später in der Republik spielte, ist allbekannt. Sein Name bleibt untrennbar mit der Geschichte der Republik verbunden.

 

5. Innere Lage der Republik im Jahre 1885: Delagoabahnfrage, Unruhen an der Westgrenze, traurige Finanzen, Entdeckung der Goldfelder.

In der Volksratssitzung des Jahres 1884 kam auch die Delagoabahn-Konzession zur Sprache. Eine beträchtliche Anzahl von Petitionen war eingelaufen, welche gegen die Erbauung einer Bahn protestierten. Der Präsident verteidigte den Plan mit aller Kraft. Er wies darauf hin, daß eine eigene Bahn unentbehrlich sei, da die Kapkolonie auf die Produkte Transvaals so hohe Zölle lege, daß die Bürger dort für ihre Erzeugnisse gar keinen Markt mehr fänden. Außerdem versicherte er, daß die ganze Anlage keine neuen Steuern erfordern werde, und daß sie dem Lande die beste Garantie für die Erschließung seiner eigenen Hilfsquellen böte. Daraufhin wurde die Konzession vom Volksrat genehmigt.

In der gleichen Zeit fand die Neuwahl eines Generalkommandanten statt; General Joubert wurde fast einstimmig wieder gewählt.

Das Jahr 1885 sah noch einen Krieg an den Westgrenzen. Massouw, den die Grenzkommission völlig selbständig erklärt hatte, hatte sich freiwillig in den Unterthanenverband Transvaals aufnehmen lassen, weigerte sich aber nun, seine Steuern zu bezahlen, und nahm eine sehr drohende Haltung an. General Joubert mußte gegen ihn ziehen mit einem Kommando und Artillerie. Der bekannte General Piet Cronje stürmte mit seiner gewohnten Unverzagtheit die Festung Massouws und nahm in einem kurzen Gefecht, in dem der Häuptling selbst fiel, dessen Stadt ein. Der Verlust der Buren betrug 14 Tote und ungefähr 30 Verwundete; unter den Toten war auch Schweizer, der Kommandant der Artillerie. Die Korannas hatten sehr große Verluste erlitten, und der ganze Stamm löste sich auf.

Traurige Lage der Republik.

Diese Zeit war für die Republik eine der unglücklichsten. Ihre Finanzen waren in sehr trauriger Lage. Der Kredit auf der Standard Bank war bereits überschritten, und weitere Vorschüsse wollte sie nicht geben. Bei seiner jährlichen Rundreise hatte der Präsident genug zu thun, um die Bürger zu ermahnen, nicht mutlos zu werden. Er hoffte, daß bald Rettung kommen werde. Aber sie kam anders, als er gedacht hatte. Es wurden nämlich kurz darauf die reichen Goldfelder des Witwatersrand entdeckt, die eine völlige Umkehr in den finanziellen Verhältnissen der Republik zuwege brachten. Mit dieser Entdeckung brach ein neuer Zeitabschnitt in der Geschichte der Republik an. Und doch, ob das ein Glück war?

Die Entdeckung der Goldfelder die Rettung der Republik?

Es wurde schon gesagt, daß das Gold und die aus der ersten Annexion zurückgebliebene Erbitterung die Ursachen des gegenwärtigen Elends in Südafrika sind. Es wird sich weiter zeigen, daß von diesen zwei Ursachen die Goldfelder die ausschlaggebende war. Ohne Zweifel: wäre kein Gold in Transvaal gewesen, so wäre auch kein Krieg gekommen. Denn wenn auch noch so viel Engländer ins Land gekommen wären und ihre Regierung noch so sehr mit den Klagen über ihre angeblichen Beschwerden überhäuft hätten, die englische Regierung würde keinen Finger für sie gerührt haben, wenn der Reichtum des Landes nicht gelockt hätte. So aber konnte die Stimmrechtsfrage, die in Wirklichkeit den Ausländern gar keinen Anlaß zu Beschwerden bot, von Intriguanten benutzt werden, um ihre eigenen Pläne durchzuführen. Die Worte des verstorbenen General Joubert, die er zu einem Bürger sprach, als dieser voll freudiger Aufregung zu ihm kam und ihm mitteilte, daß ein neues Goldriff entdeckt sei, sind wunderbar wörtlich in Erfüllung gegangen. Er hat damals gesagt: »Statt so erregt zu sein vor Freude, müßtest Du eher weinen, denn dieses Gold wird die Ursache sein, daß unser Land mit Blut getränkt wird.«

 

6. Die Goldfelder-Bevölkerung (»Uitlanders«). Die Eisenbahnpolitik wird durch die Goldfelder brennend. Behandlung der Goldfelderbevölkerung durch Krüger.

