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Neuntes Kapitel.

Majorie befand sich allein im Hause. Helen und Chick waren, wie meistens jetzt, draußen bei den Leuten. Morgen wurde Helens Vater wieder zurück erwartet. Majorie fürchtete, daß Chicks Arbeitsfreudigkeit dann vielleicht wieder ein Ende haben könnte.

Sie meinte, eine Beobachtung gemacht zu haben; sie hatte in Chicks Augen ein immer größer werdendes Interesse für Helen gelesen, und auch Helen war verändert. Sie war viel ruhiger und begehrte nicht ein einziges Mal gegen Chick auf.

Majorie, die sich in der Küche beschäftigte, hörte plötzlich Schritte im Eßzimmer. In dem Glauben, Helen oder Chick wären zurückgekehrt, trat sie ins Zimmer und blieb erstarrt stehen, vor ihr stand Lew Forest. Minutenlang standen sie sich regungslos gegenüber.

»Majorie,« hörte sie ihn leise sagen, »ich bin zurückgekehrt und zwar für immer.«

Keine Erwiderung kam von ihr, schweigend sah sie ihn an.

»Wollen wir uns draußen hinsetzen, Majorie? – Ich habe Dir viel zu sagen.« Seine Augen suchten dabei in stummer Bitte die ihren.

Bejahend nickte sie mit dem Kopf; sie schritt Lew voran. Auf der kleinen Veranda nahmen sie Platz.

Wie ein Traum kam es Majorie vor, hier neben Lew Forest zu sitzen. Sie sah ihn nicht an, krampfhaft sah sie an ihm vorbei. Erschrocken fuhr sie zusammen, als er plötzlich ihre Hand nahm.

»Majorie,« bat er herzlich, »wir wollen es uns nicht schwerer machen, als es ist. Sieh, ich habe in diesen vier Jahren ein anderes Leben kennen gelernt. Ich glaubte, meine Befriedigung dort finden zu können. Leicht habe ich es nicht gehabt, denn ich mußte gegen meine eigenste Natur ankämpfen. Schlapp und energielos wurde ich,« sagte er verbittert. »Erst, als ich wieder Heimatsluft atmete, wurde ich wieder derselbe von früher.«

»Heute stehe ich ärmer im Leben, als vor Jahren, Majorie. Ich mußte damals alles hinter mir lassen; auch das kleine Erbe meines Vaters verkaufte ich. Dann besaß ich plötzlich Geld, Majorie. Soviel Geld, daß mir schwindelig davon wurde. Verzeih mir, wenn ich dem unterlag und Dich darüber vergaß. Jetzt breche ich nochmals alles hinter mir im Leben ab und fange von vorn an. Mit leeren Händen stehe ich heute vor Dir, aber ich mußte zu Dir sprechen. Majorie, willst Du mir Dein Vertrauen schenken, daß ich uns ein neues Leben aufbaue?«

Ihre Augen fanden sich, lange sahen sie sich an. Endlich sagte Majorie mit zitternder Stimme: »Ja, Lew, ich vertraue Dir! – Deine Eltern und meine Eltern hatten auch nicht mehr, als sie ein gemeinsames Leben anfingen. Was sie konnten, werden wir Jungen auch noch schaffen,« setzte sie tapfer hinzu.

Lew zog sie an sich. Ja, so und nicht anders mußte Majorie sprechen, war sie doch Chick Langwools Schwester, der stets mit Mut und Selbstvertrauen dem Leben gegenüberstand.

Selbstvergessen ruhte Blick in Blick, bis sich ihre Lippen fanden.

Als Helen und Chick nach Hause kamen, fanden sie die beiden noch beisammen. Helens Augen strahlten bei ihrem Anblick auf.

»Alle Wetter, Lew!« begrüßte Chick ihn.

Erleichtert atmete Helen bei dieser kameradschaftlichen Begrüßung auf. Sie freute sich unsagbar über Majories Glück, das aus deren Augen strahlte.

Nach dem Abendbrot, welches Lew mit ihnen teilte, fragte Chick plötzlich: »Und wie denkt Ihr Zwei Euch Eure Zukunft?«

»Offengestanden wissen wir das selbst noch nicht!« antwortete ihm Lew. »Aber ich bin jung und gesund und kann arbeiten. Meinem Onkel schreibe ich noch heute ab.

»Mensch, Lew, halte Dir den Erbonkel warm!« spöttelte der unverbesserliche Chick.

