Karl Kraus
Kanonade auf Spatzen
Karl Kraus

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1931

März 1931

Wichtigkeit!

Mit jedem Wort, das die Zunft von sich gibt, ließe sich dieses Monstrum von Schwachsinn, Frechheit, Analphabetismus und Verlogenheit, das sich da als öffentliche Meinung gebärdet und nachgerade mit ihr kongruent sein dürfte, entwurzeln. Wenn die Menschheit durch das Gedruckte, das ihr tagtäglich angetan wird, nicht eben gänzlich kretinisiert wäre, müßte sie's spüren und mit dem Wisch, der ihr jeweils vor die Augen kommt, den Erzeugern um die Ohren schlagen, anstatt in Devotion vor ihnen zu ersterben. Man betrachte zum Beispiel das Folgende. Ohne Zweifel kann ein Heimwehrmann auch das Objekt einer unwahren Behauptung sein, ja es kann sogar geschehen, daß sich bei der Lüge des Linksjournalisten die Balken, deren Größe seine Titellettern haben, biegen. Kein Grauen vor der Welt der Starhemberg, Stumpf und Steidle wird mir den Schüttelfrost vor einer freiheitlichen Journalistik benehmen, die doch den Urquell allen Übels bildet. Da hat die ›Wiener Allgemeine Zeitung‹, das Blatt, das nicht in allen Teilen die Schönheit zu pflegen pflegt, in Titellettern, die buchstäblich drei Zentimeter groß waren, die Nachricht gebracht:

Starhemberg darf nicht nach Tirol.

Landeshauptmann Dr. Stumpf verbietet die Einreise.

Egal, wie man zu dem Faktum stehen mag und ob einem der Hader der Bodenständigen, mit dem die fremdrassige Presse seit Monaten ihre Spalten füllt, zum Hals herauswächst – für das Blatt, das die Nachricht in Lettern bringt, die die Zunft »Katastrophenlettern« nennt und die das Ereignis, wenn nicht erzeugen, so doch vergrößern, war es eines. Daß eine tatsächliche Mitteilung vorlag, der der Betroffene gemäß dem Berichtigungsgesetz entgegnen kann, ist einleuchtend; daß er nach diesem das Recht auf gleich große Entgegnungslettern hat, ist bekannt. Das Blatt mußte also der Feststellung Raum geben, es sei unwahr,

daß Starhemberg nicht nach Tirol darf

und daß

Landeshauptmann Dr. Stumpf seine Einreise verbietet.

Wahr sei vielmehr

daß Starhemberg sich seit 18. Februar in Tirol aufhält

und daß

Landeshauptmann Dr. Stumpf niemals die Einreise verboten hat.

Was tut man da? Ganz einfach:

Das Preßgesetz zwingt uns zu den riesigen Lettern, mit denen wir eine keineswegs riesenhafte Angelegenheit behandeln müssen. Ob sich Herr Starhemberg in Tirol oder sonstwo aufhält, ist für die Öffentlichkeit so unwichtig, daß man nur sagen kann: schade um die Druckerschwärze!

Und offenbar den Leser schon für so völlig vertrottelt halten darf, daß er sich nicht erinnern werde, in welchen Lettern man die Angelegenheit behandelt hat, daß er vielmehr vermuten möchte, die für die Öffentlichkeit so unwichtige Tatsache sei ganz nebenher in winzigen Lettern gestreift worden und ein wahnwitziges Preßgesetz zwinge die arme Redaktion, der Entgegnung in so riesenhaften Lettern Raum zu geben; wahrscheinlich weil es sich um einen Fürsten handelt. Man hat offenbar recht, diese Geistesverfassung beim Leser anzunehmen; mindestens spürt er nicht die Selbstverhöhnung eines Gewerbes, dessen Ausüber zuerst »Sensation!« rufen und wenn sie sich als Lüge herausstellt, zu ihrem Inhalt nur noch »Wichtigkeit!« sagen; einer Profession, die in dem Augenblick, wo ein wahrer Sachverhalt denselben Raum beansprucht wie der unwahre, »nur sagen kann: schade um die Druckerschwärze!« Aber diese Erkenntnis kommt nicht bloß in dem einen Fall zu spät, wo die Frage, ob sich Herr Starhemberg in Tirol oder sonstwo aufhält, für das Blatt an Wichtigkeit so viel verloren hat. Wenn sie am Eingang jedes journalistischen Beginnens stände, und wenn der Schmock sich gewöhnte, achselzuckend »Wichtigkeit!« zu sagen, bevor er sich eine Nachricht aus den Fingern saugt und nicht erst, wenn ihm auf diese geschlagen wurde, so würde eine Öffentlichkeit, die ihre Belästiger zu schützen vorgeben, aufatmen. Ob Herr Starhemberg sich in Tirol oder sonstwo aufhält, ist für diese Öffentlichkeit sicherlich unwichtig. Wichtig für sie wäre, daß sich der Schmock nirgends aufhält.

 

Und so schreiten denn die beiden deutschen Brüder Hand in Hand der Sonne entgegen,

es flimmert uns vor den Augen von Bruderschaft, Weggenossenschaft, Schicksalsgemeinschaft, während im Schatten nationalökonomisch geschulte Sektionschefs anderer Konfession um Tachles kämpfen. Ist das alles noch mit Nerven, die an Autohupen gewöhnt sind, zu ertragen? Gibt es das wirklich, daß Staatsmänner, also doch erwachsene Leute, sich durch Tage ins Treuauge blicken und Sätze zueinander sprechen, persönlich, telegraphisch, mikrophonisch, deren Bravheitsgehalt vifere Knaben der Vorkriegszeit zum Schulstürzen gereizt hätte? Oder ist es wieder ein Wunder der Technik, daß zum tausendsten Male derselbe Gehirnschleim appretiert werden kann, Wörter, deren Inhalt völlig ausgeraucht ist, so permutiert werden können, daß Schall und Schwall vor einem internationalen Forum zur »Kundgebung« wird? Wenn da nicht von der neueren Journalistik her Fettaugen wie »stimmungsmäßig«, »ein Erleben«, »gefühls- wie verstandesmäßig« auf der gedanklichen Bettelsuppe schwömmen – glaubt man wirklich, daß man mit derlei noch Staat und gar zwei Staaten für ein Volk machen kann? Will man uns wirklich einreden, daß bei Dingen, die den Export betreffen, kein Auge trocken bleibt, wenn etwas, was aus deutschem Herzen kommt, »zu deutschem Herzen klingt«? Daß sich einer, der auf zwei Tage nach Wien fährt, vom Geiste deutscher Geschichte und deutscher Kultur »umfangen« fühlt; daß er hören wird, wie wir hier »den Pulsschlag der Funktion des Herzens im großen deutschen Bruderreiche vernehmen« (Schober); daß es »unvergeßlich bleiben« wird, wie man zusammen auf unsere Kosten gespeist hat, und daß auf dem Bahnhof den Bruder das Gefühl überkommt, »vom Bruder Abschied zu nehmen«? Ja, ja, ja, wir sind »ein Volk, das zusammengehört«, die Sprache eint uns und vor allem deren unsägliche Mißhandlung; wir wissen es. Man vertiefe die Gemeinschaft, so tief man kann, wenngleich's mit dem Ausbauen schon hapert. Ohne Zweifel, deutsch ist unser Boden seit undenklichen Zeiten, deutsch unser Wesen und »Sinnen«. Grenzmark, Ostmark, Reichsmark, Blutsbrüderschaft, Singen und Sagen, Fremdenverkehr, Lande, etwas Wirtschaft und regionale Zusammenfassung, Befriedung, Lichtbild, schönes Weichbild, alter Kulturboden, Natur der Dinge, auch die Goldene Bulle von 1356 mag Interesse wecken. Aber wenn uns gesagt wird, daß die Tage in Wien Feiertage sind, weil es »ein Besuch in der deutschen Heimat« sei, so gäbe es doch, wenn man in Berlin bleibt, nichts als Feiertage! Aber es ist ja doch einfach nicht wahr, daß auf dem Westbahnhof Nibelungengefühle erwachen, das alles gibt es ja nicht, und es bleibt nur zu erkennen, daß diese deutsche Welt, die unaufhörlich das Bedürfnis hat, sich ihres Deutschtums zu vergewissern, einen Weg genommen hat, der, wie der Leitartikler sagt, »immer höhere Tragweite gewinnen muß«, nämlich wenn man die Geistigkeit eines Bismarck-Satzes mit der Mammutfibel vergleicht, die sich einem in den Empfangsreden, Trinksprüchen und Abschiedsgrüßen dieser untrennbaren Staatsmannschaft eröffnet. Liest man es gedruckt, so kann man's nicht fassen, daß es so was gibt und daß man davon regiert wird. Hört man's dann von Schallplatten, so staunt man über das Wunder einer Technik, die sich dem geistigen Inhalt nicht widersetzt hat.