Als sich der große Goldreichtum der im Jahre 1886 entdeckten Quarzriffe am Witwatersrand herausstellte, mußte die Regierung diese Gebiete als öffentliche Goldfelder proklamieren, in denen die Goldgräbergesetze Anwendung zu finden haben. Das geschah denn auch in der Mitte des Jahres 1886 mit einigen Farmen, z. B. Turffontein, Doornfontein u. s. w., und sofort strömten von allen Teilen der Welt Goldgräber, Spekulanten und andere Glücksritter nach diesen Goldfeldern. Es spricht von selbst, daß unter den Tausenden, die da hereinströmten, viele verdächtige Gesellen waren, aber es muß doch anerkannt werden, daß die große Menge der Witwatersrand-Bevölkerung aus Leuten bestand, die sich ruhig verhielten und, ohne politische Händel zu suchen, nur gekommen waren, um ihr Glück zu machen. Es wurden bald noch mehr Goldfelder entdeckt: nach Westen hin Krügersdorp, nach Osten Heidelberg und Nigel und später auch Malmanie und Klerksdorp. Es braucht nicht gesagt zu werden, daß die Vermehrung der Bevölkerung und die Bearbeitung der Goldfelder größere Wohlfahrt im Gefolge hatten. Der Bur fand einen Markt für seine Produkte, und der Staatskasse wurde aufgeholfen durch Licenzgelder und andere Einnahmen. In demselben Jahre wurden auch die ersten »Standplätze« auf dem Witwatersrand verkauft, oder besser gesagt verpachtet, d. h. das Goldgebiet wurde vermessen in Felder (»claims« oder »standplaatsen«), zu 100 x 50 oder 50 x 50 Fuß eingeteilt und auf die Zeit von 99 Jahren gegen monatliche Abgaben in Eigentum gegeben. Nach 99 Jahren sollten sie an den Staat zurückfallen. Diese Goldfelderparzellen waren der Anfang der später so großen Stadt Johannesburg.

Die Eisenbahnpolitik wird durch die Goldfelder brennend.

Da der Handel von Johannesburg der bedeutendste von ganz Südafrika wurde, versuchte sowohl Natal wie die Kapkolonie eine Eisenbahnverbindung mit diesem Orte zu bekommen, aber Krüger war dazu nicht zu bewegen, so lange die Delagoabaibahn nicht fertig war. Daß seine Befürchtung, andere Bahnverbindungen würden die Republik in ihrem selbständigen Handeln beschränken, begründet war, beweist der spätere Streit um die Furten, der die Republik beinahe in Schwierigkeiten mit England gebracht hätte.

Behandlung der Goldfelderbevölkerung durch Krüger.

Um der neuen Bevölkerung entgegen zu kommen, wurde ein sogenanntes »delver«-(Goldgräber)Komitee eingesetzt, das die Angelegenheiten der Goldgräber zu regeln und die Verhandlungen zwischen diesen und der Regierung zu führen hatte. Eine Zeit lang war auch Cecil Rhodes Mitglied dieses »delver-Komitees«. Im Jahre 1887 besuchte der Präsident Johannesburg, um sich von den dortigen Zuständen zu überzeugen. Wenn man ihn auch freundlich empfing, so überreichte man ihm doch eine Adresse, die nichts anderes enthielt als Beschwerden, die man gegen die Regierung hatte. Der Präsident antwortete darauf, wenn Schwierigkeiten bestünden, so sei es an erster Stelle Sache des »delver-Komitees«, sie zu beseitigen. Er hoffe, daß auf diesem Wege eine friedliche Erledigung der Beschwerden möglich und er nicht gezwungen sei, Gewalt zu gebrauchen. Man hat Krüger diese Antwort sehr übel genommen, und es wäre vielleicht auch ein sanfteres Auftreten wünschenswert gewesen, um die Gefühle der Ausländer zu schonen. Aber man muß auch bedenken, was für Elemente unter der neuen Bevölkerung waren; man muß weiter bedenken, daß früher in Kimberley unter einer Bevölkerung, die sich genau aus denselben Elementen zusammensetzte, ein Aufruhr entstanden war, der die englische Regierung zwang, eine Truppenmacht dahin zu senden; und an letzter Stelle ist zu bedenken, daß die Beschuldigung inhärenter Schwachheit der Republik schon einmal teuer zu stehen gekommen war und der Präsident deshalb entschlossen war, jeder Veranlassung, eine solche Beschuldigung noch einmal zu erheben, vorzubeugen. Im übrigen wurden die Klagen der Ausländer stets mit größtem Wohlwollen in Erwägung genommen und in den meisten Fällen ihnen auch abgeholfen. So z. B. in dem vorliegenden Falle, wo man über zu hohe Abgaben von den »Standplätzen« geklagt hatte, wurden diese kurz darauf beträchtlich herabgesetzt.

