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VI. Hauptstück.
Präsident Bürgers.

 

1. Der Streit um die Diamantfelder. Krügers Protest gegen das Schiedsgericht, zu dem sich Präsident Pretorius hatte bewegen lassen. Pretorius legt die Präsidentschaft nieder. Th. F. Bürgers mit großer Mehrheit trotz Krügers Agitation gewählt. Aussprache zwischen Krüger und Bürgers.

Im Jahre 1870 wurde der ganze Reichtum der Diamantfelder in Westgriqualand, Kimberley und im Westen der Südafrikanischen Republik, in der Nähe von Barkley West entdeckt. Präsident Pretorius ging persönlich nach den im Transvaal-Gebiete liegenden Feldern, um dort die Verhältnisse zu regeln, wurde aber von den englischen Gräbern, die sich da zusammengeschaart hatten, sehr unfreundlich empfangen. Diese Leute hatten bereits eigenmächtig eine Art von Republik gebildet mit einem gewissen Parker als Präsidenten an der Spitze und drohten Pretorius mit Krieg, falls er sie nicht in Ruhe lasse.

Pretorius beschwerte sich nun bei der britischen Regierung über das Verhalten ihrer Unterthanen, erhielt aber die Antwort, die Gründe, wo die Diamanten gefunden würden, gehörten nicht der Südafrikanischen Republik, sondern den Kaffernhäuptlingen Montsioa und Gasibone. Das war eine der falschen Behauptungen, wie sie die britische Regierung zur Hand hat, wenn sie ihr in den Kram passen, denn Gasibone war, wie vorher schon dargelegt, von der Regierung der Südafrikanischen Republik längst abgesetzt worden, und Kapitän Mahura war an seine Stelle getreten. Sein Gebiet lag innerhalb der Grenzen der Südafrikanischen Republik, worüber niemals auch nur der geringste Zweifel bestanden hatte oder gar Streit gewesen war. Auch Waterbur eignete sich von den begehrten Gründen nur auf englische Aufreizungen hin an; ein Recht dazu hatte er in keiner Weise.

Das Schiedsgericht und Krügers Protest dagegen.

Um aus den Schwierigkeiten herauszukommen, ließ sich Präsident Pretorius auf ein Schiedsgericht mit Mahura, Montsioa und Waterbur ein. Das war ein Fehler und sehr gegen Krügers Sinn, der von der Anschauung ausging, daß die Republik über ihren eigenen Besitz und mit ihren eigenen Unterthanen ein Schiedsgericht nicht nötig habe und auch nicht annehmen dürfe. Präsident Pretorius aber ersuchte Keate, den Gouverneur von Natal, den Schiedsrichter zu machen, und dieser erkannte sämtliche strittigen Gründe den Kaffernoberhäuptlingen als unabhängigen Besitzern zu.

Einer der Zeugen in dieser Sache war der Kaffernhäuptling Mohilo. Er wurde gefragt, ob er nicht auch geholfen habe, diese Gründe zu säubern und bewohnbar zu machen und deshalb einen Rechtsanspruch darauf erhebe. Er antwortete: »Geholfen habe ich wohl, aber ich zog immer nur hinter den Weißen her wie ein Schakal, der der Herde folgt, um zu sehen, ob er nicht hier und da ein Lamm erwischen kann.« Man sagte ihm darauf, daß er auch einen Teil der Gründe bekommen könne. Der Kaffer versank einen Augenblick in Nachdenken, dann erwiderte er: »Nein, Herr, ich fürchte, Malimo (Gott) wird mir zürnen. Als die Kaffern von Selikats uns mordeten, kamen die Weißen, von Malimo gesandt, zu unserer Rettung. Wie sollte ich nun den Fuß auf den Nacken meines Erlösers setzen?« Er sprach noch mehr und erinnerte daran, wie Selikats alte Leute abschlachten ließ, wenn er Aasvögel über seinem Kraal schweben sah, und sie den Aasvögeln vorwarf. Die Weißen, welche die Kaffern von diesem Scheusal erlöst hätten, wolle er nicht in ihren Rechten kränken.

Th. Fr. Bürgers wird Präsident an Pretorius Statt.

