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6.
Hoym's Mission.

Der Finanzminister Graf Adolph Magnus Hoym war in Sachsen eine nichts weniger als beliebte Persönlichkeit. Man haßte ihn namentlich deshalb, weil er in dem mit Steuern schon so schwer belasteten Lande die Accise eingeführt.

Die Sachsen hatten die Generalconsumtionssteuer mit allen Kräften bekämpft, sie hatten ihre Sache gegen die Minister, ja gegen den König selbst verfochten, der, weil er die geleerte Staatskasse mittelst der Accise zu füllen gedachte, darüber in Harnisch gerathen war. Seine Räthe hielten es für angezeigt, den sächsischen Edelleuten bei dieser Gelegenheit die letzten Privilegien, die ihnen geblieben, zu entziehen. Zu dem Zwecke riethen sie dem König, sich mit Ausländern, die mit den Widerspenstigen, mit dem Lande in keinerlei Beziehungen ständen, zu umgeben.

August II. hatte diesen Rath theilweise befolgt; die Mehrzahl seiner Minister und Günstlinge war ausländischen Ursprungs. Die Hauptrollen bei Hofe wurden von Franzosen, Deutschen und Italienern gespielt. Graf Hoym, ein kalter, unerbittlicher Mensch, der die Kunst besaß, immer neue Mittel aufzutreiben, um dem Könige Millionen zu verschaffen, welche dieser für die Armee und für die Polen verausgabte und mit seinen Günstlingen und seinen Maitressen vergeudete – Graf Hoym stand bei August in hoher Gunst. Trotzdem fühlte sich der Minister nichts weniger als in Sicherheit. Was Weichling und so vielen Anderen widerfahren war, hatte ihn mißtrauisch gemacht. Aus Angst, auf den Königstein gesetzt zu werden, trug sich Hoym seit Beichling's Sturz mit dem Plane, bei der ersten günstigen Gelegenheit sich aus dem Staube zu machen, um seinen Kopf und seinen wohlgefüllten Säckel in Sicherheit zu bringen.

Nur wenige Menschen kannten den Finanzminister; man wußte nur, daß er gewandt, heftig, habsüchtig sei, daß er ein ausschweifendes Leben führe, daß er keinem Menschen weder lange noch aufrichtig zugethan sein könne. Seine Schwester aber kannte jeden Zug seines Charakters. Frau von Vitzthum wußte mit ihm umzugehen und erlangte von ihm, was sie wollte.

Mit Ausnahme des in Königstein schmachtenden Exkanzlers Beichling besaß der Minister keine Freunde. Obersthofmarschall Pflug und viele andere einflußreiche Persönlichkeiten haßten ihn; auch mit Fürstenberg stand er auf gespanntem Fuße. Kein Wunder daher, daß er am Hofe in Folge jener unglückseligen Wette nicht bemitleidet, sondern nur verspottet und verhöhnt wurde.

Es war am Morgen nach dem Balle. Hoym hatte sich zu dem König begeben, um diesem zu berichten, daß man sich in der Provinz, namentlich in der Lausitz, gegen die Einführung der Accise widersetzte, daß der Adel lauten Protest wider dieselbe erhoben habe.

August II. zog bei dieser Meldung die Brauen finster zusammen und rief, sobald der Minister mit seinem Berichte zu Ende war: »Reiset unverzüglich dorthin, Graf! Diese Unruhen müssen endlich aufhören! Begebt Euch allsogleich an Ort und Stelle, zerstreut die Unzufriedenen, leitet die strengste Untersuchung ein, sucht die Namen der Rädelsführer, der Widerspenstigen zu erfahren. Sie sollen bestraft werden!«

Der Minister, welcher einsah, daß seine Gegenwart in der Lausitz nicht nur unzweckmäßig sein würde, sondern auch unliebsame Folgen haben könnte, versuchte dem König die Ueberzeugung beizubringen, daß es gefährlich sei, gerade ihn, Hoym, mit dieser Mission zu betrauen, daß es angezeigter und vortheilhafter wäre, einen Anderen abzusenden, umsomehr, als er zur Zeit die wichtigsten Staatsgeschäfte in Dresden zu erledigen habe.

Der König unterbrach ihn mit unverkennbarer Ungeduld. »Unser Hauptgeschäft besteht jetzt darin, die Empörung niederzuschlagen und die Schreihälse zu züchtigen, welche sich einzubilden scheinen, daß ich am Ende nachgeben werde. Reiset, Hoym! Reiset gleich ab, lieber Graf, nehmt die Dragoner mit! Wagen sie es, sich zu versammeln, so zerstreut sie mit Gewalt. Vor allem sagt ihnen, daß sie sich davor hüten sollen, dem Beispiele des polnischen Adels zu folgen. Von Seiten der Unterthanen meiner Erbländer werde ich keinerlei Widersetzlichkeit dulden. Auch den Polen soll einst der Nacken gebeugt werden ... Die turbulenten Edelleute müssen sämmtlich mit der Zeit schweigen lernen, vor allen anderen aber die sächsischen.«

Hoym versuchte aufs neue, den König von der Unzweckmäßigkeit dieser Reise zu überzeugen. Vergebens.