Der Zug steht bereit, uns wieder nach Hause zu weiterer ernster Arbeit zurückzuführen.

Die Eisenbahner haben nichts dagegen. Beim Aeroplan wär's unvorstellbar. Aber selbst der Postillon hätte gebeten, ihm doch nicht so etwas zu erzählen!

 

Optimist und Hellseherin

(Die Wiener Anwesenheit der Hellseherin Mme. Leila.) In auswärtigen und in der letzten Zeit auch in Wiener Tagesblättern war die Nachricht enthalten, daß die Hellseherin Mme. Leila vor kurzem vom Vizekanzler Schober und vom Minister Ing. Winkler gerufen worden sei, um sich von ihr die Zukunft voraussagen zu lassen. Hiezu wird mitgeteilt, daß die bezüglichen Zeitungsnachrichten vollkommen aus der Luft gegriffen und vermutlich zu Reklamezwecken ausgestreut worden sind. Übrigens wurde Mme. Leila kurz nach ihrem Eintreffen in Wien als lästige Ausländerin aus sämtlichen Bundesländern abgeschafft. Sie hat gegen dieses Abschaffungserkenntnis Berufung eingelegt, über welche noch nicht endgültig entschieden ist.

Was hätte sie ihm auch voraussagen sollen? Daß er seine Pflicht erfüllen wird? Das weiß er selbst. Und überhaupt, wozu braucht ein Optimist eine Hellseherin? Sie wurde also nicht gerufen, »um sich von ihr die Zukunft voraussagen zu lassen«. Es sind Ausstreuungen, über die man zur Tagesordnung schreitet, und nichts ist an ihnen erheblich außer dem Kauderdeutsch, in dem sie amtlich zurückgewiesen werden. Die Zukunft kann sich Herr Schober auch im Inland voraussagen lassen, zum Beispiel von mir; ich würde ihm sagen, daß sie ihm bevorsteht und daß noch die Kindeskinder einer polizeilichen Weihnacht von ihm sprechen werden. Wegen der Beziehungen Winklers zur Nachwelt bin ich nicht so ganz zuversichtlich. Was sich da übrigens als »sämtliche Bundesländer« aufspielt, um eine »lästige Ausländerin« abzuschaffen! Vermutlich hat sie einst der k. u. k. Monarchie vorausgesagt, daß ihr diese letzte Machtverfügung gegenüber Angehörigen eines Auslands bleiben werde, von dem sie abgeschafft wird.

 

Demnach

war es durchaus angemessen, noch an dem Abend des Tages, wo man den Eisenbahnräubern knapp auf den Fersen war, zu verlautbaren, die Erhebungen seien augenblicklich

auf einem toten Geleise angelangt.

Woraus sich freilich für eine primitive Phantasie, die schon aus einer Metapher wie »Brunnenvergiftung« falsche Schlüsse gezogen hat, der Anreiz zu dem Gerücht ergeben mochte, daß es bei dem Bahnattentat doch Tote auf dem Geleise gegeben habe. In diesem Zusammenhang mag es frommen, darauf aufmerksam zu machen, daß, wenn man schon »letzten Endes« diese furchtbare deutsche Neubildung hinnehmen muß, es doch gut wäre, dem folgenden Wirbel aus dem Weg zu gehen:

Ebensowenig wird in Abrede gestellt, daß die Begehung der Strecke eine letzten Endes unzulängliche war.

 

Der faule Zauberer

Nie, seitdem der Planet besteht, hat es tagtäglich so viel »Gerüchte« und so viel Besprechungen mit »Vertrauensleuten« – zu denen ich nicht gehöre – gegeben wie um den Reinhardt herum, dem ich kürzlich in Moabit – in Sachen Kerr – Gelegenheit hatte in die Pupille zu blicken. Er wußte von nichts. Aber er weiß, daß täglich über ihn etwas in der Zeitung stehen wird, was so wahr ist wie das Gegenteil. Ich vermute, die ganze Welt kotzt bereits, aber sie muß, aus unerforschlichem Ratschluß, durchhalten. Denn wie keine andere der europäischen Attrappen braucht diese ihre tägliche Beglaubigung. Mit »Schall und Rauch« hat es begonnen, und nun heißt's weitermachen. Häuserspekulationen, artistische Luftgeschäfte und die besondere Zauberregie, der eine prostituierte Gesellschaft Professuren, Doktorate und sonstige Ehren in Fülle verleiht. Ob das »Reinhardt-Seminar« – unvorstellbar der Unfug, der da getrieben werden mag, wenn's nicht ein Wahngebilde ist – »aufgelöst« wird; ob er die »Fledermaus« – haste Kunsttat! – geben wird, in Wien, London, Riga, Kalkutta, oder nicht, das ist das Spannende. Wie bisher durch Hunger und durch Liebe, scheint Natur das Getriebe nunmehr durch diese Fragen zu erhalten. Denn weil, was ein Professor spricht, nicht gleich zu allen dringet, so übt sie halt die Mutterpflicht und sorgt, daß nie die Kette bricht und daß der Reif nie springet. Das ist von Schiller und betrifft die »Taten der Philosophen«, in deren Reihe die Frankfurter Fakultät den Mann aufnahm, der durch Nichtssagen sich's verdient hat. Unausdenkbares würde geschehen, wenn die Kette bräche. Täglich erhebt sich bang die Frage: Was tan mr jetzt? Aber es kommt immer wieder was, sei's ein seltner Vogel oder Amnionshorn, oder ein Mann, der in die Villa eindringt und behauptet, er sei der Reinhardt. Es ist der stärkste Fall einer in Glorie verzauberten Pleite, den die Menschheit bis dato erlebt hat. Ein Schwarm von Analphabeten besorgt es in jedem Blatt, und da erfährt man sogar:

Die Wiener Erstaufführung soll während der Festwochen im Juni stattfinden. Die Bühne, auf der die »Fledermaus« gegeben werden wird, steht noch nicht fest.

