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Fünftes Buch.
Die christliche Republik.

 

Das ist die Noth der schweren Zeit,
Das ist die schwere Zeit der Noth,
Das ist die schwere Noth der Zeit,
Das ist die Zeit der schweren Noth.

Adalbert v. Chamisso.

 

I.

»Ist der Bote zuverlässig, so lässest du ihn diesen Brief besorgen!« sagte Graf Ernst zu seinem Vertrauten und Mentor. »Aber empfiehl ihm Klugheit und Verschwiegenheit.«

»An Ruprecht?« sagte Gottschalk vor sich hin, das zusammengefaltete Papier empfangend. »Gnädiger Herr darf ich errathen, was dieser Brief enthält?«

»Versuch' immerhin deinen Scharfsinn, mein weiser Oedipus!« antwortete der Graf.

»Es ist die Antwort auf das Klagelied der kleinen Margareth, der Mutter Eures Erstgebornen!« versetzte Gottschalk. »Was habt Ihr über das Mädchen beschlossen?«

»Das Beste, was ich konnte!« entgegnete Ernst. »Sie wird Ruprecht's Hausfrau.«

»Wie?« staunte der Knecht. »Und willigt denn Margareth ein?«

»Wer fragt nach dem Willen einer thörigten Dirne!« sprach Ernst dagegen. »Ihr Brief fleht freilich um ewige Liebe und Treue, die ich ihr weihen solle, dann werde sie auch im Unglück glücklich sein. Die kleine Närrin droht sogar in leisen Andeutungen mit Rache, wenn ich sie je vergessen würde! Sie kann doch aber nicht im Ernst verlangen, daß ich jenen Rausch nie verschlafe! Thu' ich nicht Alles, um ihre Zukunft sicher zu stellen? Sie wird einer Mannes Weib und –«

»Und ihr Glück?« fiel Gottschalk ein.

»Bah, was meinst du Glück?« entgegnete der Graf. »Die Erfüllung aller thörigten Wünsche! Wie kann eine Dirne, für die niedern Kreise des Lebens geboren, Anspruch auf etwas machen, das oft den Edelsten versagt ist? Glück ist ein Traum, und sie hat ja süß geträumt in meinen Armen.«

»Um bitter getäuscht zu erwachen!« murmelte der Knecht.

»Du wirst widerwärtig langweilig, Gottschalk« sagte Ernst. »Der fromme Pater Benedict würde ein weniger salbungsvoller Moralprediger sein, als du. Du wirst mir doch im Ernst nicht zumuthen wollen, daß ich dem schwärmerischen Verlangen des Jägermädchens nachgebe, hier, wo so viele holde Augensterne leuchten, wo Bertha von Isenburg daherwandelt gleich einer Fee, deren Fuß kaum das Gräschen beugt, auf das er tritt. Wie verschwimmt Margareth in Nebel vor der süßen Gestalt dieser Herrlichen!«

»O hätt' ich Euch nimmer nachgegeben!« seufzte Gottschalk. »So wäre jenes Mädchen nimmer von Euch verlockt worden! Und wieder bin ich ungehorsam gegen die Befehle Eures Vaters, indem ich Euch den Umgang mit jenem Bauernsohne –«

Der junge Graf stampfte trotzig mit dem Fuß. »Zum Teufel,« rief er, »Alles hat ein Ende, auch meine Geduld! Du wirst anmaßend! Mein Vater mag ein guter Mann sein, aber er ist in Vorurtheilen befangen! Ich habe nicht länger Lust, mich am Gängelbande führen zu lassen; unter väterlicher Zuchtruthe stehen und bei jedem Schritte fragen, wo ich ihn thun darf, ist eine Rolle, die mir widerstrebt. Ich will freier Herr meiner Handlungen sein! Hörst du, Gottschalk?«

»Dann beliebt nur, diesen Entschluß, Eurem Vater kund zu thun und mich zu entlassen!« sagte Gottschalk mürrisch.

»Du bist ein Narr!« versetzte der Graf. »Auf wen hast du größere Hoffnung zu bauen, auf den frischen, lebensfrohen Jüngling, oder den alternden Greis, der dem Grabe zugeht? Ich meine, die Wahl dürfe dir nicht schwer werden! – Nun geh', bestelle meinen Brief. Ich bin dieser Unterhaltung müde. Ich will träumen von der schönen Bertha.«

»O Bertha!« fuhr er fort, als sein Knecht das Gemach verlassen. »So schön und hold, und doch so streng wie Diana! Laß uns sehen, ob ich nicht dein Endymion werden kann. Oder spieltest du gegen mich allein Diana und wärest einem Andern die hingebende, gewährende Venus? Tod und Hölle, ich ertrüge diesen Gedanken nicht!«

»Welchen Gedanken?« fragte Heinrich, der in diesem Augenblick in das Gemach des Freundes trat. Ernst erröthete flüchtig und ließ einen Blick des Unmuths über den Jugendgespielen streifen. »Du hast mich belauscht?« sagte er.

»Ich hörte nichts, als die letzten Worte deines Selbstgesprächs!« entgegnete Heinrich.