»Nein, Chick, damit ist es nach diesem Schritt ein für alle Mal aus. Ich kenne meinen Onkel.«

»Na, dann wird es auch ohne ihn gehen. Ich vertraue Dir, Lew!« setzte er ernst hinzu. Chick reichte ihm die Hand und fuhr Majorie über ihr Haar. Mit leuchtenden Augen sah diese Lew an. Helen beobachtete das Paar und wurde immer stiller und versonnener.

»Helen,« redete plötzlich Chick sie an, »wenn Ihr erst einmal so weit seid,« damit zwinkerte er verstohlen zu dem jungen Paar hin.

»Ach,« Helen errötete, »da bin ich unbesorgt, mich nimmt niemand, Chick; ich bin und bleibe Vaters Junge.«

»Wißt Ihr das so genau, Helen?«

Es war etwas in Chicks Frage, was sie ihn anblicken ließ. Ruhig hielt sie seinen blitzenden Augen stand. Plötzlich sagte Chick so ernst und nachdenklich, wie man ihn wohl nicht oft sprechen hörte: »Ihr seid verdammt reich, Helen!«

»Stört das?« fragte Helen schnell.

»Vielleicht!« Chick fing mit einemmal an zu pfeifen, daß sich Helen entsetzt ihre kleinen Ohren zuhielt.

»Bitte, hört auf, Chick!« rief sie lachend. »Paßt auf, so macht man das!« Helen pfiff, und nun bekam der lange Chick Unterricht. Er ging darauf ein und war so ernsthaft bei der Sache, daß Helen gar nicht merkte, daß Chick es nur ihretwegen tat. Mit Vergnügen sah er, wie sich ihre Wangen röteten und sie vor Eifer glänzende Augen bekam.

Chick hörte plötzlich auf.

»Lew, es wird Zeit für Euch!« störte er das Brautpaar auf. »Ich bringe Euch nach Hause.«

Sofort erhob sich Lew. Auch Chick holte sich sein Pferd.

»Ihr könnt auf mich warten, ich komme gleich wieder,« rief er im Abreiten Majorie und Helen zu.

»Lew, ich habe ja gar nicht an Eure Wunde gedacht, Ihr müßtet ja längst im Hause sein!« wandte er sich besorgt an ihn.

»Ich fühle mich restlos gesund, Chick. Bei meiner Natur ist auch nichts mehr zu befürchten.« Das gefühlte Glück klang noch durch Lews Stimme hindurch. Wissend lächelte Chick vor sich hin.

Plötzlich verhielt er sein Pferd.

»Lew, schaut einmal genau dahinüber.« Er zeigte die Richtung an. »Ist das nicht Jed Corner, der nach Wilhelmstone reitet?«

Lew strengte seine Augen an.

»Ich glaube, Ihr habt recht, Chick.«

»Dann los!« Chick drückte seinem Pferde die Sporen ein.


Es war Jed Corner, der Wilhelmstone zuritt.

Jed atmete tief. Alles, woran er gehangen hatte, hatte er heute hinter sich lassen müssen. Ein neuer Abschnitt seines Lebens begann.

Als er die Ranch verließ, war es ihm beinahe, als gehe er zum zweiten Male in seinem Leben aus seinem Elternhaus fort und würde wieder heimatlos. Nur war es ihm heute schwerer geworden wie damals als junger Mensch. Nun wollte er aber auch endgültig alles hinter sich abbrechen.

An die Cowboys auf der Ranch dachte er zurück und an den Abschied von ihnen. Seinen Entschluß zu gehen, hatte er ihnen so dahingestellt, als triebe ihn mit einemmal die Unrast fort. Es war kein freundschaftlicher und kameradschaftlicher Abschied gewesen, fand Jed, und in der Erinnerung tat es ihm leid. Betroffenheit und Unzufriedenheit hatte sich auf den Gesichtern der Cowboys gezeigt. Und so war es auch bis zuletzt geblieben. Achselzuckend hatte er sie schließlich verlassen, da er ihnen eine andere Erklärung nicht geben wollte.

Wieder sah Jed zwei blaue, flehende Augen auf sich gerichtet, als er seinen unumstößlichen Entschluß, sofort die Ranch zu verlassen, Miß Harries mitteilte.