Die Regierung der Südafrikanischen Republik hatte eine Kommission ernannt, welche den Verhandlungen des Schiedsgerichtes beiwohnte. Krüger war Mitglied dieser Kommission. Sie protestierte gegen das Urteil des Gouverneurs Keate und reichte bei dem Volksrate einen Protest gegen das Vorgehen des Präsidenten Pretorias ein. Der Volksrat schloß sich diesem Proteste an, infolgedessen Pretorius sein Amt niederlegte. Der Protest hatte wenigstens die Folge, daß die Republik ein Stückchen ihres Gebietes behielt, den Teil nämlich, in dem das Dorf Christiania liegt.

Infolge des Rücktrittes des Präsidenten Pretorius mußte eine neue Präsidentenwahl stattfinden. Eine große Anzahl von Bürgern ersuchte Krüger, sich als Kandidaten aufstellen zu lassen. Er lehnte das aber ab und unterstützte mit seiner Partei den Präsidentschaftskandidaten Robinson. Der Gegenkandidat war Thomas François Bürgers. Dieser hatte kurz zuvor eine Rundreise durch das Land gemacht und wurde auch mit großer Mehrheit als Staatspräsident gewählt, trotzdem Krüger alle Kraft einsetzte, um Robinson zum Siege zu verhelfen. Die Vereidigung des neuen Präsidenten fand im alten Regierungsgebäude zu Pretoria statt.

Krüger und Bürgers als Gegner.

Krüger war dabei gegenwärtig. Nachdem der Präsident den Amtseid abgelegt hatte, nahm Krüger das Wort und redete ihn also an: »Hochedler Herr, ich habe mein Aeußerstes gethan, um Ihrer Wahl entgegen zu arbeiten. Hauptsächlich um Ihrer, meines Erachtens verkehrten religiösen Auffassung willen. Aber nachdem Sie nun durch die Mehrheit gewählt worden sind, unterwerfe ich mich als guter Republikaner diesem Votum des Volkes in dem Vertrauen, daß Sie gläubiger sind, als ich dachte, in welchem Falle ich Ihnen von Herzen Glück wünschen werde.« Der Präsident antwortete darauf: »Bürger, die ihr gegen mich gestimmt habt eures Gewissens willen, ihr seid mir ebenso lieb, wie diejenigen, die für mich gestimmt haben.« Viele Bürger kamen nun auf Krüger zu und sprachen ihm ihre Freude aus, daß er so offenherzig gesprochen hatte; man hatte gedacht, er werde seine Meinung verstecken.

 

2. Bürgers' Politik.

Präsident Bürgers war unzweifelhaft ein Mann von scharfem Verstande und sehr großen Gaben. Er versuchte so rasch als möglich die Regierung des Landes zu verbessern und Handelsbeziehungen mit dem Ausland anzuknüpfen. Außerdem lag ihm die Erbauung einer Eisenbahn von Laurenzo Marques nach Pretoria sehr am Herzen, und er unternahm eigens zu diesem Zweck eine Reise nach Europa, um Geld zu leihen. Mit dieser Anleihe hatte er zwar nur einen mäßigen Erfolg, aber es glückte ihm, in Europa ein paar hervorragende Männer zu finden, die er mit in die Heimat nahm; darunter z. B. Dr. Jorrison, der später dem Lande so viele nützliche Dienste erwiesen hat. Das Einzige, das man gegen die Regierung Bürgers anführen könnte, war das, daß er in seinen Ansichten zu sehr von seinen Bürgern verschieden war. Und das war nicht allein der Fall in religiösen Fragen, sondern auch bei anderen Dingen, die er für die Entwicklung der Republik für unentbehrlich erachtete, während seine Bürger anderer Meinung waren. Es muß zugegeben werden, daß die Republik in damaliger Zeit für die vielen großartigen Ideen von Th. F. Bürgers noch nicht reif war. Selbst wenn es ihm darum z. B. geglückt wäre, das Geld für die Erbauung der Eisenbahn von der Delagoabay nach der Republik zusammen zu bringen, so hätte man das doch nicht einen Erfolg nennen können, weil die Republik damals noch nicht genug entwickelt war, um eine solche Bahn gewinnbringend zu machen.