»Weißt du, daß du mich aus lieber Gesellschaft gestört hast? fragte der Graf.

»Deiner finstern Miene nach zu urtheilen, muß sie nicht eben freundlich gewesen sein;« versetzte Heinrich lächelnd.

»Laß das!« sagte jener. »Ich musterte in Gedanken die Schönheiten unseres Hofes. Welcher würdest du den Preis zu erkennen?«

»Die ich liebte;« entgegnete Heinrich.

»He du, was weißt du von der Liebe?« rief Ernst.

»Und strömt in meinem Herzen nicht Jünglingsblut?« antwortete Heinrich.

»Du liebst also!« sagte der Graf. »Das ist gut! Ich weiß, was Liebe heißt! Auch ich liebe! Die Liebe bedarf eines Vertrauten. Fühlst du dasselbe Bedürfniß, so tauschen wir aus, was unsre Herzen bewegt. Wohl, so sprich! Mache den Anfang! Male deine Schöne, erzähle mir von dem süßen Minnesold, den du empfangen!«

»Weißt du nicht, daß Verschwiegenheit die erste Tugend der Liebe ist?« entgegnete Heinrich. »Müßt' ich nicht fürchten, daß der holde Zauber verschwände, wenn ich den Schleier zurückschöbe?«

»Du bist ein gewissenhafter Liebhaber!« spöttelte der Graf. »Deine Schöne will also ihr Glück in stiller Verborgenheit genießen? Nun gut! Ich dringe nicht in dich, den Verräther zu spielen! Meine Liebe darf sich offen vor aller Welt zeigen. Warst du je so glücklich, im Zauberkreise Bertha's von Isenburg zu athmen?«

»Bertha von Isenburg?« rief Heinrich erblassend.

»Ich vergaß, daß du einmal zu ihrem Gefolge gehörtest!« versetzte der Graf arglos. »Doch hast du dein Auge schwerlich zu dem ihren erhoben und ahnst daher nicht, welche Zaubergluth in ihm verborgen ist!«

»Ihr liebt die Dame?« fragte Heinrich unruhig.

»Ich liebe sie!« erwiederte jener. »Ich liebe sie seit dem Augenblick, wo ich sie sah! Die schönste Perle fehlte diesem Hofe, als sie sich in das Waldesdunkel vergraben hatte.«

»Und Ihr findet Gegenliebe?« fuhr Heinrich fort und schwankte zwischen Hoffnung und Furcht.

»Ich werde sie finden, gewiß!« versetzte der Graf etwas verlegen. »Noch spielt sie die Spröde, Zurückhaltende; aber das ist so Frauensitte; im Herzen glüht es um so heißer. Meine Beharrlichkeit wird die Bande sprengen, die Gleichgültigkeit scheinen und doch nur Maske sind.«

»Dem Himmel sei Dank!« athmete Heinrich hoch auf.

»Was hast du?« fragte der Graf verwundert.

»Schlage dir diese Liebe aus dem Sinn!« sagte Heinrich fest. »Bertha wird nimmer die deine!«

»Was ist das?!« fuhr Ernst auf. »Wessen erkühnst du dich?«

»Sie zu lieben!« versetzte Heinrich. »Ja, ich liebe sie seit dem Augenblicke, als ich ihr in die strahlenden Augen sah! Wer dürfte in diese Zauberspiegel blicken und müßte sich nicht drein versenken! Ich liebte sie schon, als du sie nicht kanntest! Mein Recht ist älter, als das deine! Darum weiche!«

»Dein Recht? Ha!« loderte es in dem Grafen auf. »Was kümmert es mich, ob du sie liebst? Du magst immerhin bewundernd zu ihr aufschauen, eine ganze Welt muß ihr ja huldigen! Erhebt doch auch der Käfer die Augen blinzelnd nach dem Sonnenlichte, aber nur der Adler taucht sich in seine Gluth. Liebe sie immerhin, du kannst ja nie Erhörung finden!«

»Taste nicht an den Bund, den unsere Herzen geschlossen haben!« rief Heinrich erglühend. »Meine Liebe verglüht nicht unerwiedert. Auch Bertha liebt mich!«

»Dich?! Beweise!« herrschte der Graf. Heinrich sah ihn an, fast mit Spott. »Du glaubst mir nicht?« sagte er. »Du würdest mit auch nicht glauben, wenn ich dir von unserem verborgenen Glück erzählte, von den Mondscheinnächten, in welchen wir unterm blühenden Flieder gewandelt, wo die Sterne und die Nachtigallen allein die verschwiegenen Zeugen unsrer Liebe waren. Ich könnte dir die Liebespfänder zeigen, an deren jedes sich eine theure Erinnerung knüpft; aber du würdest vielleicht sagen, es sei erlogen. Berta's erste Gabe war eine Rose und mit verschämtem Erröthen bekannte sie mir dadurch ihre Liebe. Diese Schärpe selbst ist von ihrer Hand gewirkt!«

»Ha, Verräther!« rief Ernst. »Reiß diese Liebe aus deinem Herzen! Du darfst Bertha nicht lieben!«

»So lang ich athme, lieb' ich sie!«

»Ich befehle dir!«

»Die Liebe kennt keinen Gebieter!« entgegnete Heinrich stolz.