Er konnte sich ihren Blick nicht deuten, aber er wollte ihm auch nicht aus dem Sinn gehen. Warum hatte ihn Ruth Harries nur so angesehen? Angst und noch etwas anderes, meinte er in ihren Augen gelesen zu haben. Jed reckte sich seufzend auf. Fort mit allen Gedanken, die ihn nur in seinem neuen Leben beschweren konnten! Aufatmend schaute er sich um; nun gehörte ihm allerdings nicht mehr die Ranch, die er fast so geliebt hatte, als wäre sie sein Eigentum. Dafür aber stand ihm wieder die ganze Welt mit all ihren Wundern und Möglichkeiten offen.

Noch konnte er sich dem Gefühl, frei zu sein, nicht völlig hingeben. Er fühlte einen Schmerz, mit dem er nicht so ohne weiteres fertig wurde.

Sein Blick fiel plötzlich auf zwei Reiter, die sich ihm schnell näherten.

Chick Langwool rief ihn schon von weitem an: »Wohin des Wegs, Jed Corner?«

Jed erwartete sie.

»Wohin es mich treibt.«

»Wohin es Euch treibt?« Jetzt hatten sie ihn erreicht. Fassungsloses Staunen prägte sich in Chicks Frage aus. Plötzlich schien ein Verstehen über sein Gesicht zu gehen, denn seine Augen blitzten auf.

»Jed, da bin ich dabei!« rief er flink.

Lächelnd schüttelte Jed den Kopf.

»Chick, das wird nicht gehen; ich bin stets ein Einzelgänger gewesen. Aber wenn Ihr mich ein Stück des Wegs begleiten wollt, habe ich nichts dagegen.«

»Wird gemacht, Jed! Wollen wir darauf einen bei Tom Winter trinken?«

»Können wir machen, Jungen!«

»Lew, Ihr reitet wohl jetzt nach Hause?« wandte sich Chick an den schweigend bei ihnen haltenden Lew.

»Nein, ich bin dabei!« kam kurz seine Erwiderung.

»Na gut, dann los!« Chick war zufrieden, er war im Augenblick glücklich. Trotzdem er sich genau so lässig gab wie stets, hörte man doch einen singenden Ton heraus, der unverhohlen seiner Freude Ausdruck gab.

Auch heute war wie fast allabendlich die Theke bei Tom Winter umlagert.

Als erster trat Chick ein; Winter sah erfreut auf und nickte ihm lebhaft zu. Seine Augen weiteten sich aber, als er sah, wer hinter Chick den Raum betrat. Jed Corner und Lew Forest. Das war ein Abend heute!

Tom Winter kam hinter seiner Theke hervor und machte vor Jed eine höfliche Verbeugung, die seine unbegrenzte Hochachtung vor ihm ausdrückte. Dieser nickte ihm freundlich zu.

Sie traten nicht an die Theke, sondern ließen sich an einem kleinen Tisch nieder.

»Whisky, Winter?« bestellte Chick.

Noch nie hatte Winter so schnell das Gewünschte herbeigeschafft. Einen genau so guten Tropfen stellte er auf den Tisch, wie er ihn Chick am Tage seiner Ankunft spendiert hatte.

Inzwischen steckten an der Theke die Männer wichtig die Köpfe zusammen.

Ha – Jed Corner in Tom Winters Kneipe!

Was hatte das zu bedeuten? Bisher hatte Corner die Kneipe, die keinen allzu guten Ruf besaß, sichtlichst gemieden. Außerdem, wie kam es, daß Jed Corner und Lew Forest, von deren Schießerei man überall wußte, nun so friedlich hier beisammen saßen.

Allmählich füllte sich die Gaststube immer mehr. Wie ein Lauffeuer ging die Nachricht durch den Ort von Mund zu Mund: Jed Corner saß bei Tom Winter!

Man kam, denn man wollte sich doch nichts entgehen lassen und diesen Abend miterleben.

Mancher hatte in letzter Zeit ja darauf gewettet, daß Corner eines Tages erscheinen würde; da es aber nun wirklich eingetreten, waren, wie es so oft ist, die am erstauntesten, die es am lautesten prophezeit hatten.

Augenblicklich horchten sie alle gespannt auf Harry Elster, der im Flüsterton ungeheuer Interessantes zu erzählen hatte. Harry Elster, der denjenigen im Ort spielte, der immer alles wußte und immer Neuigkeiten hatte, schwamm heute in seinem Element.