Offenbar wackelt sie bereits.

 

Der Nobelpreis

wird vom Hermann Bahr im Neuen Wiener Journal wie folgt verteilt:

29. Januar. Der Nobelpreis für Literatur fiel jetzt Sinclair Lewis zu. – – Soviel ich weiß, hat man dabei bisher Österreich immer übergangen, vor Jahren kam Rosegger dafür in Frage, doch vergebens. War Hofmannsthal so hoher Auszeichnung nicht würdig, ist es Artur Schnitzler, ist es Richard Beer-Hofmann, ist es Felix Salten, ist es Karl Schönherr, ist es Wildgans, ist es Werfel, ist es Stephan Zweig nicht? Es sind unter uns offenbar zu viele, denen der Nobelpreis gebührt, und man zieht in diesem embarras de richesse vielleicht, um keinen zu kränken, lieber Amerika vor, dort fällt die Wahl ja nicht schwer.

Sicherlich fällt sie in Österreich schwerer, aber Salten scheint doch der aussichtsreichste Kandidat. Wenn er ihn noch nicht bekommen hat, so liegt wieder der Grund in der Vielfältigkeit seines Schaffens und also darin, daß die Preisrichter sich nicht einigen können, für welches seiner Werke er ihn verdiene. Noch hier macht sich ein starker embarras de richesse fühlbar. Die einen sind mehr für die Jüdelnden Hasen, die andern finden, daß nichts über die Josephine Mutzenbacher geht. Wieder andere jedoch meinen, daß ein Büchlein den Vorzug verdiene, das zwar nicht auf eine so große Gemeinde zählen kann wie die Werke, mit denen der Autor durch Erschließung der Tier- und Kindesseele unser Gemüt anspricht, das aber in Interessentenkreisen sich doch bereits durchgesetzt hat. Es heißt »Teppiche«, ist »allen Freunden dieser unentbehrlichen Gewebe« gewidmet und bei Fischer erschienen, zwar nicht bei S., aber bei Emanuel, dem Inhaber eines Reklamebüros, das nur für erstklassige Firmen arbeitet und nur erstklassige Federn beschäftigt. Dieser Umstand kann jedoch nicht über den rein dichterischen Antrieb der Schöpfung hinwegtäuschen. In dem hübsch ausgestatteten, fackelrot gebundenen Werkchen wird ausdrücklich einbekannt, es sei »ja nicht Zweck dieser kleinen Schrift, für die Firma J. Ginzkey in Maffersdorf Reklame zu machen.« Aber wer wäre denn je auf solchen Verdacht gekommen?

Die kann bei ihrem fast hundertjährigen Bestehen wirklich auf eine derartige Reklame verzichten. Und mich haben lediglich die Teppiche interessiert.

Dieses rückhaltlose Bekenntnis hat indes die mutwillige Firma – wie Firmen nun einmal sind – nicht abgehalten, Bildchen mit Texten einzulegen wie:

Einem wirklich guten Teppich schadet auch Nässe nichts.

Oder:

Solch ein einfacher Läufer wirkt elegant und hält schon was aus!

Denn es ist eine Erfahrungstatsache, daß Firmen, die wirklich auf eine derartige Reklame verzichten können, es trotzdem nicht wollen und unter Umständen sogar vor einer Verbindung mit der Literatur nicht zurückschrecken, besonders wenn sie etwas vom Fach versteht. Und wer würde es hier bezweifeln? Salten bekennt, daß ihn der Betrieb in Fabriken seit jeher interessiert habe. Auch »zu Maffersdorf« sei es ihm so gegangen:

Nur daß dort der Eindruck doch ein bißchen stärker war. Denn von Teppichen weiß ich nämlich ein bißchen was, habe im Orient und in Rumänien die Teppichknüpferinnen an ihrer Heimarbeit gesehen, weiß auch ein weniges von der Geschichte des Teppichs, die interessant und geheimnisreich genug ist, und verstehe einiges von den Teppichen selbst.

Den eingelegten Bildchen entspricht demnach ein umgebender Text, der auf den ersten Blick den Fachmann und Eingeweihten verrät. Und daß er wirklich von dem bekannten Burgtheaterkritiker und Penklub-Präsidenten stammt, geht unverkennbar aus Sätzen wie den folgenden hervor:

Ja, lieber Himmel, wer hohe Preise zahlen kann und will, wer sich ganz besondere erlesene Exemplare zu leisten vermag, wird vielleicht gelegentlich etwas Gutes erwischen. Teppiche, die aus der Vorkriegszeit stammen oder von noch früher her. Vielleicht. Denn auch da sind Täuschungen wie Enttäuschungen selbst für den Kenner nicht ganz ausgeschlossen.

Von solchen könnte für den Stilkenner nicht die Rede sein. Zweifelhaft bleibt nur, ob unter den hohen Preisen die der Teppiche, die der Autoren eines Reklamebüros oder die Nobelpreise zu verstehen sind, derer sie von Kirchenvätern im Neuen Wiener Journal würdig befunden werden. Aber im Ernst bleibt zu fragen, ob eine Erscheinung wie dieser Felix Salten, der auf Pirschgängen mit Bekessy das Waldesweben belauscht hat und »anläßlich einer Vortragsreise nach Maffersdorf kam«, um nichts zu suchen und sich von der Firma Ginzkey noch in das Geheimnis der mechanischen Teppichweberei einführen zu lassen, als publizistischer Machthaber und literarischer Würdenträger möglich wäre in den Gegenden, wo er die Teppichknüpferinnen an ihrer Heimarbeit sehen konnte.

 

Ein Geständnis

Kerrs, den ein kommunistisches Blatt – wie es sich gehört – über seine »Stellung zu den Nationalsozialisten« befragt hat, unter dem Titel »Bereit sein!«

Das letzte Mittel ist nicht mehr geistig. Ich bin gewissermaßen »Pazifist solang es geht«. (Obgleich ich mit dieser Losung in einem Teil des vierjährigen Schwindelkriegs wallungsmäßig Irrtümer beging, die ich nicht wiederholen würde.)

Wird anerkannt. Aber warum zahlt er nicht das wallungsmäßige und dennoch relativ hohe Honorar, das er von Scherl für die Irrtümer empfing, den Invaliden zurück? Die 20.000 Mark, die ich für diesen wohltätigsten Zweck und als entsprechendste Buße von ihm verlangt habe, und mit denen er doch selbst den Wert seines Autorrechts an den Gottlieb-Gedichten beziffert? Hat er's nicht, so bin ich bereit, es durch Vorlesungen aus seinen eigenen Schriften aufzutreiben, wenn er die einstweilige Verfügung zurücknimmt, durch die er eben solche verbieten ließ. Er schleicht von Reue getrieben um den Tatort, hat hellhörig selbst das todbringende Gerassel aus Piscators »Rivalen« erlauscht, aber wenn man ihn dann auch nur ziviliter fassen will, um seinem Gewissensdrang entgegenzukommen, ist er auf und davon. Dann macht er vor dem sogenannten Kadi deutsches Männchen, das hingerissen war. In der Nußschale des Gerichtszimmers, wo ich alle diese Autoritäten, die Reinhardt, Wolff, Hollaender vor mir reduziert fand, sinkt der kritische Machthaber zum Schacher herab, steht da wie einer, der sich selbst an die Wand gestellt hat, an die Wand eines Schulzimmers, und zittert in Klammerwendungen nach. Hingerissen war er, pro Wallung 50 Mark! Nicht wiederholen möcht er's. Aber er ist wieder einmal dafür, daß andere bereit sind . . . Bis in die letzte Faser ihrer bürgerlichen Gesinnung hinein sollte sich die kommunistische Literatenschaft schämen, es zu drucken!

