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III. Hauptstück.
An leitender Stelle.

Tod des älteren Pretorius.

Nach der Rückkehr von der Expedition gegen Montsioa wurde der Generalkommandant A. W. J. Pretorius ernstlich krank. Als er fühlte, daß sein Ende nahe war, ließ er Krüger rufen. Aber dieser war gerade auf einem Jagdzug im Distrikte Rustenburg, und die Boten konnten ihn unglücklicher Weise nicht rechtzeitig finden, so daß, als er zurückkam, dieser Führer der Emigranten bereits gestorben war. Das war sehr bedauerlich, denn wer weiß, was dieser große Mann in seinen letzten Augenblicken noch gern besprochen hätte. Schon auf dem Rückwege aus Montsioas Stadt hatte er sich viel mit Krüger über religiöse Dinge unterhalten und hätte sicher auch in dieser Beziehung ihm noch mehr zu sagen gehabt. Einige Tage nach seinem Tode kam ein Brief der englischen Kommissare Owen und Hogge Das waren die Spezialkommissare der Königin von England, die als »Beamte zur Regelung der Verhältnisse an den östlichen und nordöstlichen Grenzen des Kaps der guten Hoffnung« ernannt waren und mit den Burenemigranten die Verträge schlossen, durch welche der Freistaat und die Südafrikanische Republik ihre Freiheit erhielten. D. H., an den verstorbenen adressiert, an, worin er ersucht wurde, im Namen der Emigranten den Oranjefreistaat von der englischen Regierung zu übernehmen. Aber das war nun nicht mehr möglich, und die Uebernahme der Landesregierung des Oranjefreistaates aus den Händen Englands fand nun durch die Herren Venter, Boshoff und einige anderen Freistaatbürger statt. Hierdurch sind später große Differenzen zwischen dem jungen Pretorius und dem Oranjefreistaat ausgebrochen, denn es hieß in der Mitteilung, dem Generalkommandanten Pretorius und den Auswanderern solle der Freistaat abgetreten werden. Pretorius war nun gleich vielen anderen Bürgern der Anschauung, daß das Land seinem Vater und damit auch ihm als dessen Nachfolger übertragen sei. Ja, es wäre darum fast zum Bruderkriege gekommen zwischen dem Freistaate und der Südafrikanischen Republik.

 

1. Ein Bruderkrieg zwischen Transvaal und dem Freistaate durch Krügers Vermittlung verhindert.

An Stelle des verstorbenen Pretorius wurde nämlich sein Sohn Marthinus Wessel Pretorius Generalkommandant der Südafrikanischen Republik, und nach Annahme einer Verfassung, die einen Präsidenten vorsah, ein paar Jahre später auch Präsident. Allerdings war er damals noch nicht gleich Präsident der Republik, denn das neue »Grundgesetz« wurde nicht überall anerkannt, sondern nur Präsident der Regierung, die er vertrat. Er machte nun seine vermeintlichen Ansprüche auf den Freistaat geltend und rief, i. J. 1857, zu den Waffen, als er sich durch die Zurückweisung seiner Ansprüche gekränkt glaubte. Krüger war damals gerade auf einem Handelszuge, als man ihn zurückrief. Er war aufs entschiedenste gegen das Vorgehen von Pretorius, den er mit seinem Aufgebot am Vaalfluß lagern fand, und sagte ihm klar und deutlich seine Meinung. Aber nachdem sich einmal der Präsident des Freistaates mit dem Generalkommandanten Schoeman im nördlichen Transvaal – das war der Teil des Landes, wo die neue Verfassung nicht anerkannt wurde – dahin verabredet hatte, daß dieser dem Freistaate zu Hilfe kommen sollte, meinte er, man müsse rasch handeln und Boshoff angreifen. So zog man denn über den Fluß Boshoff entgegen, der mit einem großen Kommando anrückte. Als die Gegner aufeinanderstießen, sandte Boshoff einen seiner Offiziere, um den Vorschlag zu friedlicher Beilegung zu machen. Pretorius war sehr damit einverstanden. Seine Leute waren auch gar nicht kriegerisch aufgelegt; als der Bote der Gegenpartei kam, übten sie gerade den Bocksprung, sodaß der Bote erstaunt ausrief: »Also so gering schätzt ihr uns!« Pretorius sandte Krüger als Unterhändler ab, und dieser sagte Boshoff ebenso offen seine Meinung wie Pretorius: »Ihr seid ebenso schuldig wie Euer Gegner. Warum greift Ihr zu den Waffen, statt Pretorius beim Volksrate anzuklagen? Da wäre er sicher bestraft worden.« Koos Venter, ein großer starker Mann, der dabei stand, raste gegen Pretorius und rief ein über das andere Mal: »Wenn ich ihn hätte, den Hals wollte ich ihm umdrehen wie einem kleinen Vögelchen«. Schließlich wurde auch Krüger das Blut warm, und er sagte: »Herr Boshoff, die Sache ist leicht zu erledigen. Koos soll seinen Rock ausziehen, ich mache es ebenso, und dann ringen wir mit einander um den Sieg. Unterliegt er, so fügt Ihr Euch unseren Bedingungen, unterliege ich, so ist es umgekehrt«. Aber Venter wollte nun davon nichts wissen; gegen mich habe er ja nichts, meinte er. Krüger erwiderte zwar: »Das macht nichts, Du trittst eben für Deinen Präsidenten ein, und ich für den meinigen«, aber zu dem Zweikampf kam es doch nicht. Dagegen verhielt sich Venter jetzt ruhig, und es wurde eine Kommission ernannt, die am Vaalflusse zusammenkommen und dort den Streit erledigen sollte. Hier mußte Krüger die Sache seines Präsidenten, der auch persönlich schwer angegriffen wurde, verteidigen, so wenig er sie billigen konnte. Endlich kam es doch zum Vergleiche, und Pretorius gab seine ungerechtfertigten Ansprüche auf.