Vor kurzem hatte er einen Mann getroffen, der aus dem Süden kam, und der ihm gegenüber gönnerhaft gemeint hatte, daß sich hier ja die Füchse ›Gute Nacht‹ sagten. Elster, in seinem Lokalpatriotismus gekränkt, hatte diesem von der kürzlich stattgefundenen Schießerei zwischen Jed Corner und Lew Forest erzählt. Bei dem Namen Jed Corner hatte der Fremde hoch aufgehorcht, und Elster hatte ganz genau gesehen, daß Angst aus seinem Wesen sprach, als er sich näher nach Corner erkundigte.

Vorsichtig geworden, hatte ihm Elster Auskunft gegeben, um dann nachzuforschen, was dessen seltsames Wesen bedeute. Nur zögernd hatte sich der Mann von ihm ausfragen lassen. Was er da von Jed Corner vernahm, war ihm so unglaublich erschienen, daß er starr dagesessen und ebenso atemlos zuhörte, wie jetzt seine Zuhörer an der Theke. Es wollte auch gar nicht in deren Köpfe, was Elster mit geheimnisvoller Stimme berichtete.

Jed Corner sollte ein bekannter Revolvermann gewesen sein!? Daß er gut, besser als sie alle, mit seinem Revolver umgehen konnte, war ja allgemein bekannt, aber daß er unter die zu zählen war, deren Namen man nur im Flüsterton aussprach, hätte keiner geglaubt, und das wollte ihnen allen nicht so recht in die Schädel; hatte doch noch niemand von ihnen gesehen, daß Corner gegen einen Mann seinen Colt gezogen. Die Sache mit Lew, na gut, das war eine private Auseinandersetzung gewesen, die jedem von ihnen passieren konnte.

Ihnen rauchten schon die Köpfe, und die Nachricht mußte mit einem Whisky hinuntergespült werden.

Elster war doch ein Prachtkerl, was erzählte er da noch? Corner war nicht mehr der Verwalter der Jolivet-Ranch?

Scheue Blicke streiften immer häufiger Jed Corner, der, nicht ahnend, daß er das Gesprächsthema der Männer bildete, mit Chick und Lew ruhig dasaß.

Jed ärgerte sich über sich selbst, aber er konnte es doch nicht unterlassen, Lew genau auseinanderzusetzen, was auf der Jolivet-Ranch jetzt am nötigsten getan werden mußte.

Schließlich endigte er mit den Worten: »Na, Lew, Ihr bleibt doch jetzt im Westen?«

»Worauf Ihr Euch verlassen könnt!« antwortete Chick statt Lew.

»Nun, dann habt Ihr ja ein Arbeitsfeld. Werdet Ihr doch Verwalter auf der Jolivet-Ranch. Wenn Ihr Euch einarbeitet, Lew, wüßte ich die Ranch bei Euch in guten Händen.«

»Ich danke Euch für Euer Vertrauen, Jed, aber der Nachfolger von Jed Corner werde ich nicht. Ich bin Euer Freund, und dann – ich gestehe es ganz offen – ich glaube nicht, daß ich mit Euern Boys fertig würde. Ich habe sie mir gut angesehen! Jolivet hat sich Boys angeschafft, mit denen im Ernst nicht gut umzugehen ist. Ihr wißt, ich bin nicht feige, darum sage ich es Euch auch so frei. Warum sollte ich eine Sache anfangen, die von vornherein ein totgeborenes Kind ist! – Die Jungen hat nur einer am Zügel, und dieser Mann ist – Jed Corner.«

Es klang nicht nach einer plumpen Schmeichelei, was Lew Forest da sagte, sondern seine ehrliche Meinung sprach aus seinen Worten.

Nachdenklich sah Jed vor sich hin.

»Ja,« ergriff Chick nun das Wort, »der alte Jolivet wußte, was er tat, als er seinen Jungen einen Jed Corner vor die Nase setzte.«

Nach einem Augenblick setzte er hinzu: »Sagt ehrlich, Jed, wäre es nicht zu mancher tollen Schießerei gekommen, wenn Ihr nicht dagewesen wäret? – Ich glaube, niemand weiß das hier zu bewerten, wie sehr die Ruhe und der Frieden des Ortes von Euch – Jed Corner – abgehangen hat.«

Jed sank der Kopf immer tiefer auf die Brust. Er wußte am besten, wie wahr Chick Langwool sprach. Mit einemmal kam ihm das Bewußtsein, daß er eine große Verantwortung besaß.

Plötzlich lächelte er vor sich hin.