»Ha, Sclave!« rief der Graf erbittert »Du hast vergessen, wer du bist! Ich will dich daran erinnern du Spielwerk meiner Laune! Mein Knecht bist du, elender Bauernsohn! Zittre vor deinem Herrn und Gebieter!«

Wie von einer Schlange getroffen, fuhr Heinrich zurück; eine Todtenblässe überzog sein blühendes Jünglingsantlitz, der Pulsschlag seines Herzens stockte.

»erinnerst du dich deines Standes?« fuhr Ernst höhnend fort. »Ist der Traum zerronnen? Es war doch schön, ein Junker sein! Aber ein Hauch von mir, und du fällst von der Höhe, die du frevelnd erklettert. Du bist Junker, so lang es mir gefällt! Oder pochst du vielleicht darauf, daß deine Blutsverwandten, die Bauern die Ordnung der Weit umkehren, wie sie sich vermessen?«

»Ich habe nichts mit ihnen gemein!« antwortete Heinrich.

»Nichts als das Blut!« höhnte der Graf. »Ich rathe dir auch, nicht auf sie zu bauen; denn ihr Uebermuth dauert nur eine Weile! Mit ihrem Leben werden sie's bezahlen! – Heinrich,« fuhr er milder fort, »Laß von dieser Liebe und ich schweige!«

»Nimmermehr!« rief Heinrich.

»Wohlan, so enthüll' ich das Geheimnis und wie einen räudigen Hund wird man dich hinausstoßen! Und Bertha? Ha, wie wird sie dann vor Scham vergehen, wenn sie erkennt, daß sie mit einem Knecht, mit einem unreinen Bauer Gemeinschaft hatte. Ihre Liebe wird sich in Haß verwandeln; ja nicht einmal in Haß! Sie wird dich verachten, sie wird den Tag verfluchen, wo sie dich sah!«

»Und du könntest mich verrathen?« fragte Heinrich bittend.

»Knecht, sprich zu mir, als zu deinem Herrn!« zürnte der Graf. »Bei meinen Ahnen, ich werde deinen Frevel enthüllen, so du nicht auf ewig abschwörst die Liebe zu Bertha von Isenburg! Dann magst du ziehen als Junker vom Busch an einen andern Hof, wohin du willst! Wo nicht, so ist in nächster Stunde deine Schande offenbar.«

»Schenkt mir nur noch diesen Tag!« flehte Heinrich. »Morgen mögt Ihr mit mir schalten, wie Ihr wollt. Ich bedarf der Ueberlegung.«

»Wohlan, es sei!« entschied Ernst nach kurzem Besinnen. »Spiele heute noch deine klägliche Rolle! Sei klug! Ueberlege reiflich! Glaube nicht, ich scherze!«

Heinrich ging. Ernst stampfte unmuthig mit dem Fuße. »Seinetwegen also so kalt und spröde gegen mich?« knirschte er. »Ihn liebte sie, den Bauer. Wie will ich triumphiren, wenn ihr stolzes Herz sich demüthigt vor der Enthüllung der schrecklichen Wahrheit! Wenn sie sich glücklich preist, wenn ich zu dem Platze herniedersteige, den ein Bauer verlassen. Rache und Liebe, ihr seid beide süß!« –

Heinrich eilte mit stürmendem Herzen in's Freie. In einen einsamen Winkel des Parks wollte er sich seinem Schmerze überlassen. Seine Schläfe glühten fieberlich, in seiner Brust war es mit einem Male leer und öde, der holde Frühling daraus entschwunden. Er erinnerte sich jenes Tages, wo ihn der ehemalige Jugendgespiele erkannt. Schon damals war der Gedanke wie ein Eishauch durch seine Seele gezogen, in der Gewalt eines launenhaften, herrschsüchtigen Jünglings zu sein; aber mit der Zeit war das über seinem Haupte drohende Damoklesschwert seinem Blick entschwunden, sein verborgenes Glück hatte ihn die Doppelrolle vergessen lassen, die er spielte, und das freundliche Verhältniß, in welches er mit dem jungen Grafen getreten war, hatte ihn nie daran erinnert. Um so gewaltiger traf ihn der unerwartete Schlag.