 

Schöne Literatur

Die schöne Literatur

Eine literarisch-kritische Monatsschrift / Herausgeber: Will Vesper
Eduard Avenarius Verlag G. m. b. H., Leipzig N 22

25. 10. 30

Sehr geehrter Herr!

Der Inhalt des anliegenden Sonderdruckes ist von äußerster Wichtigkeit! Wir erbitten für diese Angelegenheit auf das Nachdrücklichste Ihre Aufmerksamkeit. Ohne Zweifel werden viele Zeitschriften und Zeitungen zu diesem Aufsatz Stellung nehmen müssen. Wir wären Ihnen daher verbunden, wenn auch Sie in der »Fackel« sich dazu äußern würden und bitten Sie, uns Ihre Stellungnahme zugänglich zu machen.

Aufs neue zeigt dieser bedeutsame Aufsatz, welche Richtung »Die schöne Literatur« seit einiger Zeit, die zuvor geübte Reserve verlassend, eingehalten hat: nicht Zersetzen, sondern zielbewußtes Aufbauen und entschiedenes Eintreten für deutsche Dichtung und deutsches Volkstum ist unsere Aufgabe. Um diese größere Nähe zu den literarischen Dingen der Gegenwart auch äußerlich stärker zu kennzeichnen, wird »Die schöne Literatur« vom Januar 1931 an unter dem Titel »Die neue Literatur« erscheinen.

Wir bitten Sie, uns Ihr Interesse auch in Zukunft zu bewahren, und verbleiben

in ausgezeichneter Hochachtung
Schriftleitung                  
Die schöne Literatur            

NB: – – möchten wir diese Kritik ins Positive dadurch erweitern, daß wir eine Anzahl Namen nennen, deren Träger für uns Verkörperer des wesentlichen deutschen Schrifttums sind: – – – – Hans Watzlik u. a.

 

Wien, 7. November 1930

An

Die schöne Literatur
Herausgeber Will Vesper

Leipzig N 22

Sehr geehrter Herr!

Wir bestätigen mit dem besten Dank für Ihre freundliche Absicht den Empfang Ihrer Zuschrift vom 25. 10., in der Sie uns die Namen nennen, deren Träger, u. a. Hans Watzlik, für Sie Verkörperer des wesentlichen deutschen Schrifttums sind, uns auffordern, uns zu einer Ihrer Publikationen, deren Inhalt von äußerster Wichtigkeit sei, zu äußern, und uns auch mitteilen, daß Sie, um die größere Nähe zu den literarischen Dingen der Gegenwart auch äußerlich zu kennzeichnen, »Die schöne Literatur« von nun an »Die neue Literatur« nennen wollen. Wir können aber leider nur antworten, daß die Äußerungen, die in der Fackel erscheinen, in keinem Falle durch äußere Anregung zustandekommen und daß Sie sich auch mit einem Programm, wonach nicht Zersetzen, sondern zielbewußtes Aufbauen verlangt wird, an die unrichtige Adresse gewandt haben. In diesem Sinne wollen wir Ihnen freilich nicht verhehlen, daß wir zu der Änderung des Titels »Die schöne Literatur« in »Die neue Literatur« durchaus positiv stehen.

Mit vorzüglicher Hochachtung
Der Verlag der Fackel      

 

Ehre seinem Andenken!

Selbstmord eines Droschkenkutschers. Gestern erhängte sich der 62jährige Droschkenkutscher Friedrich Grosse in Potsdam, nachdem er vorher sein Pferd gefüttert hatte. Nahrungssorgen waren die Ursache seines Freitodes.

Er war tausendmal mehr wert als sämtliche Ernährungspolitiker der Nation in zwei Staaten. Die fressen dem Pferd die Nahrung weg, um ein freies Leben zu führen.

 

Mai 1931

Kinder als Zeitungsleser

Unter dieser Spitzmarke, die den höchsten Triumph bekennt, dessen der Fortschritt habhaft werden konnte, stellt das zufriedene Zentralorgan der Sozialdemokratie fest, daß man die nachteiligen Wirkungen der Sensationsberichterstattung auf den »gesunden Jugendlichen« – welches Wort nach Bonzenfrohsinn schmeckt –, überschätzt habe. Denn er

frißt zwar sehr viel in sich hinein, verarbeitet es aber doch nur in seiner Phantasie, nicht in seiner Moral.

Es werden also weniger Mörder als Schmöcke gezüchtet. Nun wolle jedoch »eine großzügige und objektive Rundfrage des Deutschen Instituts für Zeitungskunde« – denn das gibt es und es ist nicht bloß eine Abteilung des Instituts für kriminalistische Forschung – »noch tiefer schürfen« und festzustellen versuchen,

wie es um die Zeitungslektüre des werdenden Menschen steht, dessen Geist sich erst bildet . . .

Hunderttausend Fragebogen wurden ausgesandt, indem es sich ja doch von selbst versteht, daß die Jugendlichen statt des Wintermärchens die Generalanzeiger, Vorwärtse und sonstigen Papiere fressen, deren andere Bestimmung, nämlich erfrorene Füße einzuwickeln, mir kürzlich eine gutmütige Toilettefrau auf dem Prager Flugplatz vermittelt hat, die es an Menschlichkeit und Sinn für Lebensdinge mit sämtlichen Staatsmännern, Publizisten und sonstigen Mißbrauchern des technischen Fortschritts aufnehmen dürfte. Die »Jugendlichen von zwölf bis zwanzig Jahren« wurden also ausgefragt, ob sie eine Tageszeitung und welche sie lesen, ob sie gar mehrere lesen, »welche Teile der Zeitung interessieren dich am meisten und warum«, ob die Tageszeitung im Schulunterricht herangezogen werde – denn das kommt auch schon vor – und »was hältst du persönlich von der Zeitung?«. Der Zweck dieser Fragen sei leicht ersichtlich, meint das Zentralorgan. Nicht etwa, um schon jetzt zu erkennen, daß die Gehirnmasse der Menschheit sich in fünfzig Jahren in Brei und Jauche verwandelt haben wird, sondern es sollte im Gegenteil einmal

der offiziellen Einführung der Zeitungslektüre in den Unterricht vorgearbeitet werden, wie von der sozialdemokratischen Pädagogin Dr. Wegscheide-Ziegler mit guten Gründen propagiert wird.