Ist das dein Erbe an mich, Oliver Jolivet, was du mir hinterließest? dachte er ingrimmig.

Da hörte er wieder Chicks Stimme.

»Wenn die losgelassen werden, Lew, sind sie wie junge Tigerkatzen.«

Inzwischen hatte man an der Theke immer noch ein Glas auf die Neuigkeiten hin gehoben.

Man war jetzt in große Stimmung gekommen.

Plötzlich trat Donart, ein krakeellustiger und wegen seiner scharfen Zunge bekannter Mann, mit erhobenem Glas auf den Tisch der Drei zu.

»Jed Corner,« rief er schon von weitem, so daß alle aufhorchten, »ich begrüße Euch!«

»Mensch, macht daß Ihr weiterkommt!« warf Chick ihm nachlässig zu, ohne erst seine Zigarette bei diesen Worten aus dem Munde zu nehmen.

»Na, Langwool, man darf hier doch wohl noch jemanden begrüßen? Jed Corner, ich trinke auf Euch.«

Er leerte sein Glas, keiner an dem Tisch tat ihm Bescheid, dann stellte er das Glas auf den Tisch und beugte sich darüber. Sein angetrunkener Atem streifte Jed, der ihn mit undurchdringlichem Gesicht ansah.

»Seid Ihr der blonden Miß ausgerückt, Corner?« fragte er, begierig zu hören, was Jed darauf antworten würde.

Chick saß erstarrt. – War Donart irrsinnig, eine solche Frage an Corner zu richten?

»Na …?« aufmunternd blinzelte Donart Jed an.

»Wen meint Ihr eigentlich?«

Hätte Donart nicht schon so viel Whisky genossen, würde er nun bestimmt einen Zurückzieher gemacht haben, denn Jeds Stimme hatte einen Ton angenommen, daß es alle Anwesenden durchrann, als sie seine Frage vernahmen.

Tom Winters Blick ging wie ein Wiesel zwischen Donart und Corner hin und her. Seine Hand umklammerte das Glas, welches er gerade vollschenken wollte. Er kannte Donart nur zu gut; hatte ihn schon manchesmal in solchen Situationen gesehen; der würde bestimmt in sein Unglück rennen; der Mann war nicht mehr zu halten.

Als ob er Winter recht geben wolle, erhob Donart jetzt seine Stimme und krähte: »Ihr seid gut! Wen ich meine? – Miß Harries!«

»Ihr seid ein Lump, Donart, daß Ihr in angetrunkenem Zustande in einer Wirtschaft den Namen einer Frau, einer jungen Lady, aussprecht!«

Jed Corners Stimme hatte sich nicht verändert, alle hörten den Ton heraus, nur Donart schien ihn immer noch nicht zu vernehmen.

»Ach, tut Euch doch nicht so!« meinte er geringschätzig. »Wir wissen Bescheid!« rief er plötzlich, sich herausgefordert fühlend. »Sie hat verdammt schöne Augen, die Lady, und weiß sie zu gebrauchen.«

»Hier – Sanares,« er zeigte auf einen der Mexikaner, der mit an der Theke stand, und jetzt erschrocken zusammenzuckte. Sein dunkles Gesicht erblaßte, und man sah ihm an, daß er sich weit fort wünschte, »hat mir erzählt, wie sie ihn mit ihren Blicken verschlungen hat und ihm Avancen machte. Chick Langwool kann von diesem Schöntun wohl auch ein Wort erzählen, und jetzt seid Ihr wohl der schönen Circe entronnen, Corner?«

Langsam war Jed Corner in die Höhe gekommen, jetzt stand er Seite an Seite mit Chick und Lew. Mit einer Handbewegung schob Jed die beiden zur Seite und trat einen Schritt vor, seine Augen hielten den Mexikaner fest.

»So –« sagte er ganz ruhig, »dieser Hund da hat sich gerühmt, von einer amerikanischen Lady ausgezeichnet worden zu sein?«

Sanares machte eine hilflose Bewegung, um sich dann stoisch in die Situation zu finden, Donart mochte jetzt mit einemmal aufgehen, was er angerichtet hatte, denn er sah mächtig betreten drein, als sein Blick auf die erstarrten Gesichter der Männer fiel.

»Kommt heraus, wenn Ihr kein Feigling seid, und stellt Euch mir.«

Wie Stahl auf Stahl klang Jeds Stimme.

Langsam und zögernd trat Sanares aus dem Kreis der Männer, die förmlich zurückwichen.