»O daß ich der thörigten Eitelkeit nachgeben mußte,« rief er bereuend, »einen Platz mir anzueignen, den mir das grausame Schicksal nicht bestimmt! Schnöder Traum, der mich aus der stillen Hütte des Vaters trieb, wie bist du verrauscht! Und wenn ich Thaten vollbrächte, wie sie kein Edler vollbringt, sie würden doch den Bauer nicht vergessen? Und was ist der große Unterschied denn! Kann nicht der Bauer so edel fühlen und denken, als der Graf und der Fürst? kann er sich nicht zu denselben Fähigkeiten emporschwingen? Wer ahnte denn in mir einen dem Pflug Entlaufenen? Was liebte Bertha denn in mir? Etwa den erborgten Namen? O nein! Sie wäre ja dann meiner Liebe nicht werth! Sie liebte den Menschen, der derselbe bleibt, ist er auch des äußern Schimmers entkleidet! Aber darf ich sie dem Gespött preisgeben? Soll sie erröthen müssen ihrer Liebe wegen? Ich will fliehen, und ihr wenigstens den Glauben lassen! Fliehen? kann ich es denn? – Das ist die Strafe, daß ich deinen ehrlichen Namen verleugnete, mein Vater!«

»So tief in Gedanken, Junker?« redete ihn eine bekannte Stimme an; Heinrich war unangenehm überrascht. Der zierliche Mann, der sich vertraulich an seinen Arm hing, war ihm schon in besseren Tagen zuwider gewesen; jetzt war ihm seine Geschwätzigkeit vollends unausstehlich. Alles war sauber geschniegelt und gebiegelt an dem Manne von der Fußspitze an bis zu der ambraduftenden Perücke, die er statt des eigenen Haares trug, welches er schon in jüngern Jahren verloren. Er hatte sich den Schein der Jugend zu erhalten gewußt, lächelte ewig süß, kokettirte mir seinen Ringen und sprach gerne von seinen Liebesabenteuern.

»Die Isenburg ist doch ein göttliches Weib!« sagte er im Enthusiasmus »Fühle Ihr nicht, daß die Luft milder zu wehen scheint, weil sie in diesen Räumen weilt? Ich sah sie vorhin in ihrer sylphidischen Gestalt durch's Gebüsch schweben, folgte ihr, holte sie ein und redete sie an. Sie schien übler Laune, gab mir zu verstehen, daß sie meine Gegenwart nicht gerne sehe. Ich beunruhige sie, dachte ich, und äußerte meine Bereitwilligkeit, sie zu verlassen. »O lieber Herr von Stengel!« antwortete sie mit einem Blick, den ich nie vergesse. »Ihr errathet doch all' meine Wünsche! Ja, geht, geht, denn ich möchte nicht in Gesellschaft allein sein!« Wie hätte ich solchem Befehle widerstehen können? Ich ließ sie mit sich selbst allein.«

Der gute Herr von Stengel merkte nicht, wie sehr er das Blut seines unfreiwilligen Begleiters in Wallung brachte. Heinrich wollte sich losmachen, aber sein Quälgeist hielt ihn fest. »Denkt Euch,« fuhr er fort, »unsere entzückende Ruhe soll einen Stoß erleiden. Und durch wen? Durch die verdammten Bauern! In Schwaben und Franken kehren sie Alles von Unterst zu Oberst. Warum man sie nicht gleich kräftig auf die Finger klopft! Es ist mir unbegreiflich, woher dies Gesindel mit einem Male die Kühnheit genommen hat? Sonst schmiegten und biegten sie sich, zitterten schon, wenn wir die Peitsche aufheben, und jetzt ist der lebendige Teufel in sie gefahren. Begreift Ihr das?«

»Gewiß! Ja, ja!« antwortete Heinrich zerstreut und machte sich los. »Erlaubt, Herr, daß ich Euch verlasse; ein dringendes Geschäft ruft mich.« Er eilte fort durch die dichten Taxusgänge, deren Knospen halbgebrochen, das sanfte Grün des Frühlings zeigten. Herr von Stengel sah dem Flüchtigen kopfschüttelnd nach. »Dies Benehmen begreife ich eben so wenig;« murmelte er. »Sollte er Sympathien für das Bauerngesindel hegen? Man will von Einverständnissen adeliger Herren mit den Rebellen wissen. Unbegreiflich ist mir das!«

Ungeduldig suchte Heinrich den Gegenstand seiner Sehnsucht Endlich sah er ein weißes Gewand durch die Zweige schimmern; er preßte die Hand auf's Herz, als ob er ihm gebieten wolle, nicht so laut und heftig zu pochen; dann trat er näher zu der Laube, in welcher er die Geliebte vermuthete. Sie war es wirklich. In stillen Träumen schien sie da in sitzen; erst als sie den Sand knistern horte, erhob sie das schöne Auge und erröthete freudig, als sie den Jüngling vor sich sah.

Heinrich warf sich ungestüm zu ihren Füßen; das Haupt barg er in ihren Schopf. Lächelnd und träumend spielte sie mit seiner blonden Lockenfluth; dann legte sie die Hände an seine Schläfe, hob sein Antlitz empor und küßte ihn zärtlich auf die Stirn. »Du glühst fieberisch, Heinrich?« sagte sie. »Was ist dir, du Wilder?«

»O sage mir, das du mich liebst?« flehte Heinrich und sein Blick hing sehnsüchtig auf ihrem Antlitz.