Seine der Zeit vorauseilenden Pläne und seine liberale Auffassung auf religiösem Gebiet erweckten ihm sehr bald eine Menge Gegner. Die Ursache aber, daß er so gut wie allen Einfluß verlor und bei der Mehrheit der Bürger geradezu unmöglich gemacht wurde, war der unglückliche Sekukunikrieg vom Jahr 1876.

 

3. Krieg mit Sekukuni.

Dieser Krieg wurde dadurch herbeigeführt, daß einer der Unterkapitäne Sekukunis das Vieh eines Bürgers, dem die Regierung in der Nähe von Sekukunis Stadt eine Farm in Pacht gegeben hatte, mit Beschlag belegte, und daß Sekukuni, als die Regierung ihm dieserhalb eine Botschaft sandte, eine brutale Antwort gab, seine Truppen zusammen berief und den Distrikt Lydenburg bedrohte. Die Republik war also gezwungen, Sekukuni zu einer Pflicht zurückzuführen. Präsident Bürgers wünschte persönlich das Bürgeraufgebot zu begleiten. Das ging Krüger sehr gegen den Sinn, weil er als Generalkommandant die Leitung dieser Expedition als seine Pflicht ansah. Er weigerte sich schließlich mitzugehen, wenn Bürgers auf der Begleitung des Kommandos bestehe. Als ihn Bürgers über die Gründe seiner Weigerung fragte, antwortete er: »Wenn Sie mitgehen, kann ich das Kommando nicht führen, denn wenn Sie abends im Lager fröhliche Gesellschaften halten und Sonntags Tanzunterhaltungen geben, so wird der Feind mich selbst hinter der Mauer totschießen, denn Gottes Segen kann da nicht auf unserem Zuge ruhen«. Bürgers meinte, er (Krüger) könne als Generalkommandant das ja verbieten, wenn es ihm zuviel erscheine. Aber Krüger antwortete: »Glauben Sie, daß die Bürger meinem Verbote gehorchen werden, wenn Sie als Präsident ihnen einmal das Beispiel gegeben haben?« Nun fragte Bürgers, wen er ihm denn als Fechtgeneral mitzunehmen riete? Krüger empfahl ihm zu diesem Amt Nikolaas Smit, den späteren Vizepräsidenten der Südafrikanischen Republik, und den früheren Präsidenten Pretorius. Bürgers gab dieser Empfehlung statt und rückte dann mit zwei ziemlich starken Kommandos gegen Sekukuni. Ehe man aber diesen selbst zu fassen bekam, wurde einer seiner Unterkapitäne Namens Magali angegriffen, der in einer abscheulichen Felsengegend wohnte. Es glückte dem Kommando, die Kaffern aus ihren Höhlen und Schluchten zu vertreiben, worüber Bürgers so in Ekstase geriet, daß er ausrief: »Nun habe ich Gibraltar in Händen«.

Von hier gings weiter gegen Sekukuni. Aber infolge von Zwiespalt und Mangel an Zusammenarbeiten mißglückte der Anfall auf dessen feste Stellung. Ein Teil der Bürger unter Kommandant Joubert von Pretoria war bereits in der Stellung drin, mußte sich aber wieder zurückziehen, weil er keine Unterstützung erhielt und, auf allen Seiten von 4-5000 Kaffern angefallen, in Kreuzfeuer geraten war. Dieser Vorfall in Verbindung mit anderen Ursachen bewirkte, daß die Unzufriedenheit immer mehr zunahm, und die Bürger sich endlich rundweg weigerten, weiter zu fechten oder länger zu bleiben. Und obwohl der Präsident seine ganze Beredsamkeit aufbot, um sie zurückzuhalten, glückte ihm das doch nicht, und er mußte das Kommando nach Haus gehen lassen. Er ließ jedoch drei starke Wachtposten von Freiwilligen unter einem Burenkommandanten und einem deutschen Offizier zurück, um Sekukuni im Schach zu halten, und dieser bat später um Frieden und bezahlte 1000 Ochsen als Kriegskosten.