»Reiset, reiset, Hoym!« rief August ungeduldig. »Ich sage, geht, geht!« Hier blickte er auf die Uhr und fügte hinzu: »In zwei Stunden müßt Ihr schon unterwegs sein. Das ist unser Wille.«

König August gestattete eine Erörterung schlechterdings nur, wenn er beim Weine saß, zu jeder anderen Zeit vertrug er keinen Widerspruch, war sein Wille unbeugsam.

Dieser Befehl, unverzüglich zu reisen, schien dem Minister höchst bedenklich. Er kannte den König und den Hof und den Dresdener Modus vivendi zu gut, um nicht zu errathen, weshalb man ihn entfernte. Ich werde fortgeschickt, damit ich die Intriguen der Höflinge nicht vereitle, damit der König Gelegenheit finde, meine Gattin zu verführen, sagte er bei sich.

Was konnte er thun? Nichts! Nichts! Nichts! Er kannte niemanden, dem er Anna hätte anvertrauen können. Besaß er doch keinen einzigen Freund, auf den er sich hätte verlassen können, gehörte doch selbst seine Schwester zu Denjenigen, welche sich gegen ihn verschworen hatten. Er war unwiderruflich verloren. Das fühlte er.

Mit Empfindungen, die jeder Schilderung spotten, kehrte er nach Hause und überließ sich ganz seinem Zorne, seinem Schmerze. Er schleuderte die Papiere und Schriften, welche seinen Schreibtisch bedeckten, auf den Boden, zerriß seine Kleider, zerraufte sich das Haar und stürzte endlich wie ein Besessener in das Zimmer der Gräfin.

Anna war allein. Der Minister, auf dessen Gesicht der Sturm, der in seinem Inneren wüthete, deutlich zu lesen war, blickte mit wild stammenden Augen umher, während die junge Gräfin, welche sich an Hoym's Zornesausbrüche schon längst gewöhnt hatte, ihn kalt und ruhig ansah.

»Freuet Euch, Gräfin, freuet Euch!« schrie er mit häßlichem Lachen. »Ihr habt vollauf Grund dazu! Dank der Thorheit, welche ich begangen, indem ich Euch hierher brachte, meine Gnädige, werdet Ihr meiner los. Ja, ja! Man schickt mich fort, räumt mich aus dem Wege! ... Hört Ihr? Versteht Ihr? In weniger als anderthalb Stunden werdet Ihr allein sein, allein ...«

»Was wollt Ihr damit sagen, mein Herr?« fiel Anna mit Hoheit ein. »Denkt Ihr, daß meine Ehre eines Wächters bedürfe? ...«

»Jedenfalls wäre meine Gegenwart von Nutzen gewesen; ich hätte der Frechheit meiner Feinde eine Schranke setzen können. Ich bin ihnen ein Stein des Anstoßes, darum muß ich abtreten! An der ganzen Geschichte ist jener ehrenwerthe Fürstenberg Schuld, der mir heute die tausend Ducaten, die er verloren, mit fratzenhaftem Lächeln überreichte, nachdem er zehntausend Ducaten eingesteckt, die er von dem König erhalten, weil er den glücklichen Einfall gehabt, ihm den Anblick meiner Frau zu verschaffen.«

»Schweigt, Graf!« rief die junge Frau außer sich, mit blitzenden Augen. »Genug der Beleidigung! Reiset, bleibet, thut, was Euch beliebt. Ich bedarf keines Vertheidigers.«

»Ich habe nichts hinzuzufügen,« sagte Hoym. »Ihr wißt nun, welche Gefahr Euch droht. Es erübrigt mir nur noch, Euch zu erklären, daß ich meinen Namen nicht ungestraft besudeln lasse. Vitzthum und Andere seines Gelichters mögen in Hinsicht ihrer Frauen ein Auge, ja beide Augen zudrücken, so es ihnen angenehm ist – ich aber, der ich nicht so gutmüthig, so thöricht bin, wie sie, werde ...«

»Kein Wort mehr!« unterbrach ihn die Gräfin mit dem Ausdruck heftigsten Zornes im Gesichte. »Ihr beschimpft mich, indem Ihr keinen Unterschied zwischen mir und jenen Frauen macht. Ich werde Euch nicht hintergehen, weil ich mich dadurch erniedrigen würde. Wenn Ihr aber fortfahret, mir das Leben dergestalt zu verbittern, so werde ich mich von Euch scheiden lassen, nicht heimlich, sondern öffentlich.«

Hoym's Zorn legte sich mit einemmale. Er schritt schweigend nach dem Ausgang. Dort angelangt, blieb er stehen – er zögerte und schien etwas sagen zu wollen. Da klopfte es an der Thür. Es war ein Bote des Königs, der Hoym im Namen seines Gebieters meldete, daß die Stunde der Abreise geschlagen habe.

Als die königlichen Späher, welche dem Minister eine Strecke weit hatten folgen müssen, mit der Meldung zurückkehrten, daß er abgereist und nicht umgekehrt sei, wie man befürchtet hatte, wurde Frau von Vitzthum zur Gräfin Hoym gesandt, um diese zu bitten, sie möge ihren Abend im Hause Reuß verbringen. Anna schlug diese Einladung ohneweiters aus. Sie hatte errathen, daß man ihr eine Falle zu stellen, eine Begegnung zwischen ihr und dem König zu bewerkstelligen gedenke. Auf die Frage ihrer Schwägerin, warum sie nicht zur Gräfin Reuß gehen wolle, theilte Anna Frau von Vitzthum ohne Umschweife ihren Verdacht mit.