In der Uebereinkunft wurde bestimmt, daß jeder Teil das Recht habe, die Schuldigen in seinem Lande zu strafen. Nun wurden aber im Freistaate zwei Bürger, die auf Pretorius Seite gestanden waren, wegen Hochverrates zum Tode durch den Strick verurteilt. Wiederum machte sich Krüger auf den Weg, um zu intervenieren. »Warum brecht Ihr nun wieder den Vertrag?« redete er Boshoff an. »Wir den Vertrag brechen? Wieso?« entgegnete dieser. »Nun, wollt Ihr nicht zwei Eurer Leute aufhängen?« »Ja, das ist unser Recht, wie es in der Uebereinkunft festgestellt ist«. »Nein, davon steht nichts im Vertrag. Ihr habt das Recht, zu strafen; ›strafen‹ aber heißt ›züchtigen‹, vermahnen, verwarnen und durch die Züchtigung bessern«. Und als Boshoff das nicht zugeben wollte, holte Krüger die Bibel und zeigte ihm, daß die heilige Schrift einen Unterschied mache zwischen »Strafen« und »Bestrafen«, man könne jemand wohl mit dem Tode »bestrafen«, aber nicht ihn töten, um ihn zu strafen. Nun gaben auch die Freistaater nach, und damit war diese Sache für immer erledigt.

 

2. Paul Krüger kommt dem Oranje-Freistaat zu Hilfe gegen die Basutos (1. Basuto-Krieg) und vermittelt den Frieden mit Masus.

Bald darauf erhielt Krüger Gelegenheit, dem Freistaate einen Dienst zu erweisen. Schon seit der Unabhängigkeitserklärung hatte man da Schwierigkeiten mit Masus (auch »Moshesh«, »Moschesh« genannt), und es herrschte schließlich offener Kriegszustand zwischen Masus und dem Freistaate. Masus war ein nicht zu verachtender Gegner und verfügte über eine starke Kriegsmacht. Seine Banden durchstreiften denn auch raubend und plündernd den ganzen südlichen Teil des Oranjefreistaates. Sobald Krüger davon hörte, entschloß er sich, nach dem Freistaate zu gehen und der Regierung seine Hilfe anzubieten. Präsident Pretorius begleitete ihn mit etwa 30 Mann unter Feldkornett Bodenstein. Zu Osspruit am oberen Zandflusse traf man auf das erste Lager der Freistaater. In derselben Nacht raubten die Kaffern die Herden dieses Lagers. Krüger sandte Feldkornett Bodenstein mit seinen Leuten hinter ihnen her, und es glückte diesem, den Kaffern das Vieh wieder abzunehmen. Von hier zog Krüger mit seinen Leuten über Winburg nach Bloemfontein.