»Ich sollte Euch in Eure Schandschnauze schießen, daß Ihr keine Ursache habt, Euch zu rühmen, daß ein Blick einer Lady noch einmal auf Euch ruht. Gebt an, wo soll ich Euch verwunden?«

Fest sah ihn Jed an. Seine Worte klangen so bestimmt, daß niemandem ein Zweifel kam, es sei nicht todernst mit ihnen gemeint. Jed wartete ab, was Sanares ihm antworten würde. Da sah er ein kurzes, gefährliches Aufglimmen in dessen Augen.

Ehe noch einer einen Gedanken fassen konnte, fuhr Sanares Hand nach seinem Colt und riß ihn heraus.

Zu gleicher Zeit fielen zwei Schüsse, niemand hatte bemerkt, daß auch Jed gezogen hatte.

Jetzt stand er mit dem noch rauchenden Revolver in der Hand da, indessen Sanares am Boden lag.

»So ein hinterlistiger Hund!« Donart rief es erschrocken aus.

Ohne den am Boden Liegenden noch eines Blickes zu würdigen, fuhr Jed herum:

»Nun zu Euch!« donnerte er Donart an.

»Nein, das geht auch mich an,« mischte sich Chick ein.

Mit hängenden Armen stand Donart vor den beiden.

Jed sah ihn verächtlich an.

»Chick, schaut Euch den traurigen Hund an, dafür ist mir meine Kugel zu schade. Der kann nur kläffen, aber nicht beißen.«

Wie unter einem Peitschenhieb zuckte Donart bei diesen scharfen Worten zusammen.

Lew trat zu Chick, mit einem bedeutsamen Blick sah er ihn an.

»Aus!« sagte er leise.

Chicks Augen folgten der Richtung von Lews Blicken. Eben waren einige Männer damit beschäftigt, das, was einmal der schöne Sanares gewesen war, hinauszuschaffen.

Tom Winters Augen leuchteten Jed Corner entgegen, am liebsten hätte er ihn umarmt, er getraute es sich nur nicht.

»Gehen wir?« Mit dieser Frage wandte sich Chick an Jed. Dieser nickte stumm, und unter allgemeinem Schweigen verließen sie die Gaststube.

Draußen reichte Jed Lew Forest die Hand.

»Lebt wohl, Lew! Und – paßt mir gut auf!«

Jed Corner erklärte nicht, worauf Lew aufpassen solle; dieser deutete es sich nach seiner Art.

Er warf noch einen bedauernden Blick auf die beiden abreitenden Gestalten, dann schwang er sich aus sein Pferd und ritt der Jolivet-Ranch zu, die er im sicheren und tiefen Schlaf anfand.

Chick führte, er wählte die Richtung nach Süden, plötzlich bog Jed Corner ab und dem Gebirge entgegen.

»Nanu?« fuhr es Chick erstaunt heraus.

»Hier geht der Weg nach Eurer Heimat, Jed.«

»Ich weiß, Chick.«

»Jed, Ihr reitet ja wieder zurück!«

»Dort oben,« Jed zeigte nach dem Felsengebirge unterhalb des Blanca Peak, »habe ich mir früher in Mußestunden aus Spielerei eine kleine Hütte gebaut. Das ist mein Ziel jetzt.«

Corner gab seiner ›Mary‹ die Sporen und eilte jetzt dem Gebirge entgegen.

Kopfschüttelnd folgte ihm Chick. Was sollte das nun wieder bedeuten? Warum verließ Jed nicht sofort die Gegend, in der ihn doch nichts mehr hielt.

Zwar konnte die Sache bei Winter für Jed nicht allzu große Folgen haben; es gab genug Zeugen, die bekräftigen konnten, daß Sanares zuerst und zwar in hinterlistiger Weise gezogen hatte.

Er zergrübelte sich den Kopf über Jed, fand aber keine Erklärung für dessen Verhalten. Nach Chicks Meinung lag im Süden der Weg für ihn. Mit einem Kameraden wie Jed, was gab es da für Möglichkeiten! Aber er fügte sich Jed, ohne ihn nach seinen Gründen zu fragen.

Als sie schon im Hochgebirge waren, konnte Chick die Lichter von Wilhelmstone sehen.

Sein Herz zog sich bei dem Gedanken zusammen, daß zwei dunkle Augen umsonst nach ihm ausschauen würden. Dieses Gefühl war neu für Chick, und es ergriff ihn wundersam.



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