Als sie mit ihrer Rede zu Ende war, erwiderte Frau von Vitzthum:

»Du bist zu klug und zu scharfsichtig, als daß man es versuchen möchte, Dich zu hintergehen. Was Dir seltsam erscheint, ist indes etwas Natürliches, Unausbleibliches! Oder ist es etwa nicht natürlich, daß der König Dich wieder zu sehen wünscht? Wäre es so fürchterlich, wenn er heute, gleichsam zufällig, im Salon der Gräfin Reuß erschiene? Dein Widerstand könnte ihn reizen, könnte seine Sehnsucht nach einer Wiederbegegnung mit Dir derart steigern, daß er Dich hier, in Deinem Hause aufsuchte. Und Dir bliebe nichts übrig, als ihn zu empfangen, denn Deinem König könntest Du den Zutritt nicht verweigern. Vor ihm öffnen sich alle Thüren. Nun frage ich Dich, wäre es schicklich, wenn Du ihn hier empfingest? Was würde die Welt zu diesem Tête-à-tête zwischen Dir und dem galanten König sagen?«

Die junge Gräfin, die sehr bleich geworden war, erwiderte mit unsicherer Stimme: »Dieses Tête-à-tête darf nicht stattfinden! ... Der König kann nicht so ... so ...« Sie fand das rechte Wort nicht. »Der Ruf eines Weibes ist einem Mann von Ehre heilig,« fuhr Anna nach einer Pause fort. »O, es kann nicht sein, daß der König ... Es wäre geradezu schmachvoll ...«

Sie kam nicht weiter, Angst und Entrüstung schnürten ihr die Kehle zu.

»Ich wiederhole es Dir, niemand kann wissen, was der König thun wird,« versetzte achselzuckend Frau von Vitzthum. »Man darf sich auf alles gefaßt machen, denn der gute Augustin langweilt sich; er duldet es nicht, daß man ihm widerstehe, ihm etwas abschlage. Die Weiber haben durch ihre sklavische Unterwürfigkeit einen Despoten aus ihm gemacht. Wenn Du Dich weigerst, ihm bei der Gräfin zu begegnen, wird er Dich gewiß hier aufsuchen.«

»Wie weißt Du das?« rief die geängstigte junge Frau. »Wer hat es Dir gesagt?«

»Niemand, aber ich kenne König August und sein Thun und Lassen,« erwiderte Frau von Vitzthum, während ein seltsames Lächeln über ihre Lippen flog; »doch zu Deiner Beruhigung muß ich hinzufügen, August hat sich noch nie eine Gewaltthat zu Schulden kommen lassen. Dessen ist der ritterliche König nicht fähig. Uebrigens ist August so schön, so liebenswürdig, so unwiderstehlich, daß er nicht zu einem solchen Mittel zu greifen braucht, um Frauenherzen zu besiegen, zu erobern.«

Dieses Zwiegespräch währte noch lange. Endlich versprach Gräfin Anna, den Abend mit der Schwägerin bei Frau von Reuß zu verbringen. Hoym's Schwester war nicht wenig stolz auf ihren Erfolg. Froh, die Ueberbringerin einer so angenehmen Nachricht zu sein, eilte sie zur Gräfin Reuß. Fürstenberg, den sie dort antraf, erbot sich, den König von dem Entschlüsse der Gräfin Hoym in Kenntniß zu setzen. Er that es unverzüglich und August erklärte, daß er der Fürstin Teschen gegen Abend einen kurzen Besuch abstatten und im Nachhausefahren seine Equipage verlassen werde, um sich incognito in einer Sänfte zur Gräfin Reuß zu begeben.

Bevor wir in unserer, in all den wichtigsten Einzelheiten authentischen Erzählung fortfahren, müssen wir noch Einiges über unsere Heldin mittheilen, um das getreue Bildniß, welches wir von ihr entworfen, zu vervollständigen.

Das frühverwaiste Mädchen, das allein auf der Welt stand, hatten Freunde und Bekannte, wenn nicht gezwungen, so doch bewogen, den Grafen Hoym, den es nicht liebte, zu heiraten. Diese Ehe war die Fortsetzung des martervollen Lebens, das zu führen sie von frühester Jugend an verurtheilt gewesen. Jede andere Frau, welche sich in Anna's Lage befunden hätte, würde mit Freuden die sich ihr darbietende Gelegenheit ergriffen haben, die so drückenden Fesseln zu sprengen, um sich in eine Stellung zu versetzen, welche bei aller Zweideutigkeit immerhin eine glänzende war und sowohl Reichthümer als die ersehnte Unabhängigkeit für die Zukunft in Aussicht stellte. Der jungen Gräfin waren aber in ihrer Jugend strenge Grundsätze beigebracht worden. Der bloße Gedanke, das Spielzeug eines blasirten, sittenlosen Menschen zu werden, empörte sie.