Für die Dame, die da offenbar einen Herkulesentschluß gefaßt hat – und Vorkämpferinnen führen zumeist einen Doppelnamen – wäre ich ausnahmsweise zu sprechen. Vor allem aber soll sich »ein Bild von dem Verhältnis der Jugend unserer Zeit zur Presse« ergeben, so etwas wie ein »Querschnitt« – das liebt man jetzt – »durch die gesamte geistige Situation der jungen Generation«. Ohne Zweifel muß es doch interessant sein, zu erfahren, wie viel junge Gemüter sich noch für Kerr, wie viele sich schon für Hildenbrandt erwärmen, ob sie in der Politik mehr dem Wolff oder dem Hussong folgen, wie sie gierig aufnehmen, was unser O. K. am Radio erlauscht hat, und ob sie mehr von den täglichen Bulletins über Reinhardt, Jannings, Zuckmayer in Spannung gehalten werden oder durch das, was die sozialdemokratische Presse der Bourgeoisie an Schlafwagenabenteuern abzugewinnen vermochte; wie sie die Sittlichkeit von den Gerichtssaalberichterstattern und die Sprache von den Analphabeten im allgemeinen erlernt haben. Das erfreuliche Ergebnis der Rundfrage zeigt die Tatsache,

daß es unter den Jungen und Mädchen von heute fast überhaupt keine »Nichtzeitungsleser« gibt.

Aber nicht etwa, daß sie bloß das »Tagerl«, die herzige Filiale des ›Tag‹ goutieren, nein, solche Kindereien überlassen sie jenen Jugendlichen, die vom Alphabet noch den ersten Buchstaben wiederholen müssen – sie fressen vielmehr alles in sich hinein, was die Erwachsenen fressen.

Von 1854 höheren Schülern zwischen zwölf und achtzehn Jahren teilen nur 27 mit, daß sie keine Zeitung lesen; 1356 sind regelmäßige, 471 unregelmäßige Leser, 437 lesen mehrere Blätter. Und mehr als 200 lesen nicht die in ihrer Familie gehaltene Zeitung, sondern ein andres Blatt, eine bemerkenswerte geistige Selbständigkeit.

Wobei es das zufriedene Zentralorgan gar nicht interessiert, ob diese Revolutionäre nicht vielleicht dem ›Vorwärts‹, an dem sich die Eltern weiden, schon den ›Völkischen Beobachter‹ vorziehen oder die schwerindustrielle ›Börsenzeitung‹, was freilich durch die fesselnde Mitarbeit eines Wiener Genossen entschuldigt wäre.

Besonders interessant sind die Zahlen bei den Volksschülern. Von 435 Jungen einer Berliner Gemeindeschule lesen nur drei keine Zeitung, 274 lesen regelmäßig und 158 gelegentlich,

offenbar im Fall des Lustmordes,

62 lesen nicht das Blatt ihrer Eltern, 56 interessieren sich ständig auch für andre Blätter.

Man muß doch auf dem Laufenden sein. Es folgt die Statistik der Volksschülerinnen, dann noch die der Berufsschüler.

Warum Zeitung gelesen wird, ist oft recht hübsch begründet . . . Die politischen Argumente finden sich am meisten.

Es ergebe sich das Bild einer »Generation von werdenden Staatsbürgern«. Die Unfallchronik wird hauptsächlich von Mädchen gelesen:

Sie lesen merkwürdig gern die Berichte über die Katastrophen, Straßenunfälle, Selbstmorde, Morde und ähnliches.

Auf die Frage, warum dieses Thema sie besonders interessiert, erfolgte – nebst Mitleid und anderen Motiven – die Antwort:

»Weil es so schön schaurig ist.«

Die Herren vom Institut hatten erwartet, daß Romane und Heiratsanzeigen besonders interessieren würden, aber nein, die stehen erst an neunter, respektive an vierzehnter Stelle. »Der moderne Lehrer weiß«, resümiert das Zentralorgan mit Genugtuung,

daß die Zeitung ein unentbehrliches Hilfsmittel für jede Erziehungsarbeit darstellt . . .

Ganz abgesehen von der optimistischen Dummheit, die hier stillschweigend auch die Lektüre der kapitalistischen Zeitung als proletarischen Erziehungsfaktor einsetzt, wird doch bei solcher Gelegenheit die volle Hoffnungslosigkeit einer Kulturbetrachtung plastisch, die die Verbreitung des giftigsten aller Bürgergifte, der Druckerschwärze, für einen Fortschritt erachtet und den »Jugendlichen« als eine Kreuzung von Fußballer und Schmock präparieren möchte. Unter ihnen allen aber, die dem Institut für Zeitungskunde antworten mußten, tönt nur den wenigen, die schon in früher Jugend stolz bekennen, »Nichtzeitungsleser« zu sein, glaubhaft die Parole von den Lippen, die ihnen ergraute Bonzen beigebracht haben: »Wir sind jung und das ist schön!« Denen könnte man vielleicht noch das Wintermärchen vorlesen.

 

Wichtigkeit!

sagt, wie im Fall Starhemberg dargestellt war, die ›Wiener Allgemeine‹, wenn ihr eröffnet wird, daß sie sie einer Unwahrheit beigemessen habe. Sollte man glauben, daß sie mit mir, dem Darsteller dieser Prozedur, das gleiche wagt? Ich weiß wohl, daß eine Angelegenheit, die mich betrifft, nur eine Mücke ist in dem Weltgetriebe der täglichen Schmockerei und von einer Publizistik, die am sausenden Webstuhl der Zeit sitzt, auf kurzem manuellem Wege abzutun. Denn was ist das schon gegen die Kokolores der Theatergeschäftswelt! Über einen Beleidigungsprozeß (dessen Akten bei weitem nicht so geschlossen sind, wie die bürgerliche Justiz und ihre sozialdemokratischen Klienten vermuten) bringt nun die Allgemeine – Magazin der Lasten, die das schlechte Gewissen der Arbeiter-Zeitung von sich wälzt –, einen Bericht, der so viele Lügen als Sensationslettern enthält. Selbstverständlich bekommt sie eine niet- und nagelfeste Berichtigung, in der – ich bin nun einmal so – ihr auch nicht ein Jota der Unwahrhaftigkeit durchgeht. Man bringt, weil man muß. Etwas dazusetzen, ist schwer, etwas aufrecht halten wollen wäre letal. Aber irgendwie muß man doch vor den Lesern, die nun in den gleichen Sensationslettern die Wahrheit zu lesen bekommen, Haltung bewahren. Da hilft ein Titel:

Sorgen eines deutschen Dichters.