 

4. Streit wegen der Kriegssteuern, welche der Präsident ohne Zustimmung des Volksrates auferlegt hatte.

Der Präsident und die Bürger waren aber unterdessen nach Hause gegangen, ohne daß der Krieg beendigt gewesen wäre. Die zurückgelassenen Wachen verursachten Unkosten, und der Präsident legte zu diesem Zwecke auf jeden Bürger eine besondere Steuer von 5 Pfd. Sterling (100 Mark). Diese Maßregel brachte ihn in heftigen Gegensatz zu Krüger, der diese Steuer als ungesetzlich betrachtete, weil sie ohne Zustimmung des Volksrates auferlegt war. Eine beträchtliche Anzahl der Bürger verweigerte denn auch die Bezahlung.

 

5. Shepstone, der englische Gouverneur von Natal, tritt mit seinen Annexionsplänen hervor. Krüger erbietet sich, alle Opposition gegen Bürgers aufzugeben, wenn er der Annexion entschlossen entgegenarbeite.

In der Sitzung des Volksrates im Jahre nach dem Kriege (1877) griff der Präsident die Bürger, welche die Extrasteuer nicht bezahlen wollten, heftig an und zwar in Gegenwart von Sir Theophilus Shepstone, dem englischen Spezialkommissar, der sich bereits damals in Pretoria befand, um zu sehen, wie er die englischen Annexionspläne zur Ausführung bringen könne. Krüger verteidigte die Bürger, welche die auf ungesetzliche Weise eingeführte Steuer verweigerten. In der Pause, während Krüger mit anderen Mitgliedern des Volksrates auf der Veranda stand, um zu plaudern, kam Präsident Bürgers auf ihn zu, schlug ihn auf die Schulter und sprach: »Herr Krüger, Ihr werdet doch nicht bestreiten wollen, daß die Bürger, welche die Steuern verweigern, sich in Rebellion gegen ihre Regierung befinden?« Krüger antwortete: »Ich bestreite das allerdings und zwar aus Gründen, die ich bereits dargelegt habe. Sie verweigern nicht ihre Steuern, sondern nur die besondere Steuer, die Sie ohne Vollmacht der gewöhnlichen Steuer hinzugeschlagen haben. Aber wäre es selbst so, wie Sie sagen, so möchte ich Sie doch fragen: Wäre es etwa ein Beweis von Liebe, wenn Sie ihre Frau, mögen Sie auch noch so viel Fehler von ihr wissen, in der Oeffentlichkeit vor ihren schlimmsten Feinden schlecht machen würden? Gerade das haben Sie aber gegenüber der Republik in Gegenwart ihres Feindes (nämlich Shepstones) gethan, was für mich ein Beweis ist, daß Sie die Republik nicht lieb haben, sondern sie hassen.« Der Präsident schwieg und verließ die Gruppe.

Annexionspläne.

Alle diese Schwierigkeiten, die der Präsident Bürgers durch seine eigene Schuld fand, wurden von den Engländern als Vorwand benutzt, um eine Annexion einzuleiten und zu rechtfertigen. Die große Mehrheit der Bürger auf dem platten Lande waren, wie bereits gesagt, mit der Regierung des Präsidenten unzufrieden, während die Dorfbewohner Der Bur redet immer von Dörfern, wo wir von Städten reden. Er kennt wohl Kaffernstädte, aber selbst die Hauptstadt ist ihm nur ein »Dorf«. D. H., die fast ausschließlich aus Fremden bestanden, und von denen ein großer Teil nicht einmal Bürger waren, zufrieden waren mit Bürgers Regiment, vor allem auch, weil sie hofften, daß die von ihnen geplante Bahnverbindung ihnen großen Nutzen bringen werde. Als sie nun bemerkten, wie groß die Opposition gegen ihn wurde, begannen sie allmählich sich mit dem Gedanken vertraut zu machen, daß eine Annexion durch die britische Krone nicht so übel sei. Sie waren's denn auch, von deren Seite Shepstone Denkschriften erhielt mit dem Ersuchen, das Land zu annektieren. Diese Denkschriften waren fast ausschließlich von Dorfbewohnern unterzeichnet.