»Warum?« fragte sie. »Glaubst du mir denn nicht ohne Schwur? Wodurch hab' ich dein Mißtrauen verdient?«

»Es ist, als wenn ich Engel sprechen hörte, wenn du mir sagst: ich liebe dich!« entgegnete der Jüngling leidenschaftlich. »Es klingt wie Nachtigallenflöten, wie Lerchengesang, der meine Seele in den blauen, sonnigen Himmel emporschwingt. Es ist, als lauschte ich dem Flüstern der Blumen, wenn sie unter einander kosen, dem Zephyr, wenn er um die Rose buhlt! O sage mir, ob du mich liebst!«

»Nun ja, ich liebe dich, mein schwärmerisches Kind!« schmeichelte Bertha. »Bist du nun zufrieden?«

»Liebst du mich auch allein?« fragte Heinrich weiter.

Bertha war betroffen von der Frage; sie ließ einen langen, fast traurigen Blick auf ihm haften. »Allein!« sprach sie dann. »Wenn du's auch nicht verdienst!«

»Und wirst nicht aufhören, mich zu lieben?« drängte der Jüngling weiter. »Bertha, sprich, wirst du mich ewig lieben?«

»Seltsamer!« lächelte Bertha. »Ich liebe dich, das sei dir genug! Laß die Zukunft! Die Liebe kennt nur eine Gegenwart; sie ist ihr die Ewigkeit.«

»Und was liebst du denn in mir?« fuhr Heinrich fort. »Ich bin arm!«

»Lieb ich denn todte Schätze? Dein Herz ist reich, reicher als ein König!«

»Bertha, würdest du mich auch lieben, wenn – wenn – denke dir den Fall! – wenn ich im schlichten Kleid des Bauern vor dir stünde? Würdest du unter dem groben Kittel ein Herz anerkennen, das für dich schlägt, das für dich blutet?«

»Was schwärmen wir in Möglichkeiten?« entgegnete Bertha ausweichend. »Ich liebe dich, wie du bist!«

»Und wenn ich ein Bauer wäre? Würdest du mich lieben?«

»Ich weiß es nicht!« sagte Bertha aufrichtig.

»Du mußt es wissen!« beharrte Heinrich. »was wäre denn schlechter an mir? Du müßtest ja durch meine Augen lesen, daß mein Herz deiner würdig ist, wenn du es jetzt als würdig anerkennst. O sprich, es beruhigt mich, wenn du sagst –«

»Du sollst deinen Willen haben, du verzogenes Kind! Nun ja, ich würde dich lieben, unter welcher Gestalt du mir auch erscheinen möchtest!«

»Ich danke dir!« rief Heinrich dankbar. »Sieh', ich fürchtete, du könntest mir Liebe heucheln und in den Armen eines Höhergebornen meiner spotten! Ich weiß, wie Viele den Blick verlangend nach dir erheben, ich weiß, daß Graf Ernst dich liebt –«

»Auf ihn bist du eifersüchtig!« entgegnete Bertha. »Hat dir der Graf seine Liebe vertraut, so hat er dir hoffentlich auch nicht verhehlt, wie ich seine Huldigung empfing. Bei der Jungfrau, der Graf kann sich keines Blickes rühmen, der ihn zu Hoffnungen berechtigte.«

»Ich kenne ja nun deine Liebe, die klar ist, wie Sonnenlicht« rief der Jüngling begeistert. »Ich fürchte keinen Nebenbuhler mehr, denn ich fühle jeden Pulsschlag deines Herzens, der nur mir entgegenjauchst. Ich bin so glücklich. Aber ach, wie bald zerreißt vielleicht ein feindliches Geschick das schöne Glück!«

»Du deutest auf die Trennung, die uns vielleicht bevorsteht!« entgegnete Bertha. »Aber tröste dich! sie wird nicht lange dauern, und ruhmgekrönt wirst du in meine Arme zurückkehren!«

»Ich verstehe dich nicht!« sagte Heinrich, verwundert sie anschauend.

»Weißt du denn nicht, daß ein Krieg uns bevorsteht, wenn Drohungen und Ermahnungen nichts fruchten, die aufrührerischen Bauern zur Ruhe zu bringen?« versetzte Bertha. »Die bösen Bauern! Allein schon darum könnte ich sie hassen, daß sie mich eine Trennung von dir fürchten lassen, wäre dies auch ihr einziges Verbrechen!«

»Du könntest sie hassen? sagte der Jüngling. »O beklage sie vielmehr, daß ihnen kein anderes Mittel blieb, aus ihrer Noth sich zu retten!«

»Du vertheidigst sie?« entgegnete Bertha verwundert. »Die abscheulichen Rebellen, die wie tolle Hunde nach dem Blute ihrer Herren lechzen?«

»Weißt du denn, wie viel sie erlitten von eben diesen Herren, die als Sclaven sie behandelten?« antwortete Heinrich warm. »Wie sie oft im bittern Jammer die Hände gerungen, und kein Herz erbarmte sich und keine Zunge sprach für ihr Recht, das Niemand anerkennen wollte! Sie sind Menschen und Gott bestimmte ihnen ihr Theil an den Erdengütern, wie all' seinen andern Geschöpfen. Bisher aber hatten sie nichts als Noth und Arbeit, ihre Thränen wurden verhöhnt, ihr Jammer verlacht. Wundert dich's nun, daß sie endlich ihre Ketten zerrissen haben? Ich beklage, des es so kommen mußte, aber ich finde es nicht unbegreiflich.«