Daß die Materie, die hier behandelt wird, nicht meine Sorge, sondern die des Lügners war, welche ich doch keineswegs provoziert habe, und daß es eine durchaus legitime Sorge ist, die Unwahrheit, die ein anderer behauptet, durch Wahrheit auszutilgen, das werden die Leser, stupidisiert wie sie sind, schon nicht merken. Es ist immer das Nämliche. Einer rennt durch die Straßen und ruft »Feuer!« Macht man ihn aufmerksam, daß es nicht brenne, ruft er »Wichtigkeit!«, und der andere steht vor der Menge, die sich angesammelt hat und es so gern hört wie den Alarm, als Querulant da, total betroppezt, wie sie sagen. Gegenüber der Kulturkatastrophe, die wir durchmachen und deren Folgen noch gar nicht abzusehen sind, jener tiefsten Ursache aller »Sorgen«, aller Not und allen Haders: nämlich dem Phänomen, daß die private Dummheit oder Unsauberkeit ihre Vervielfältigung und Autorisierung erfahrt, gäbe es, solange die Technik nicht auch die Individuen sichtbar macht, nur das Mittel, sie einzelweis herbeizuwinken und – ohne Gewaltanwendung, so sittlich diese gegen die tausendfache Gewalt der mechanisierten Lüge wäre – das Individuum durch einen ausdauernden Blick in die Pupille zu verwirren und für künftige Fälle abzuschrecken. Der letzte Schmock würde doch in camera caritatis nicht zu äußern wagen, was er coram publico beherzt von sich gibt. Ich bin bereit, meine Exklusivität abzulegen und den Persönlichkeiten milde zuzusprechen: »Aber nicht wahr, etwas so Saudummes, wie Sie da schreiben wollen, das werden Sie doch vor mir nicht über die Lippen bringen? Also wollen wir's auch nicht in Druck legen, Doktorchen, nicht wahr?« Wenn er dann noch »Wichtigkeit!« sagt, geb ich's auf.

 

Zum Kotzen

»Ich bin sehr froh, wieder in Wien zu sein. Diese Stadt ist so schön und jede Beifallskundgebung so herzlich, daß man sich immer wieder freuen muß, einige Tage hier verbringen zu können. Vor allem muß ich heute noch ins Griechenbeisel gehen und abends zum Heurigen. Das sind Wiener Eindrücke, die man sofort wieder in sich aufnehmen muß

Aber ist uns nicht, als ob uns der Herr Jannings das schon hundertmal erzählt hätte und gleich ihm alle andern Lieblinge, die hier ankommen? Wie oft noch? Gewiß, das gibt es erst, seitdem ich's bemerke. Vor dem Krieg war's ein Schnupfen, jetzt ist's die Pest. Kann man sich vorstellen, daß noch eine Zeit kommen wird, wo Liebling, Schmock und Leser derlei nicht mehr verbreiten und wo jener sich wieder mit zwanzig Mark Spielhonorar bescheidet?

 

Gesagt, getan

Emil Jannings bei der Aufführung der Beer-Schüler,
beim Heurigen und im Griechenbeisel

Den gestrigen Tag hat Jannings wieder dazu benützt, seine beiden Wiener Lieblingsplätze, das Griechenbeisel und den Heurigen, zu besuchen.

 

Abends war Jannings

im Akademietheater bei der Aufführung der »Wienerinnen« durch die Schauspielklasse Doktor Beer. Jannings fand an den Darbietungen der jungen Schauspieler sichtlich großes Gefällen und erwähnte, daß

auch er zum erstenmal in einer Schülervorstellung in Liegnitz in Schlesien aufgetreten sei und daß bei dieser Aufführung der große Matkowsky anwesend war.

Ähnlich ist nun der Besuch von Jannings bei dieser Aufführung, es bleibt nur die Frage, ob wieder ein Jannings in dieser Aufführung entdeckt wurde.

Möglich, aber kaum ein Matkowsky. Die Ähnlichkeit liegt entschieden darin, daß auch dieser schon bei Tag den Heurigen aufzusuchen pflegte.

 

In der Nacht war Jannings

in der »Femina«. In seiner und seiner Gattin Gussy Holl Gesellschaft befanden sich – –

 

Frag'!

Die Frage, ob Jannings gern in Wien ist, findet er müßig zu beantworten, so sehr hat er sich in diese Stadt eingelebt. »Sie wissen doch«, sagt er, »wie sehr ich diese Stadt liebe, so daß jedes Wort überflüssig ist.«

Also wozu fragen sie ihn dann jedesmal?

 

Psychoanalyse

Der bekannte Seelenarzt Dr. Rudolf Urbantschitsch

der tiefschürfend über infantile Sexualität sprach und »inspirierte« (also von Gott eingegebene) »Ausführungen über den Anteil der Kultur zur Entstehung der Neurosen« machte, und von dem auch selbst etwas zu viel die Rede ist,

prägte den Satz: Die Neurose ist das Wappen der Kultur.

Sehr schön, aber es laufen derzeit schon weit mehr Heraldiker als Adelige herum.

 

Wie zu Hause

fand es Hasenclever in Hollywood:

Berthold Viertel holte mich ab, wir fuhren gleich zu seiner Villa am Meer, und nach drei Tagen und vier Nächten bekam ich zum erstenmal wieder anständig zu essen. Da war seine Frau, die prachtvolle Salka mit ihren drei Söhnen, ein riesiger Schäferhund, eine Bibliothek und ein Bild von Karl Kraus. Es war wie zu Hause.

(Hat denn Hasenclever ein Bild von mir?) Sodann trat Greta Garbo ein und hierauf ein Erdbeben. Hasenclever nahm eine Katze auf den Arm und tröstete sie.

»Arme Katze«, sagte ich, »es war ja nur ein Erdbeben«. Greta sah es. »Mich auch«, bat sie. Ich setzte die Katze auf die Erde und nahm die Garbo auf den Arm.

(Vor meinen Augen!)

»Arme Greta«, sagte ich, »es ist ja vorbei«.

Da tat die Katze das einzig Richtige. Sie lief zu ihrer Schüssel und trank Milch. Ich ging zum Teetisch, goß Sahne in eine Untertasse und reichte sie Greta. Und sie machte es genau wie die Katze. Dann waren wir alle glücklich. Das war ihre beste Rolle.

Wie anders man sich Hollywood vorstellt! Und es ist wie zu Hause.

 

Was aus Theaterkindern wird!

»Hamlet« in Feldgrau.

Interessantes Inszenierungsexperiment in Trier.

Aus Trier wird uns berichtet: Intendant Ferdinand Skuhra und Bühnenbildner Kurt Hedrich haben im Stadttheater Trier einen neuen Versuch einer »modernen« »Hamlet«-Inszenierung unternommen. Man hatte versucht, die Stilbühne mit einer etwas zu opernhaften Barockszene zu verbinden, schuf eine kostümliche Form, die sich als eine Zusammenstellung preußischer Militäruniformen und ziviler Mode aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts sowie in Feldgrau und Stahlhelm präsentierte. Das Bild war interessant, bewegt und gekonnt gestaltet. Aber diese Inszenierung erwies sich, weil man anscheinend vergessen hatte, daß Shakespeares »Hamlet« schließlich und endlich doch eine dramatische Handlung ist, nur als ein Schau-Spiel, nicht als eine erlebnisstarke dramatische Gestaltung. Das Publikum nahm diese Neuinszenierung mit zwiespältigen Gefühlen auf.

Als Knabe ging ich an einem Zettel des Theaters an der Wien vorbei, der mich durch die Besetzung anzog:

Der nagende Wurm               kl. Skuhra

Ist das der? Solche Sachen macht er jetzt?