Shepstone, Vertreter der englischen Regierung in Natal, der von seiner Regierung den Auftrag erhalten hatte, zu sehen, wie er das Land annektieren könne, begab sich von Natal mit einem Gefolge von 25 Mann auf den Weg nach Pretoria, um, wie er vorgab, mit der Regierung über Kaffernschwierigkeiten und andere Fragen zu verhandeln. Dabei sprach er offen aus, die Thatsache, daß die Republik Sekukuni nicht besiegt habe, sei für andere Kaffernstämme, auch für solche im britischen Gebiet, eine Anreizung, ebenfalls Aufruhr zu machen. Krüger, der die Absicht von Shepstone sehr wohl einsah, forderte von Präsident Bürgers, Shepstone mit seiner bewaffneten Leibwacht nicht in die Stadt kommen zu lassen, außer unter dem Geleite einer bewaffneten Bürgereskorte. Dieser Vorstellung gab aber Präsident Bürgers kein Gehör.

Krüger sucht Verständigung mit Bürgers.

Das war in derselben Zeit, als die Amtsdauer des Präsidenten abgelaufen war und eine neue Präsidentenwahl stattfinden mußte. Eine Menge Bürger ersuchten Krüger, sich als Kandidat aufstellen zu lassen, und obwohl er sich erst geweigert hatte, gab er schließlich doch nach, um der Unzufriedenheit ein Ende zu machen, welche die Bürger über diese Weigerung bezeugt hatten. Er stellte aber die Bedingung an die Wahlkomitees, daß seine Wähler, wenn Bürgers die Mehrheit bekäme, sich damit zufrieden geben und dem gewählten Präsidenten den schuldigen Gehorsam erzeigen müßten, um nicht offene Zwietracht entstehen zu lassen und den Engländern einen neuen Vorwand für ihren Annexionsplan zu liefern. Bereits in der ersten Woche, in welcher die Stimmlisten der Parteien (also noch nicht die offizielle Wahl) im Umlauf waren, erwies sich, daß Krüger eine starke Mehrheit hatte. Daraufhin ging er zu Präsident Bürgers und sagte zu ihm: »Präsident, ich verspreche Ihnen, die Mehrheit der Bürger auf Ihre Seite zu bringen, wenn Sie mir versprechen, kräftige Maßregeln gegen die Annexion zu ergreifen und die Unabhängigkeit zu verteidigen. Ist das Ihre Absicht, so müssen Sie das aber auch deutlich zeigen, damit ich mit Nachdruck die Bürger auf die Thatsache verweisen kann, daß die Unabhängigkeit unseres Landes kräftig gewahrt wird. Anderenfalls werden natürlich meine Argumente keinen Eindruck machen. Ich gebe meine Hand darauf, daß ich dann thun werde, was ich angeboten habe.« Bürgers versprach, zu thun, was in seinen Kräften stände, aber ehe es zu Neuwahlen kam, wehte die Flagge Englands über der einstmals freien Republik.

 

6. Konferenzen mit Shepstone. Frieden mit Sekukuni durch Shepstone hintertrieben.

Shepstone kam nämlich kurz darauf, am 21. Januar 1877, mit seiner bewaffneten Leibwacht und einigen Wagen in Pretoria an. Eine Anzahl leicht erregbarer »loyaler« Bewohner waren thöricht genug, ihm die Pferde auszuspannen und seine Wagen selbst nach dem Haus zu ziehen, wo er Wohnung nehmen sollte. Die Bevölkerung als ganze zeigte dagegen keine außerordentliche Erregung. Leute, die dabei waren und es also wissen können, behaupten, daß bei seinem Empfang keine 10 Bürger zugegen waren. Am 26. Januar 1877 fand die erste Konferenz zwischen dem Präsidenten mit seinem Ausführenden Rat und Shepstone statt. Dieser begann sofort über die »inhärente« (innere) Schwachheit der Republik und über die Thatsache, daß man Sekukuni nicht habe zu unterwerfen vermocht, zu sprechen. Er mußte, wie er sagte, infolge der von Weißen gegenüber den Kaffernhäuptlingen bewiesenen Schwäche fürchten, nun auch auf Ihrer Maj. Gebiet neue Schwierigkeiten von den Kaffern zu bekommen. Um diese Dinge näher zu besprechen, wurde von dem Ausführenden Rat eine Kommission gewählt, die aus Krüger und dem Staatsanwalt Jorissen bestand. Krüger weigerte sich aber entschieden, auf dieser Konferenz Dinge zu besprechen, welche die Unabhängigkeit der Republik berührten, und so verlief sie im Sande. Shepstone hatte außerdem auch verschiedene Besprechungen mit Präsident Bürgers, und dieser beschloß nun, den Volksrat zu einer außergewöhnlichen Sitzung zusammenzuberufen, die dann auch im Februar stattfand.