Hier angekommen, erbot er sich, persönlich zu Masus zu gehen und einen Frieden mit ihm zu vermitteln. Die Regierung des Oranjefreistaates nahm dieses Angebot an und gab ihm General Fick und Marthinus Schoeman zur Begleitung mit. Masus wohnte auf dem Berg Thaba Bosigo. Am Fuße dieses Berges angekommen, sandte Krüger Botschaft hinauf zu Masus, daß er nicht gekommen sei, um gegen ihn zu kämpfen, sondern daß er mit ihm wegen des Friedens zu sprechen wünsche. Masus ließ zurücksagen: »Ich werde sofort kommen, um mit dem Herrn Krüger zu sprechen.« Krüger aber dauerte das zu lange, und er erstieg sofort den Berg, um direkt nach Masus' Stadt zu gehen. Als er mit seinen Begleitern die Höhe erreicht hatte, kam ihm Masus gerade entgegen. Magato, der Kaffernkapitän aus der Nähe von Rustenburg, den wir früher schon kennen gelernt haben, und der sich bei Masus befand, stellte Krüger vor, indem er sagte: »Das ist Paul Krüger,« worauf Masus ihm die Hand reichte und sprach: »Ist das Paul Krüger? Wie ist denn das möglich? Ich habe doch bereits so viele Jahre von ihm reden hören und bin nun schon so alt. Wie kann er da noch so jung sein?« Dann faßte er Krüger beim Arm und führte ihn nach seinem Hause in ein Zimmer, das kein Schwarzer betreten durfte, sondern das stets für den Empfang von Weißen bereit stand.

Nachdem einige Erfrischungen genommen waren, trat man sofort in die Verhandlungen ein. Krüger begann: »Warum schießt Ihr Euch doch wegen einer solchen Kleinigkeit einander tot? Warum setzt Ihr Euch nicht lieber friedlich auseinander? Ihr müßt doch einsehen, daß der Krieg Euch selber Schaden bringt. Ihr versperrt dadurch die großen Fahrstraßen auch für die anderen Nationen, mit denen Ihr in Frieden lebt«. Nach vielem Hin- und Herreden sagte Masus endlich: »Es ist wahr, was Du sagst, denn alles, was ich hier in meinem Hause brauche, muß ich von anderen Nationen beziehen. Und wenn die Wege durch den Krieg versperrt sind, kann ich natürlich auch nichts bekommen«. Hierauf fing er von etwas Neuem an: »Bist Du der Mann«, fragte er Krüger, »welcher Mapela von seinem Berge geholt hat?« Das bereits früher erzählte Strafgericht an Mapela war kurz vorher vollzogen worden. D. H. Krüger antwortete: »Ja«. Nun fragte Masus weiter: »Weißt Du denn auch, daß zwei meiner Töchter mit Mapela verheiratet waren?« Und nach einer kleinen Pause: »Du mußt nicht denken, daß es Deine Tapferkeit war, die den Mapela von seinem Berge geholt hat, sondern es war Gottes Fügung, die Mapela bestraft hat, weil er einen so gräßlichen Mord begangen hat«.

Da nun Masus bei jeder Gelegenheit von Gottes Fügung redete und fromme Worte gebrauchte, so sagte Krüger: »Aber wenn Du so gläubig bist, wie kommt es dann, daß Du mehr als eine Frau hast?« Masus antwortete: »Ja, ich habe so ungefähr zweihundert, aber das ist noch nicht halb so viel, als Salomo hatte«. Darauf Krüger: »Ja, aber weißt Du denn nicht, daß seit Christus und nach dem Neuen Testamente ein Mann nur eine Frau haben darf?« Masus überlegte und erwiderte dann: »Ja, was soll ich Dir sagen ... es ist eben die Natur«.

Am Abend ließ Krüger noch einmal Masus zu sich rufen. Masus kam, aber nun wie ein gewöhnlicher Kaffer gekleidet, d. h. ohne europäische Kleider. Als er hereintrat, rief ihm Krüger entgegen: »Wo bleibt Masus so lange, kann er nicht kommen, wenn ich ihn rufen lasse?« Masus antwortete: »Ich bin Masus.« »So«, sagte Krüger, »Du bist Masus? Wie kommt es dann, daß Du wie ein Weib gekleidet bist?« worauf Masus herzlich lachte.

Am Abend noch wurde zwischen Krüger und Masus eine Uebereinkunft getroffen, wonach der Krieg sofort aufhören sollte. Masus verpflichtete sich, seine Kaffern zurückzurufen, sobald er Mitteilung bekommen habe, daß der Oranjefreistaat das Uebereinkommen annähme. Ein Friedensdokument wurde aufgesetzt und am folgenden Morgen unterzeichnet.

Masus lud Krüger hierauf ein, noch etwas bei ihm zu verweilen, da er ihm ein schönes Reitpferd aussuchen wolle. Krüger nahm die Einladung an, obwohl seine Begleiter Fick und Schoeman nicht länger warten wollten und allein abreisten. Masus brachte dann ein ausgezeichnetes Reitpferd als Geschenk. Die Regierung des Oranjefreistaates genehmigte später den Vertrag, den Krüger mit Masus entworfen hatte. Damit war der erste Basutokrieg beendigt.