 

Reinhardt gratuliert Wildgans,

Wildgans gratuliert Treßler, und wem immer dieser gratuliert, immer sind Schneiderhan und Seitz hinterher, für alle gibt es eine offizielle Feier und eine nicht-offizielle Feier, über die aber auch Berichte ausgeschickt werden, und mindestens fette Titel übers Gratulieren, alle kommen in die Zeitung, ob ihnen gratuliert wird oder ob sie selbst gratulieren, sie wechseln ab, Jannings und Veidt sind auch dabei, weil sie grad da sind, die Argentina kommt ahnungslos an, aber sicher gratuliert sie auch, denn nicht alle Tag wird einer sechzig, aber weil alle Tag einer sechzig wird, so gratulieren sie halt, trifft's wen's trifft, tagtäglich wird den ganzen Tag gratuliert, so daß man eigentlich nicht weiß, wo in Wien die Leut die freie Zeit hernehmen, um das zu leisten, wofür sie einander unaufhörlich gratulieren.

 

Und 's is alles nicht wahr, und 's is alles nicht wahr!

lautet der Refrain eines Nestroy'schen Couplets, dem ich, wie ich endlich gestehen muß, durch die Jahre in weitem Bogen ausgewichen bin. Die bloße Vorstellung, zu diesem Couplet aller Couplets, das mich durch alle Träume mahnt, Zusatzstrophen machen zu sollen, ist niederwerfend und das Beginnen wäre gleichbedeutend mit dem Entschluß, mich unter den hunderttausend Zeitdokumenten, deren kleinster und wahrscheinlich ungewichtigerer, nur von Laune und Zufall aufgegriffener Teil zweiunddreißig Jahre der Fackel füllte, lebendig begraben zu lassen. Man wird sich damit begnügen müssen, den Refrain einmal als Epilog oder Epitaph zu verwenden.

 

August 1931

Assimilation

ist im politischen Zusammenleben oft zu beobachten. Der markanteste Fall dürfte der einer Angleichung unserer Sozialdemokratie an die Schoberwelt sein, die sich nunmehr sogar auf die sprachlichen Normen erstreckt. Daß die sozialistische Studentenschaft die Rektorate der Wiener Hochschulen ersucht, gegen Gewalttäter »rücksichtslos die Polizeigewalt in Anspruch zu nehmen«, dagegen wäre natürlich von keinem Standpunkt aus etwas einzuwenden, mag es auch der Presse des Rowdytums eine Erinnerung an jenen 15. Juli nahelegen, und es hätte höchstens, wenn's politisch noch erlaubt wäre, mit schroffer Abhebung von dem Walten einer Polizeigewalt zu geschehen, deren »alte Gegner« wir sind. Aber verblüffend ist der völlige Verlust dieses Gedenkens bis zur Übernahme des ehedem mit Recht verpönten Polizeijargons. Die rücksichtslose Aufbietung der Polizeigewalt soll

gegen diese Elemente

erfolgen, und die sozialistische Studentenschaft verspricht, daß sie bei allen Bemühungen die Rektoren

voll und ganz

unterstützen werde. Mehr kann man schon wirklich nicht verlangen, und es ist eben nur daraus zu erklären, daß sie sich in ihrer Stellung hinter Schober in nichts mehr von den Konzeptsbeamten unterscheiden wollen. Fehlt nur noch, daß statt Freiligrath Rückert zitiert wird. Zur politischen Anpassung auch sprachlich sein Scherflein beizutragen, grenzt jedenfalls an Pflichterfüllung.

 

Markstein und Nasenstüber

Der Freisinn dagegen spricht so:

Und die Schaffung dieses Marksteins auf dem Wege zur wirklich demokratischen, allen Staatsbürgern auch praktisch gleiches Recht gebenden Republik Österreich, diesen empfindlichen Nasenstüber für alle reaktionären Dunkelmänner, die da glaubten, es gebe kein Gewissen und keine Mannhaftigkeit mehr, danken wir Ihnen, hochverehrter Herr Regierungsrat.

Auch geloben sie:

Es wird uns immer eingedenk sein, wie Sie als einziger

der dann mit den »Denkern und Führern der großen französischen Revolution« verglichen wird. Unterzeichnet ist es von der »Kanzlei der Deutsch-Demokratischen Hochschülervereinigung«, einem Vorsitzenden und einem Führer solcher Schrift. Das Demokratische wäre hinreichend beglaubigt; im Deutschen werden wohl, wenn erst die Ruhe fürs Studium wiederhergestellt sein wird, noch Fortschritte erzielt werden. Von den Christlichsozialen liegt keine Kundgebung vor. Sonst bekäme man gewiß zu lesen, daß ihnen die Lorbeerreiser eingedenk sind.

 

Die Sprache der Deutschen in Österreich

Der Rassenstreit in deutschen Ländern, der noch eine Berechtigung hätte, wenn eine der andern Rasse die Verhunzung ihrer Sprache zum Vorwurf machen könnte, müßte längst mit dem Einverständnis beendet sein, daß keine der beiden die Sprache des Landes sprechen kann, und höchstens noch ein Streit darüber möglich, welche von beiden sie ärger verhunzt. Sicherlich ist die jüdische Presse vor allem als Sprachverderberin der Ausrottung wert, aber was soll andrerseits der Ruf »Deutschland erwache!« für einen Sinn haben, wenn die Bodenständigen außer diesem und dem entgegengesetzten Imperativ keine schwierigere Konstruktion bewältigen können? Die deutschchristliche Presse wird doch nicht im Ernst glauben, daß sie mit der deutschen Sprache eine intimere Beziehung unterhält als die andere, die die Weltanschauung der Kleinen Schiffgasse zu kultureller Geltung bringt? In keiner Sprache der Welt wäre es möglich, daß die Wortführer der öffentlichen Meinung sie so wenig beherrschen oder ihr so sorglos dienen, wie es rechts und links in der deutschgeschriebenen Presse der Fall ist. Daß ein Pariser Bäcker besser französisch spricht als der Wiener Zunftgenosse deutsch, versteht sich von selbst; aber er beschämt darin auch den deutschen Leitartikler. Das geringste, was man von Deutschnationalen verlangen könnte, wäre, sollte man meinen, daß sie deutsch sprechen. Aber sie legen im Gegenteil nicht den geringsten Wert darauf, in diesem Punkt es den Fremdrassigen zuvorzutun. Die sogenannte »Dötz« betätigt jeden andern nationalen Ehrgeiz eher als den, das kostbarste Gut der Nation vor dem Zugriff der ›Neuen Freien Presse‹, des ›Tag‹ und der ›Arbeiter-Zeitung‹ zu schützen. Daß in diesem eigenartigsten aller Staatswesen ein ehemaliger Justizminister bei einem Straßenradau zu tun hat, muß weiter nicht auffallen. Aber noch weniger fällt auf, daß der Herr Dr. Hueber seinem Blatt die folgende Schilderung gibt:

Auf der Lastenstraße, hinter dem Rathaus, bedrängte die Polizei den Zug der demonstrierenden Studenten. Als hiebei eine kleine Gruppe in den Park auf dem Friedrich Schmidt-Platz ausweichen wollte, riegelte die Polizei den Park ab und drosch mit Gummiknütteln rücksichtslos von rückwärts auf die sich bereits auf dem Abmarsch befindliche Menge . . . Polizisten auf Krafträdern fuhren in die Menge, ohne Rücksichtnahme auf die Sicherheit der Leute.