Anna fühlte, daß es zwischen ihr und ihrem Gatten, für welchen ihre Verachtung mit jedem Tage zunahm, gar bald zum Bruche kommen werde; allein der Gedanke, ihre ehelichen Fesseln zu sprengen, damit sie die Favoritin des Königs werden könne, lag ihr fern. August's Liebe wäre ihr nur annehmbar erschienen, wenn er ihr Herz und Hand zugleich dargeboten hätte. Die protestantische Gräfin hielt ein solches Anerbieten nicht für unmöglich, hätte sie aber Jemandem dies anvertraut, so würde man sie ausgelacht haben. War doch der König verheiratet und katholisch!

Schön, großmüthig, liebenswürdig wie er war, konnte König August – namentlich wenn die Gräfin ihn mit Hoym verglich – nicht verfehlen, auf das Gemüth der jungen Frau einen günstigen Eindruck zu machen. Die Krone, die er trug, die Macht, welche er besaß, erhöhten natürlich den ihm angeborenen Zauber, dessen Einfluß sich Anna nicht zu entziehen vermochte.

»Ich bin bereit, ihm anzugehören,« dachte sie bei sich, »aber nur als Königin, als rechtmäßige Gemahlin. Entehren soll er mich nicht! Eher will ich die unglückliche Gattin Hoym's bleiben, als August's Maitresse werden. Er soll mir die Hand für das Leben reichen oder – mir entsagen.«

Wenn sie auch fest entschlossen war, nicht die Favoritin, die Maitresse des Königs zu werden, und sich von den Versucherinnen, welche sie seit gestern verfolgten, nicht verführen zu lassen, so war der Widerstand, den die Gräfin August zu leisten sich vorgenommen hatte, im Grunde doch nur ein berechneter. Sie hoffte durch ihre Zurückhaltung ihn zu reizen, eine Leidenschaft in ihm wachzurufen. Obwohl sie sich dies nicht eingestand, so erschrak sie dennoch über die Träumereien, denen sie sich willenlos hingab, und sie erkannte nicht ohne Beschämung, daß sie sich während ihres so kurzen Aufenthaltes in Dresden schon sehr verändert habe, daß ihre Umgebung einen bösen Einfluß auf sie ausübe.

Ja, sie träumte ... Und Träume, welche im wachen Zustande, in der Einsamkeit geträumt werden, pflegen gefährliche Wirkungen hervorzurufen.

Der Ehrgeiz und die Lust zu herrschen, regten sich schon mächtig in ihrem Inneren. Ihr für diese Empfindungen so empfängliches Wesen ließ sich von denselben leicht hinreißen, trieb sie einem verhängnißvollen, abschüssigen Pfade entgegen.

Als der Abend anbrach, machte Anna mit einer Sorgfalt Toilette, welche bei ihr nicht gewöhnlich war. Die Mode der damaligen Zeit erlaubte ihr, die wunderbar geformten Schultern und Arme, den blendend weißen Nacken zu entblößen. Ihr Teint war so frisch und weiß, ihre Wangen zeigten eine so liebliche Nöthe, daß Anna sich keinerlei Schminke zu bedienen brauchte. Das seidenweiche Nabenhaar, welches in schweren, kunstvoll geflochtenen Zöpfen ihr stolz getragenes Haupt krönte, hob den Schmelz ihres so schönen Antlitzes hervor, dessen große dunkle Augen von unwiderstehlichem Zauber waren. Ueber diese Augen allein hätte man den Verstand verlieren können; sie waren ausdrucksvoller als Worte, besaßen eine geheimnißvolle, unerklärliche räthselhafte Anziehungskraft und fesselten wie der tödtende Blick des fabelhaften Basilisken.

Als Gräfin Hoym ihre Toilette im Spiegel musterte, fand sie sich selbst so schön, daß sie zufrieden vor sich hinlächelte. Die tiefrothen Schleifen, welche ihr schwarzes Kleid schmückten, verliehen ihr ein phantastisches Aussehen.

Ein Schrei der Bewunderung veranlaßte Anna, sich umzuwenden. Wer diesen Schrei ausgestoßen hatte, war keine Andere als ihre Schwägerin, welche sie starr vor Staunen, die aufrichtigste Bewunderung in den Augen, betrachtete.

»Mich würde es nicht wundernehmen, wenn alle Könige Dir ihre Kronen zu Füßen legten,« begann Frau von Vitzthum. »Und Du willst mir den Glauben beibringen, daß Du aufs neue mit meinem Bruder ein zurückgezogenes Leben führen möchtest, daß Du die Huldigungen des Königs ablehnen wirst! Haha! Dich straft die liebevolle Sorgfalt, mit der Du Dich angekleidet, Lügen.«

»Ich denke, es giebt keine Frau, die es liebte, häßlich zu erscheinen,« erwiderte in kaltem Tone die junge Gräfin.