 

3. Paul Krüger als General im Felde gegen die Kaffernhäuptlinge Gasibone und Mahura.

Noch vor seinem Weggang aus Masus' Stadt erhielt Krüger von Präsident Pretorius die Nachricht, daß er direkt zurückkommen müsse, um als General (genauer: General-Assistent) mit einem Kommando gegen Gasibone, einen Kaffernhäuptling am Hartsflusse, zu ziehen. Dieser Häuptling hatte den Weißen ihr Vieh gestohlen, einige ermordet, eine alte Frau und ein Mädchen von 18 Jahren weggeführt. Sofort nach Empfang der Botschaft machte sich Krüger zu Pferde auf nach seinem Heim in den Magaliesbergen im Distrikte Rustenburg und legte in drei Tagen einen Weg von mehr als 50 Stunden zu Pferd zurück. Inzwischen hatte sich das Kommando bereits gesammelt und erwartete ihn in der Nähe von Klerksdorp, wohin er sich auch nach eintägigem Aufenthalt auf seiner Farm sofort begab. Am Sammelpunkte angekommen, fand er, daß die Bürger fast keine Munition und auch kein Schlachtvieh hatten. Trotzdem brach er sofort auf in der Hoffnung, unterwegs von Privaten beides bekommen zu können. Auch sandte er nach dem Oranjefreistaat mit der Bitte, ihn von da aus mit dem Nötigen zu versehen. Aber hier bekam er nicht viel, zumal er kein Geld hatte und gegen das Versprechen späterer Bezahlung kaufen mußte. Er fand aber doch ein Mittel, sein Kommando mit Fleisch zu versorgen, trotzdem er bei dem Mangel an Munition auch kein Wild schießen lassen konnte. Er ließ nämlich durch die Bürger Wild einkreisen, in die Buchten des Vaalrivier treiben und dort mit Stöcken tot schlagen.

Das ganze Kommando war ungefähr 200 Mann stark. Aber in der Nähe von Gasibones Stadt stieß Kommandant Piet Venter aus dem Oranjefreistaat mit ungefähr 100 Mann, Weißen und Farbigen, zu ihm. Bald zeigte sich, daß Gasibone zu einem seiner Unterhäuptlinge mit Namen Mahura geflüchtet war, der weiter aufwärts in der Hartsflußschlucht, einer Gebirgsgegend voller Schluchten, wohnte. Krüger ließ Mahura sagen, daß er im Anzuge sei, um Gasibone zu verfolgen und auf der Südseite des Hartsflusses entlang zöge, Mahura dürfe Gasibone nicht aufnehmen, oder müsse ihn gefangen nehmen und ausliefern. Nach Empfang dieser Mitteilung lieferte Mahura die alte Frau und das junge Mädchen, die von Gasibone weggeschleppt waren, durch Vermittlung seines Dolmetschers aus. Aber als das Burenkommando bis auf ein paar tausend Schritte an den Platz herangekommen war, wo man Gasibones Lager wußte, griffen beide Häuptlinge mit vereinigten Truppen die Buren an. Sie wurden geschlagen und flüchteten in die Felsen und Höhlen, die sich im Ueberfluß da fanden. Am folgenden Tag griff sie das Kommando hier an und jagte sie aus ihren Verstecken. In der Nacht darauf flüchtete Gasibone in der Richtung nach Britisch-Betschuanaland, wurde jedoch am Tag darauf von einer Patrouille im Buschwald eingeholt und fiel nach einem heftigen Gefechte. Ein Teil derer, die mit ihm waren, wurden gefangen genommen, aber später wieder frei gegeben.

Inzwischen ließ Mahura durch den Missionar, der bei ihm war, Krüger schreiben, er habe Unrecht gethan, indem er Gasibone geholfen habe, habe also Strafe verdient, bitte aber hiermit um Vergebung und wolle sich unterwerfen. Krüger ließ zurückwissen, daß er ihm alles gern vergeben werde, daß er aber kommen müsse, um Instruktionen über sein ferneres Verhalten zu empfangen. Mahura kam jedoch nicht selber, indem er vorgab, er sei zu krank, um reisen zu können, sondern sandte seine Unterkapitäne. Krüger ernannte ihn dennoch an Gasibones statt zum Haupt dieses Kaffernstammes. Das Vieh, das Gasibone geraubt hatte, mußte sofort ausgeliefert werden, was auch geschah. Nun zog das Kommando wieder heimwärts. Ein Jahr voll schwerster Arbeit lag damit wieder hinter dem jungen General.


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