Frieden mit Sekukuni durch Shepstone hintertrieben.

Die erste Sache, die hier behandelt wurde, war das unterdessen eingelaufene Ersuchen des Kaffernoberhäuptlings Sekukuni um Frieden. Wie bereits erwähnt, hatte Präsident Bürgers nach der Zurückziehung der Bürgerkommandos verschiedene starke Freiwilligenkorps zurückgelassen, die dann Sekukuni so in die Enge brachten, daß er um Frieden nachsuchte. Das paßte nun aber Shepstone garnicht in seinen Plan. Denn wenn Frieden geschlossen wurde, würde ja das hauptsächlichste Argument, das er für den Anschluß der Republik an die britische Krone anführen konnte, hinfällig geworden sein. Er hätte dann nicht länger von der Unfähigkeit der Republik, der Kaffern Herr zu werden, oder wie er sich ausdrückte, von ihrer »inhärenten« Schwachheit reden können. Er wußte nun von Präsident Bürgers gegen Krügers Willen das Zugeständnis zu erreichen, zwei Abgeordnete an Sekukuni senden zu dürfen, um die Verhältnisse an Ort und Stelle zu untersuchen. Diese Zweimännerkommission, die aus Engländern bestand, brachte natürlich die erwünschte Antwort zurück, nämlich, daß Sekukuni nicht an Frieden denke. Diese Unehrlichkeit kam, wie sich bald zeigen wird, den Engländern teuer zu stehen.

 

7. Die Annexionsfrage im Volksrate. Krüger zum Vizepräsidenten gewählt.

Die zweite Sache, die zur Sprache kam, war die der Konföderation mit den britischen Gebieten Südafrikas. Es lag zu dieser Frage eine Menge von Eingaben vor, in denen sich die Bürger mit überwältigender Mehrheit gegen eine solche Maßregel erklärten. Auch Krüger hielt eine heftige Rede gegen einen solchen Plan, in welcher er sagte, daß die Konföderation nichts anderes bedeute als den Verlust der Unabhängigkeit.

Bürgers nahm nun zu einer krassen Maßregel seine Zuflucht. Er brachte nämlich heraus, daß verschiedene der heftigsten Opponenten im Volksrat die früher erwähnte Kriegssteuer von 5 Pfd. Sterling nicht bezahlt hatten, und versuchte nun diese Leute als Unwürdige aus dem Rat zu entfernen. Obwohl er hierbei durch den Staatsanwalt Dr. Jorissen unterstützt wurde, weigerte sich der Volksrat, seinem Ersuchen nachzukommen, was für Bürgers sicher ein schwerer Schlag war. Es scheint, daß dieser Vorfall den Ausschlag gab, um Bürgers zu der Anschauung zu bringen, daß ihm die derzeitige Konstitution der Südafrikanischen Republik nicht genug Macht gäbe, und daß er darum eine andere Konstitution wünschte, welche ihm mehr Macht verleihen sollte. Wenigstens entwarf er jetzt eine neue Konstitution, die er auch dem Rat vorlegte und worin die Einsetzung verantwortlicher Ministerien, eines Landesgerichtshofes und die Ausdehnung der Machtbefugnisse des Staatspräsidenten vorgesehen war. Zugleich wurde auch eine Veränderung im Wappen der Republik angebracht, indem ein Gnu hineinkam. Obgleich diese Maßregel im Volksrat zunächst den heftigsten Widerspruch fand, wurde die vorgeschlagene Konstitution endlich doch angenommen – das Volk als höchste Autorität verwarf sie später wieder – und vor dem Auseinandergehen des Rates Krüger auf Bürgers Antrag als Vizepräsident gewählt. Im Jahre 1873 hatte Krüger sein Amt niedergelegt und war aus dem Ausführenden Rate ausgeschieden, aber ehe er zuhause war, kamen schon Boten nach, um ihn zu bitten, seine Austrittserklärung zurückzunehmen, und so war er geblieben.