»Und Dir macht es Freude, heute, wo Du weißt, daß Dich der König sehen wird, ausnehmend schön zu sein, nicht wahr?«

Sie schwieg, als jedoch Anna, ohne ein Wort zu sprechen, vom Spiegel wegtrat, um sich in ihren Mantel zu hüllen, fügte Frau von Vitzthum hinzu: »Anna, Du bist eine Meisterin in der Kunst der Toilette!«

»Wie Du übertreibst!« lachte Anna. »Lass' uns aufbrechen!«

Hatte Gräfin Hoym bei Hofe durch ihre unvergleichliche Schönheit einen Sieg errungen, so feierte sie jetzt im Salon der Gräfin Reuß geradezu einen Triumph. Die Damen, welche noch der Wunsch beseelte, Gefallen zu erregen, kamen sich bei dem Anblick Anna's alt und welk vor. Sogar Diejenigen, welche wußten, daß sie im Alter von vierundzwanzig Jahren stand, waren einig darin, daß sie aussehe, als ob sie kaum achtzehn Jahre zähle. Sie glich der Diana in der stolzen Majestät ihrer jungfräulichen Schönheit, einer Göttin des Waldes von wildem, duftigem, eigenartig geheimnißvollem Wesen.

Die Höflinge umschwärmten Anna als die Königin, als das Idol des Tages und bewarben sich schon jetzt um ihre Gunst. Fürstenberg, der dem König vorausgeeilt war, wie um seinen Gebieter anzumelden, blieb wie versteinert stehen, als er der jungen Gräfin ansichtig wurde.

»Fehlt diesem Weibe,« sagte er bei sich, »nicht die Kraft August zu widerstehen, so wird sie ihn gar bald nach Belieben gängeln können.«

Kaum war Fürstenberg erschienen, so ging die Thür des Salons leise auf und der König trat unangemeldet ein. Auf der Schwelle stehen bleibend, suchten seine Blicke die Gräfin. Als August sie gefunden, wechselte er die Farbe und eilte, ohne die Dame des Hauses zu beachten, gegen alle Etikette auf Anna von Hoym zu, um sie mit ritterlicher Anmuth zu begrüßen. August's Stirne strahlte. Verschwunden waren die Wolken, die sich nach so schweren Schicksalsschlägen darauf angesammelt hatten, vergessen der Schwede, vergessen der Polen Undank, die verlorenen Millionen, die erfahrenen Täuschungen ...

Gräfin Hoym erwiderte die galante Begrüßung des Königs mit einer kalten, ceremoniösen Verbeugung. Indes ergab sich aus ihrer Toilette, daß sie den Wunsch hege, zu gefallen. König August war ein zu feiner Weiberkenner, als daß ihm dies hätte entgehen können. Er durfte also hoffen, daß sie ihm gefallen wollte. Das war immerhin ein Trost.

August blieb seiner Gewohnheit, gegen alle Damen galant zu sein, auch an diesem Abende treu, indem er den anwesenden Frauen die Cour machte, sich sogar mit der Gräfin Reuß, die ihm eine gewisse Antipathie einflößte, huldvollst unterhielt, wobei er aber Anna von Hoym fest im Auge behielt. Er führte Fräulein Hülchen auf die Seite, um einige Worte mit ihr zu wechseln, lächelte Frau von Vitzthum gnädig zu, setzte sich zu den Damen und war mit Allen galant und liebenswürdig, bezauberte Alle.

Frau von Vitzthum war mittlerweile mit Anna an einem Ende des Saales auf und ab gegangen und führte sie jetzt unter irgend einem Vorwände in das nebenan liegende Boudoir. Sie wollte dem König die Gelegenheit bieten, sich mit der jungen Gräfin unter vier Augen zu unterhalten.

Kaum hatten sie das Boudoir betreten, als August im Rahmen der Thür erschien. Mit einer scherzhaften Bemerkung näherte sich der König den beiden Damen und knüpfte mit Gräfin Hoym ein Gespräch an, an dem sich Frau von Vitzthum nur so lange betheiligte, bis es in vollem Gange war, worauf sie sich discret zurückzog.

Die Portièren am Ausgange waren nur halb geschlossen, so daß die Personen, welche sich im Salon befanden, die Gruppe im Boudoir beobachten konnten, ohne indes vernehmen zu können, was der König und die Gräfin sprachen.

August hatte die Befürchtung, welche ihn am Tage zuvor gequält, daß nämlich Anna ihn zu beherrschen versuchen würde, ganz und gar vergessen. Er war wie hingerissen von Anna's einziger Schönheit.

»Gräfin,« sagte August, indem er die Bewunderung, welche sie ihm einflößte, nicht zu verbergen suchte, »Gräfin, Ihr seid heute weit schöner, als Ihr gestern ward, ja Ihr scheint eine Andere zu sein. Es ist kein Weib, vor dem ich stehe, sondern eine bezaubernde Fee!«

Gräfin Hoym neigte dankend ihr Haupt. »Euere Liebenswürdigkeit gegen die Frauen ist bekanntermaßen so groß, königlicher Herr, daß das schmeichelhafteste Lob aus dem Munde Euerer Majestät schwerlich für etwas anderes gelten kann als für ein Compliment.«

»Soll ich meine Worte durch einen Schwur bekräftigen, um Euch von der Wahrheit derselben zu überzeugen? O, ich bin bereit, bei den allmächtigsten Göttern, beim Styx zu schwören, daß ich nie in meinem Leben ein schöneres Wesen erblickt habe, daß ich nicht begreife, wie der Himmel so unbarmherzig sein konnte, einen Engel Eueresgleichen meinem Accisor auszuliefern.«

Die junge Gräfin mußte unwillkürlich lächeln und zeigte dabei eine Reihe schöner weißer, perlengleicher Zähne, welche der König zum erstenmal erblickte. Es verlieh dieses Lächeln dem Antlitz Anna's einen unbeschreiblichen Ausdruck, einen neuen zauberhaften Reiz; zwei liebliche Grübchen zeigten sich und verschwanden alsbald, ihr Gesicht färbte sich, die Röthe wich allmählich und zuletzt blieb nur mehr ein rosiger Schimmer auf den Wangen, der gleichsam der Widerschein eines inneren Feuers zu sein schien.