»Ich wundere mich nicht mehr, daß sie selbst unter den Rittern Beschützer gefunden haben,« entgegnete Bertha, »bist doch selbst du ihr eifriger Vertheidiger geworden. Aber sie verdienen diese warme Theilnahme nicht. Dein gutes, liebevolles Herz läßt dich so sprechen. Lerne sie nur näher kennen und dann frage dich, ob sie würdig sind, eine höhere Stufe der menschlichen Gesellschaft einzunehmen, denn jetzt. Zur Arbeit sind sie geboren; was können sie mehr verlangen, als ihre Bestimmung?«

»Bei Gott, sie sind es würdig!« rief Heinrich. »Tragen sie doch das edle Menschenantlitz! Der Keim des Guten und Großen liegt in jeder Brust. Schmach und Unterdrückung erstickten ihn nur zu oft.«

»Ich glaube nicht einmal an ihren Muth!« entgegnete Bertha. »Sie können Schlösser zerstören, Wehrlose morden, ein Heer mannhafter Krieger aber wird ihre sämmtlichen Rotten mit einem Schlage vernichten.«

»Du glaubst nicht an ihren Muth, weil sie bisher nur bescheiden an die Thüre klopfen!« sagte Heinrich. »Ist aber der Muth, wie alle edlen Eigenschaften, ein Vorrecht des Standes? Und was begehren sie denn so Unerhörtes? Erleichterung ihrer Lasten, das reine Evangelium!«

»Bist du auch ein Ketzer?« lächelte Bertha.

»Ich bin zu unerfahren in Gegenständen der Religion,« antwortete Heinrich, »um gelehrt mit dir zu streiten. Meine früheste Jugend leitete ein Lehrer, der, obgleich Katholik und Mönch, doch von dem reinen, milden Geiste der neuen Lehre, vielleicht unbewußt durchdrungen war. Und ist nicht unser fürstlicher Herr dieser Lehre selbst geneigt? Das Evangelium aber, das er beschützt, predigt Freiheit allen Menschen.«

»Weißt du nicht, daß Luther selbst die Fürsten zum Kampf gegen die Rebellen ruft?« versetzte Bertha. »Nein, nein! Ein finstrer Geist ist's, der sie beherrscht; ein falscher Prophet hat sie zum Aufruhr verleitet. Thomas Münzer, der nun in Mühlhausen sein Lügenwesen treibt.«

»Thomas Münzer!« rief Heinrich unwillkürlich.

»Hast du den Namen noch nie gehört?« fragte Bertha.

»Doch, doch!« antwortete er. »Ich habe selbst den Mann gesehen, und er steht noch vor mir mit seinem kühnen unerschrockenen Blick, seinen tief in's Herz dringenden Augen! – Doch was kümmert uns jetzt dies Alles? Laß die Stunden, die uns bleiben, unsrer Liebe weihen.«

»Sie sind verflossen, wenn ich nicht vermißt werden soll!« »Wir sehen uns heute Abend wieder auf der Terrasse.« Sie küßte ihn und entschwebte dann durch die gewundenen Gänge des herzoglichen Parkes. »Sie fliehen?« rief der Jüngling berauscht. »Wie könnt' ich sie fliehen! Eben so gut das Sonnenlicht, die Welt! Ich bleibe, mag kommen, was da will!«–

Der Abend sank hernieder; ungeduldig sehnte Heinrich die Stunde herbei, die ihn zur Geliebten führen sollte. Endlich schlug sie. Wie heftig klopfte sein Herz! Ei blieb ihm noch so kurze Frist bis zu dem Morgen, der sein Schicksal entschied. Längeres Nachdenken hatte seinen Entschluß gewaltig erschüttert. Was half es ihm, wenn er blieb? Der Graf enthüllte ja dann sein Geheimniß, und wenn ihn auch Bertha noch liebte, so war sie doch auf immer für ihn verloren, und er hatte sie umsonst dem Spotte preisgegeben. Er baute auf ihre Treue, die ihn auch in der Ferne nicht vergessen würde; der Graf sollte ihm auf sein Wort versichern, daß er um den Preis seiner Flucht das Geheimnis bewahren werde. So war dieser Abend zum Abschied bestimmt. Er hatte sich ein Märchen ausgesonnen, das er der Geliebten glauben machen wollte.

Nun ging er nach der Terrasse. Es war eine milde Frühlingsnacht, eine jener Nächte, die das Gemüth für jeden Eindruck wunderbar empfänglich machen. Bertha war noch nicht da. Sollte sie vielleicht schon wissen? fragte er sich selbst; aber er hatte noch nicht Zeit gehabt, die Frage zu beantworten, als sie erschien.

»Meine Sehnsucht ist größer, als die deine!« sagte Heinrich nach der ersten Begrüßung.

»Undankbarer,« antwortete sie schmollend, »setzt' ich nicht deinetwegen Alles aufs Spiel, was dem Weibe theuer ist, meinen guten Ruf?«

»Ich bin nicht undankbar,« entgegnete er, sie heiß umschlingend, »ich weihe dir dafür mein ganzes Herz, mein Blut, mein Leben! Bei Gott, es ist keine schlechte Gabe!« Er wollte den bittern Wermuthtropfen des Abschieds aufsparen, bis er den letzten Becher der Lust geleert, der ihm gereicht ward.