 

8. Die Annexion Transvaals.

Der Volksrat ging in nicht sehr fröhlicher Stimmung auseinander. Seine meisten Mitglieder fürchteten, daß der Faden, an dem das Damoklesschwert über dem Haupte der Südafrikanischen Republik hing, reißen und der selbständigen Existenz der Republik ein Ende machen werde. Obwohl manche gehofft hatten, daß die vielen neuen Maßregeln, die der Volksrat in seiner außergewöhnlichen Sitzung beschlossen hatte, die Gefahr abwenden würde, ergab sich doch bald, daß die Pessimisten Recht behielten. Shepstone schien nur die Ankunft des Hohen Kommissars Sir Bartle Frere abzuwarten, um zur Annexion der Südafrikanischen Republik zu schreiten. Im Anfang April 1877 kam dieser in Kapstadt an, und am 7. April bereits hatte Shepstone eine Unterredung mit dem Ausführenden Rat, worin er offen erklärte, daß er den Auftrag habe und willens sei, das Land im Auftrage der englischen Regierung zu annektieren. Krüger antwortete ihm sofort, daß er einer solchen Maßregel nie zustimmen werde, da er durch seinen Eid verpflichtet sei, die Unabhängigkeit der Republik aufrecht zu erhalten. Er müsse sich unterwerfen, wenn der Volksrat der Annexion zustimmte und ihn so von seinem Eide entbinde, aber anderenfalls nicht. Shepstone fragte ihn dann, wie lange es dauern würde, um den Volksrat zusammen zu berufen, worauf Krüger erklärte, er glaube, daß das innerhalb einer kurzen Zeit geschehen könne, wenn der Präsident sofort die Einladungen ergehen läßt. Hier trat aber Präsident Bürgers zwischen beide, indem er sagte, man dürfe nicht zuviel auf die Geduld Shepstones sündigen, wodurch also dieser Plan ins Wasser fiel. Dagegen schlug der Präsident Bürgers vor, sofort einen Protest gegen die Annexion aufzusetzen, so lange die Regierung der Republik noch bestände, und eine Kommission zu wählen, um diesen Protest nach England zu überbringen. Dieser Plan wurde auch ausgeführt; daß er Erfolg haben werde, hatte Bürgers von vornherein nicht angenommen, er war auch nicht in der Kommission. Unterdessen führte Shepstone am 12. April 1877 seinen Plan aus und annektierte die Republik.

Diese Annexion kann gar nicht scharf genug als widerrechtliche That Englands gebrandmarkt werden. Sie war in flagrantem Streit mit dem Zandriviertraktat von 1852, durch den England feierlich erklärte, die Unabhängigkeit der Südafrikanischen Republik unbeschränkt anzuerkennen und nie in das Gebiet nördlich des Vaalflusses übergreifen zu wollen. Aber sobald es die Gelegenheit dazu ersah, brach das perfide Albion sein feierliches Gelöbnis, wie es das immer gethan und auch noch immer weiter thut, wenn seinen Interessen damit gedient werden kann. Welches Unheil hat dieser Traktatbruch über Südafrika gebracht! Der gegenwärtige Krieg, der das ganze Land zu einem Trümmerhaufen gemacht hat, ganz abgesehen von den Hunderten von Männern und den Tausenden von unschuldigen Frauen und Kindern, denen er das Leben gekostet hat, mit einem Worte, dieser Krieg, in dem sich England auf so unzivilisierte und gemeine Weise betragen hat, daß es von allen zivilisierten Völkern verachtet wird, hat zum Teil seinen Ursprung in der Annexion von Shepstone. Ich sage zum Teil, denn der Krieg hat zwei Ursachen. Die erste und vornehmste ist der Reichtum der Republik an Goldfeldern und die zweite die »Rache für Amajuba«. Wäre aber Shepstones Annexion nicht gewesen, so wäre auch kein Amajuba gekommen und keine »Rache für Amajuba« nötig geworden.