August blickte entzückt von dem reizenden Antlitz auf die classisch geformten Hände der anmuthigen jungen Frau. Er liebte es, schöne Hände zu küssen, und konnte nur mit Mühe der Versuchung widerstehen, Anna's weiße kleine Händchen zu erfassen und seine brennenden Lippen auf dieselben zu drücken.

»Wenn ich ein Despot wäre, so würde ich dem Grafen Hoym befehlen, ewig fern zu bleiben. Ich bin eifersüchtig auf Hephästos!«

»Auch Hephästos ist eifersüchtig,« erwiderte in scherzendem Tone die junge Frau.

»Lieben kann ihn Venus indessen nicht! ...«

Die Gräfin schwieg. August harrte mit sichtlicher Ungeduld auf ihre Antwort.

»Es giebt Bande,« sagte sie endlich, »die mächtiger fesseln als die Liebe, und diese Bande sind diejenigen, welche uns die Pflicht und ein Schwur zu lösen verbieten.«

»Doch nicht der Schwur ewiger Liebe?« fragte lächelnd der König.

»Nein, der Eid ehelicher Treue!« erwiderte ernst Gräfin Anna.

»Es giebt aber entweihende Ehen,« rief lebhaft der König. »Oder sind die Ehen, welche grundverschiedene Wesen aneinander fesseln, welche zum Beispiel das Schöne mit dem Häßlichen verbinden, nicht etwa eine Entweihung? In diesem Falle verzeihen die Götter den Eidbruch.«

»Das Gewissen verbietet ihn!«

»Ihr seid streng, Gräfin!«

»Strenger, als Ihr vermuthet!«

»Wahrlich, Ihr erschreckt mich, Gräfin!«

»Ich? Wie wäre das möglich! Wie könnten meine Worte irgend einen Eindruck auf Euere Majestät machen! Dem König August muß es doch höchst gleichgiltig sein, ob Gräfin Hoym streng ist oder nicht.«

»Mit nichten!«

»Verzeihung, Sire, aber ich kann es nicht fassen ...«

»Nicht fassen! Wisset Ihr nicht, oder stellt Ihr Euch, als wüßtet Ihr es nicht, daß ich seit gestern, da Euere Blicke die meinen zum erstenmal trafen, Euer Sklave bin?«

»Diese Sklaverei dürfte von kurzer Dauer sein, dürfte kaum bis zum Morgengrauen währen. August-Apollo soll namentlich darin den ewigen Göttern gleichen, daß er ebenso leicht vergißt, als er sich verliebt.«

»O, nein,« rief der König in treuherzigem Tone. »Ich beschwöre Euch, zu glauben, daß man mich verleumdet. Ist es meine Schuld, wenn ich ein Herz, ein Geschöpf, das mich für immer zu fesseln vermocht hätte, bislang nicht gefunden habe. Gräfin, ich bin nicht von ungetreuem Wesen, aber die Weiber, denen ich begegnete, waren trügerisch; ihre Reize verschwanden allmählich, aus den scheinbaren Göttinnen wurden ganz gewöhnliche Frauen. Sie verloren ihre Flügel, ihren Nimbus, und in ihren Herzen fand ich nichts als Berechnung und Koketterie. Und Ihr wollt mich für schuldig erklären? ... Ach, glaubt mir, theuere Gräfin!« rief der König in immer lebhafterem Tone. »Mich beseelt der Wunsch, ein Wesen zu finden, dem ich für das Leben angehören könnte; ich sehne mich nach einem Weibe, dem ich ewig treu bleiben müßte ... Fände ich dieses Weib, dieses Herz, so gäbe ich mich mit tausend Freuden ihm ganz und für immer zu eigen.«

»Es ist nicht so leicht, diesen Worten Glauben zu schenken,« murmelte Anna. »Auch ist es wahrscheinlich,« fuhr sie mit einem Anfluge von Ironie fort, »daß sich auf dem ganzen Erdenrund Keine fände, die so vollkommen wäre, Euerer Majestät würdig zu sein.«

»Doch, doch! Ich habe ein solches vollendetes Geschöpf gefunden!« fiel König August mit Feuer ein. »Es steht vor mir ... Ihr, Gräfin, seid das erträumte Ideal!«

»Das ist nur eine optische Täuschung, Sire,« lachte die junge Frau. »Morgen, beim Hellen Sonnenschein, würdet Ihr dies einsehen, königlicher Herr, und es dürfte Euch dann die Lust vergehen, ein Geschöpf, das Euerer so unwürdig ist, zu berücken.«

»Wie entzückend Ihr seid!« Dabei erfaßte König August die Hand der Gräfin. Diese wollte sie ihm entziehen, doch das wäre ein Verstoß gegen die Hofetikette gewesen. So ließ Anna denn den König gewähren. Als er aber ihre Hand mit unzähligen Küssen bedeckte und sie nicht mehr loslassen zu wollen schien, entzog Anna, deren Wangen mit Glut übergossen waren, ihm die Hand mit sanfter Gewalt.