»Keine schlechte Gabe fürwahr!« erwiederte sie »Aber dein Leben hat nur für mich werth, so lang es in diesem schönen, blühenden Körper wohnt. Ihm entrissen würde es mir nur Thränen erpressen und meinen Lebenshimmel trüben. So lange du athmest, so lang du mir in's Auge blickst, bin ich namenlos glücklich!«

Heinrich seufzte. Die bittere Trennungsstunde lag ihm schwerer als je auf dem Herzen. Da rauschte es im Gebüsch, und ein Mann trat hervor und seine wuthfunkelnden Augen blitzten durch die Nacht. Bertha wollte mit einem Schrei entfliehen, aber der Unbekannte vertrat ihr den Weg. Heinrich griff nach dem Dolche, aber seine Hand sank wie gelähmt, als er die Stimme des Lauschers hörte. »Auch dann, Bertha von Isenburg,« fragte dieser scharf, »wenn Ihr wißt, daß der, den Ihr liebt, ein Unwürdiger ist?«

»Wer wagt dies zu behaupten?« entgegnete Bertha.

»Ich!« sagte jener und schlug den Mantel zurück, der sein Gesicht halb verhüllte. Die Sterne warfen ihr fahles Licht darauf.

»Graf Ernst, «rief Bertha überrascht und blickte bald auf ihn, bald auf Heinrich, der mit gesenktem Haupte dastand. »Vertheidigt euch doch!« sagte sie, zu diesem gewendet.

»Er mag sich vertheidigen, wenn er den Muth hat, seinem Herrn und Gebieter gegenüber!« antwortete der Graf mit schneidendem Hohne. »Ja, ich bin sein Herr und Gebieter, und er mein Sclave, der Sohn eines Bauern, meinem Vater dienstbar. So lange es meine Laune wollte, ließ ich ihm den Namen, den er sich angemaßt, nun aber lös' ich den Zauber, und der Elende, der Betrüger steht vor Euch in seiner Niedrigkeit!«

»Ihr irrt, Graf!« erhob sich Heinrich stolz. »Der Arme ist nie niedrig, so lange sein Bewußtsein ihn über die Niedrigkeit erhebt.«

»Ha, pochst du darauf, daß deine Brüder an ihrem Sclavenjoche rütteln?« sagte jener. »stehst du vielleicht selbst im Bunde mit ihnen und hättest ihnen geholfen, ihre Narrenrepublik aus den Trümmern der uns von Gott gegebenen Macht zu gründen.«

»Ich bin eben so wenig zum Verräther, als zum Lauscher geboren!" versetzte Heinrich.

»Elender, erzittre vor meinem Zorne!« knirschte der Graf. »Da seht doch, Fräulein, wem Ihr Eure Liebe geschenkt, um wessen willen Ihr meine Werbung zurückgestoßen!«

»Ist es wahr?« fragte Bertha mit unsichere Stimme, die ihn anzuflehen schien, den Verleumder Lügen zu strafen.

»Wahr,« entgegnete Heinrich, »wahr, daß ich der Sohn eines Bauern bin, daß ich nur, um in deiner Nähe zu bleiben, den Nennen beibehielt, den eine gütige Herrin mir gegeben. Ich wollte fliehen, als dieser mich erkannte und mit einem Netz von Versprechungen mich umgarnte. Er trägt die Schuld, daß ich die Lüge nicht von mir warf. Morgen wär' ich geschieden, um deinen Ruf zu bewahren, weil mir der Graf versprach, das Geheimnis zu bewahren, wenn ich ihm Raum gebe. Dies ist mein ganzes Verbrechen, Bertha, und nun richte mich! Hast du mir doch selbst gesagt, daß du mich auch im Kleide des Bauern lieben würdest?«

Bertha schwieg. »Gefühlvoller Bauer!« rief der Graf roh lachend. Heinrich sah ihn mit Verachtung an. »Bertha, zürnst du mir?« sagte er weich.

»Geht, geht!« rief sie heftig bewegt. »Daß ich Euer Antlitz nicht mehr sehe! Ihr habt mich betrogen, Ihr habt mit frevelnder Hand meinen Ruf befleckt!«

»Das also war deine Liebe?« entgegnete Heinrich schmerzlich. »Du liebtest nicht den Menschen in mir!«

»Den Menschen! Als ob der Bauer ein Mensch wäre!« höhnte Graf Ernst.

»Schweigt!« entgegnete Heinrich mit Hoheit. »Entweiht nicht diese ernste Stunde mehr!«

»Knecht!« knirschte jener. »Knecht, den ich zertreten kann! Nieder auf deine Kniee, damit ich dir vergebe, und mit einem gnädigen Fußtritt schleudr' ich dich von mir, wie einen Wurm!«

Heinrich achtete seiner Wuth nicht. Er näherte sich Bertha und ergriff ihre Hand, die sie ihm zögernd entzog. »Vergieb mir, Bertha« flehte er. »Sage mir, daß du mir vergiebst!«

»Geht, das ist Alles, was ich Euch sagen kann!« antwortete sie bebend.