Die sich dort befindliche Polizei dürfte wohl den Hakenkreuzlern zarter entgegengekommen sein, als diese allerorten der deutschen Sprache. Schon »nach rückwärts« ist dem Sprachgefühl entgegengerichtet; »von rückwärts« kann man nicht einmal geschlagen werden, geschweige denn schlagen. Er wollte sagen »von hinten«. Das einzige deutsche Wort ist »Krafträder«. Welch ein Bild des Jammers, von deutschen Männern auf die sich bereits auf dem Rückzug befindliche deutsche Sprache so rücksichtslos von rückwärts ohne jede Rücksichtnahme auf die Fremden gedroschen zu sehn!

 

Großmann macht mir eine Szene

Eine alte Beziehung, lange Zeit ein gespanntes Verhältnis, artet nunmehr in einen Briefwechsel aus (ich habe es nicht gewollt):

Stefan Großmann         22.5.31.

Berlin-Charlottenburg 9
Eichenallee 64      
Westend 8874      

  An den Verlag
        Die Fackel
          Wien III.
Hintere Zollamtsstr. 3

Am heutigen Tage traf die beiliegende Nummer der Fackel hier ein, in der ein Artikel, der Herrn Großmann betrifft, rot angestrichen ist. Herr Großmann befindet sich zur Zeit im Ausland. Da ich annehme, daß er an dem Artikel kein Interesse hat, sende ich Ihnen die zugesandte Nummer anbei zurück.

Hochachtungsvoll
– –            
Sekretärin      

 

6. Juni 1931

An Fräulein – –
Sekretärin des
Herrn Stefan Großmann

Berlin-Charlottenburg 9
Eichenallee 64      

Sehr geehrtes Fräulein!

Sie teilen uns mit, daß ein Heft der Fackel, worin ein Artikel, der Herrn Großmann betrifft, rot angestrichen sei, bei Ihnen eintraf, und senden das Heft an uns, da Sie annehmen, daß Herr Großmann, der sich zur Zeit im Ausland befinde, an dem Artikel kein Interesse habe. Selbst wenn es so wahr sein sollte, daß Herr Großmann an dem Artikel kein Interesse hat, wie daß er sich zur Zeit im Ausland befindet; wenn Sie also seine Intention erraten haben sollten anstatt sein Diktat zu empfangen, so verstehen wir noch immer nicht, warum Sie uns all dies mitteilen und uns das Heft zusenden. Wir können uns nun allerdings denken, daß Sie uns für den Absender des Heftes halten. Diese Meinung würde aber auf einem Irrtum beruhen, und wir senden Ihnen deshalb das Heft, das jedenfalls weit eher dem Adressaten als uns zugehört, wieder zurück. Nichts könnte dafür sprechen, daß gerade wir das Heft an Herrn Großmann, an den der Herausgeber der Fackel noch nie eine Zuwendung außer der in dem Artikel erwähnten gemacht hat, gelangen ließen. Freilich halten wir es nicht für unwichtig, daß er die Fackel liest, aber wir sind überzeugt, daß wir dafür nicht erst durch deren Einsendung sorgen müssen, sondern daß Herr Großmann sich die Fackel kauft, wenn er sie nicht, wie es eben diesmal geschehen ist, von wohlmeinender Seite geschenkt bekommt. Ihre Annahme, daß er an dem Artikel kein Interesse habe, ist ganz gewiß nicht zutreffend, es wäre denn, daß er nach flüchtigem Überblick sich davon überzeugt hätte, daß der Artikel im Wesentlichen kaum mehr als einen Nachdruck von Unsauberkeiten enthält, die dem Herrn Großmann ohnedies aus seinem Buche bekannt sind. Wie immer dem aber sei, und selbst wenn ein Heft, das einen Artikel über Herrn Großmann bringt, wegen starker Nachfrage vergriffen wäre, so wären wir doch nicht in der Lage, es uns von ihm spenden zu lassen. Die bemerkenswerte Tatsache jedoch, daß es dem Herrn Großmann von irgendeiner Seite, die ihn auf dem Laufenden erhalten will, zugesandt wurde, hätte keineswegs des Beweises durch Vorzeigung bedurft. Wir senden Ihnen deshalb das Heft zurück, nicht ohne den Rat an Herrn Großmann, es entweder, sobald er aus dem Ausland heimkehrt, zu lesen, da es ja auch noch andere interessante Beiträge enthält als denjenigen, der ihn nicht interessiert, oder wenn er überhaupt kein Interesse dafür haben und auch nicht imstande sein sollte, den Absender ausfindig zu machen, es an einen Interessenten weiterzugeben. Schließlich möchten wir bemerken, daß der gewiß erhebliche Umstand, daß sich die Fackel nach langer Ablenkung wieder einmal ausführlicher mit Herrn Großmann befaßt hat, noch immer nicht den Übermut rechtfertigt, mit uns in brieflichen Verkehr zu treten.

Hochachtungsvoll    
Der Verlag der Fackel.

 

»Keine Schwachköpfe mehr!«

plaudert der Schäker der Neuen Freien Presse. Aber man kann für die Rubrik unbesorgt sein. Es handelt sich um Versuche an Kindern, so daß vielleicht erst die kommende Lesergeneration die Wirkung verspüren wird.

 

Die Analphabeten

So wird auch jetzt vielfach behauptet, daß August Lederer bedeutende Vermögenswerte seiner Firma auf sein Privatkonto geschrieben hat, was der Struktur seiner Betriebe gemäß rechtlich ohne weiteres möglich war, und daß er jetzt einfach die Regelung anderen überläßt, während er selbst sein Schärflein im Trockenen hat.

Nur ein Schäflein als Beitrag zum Kapitel journalistischer Bildung.

 

Dezember 1931

Die Enthüllung

Nicht daß Politik und Publizistik dieses unerträglichsten aller Staatswesen und dieser geduldigsten aller Völkerschaften einen einzigen Misthaufen bilden; nicht daß Schmutz zutagekommt, wenn ebenda Bewegung der Parteien eintritt – nicht solches ist die Enthüllung. Darin besteht sie, daß sie selbst sie vornehmen, um vom Schmutz abzulenken, in welchem sie doch »letzten Endes« – das nun bald keine Phrase mehr sein wird – geeinigt bleiben. Nicht darin besteht sie, daß, wie in allen Ressorts neuzeitlicher Betätigung, so vor allen im politischen Handwerk Unsauberkeit und Unfähigkeit prominent sind; sondern darin, daß auch die Frechheit von Dummköpfen am Ruder ist, die die Opfer blödmachen wollen. Daß Preßlumpen Trinkgeld abkriegen, um zu beten und nicht zu fluchen, wenn Banklumpen stehlen gehn, ist keine Enthüllung. Aber die sittliche Einhelligkeit, mit der sie sich entrüsten – die, die nichts bekommen haben, mit denen, die genommen haben –; der Ruf nach Nennung der Namen in der Zuversicht, daß er nie erhört wird; die phraseologische Treffsicherheit, mit der sie einander der Lumperei beschuldigen, in dem gegenseitigen Vertrauen, daß sich nie die Berechtigung des Vorwurfs herausstellen wird – das ist die Enthüllung durch jene Ironie der Wirklichkeit, die mit der Satire fertig wird. Nichts bleibt ihr diesfalls zu sagen übrig, als daß alle, die im Ernstfall Hände vorweisen könnten, denen kein verschwiegener Treuhänder der Kreditanstalt etwas zugesteckt hat, mit jedem unbezahlten Wort Betrug verüben.

 


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