»Ich kann ohne Euch nicht mehr leben!« sprach August mit bewegter Stimme. »Da meine Liebesbetheuerungen, meine Versuche, Euch zu erweichen, ohne Wirkung geblieben sind, werde ich von meiner königlichen Gewalt Gebrauch machen. Versucht nicht, diese Stadt zu verlassen, Gräfin! Es wäre vergebens; denn ich ließe Euch verhaften, um zu verhüten, daß Ihr mir verloren geht. Was Hoym betrifft, so liegt sein Schicksal in Eueren Händen. Euere Bitten allein vermöchten die Abneigung zu mildern, die ich gegen ihn empfinde. Heute hätte ich Lust, ihn ...«

Er brach plötzlich ab und durchmaß das Zimmer. Die Gräfin blickte schweigend vor sich hin und brachte kein Wort zu Gunsten ihres Gatten hervor.

In diesem Augenblick erschien Gräfin Reuß und meldete dem König, daß das Souper servirt sei. August bot Gräfin Anna seine Hand und führte sie in den Speisesaal.

Es war ein Souper à l'italienne und bestand nur aus Confecten, Früchten und Weinen.

König August ließ zunächst die Gemahlin des Finanzministers leben ... Als Fürstenberg diesen Toast vernahm, flüsterte er der neben ihm sitzenden Frau von Vitzthum zu: »Die Teschen ist verloren!«

»Und mein Bruder gleichfalls,« erwiderte sie in demselben Flüstertöne. »O, daß Anna verständig wäre!«

»O, daß Anna es nur nicht allzu sehr sei!« variirte Fürstenberg. »Seht, nur, meine Gnädige, welche Kaltblütigkeit, wie sie sich zu beherrschen weiß! ... Dem König ist es bei all seinem Ansehen, all seinem Zauber nicht gelungen, sie zu verwirren. August hingegen ist so sehr in sie verliebt, daß er nicht mehr weiß, was er thut.«

Nach der köstlichen Collation, bei welcher keinerlei Etikette beobachtet worden war, erhoben sich die Damen und kehrten in den Salon zurück. Nur Gräfin Hoym, mit welcher der König sich eifrig unterhielt, verweilte in dem Speisesaal. August war entschlossen, die junge Frau mit Gewalt zurückzuhalten für den Fall, daß sie es versuchen würde, dem Beispiele der übrigen Damen zu folgen. Dieser Fall trat aber nicht ein. Gräfin Hoym machte keinen Versuch, zu fliehen, sie blieb und pflog mit dem König ein heiteres, geistreiches, schalkhaftes Gespräch. Sowohl August als Fürstenberg erkannten, daß der Triumph, den Anna heute feierte, sie durchaus nicht berauscht habe, daß sie ihre ganze Geistesgegenwart noch besaß, daß ihre Gleichgiltigkeit unerschüttert war. Zum erstenmale in seinem Leben sah der König ein Weib, das ihm Widerstand leistete und nicht gesonnen zu sein schien, aus der Leidenschaft, welche sie in ihm erweckt, Vortheil zu ziehen.

Dieser Mißerfolg ging August sehr zu Herzen; die Geistesgegenwart und die Kälte der Gräfin kränkten ihn in hohem Maße. Als der König Anna zum erstenmale gesehen, hatte er sich der Hoffnung hingegeben, daß sie leicht zu erobern, daß sie der Gegenstand einer flüchtigen Laune sein und sein Verhältniß zur Fürstin Teschen nicht im mindesten stören würde. Heute aber erkannte August, wie sehr er sich bei der ersten Begegnung getäuscht hatte; er sah ein, daß die Erstürmung dieser Festung mit großen Schwierigkeiten verbunden sein werde.

Die Gräfin lachte und scherzte mit hinreißendem Uebermuth. Aus ihrem Benehmen ergab sich zwar, daß sie zu gefallen wünschte, je feuriger aber der König wurde, desto kühler, kühner, unnahbarer ward sie. August fühlte, daß er sich vom Ziele immer mehr und mehr entferne, statt ihm rasch näher zu rücken, wie es der glückliche Fraueneroberer gewohnt war. Als er die junge Gräfin zuletzt mit ungestümen Bitten bestürmte und aus seinen Empfindungen und seinen Wünschen kein Hehl mehr machte, sagte Anna, die noch immer Herr ihrer selbst war, mit fester Stimme:

»Ihr nöthigt mich, mein König, Euch eine peinliche Erklärung zu machen ... Ich gehöre zu jenen schwachen Wesen, deren ganze Kraft in ihrem Stolze ruht. Wenn Euer Majestät glauben, daß ich mich vom Glanze des Hofes blenden, von der Aussicht auf Befriedigung meines Ehrgeizes, auf den Erwerb ungemessener Reichthümer hinreißen lassen und vergessen könnte, was ich mir selbst schuldig bin, wenn Euer Majestät meinen, daß ich um eines glücklichen Augenblickes willen der Zukunft nicht gedenke werde, so täuscht Ihr Euch. Anna von Hoym kann keines Mannes Geliebte werden, auch nicht die eines Königs. Sie vermöchte ihr Herz ganz hinzugeben, aber nur für immer!«

Bei diesen Worten stand die Gräfin auf und kehrte in den Salon zurück.