Heinrich sah sie mit stummem Schmerze an; sie wandte sich von ihm ab. »So lebe wohl, Glaube an die Menschheit!« rief er seufzend. – »Bertha« – flüsterte er in den weichsten Tönen der Liede und näherte sich wieder, ihre Hand zu fassen. Der Graf riß ihn zurück. »Berühre sie nicht mehr, du Unreiner,« sagte er. »Sie steht in meinem Schutze! Fort, Betrüger, oder ich lasse dich mit Hunden aus dem Schlosse hetzen!«

»Spritzt Euren Geifer nicht gegen mich!« zürnte Heinrich. »Wäre das Recht nicht nach der Geburt gemessen, so möchtet Ihr zu meinen Füßen liegen!«

»Unverschämter!« rief der Graf wüthend und schlug nach ihm. Da riß der Zorn den Geschmähten, Mißhandelten mit sich fort und drückte den Dolch ihm in die Faust, den er gegen seinen Quäler schwang. Ernst wich ihm aus. Bertha trat ihm entgegen, das er tief aufseufzend die Hand sinken ließ. »Fügt nicht zum Betrug noch den Mord!« sagte sie.

»Also auch Ihr nennt mich Betrüger?« entgegnete er bitter »Wohlan, so vergeßt in den Armen eines Hochgebornen, aber darum nicht Würdigern den armen Heinrich, wie ich zu vergessen suchen werde, daß mich die Liebe, die ich für die edelste hielt, sich nicht über die Schranken des Gewöhnlichen erheben konnte! Aber der Tag wird kommen, wo die Vorurtheile fallen, und der Bauer zeigen wird, das nicht Geburt Verdienst und Adel verleiht!« Er schritt die Terrasse hinab und entschwand in der Nacht.

Berthas Brust hob sich in einem tiefen Seufzer. »So schön und doch ein Bauer!« flüsterte sie.

Ernst betrachten sie mit einem Gemisch von Wohlgefallen und Schadenfreude. »Könnt Ihr dem Bauer nur noch einen Gedanken schenken?« sagte er. »Dankt es mir, daß ich den Betrüger entlarvt!«

»Ich soll Euch danken, daß Ihr mir einen schönen Traum zerstört?«

»Der zur Schande führte!« antwortete der Graf rücksichtslos. »Ihr waret schlafwandelnd, ich riß Euch vom Abgrunde zurück und biete Euch eine Brust, wo Ihr heißere und jedenfalls würdigere Liebe findet!«

»Ich bin eine Trauernde, deren Schmerz Ihr schonen müßt!« entgegnete sie trüb.

»Schmerz? Schmerz um ihn?« loderte er auf. »Bedenkt doch, welcher Schmach er Euch preisgegeben! Wenn die Scene dieser Nacht kund würde, wie stände es dann um Euren Ruf? Sie würden Euch fliehen und verachten, die Euch jetzt anbeten. Ich aber liebe Euch so heiß, daß ich Euch selbst aus den Händen des Teufels empfinge und an mein Herz drückte!«

»Herr, erbarmt Euch meiner und schonet meines Rufes!« flehte Bertha.

»Und werden diese schönen Lippen mir dann ein Wort der Erhörung flüstern?«

»Wenn ich Euer Schweigen damit erkaufe, – dann –«

»Darf ich hoffen, der Glücklichste der Sterblichen zu werden!« Er beugte sich über ihre Hand und küßte sie. So war der Bund geschlossen.

Heinrich's Flucht gab Stoff zu mancherlei Vermuthungen. Als endlich aus unerklärbare Weise das Gerücht auftauchte, er sei ein Eindringling und gar nicht von adligem Blute gewesen, da machten sich die Herzen Luft, und Mancher wollte schon früher bäurische Manieren an ihm bemerkt haben. Man sprach sogar davon, er sei ein Spion der aufrührerischen Bauern gewesen, und man erinnerte sich, mit welcher Wärme er immer die Volkssache vertheidigt hatte, was jenen Verdacht zu bestätigen schien. So wetteifern Verleumdung und Unverstand, einen sonst makellos erfundenen Charakter zu beflecken, wenn nur ein Schatten auf ihn gefallen ist.

»Dieser Junker vom Busch!« sagte Herr von Stengel, vielleicht der Einzige, der ihm Gerechtigkeit wiederfahren ließ; »er hatte so etwas Edles in seinem Gesicht, das mich anzog. Wer hätte das gedacht? Er sah gar nicht aus wie ein Bauer; er war vielmehr stolz und herablassend, wie ein ächter Edelmann. Ich hätte Häuser auf ihn gebaut und ein Juramentum auf sein reines Blut abgelegt. Wie nur ein Mensch solche Verstellungskunst sich aneignen kann? Der schöne, von allen Damen geliebte Junker vom Busch ein Bauer – es ist mir unbegreiflich!«


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