 

9. Protest des Ausführenden Rates gegen die Annexion.

Den erbitternden Einfluß, den die Annexion auf das Verhältnis der beiden Nationen haben mußte, hat auch der Ausführende Rat der Südafrikanischen Republik vorausgesehen und darum folgenden Protest gegen die Annexion eingereicht:

»Nachdem Ihrer Britischen Maj. Regierung im Zandriviervertrag des Jahres 1852 die Unabhängigkeit des Vaalrivierlandes feierlich garantiert hat, und nachdem die Regierung der Südafrikanischen Republik sich nicht bewußt ist, Ihrer Maj. Regierung irgend einen Grund zu einer feindseligen Handlung gegeben zu haben, oder daß irgend eine Veranlassung zu einer solchen Gewaltthat vorliege; nachdem diese Regierung sich stets bereit gezeigt hat und noch bereit ist, alles zu thun, was von ihr mit Recht und Billigkeit verlangt werden kann, und damit alle Ursachen zur Unzufriedenheit, die vorhanden sein mögen, aus dem Wege zu räumen; im Hinblick darauf, daß sie sich wiederholt vollkommen bereit erklärt hat, mit Ihrer Maj. Regierung Verträge zu schließen oder Verbindlichkeiten zu übernehmen, wie sie etwa für die allgemeine Sicherheit der weißen Bevölkerung Südafrikas erforderlich erachtet werden, und gewillt ist, derartigen Verbindlichkeiten genau nachzukommen; in Hinsicht darauf, daß nach der öffentlichen Erklärung von Ihrer Maj. Kolonialminister Lord Carnarvon bei der britischen Regierung nicht die Absicht besteht, das Volk der Südafrikanischen Republik gegen seinen Willen unter ihre Obrigkeit zu zwingen; nachdem das Volk in seiner großen Mehrheit durch Denkschriften und auf andere Weise seinen Willen deutlich dahin ausgesprochen hat, daß es dazu nicht geneigt ist; und nachdem sich die Regierung überzeugt hält, daß sie nicht im stande ist, der Uebermacht Großbritanniens gegenüber die Rechte und die Unabhängigkeit des Volkes mit dem Schwerte zu verteidigen und außerdem, bevor nicht erst das letzte Mittel versucht worden ist, auf friedlichem Wege und durch freundschaftliche Vermittlung die Rechte des Volkes sicher zu stellen, keinesfalls einen Schritt zu thun beabsichtigt, durch den die weißen Einwohner Südafrikas, zum ganzen Unheile der ganzen christlichen Bevölkerung Südafrikas, angesichts des gemeinsamen Feindes mit einander in Uneinigkeit oder in feindliche Berührung kommen würden, so protestiert die Regierung gegen diese Handlungsweise des Spezialkommissars Ihrer Maj. aufs Entschiedenste und beschließt gleichzeitig, eine Kommission von Abgeordneten unverweilt nach Europa und Amerika zu senden mit der Vollmacht und Weisung, sich nötigenfalls durch eine dritte Person zu ergänzen, um in erster Linie den Versuch zu machen, die Interessen und Wünsche des Volkes Ihrer Maj. bekannt zu machen, und wenn dies keinen Erfolg haben sollte – was die Regierung sehr bedauern würde und vor der Hand noch nicht glauben möchte, – sodann die freundschaftliche Hilfe und die Vermittlung anderer Mächte anzurufen, und zwar zunächst derjenigen, welche die Unabhängigkeit unseres Staates anerkannt haben. Zu Mitgliedern der Kommission werden ernannt die Herren S. J. P. Krüger, Vizepräsident und Mitglied des Ausführenden Rates, und Dr. E. P. Jorissen, Staatsprokureur der Südafrikanischen Republik.«

Dr. Jorissen wurde auf Krügers Wunsch gewählt, da er ein Rechtsgelehrter war und Krüger gern jemanden bei sich haben wollte, der fremde Sprachen sprechen konnte.

Mit der Einsetzung dieser Deputation hörte der Ausführende Rat auf zu bestehen. Präsident Bürgers zog sich in seine Heimat (Kapkolonie) zurück; die Republik hatte keinen Präsidenten mehr. An seiner Stelle mußte Krüger handeln, dem als Vizepräsidenten auch unter anderen Umständen gesetzlich die Führung der Staatsgeschäfte anstelle des außer Landes gegangenen Präsidenten zugefallen wäre.


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