Wenige Secunden später verließ der König mit Fürstenberg den Speisesaal, um sich unbemerkt zu entfernen. Durch einen Diener davon benachrichtigt, eilte Gräfin Reuß aus dem Salon, um die Beiden einzuholen. Sie traf König August und dessen Günstling im Stiegenhause. Der Gesichtsausdruck des Königs war so finster und traurig, daß die Hausfrau beim ersten Blick das Resultat des mit der Gräfin Hoym gepflogenen Gespräches errieth. Sie machte natürlich eine sehr betrübte Miene und beklagte ihren königlichen Gebieter. Im Grunde aber war sie über Anna's Widerstand hoch erfreut. Derselbe konnte nur ein dauerhaftes Verhältniß herbeiführen, und ein solches entsprach ihren Wünschen. Bei Liebschaften von kurzer Dauer konnte Gräfin Reuß keine Rolle spielen, keinen Einfluß erringen. Die Teschen aber haßte sie so sehr, daß sie dieser ihre Macht mißgönnte und sie um jeden Preis zu Fall bringen wollte.

»Versucht dieses Bild von Stein zu rühren,« flüsterte August der Gräfin zu. »Anna von Hoym ist schön wie eine Venus, sie hat aber ein marmornes Herz.«

Ehe noch Gräfin Reuß ein Wort der Erwiderung fand, war der König die Treppen hinabgeeilt.

Mit Fürstenberg sprach er später in einem anderen Tone. »Ein reizendes Weib! Sie ist mir aber fürchterlich. Welche Eiseskälte!«

»Bah – früher oder später schmilzt jedes Eis,« meinte Fürstenberg. »Alle Frauen haben nicht den gleichen Charakter, das gleiche Temperament. Was ist daran so wunderlich, daß sich diese zu wehren sucht?«

»Wehren? ... Darum handelt es sich ja gar nicht. Sie fordert den Eid ewiger Treue von mir!«

»Welcher Liebende hätte denn jemals nicht den Eid ewiger Treue geleistet?! Am Anfang verspricht man immer, sich ewig zu lieben, sich ewig treu zu bleiben ...«

»Diese Frau wird sich nicht täuschen lassen! Die gute Teschen ist doch leichter zu behandeln!«

»Aber, Sire, zwischen diesen beiden Frauen ist ein Vergleich nicht möglich.«

»Das ist leider wahr!« seufzte August. »Die Teschen steht tief unter diesem herrlichen Wesen! Fürstenberg, höre! Es ist unumgänglich nothwendig, an Hoym den Befehl ergehen zu lassen, daß er bleiben soll, wo er ist. Vor allem möge er sich davor hüten, nach Dresden zu kommen.«

»Was aber soll er in der Lausitz anfangen?« fragte lächelnd der Günstling.

»Was er will,« lautete die kühle, von einem Achselzucken begleitete Antwort. »Es ist mein ausdrücklicher Wunsch, daß er jetzt nicht zurückkehre. Er soll Geld auf Geld zusammenhäufen, denn mir ist, als ob mich der neue Fund theuer zu stehen kommen werde. Dieser Edelstein bedarf einer Fassung, die seiner würdig ist.«

»Wie, Sire? Schon verliebt?«

»Ja, Fürstchen, wie ein Narr! Du, höre, Gräfin Anna muß mir gehören!«

»Und Ursula Teschen?«

»Die magst Du heiraten!«

»Ich danke, Sire, aber ...«

»Gieb sie, wem Du willst. Mich geht es nichts an. Zwischen mir und ihr ist alles zu Ende.«

»Schon?« rief verwundert der Günstling.

»Ja wohl, Fürstchen. Ich will dieses Verhältniß lösen. Und Anna soll Gold in Hülle und Fülle haben ... Auch Du – Alle sollen im Golde schwimmen!«

»Woher aber nehmen wir all das Gold?«

»Das ist Hoym's Sorge!« sagte lachend der König. »Schreibe ihm, er möge alle mit der Accise verbundenen Geschäfte selbst erledigen, er solle Untersuchung an Untersuchung reihen, die Provinz bereisen, mit Einem Worte: er möge thun, was er wolle, nur eines soll er nicht, darf er nicht: heimkehren!«

»Hoym's Mission kann indes nicht immer fortdauern.«

Der König seufzte und sagte nichts. Sie hatten das Schloß erreicht. August begab sich, eine Wolke von Unmuth auf der Stirne, auf sein Zimmer. Der letzte Feldzug gegen den Schweden war ihm nicht so nahe gegangen als der Mißerfolg des heutigen Abends.


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