 

7. Verhandlungen mit dem Freistaat betreffs eines engeren Anschlusses gescheitert.

Im Jahre 1887 fand die erste Konferenz zwischen dem Oranjefreistaat und der Südafrikanischen Republik zur Herbeiführung eines engeren Zusammenschlusses statt. Diese Konferenz hatte aber nicht den geringsten Erfolg. An erster Stelle darum, weil Krüger forderte, daß der Oranjefreistaat, ehe die Delagoabaibahn fertig sei, über ihr Gebiet keine Eisenbahn bauen lassen solle, durch welche die Südafrikanische Republik mit einer der britischen Kolonien in Südafrika verbunden werde. Krüger war gegen eine engere Verbindung mit den britischen südafrikanischen Staaten, so lange nicht die Selbständigkeit Transvaals auch durch den Besitz einer eigenen Eisenbahn garantiert war, und fürchtete, daß der Bau der einzig möglichen selbständigen Eisenbahn, für welche die Regierung die Garantie übernommen hatte, aufgehalten oder unrentabel gemacht werde, wenn noch andere Linien in Angriff genommen würden. An zweiter Stelle scheiterte die Konferenz daran, daß Krüger ein Schutz- und Trutzbündnis beider Staaten für den Fall forderte, daß die Unabhängigkeit des einen oder anderen bedroht werde. Mit diesem Vorschlag konnte sich Präsident Brand nicht befreunden. Es spricht von selbst, daß die Zeitungen der Kapkolonie auf Präsident Krüger wegen seiner Haltung in der Eisenbahnfrage sehr böse waren, aber er ging ruhig seines Weges in dem Bewußtsein, daß es seine Pflicht sei, zunächst für seinen eigenen Staat zu sorgen.

 

8. Einverleibung der »Neuen Republik«.

In demselben Jahre vollzog sich auch die Einverleibung der »Neuen Republik« in die Südafrikanische Republik, in welcher sie später den Distrikt »Vryheid« bildete. Diese »Neue Republik« verdankte ihre Entstehung einem Streite zwischen den beiden Zuluoberhäuptlingen Dinizulu (Sohn Cetewayos) und Usibepu, die im Jahre 1884 mit einander im Kriege lagen. Dinizulu bekam (gegen den Willen der Regierung) Unterstützung von einer Anzahl Buren aus der Südafrikanischen Republik und aus Natal. Als Usibepu besiegt war, gab Dinizulu aus Dankbarkeit den Buren, die ihm geholfen hatten, ein Stück Land, auf welchem sich eine neue Republik aufbaute. Lukas Meijer, der noch im jüngsten Kriege als Mitglied des Ausführenden Rates im Felde stand, wurde zum Präsidenten dieser Republik gewählt. Aber im Jahre 1887 wurde dieses Land auf Ersuchen seiner Bewohner der Südafrikanischen Republik einverleibt mit dem Rechte, ebenso wie die vier anderen großen Distrikte vier Mitglieder in den Volksrat der Südafrikanischen Republik abordnen zu dürfen.

Die Zeit von fünf Jahren, für welche Krüger zum Präsidenten gewählt war, war nun fast abgelaufen, und es mußte noch durch den Volksrat von 1887 die Wahl für den neuen Präsidenten anberaumt werden, der von 1888 an die Geschäfte des Landes führen sollte.


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