Rudyard Kipling
Indische Erzählungen
Rudyard Kipling

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Die Flucht der weißen Husaren.

Einige Leute behaupten, ein englisches Kavallerie-Regiment könne überhaupt nicht entfliehen. Das ist ein Irrtum. Ich habe 437 Säbel in ungeheurer Angst durch die Felder fliehen sehen, – habe das beste Regiment der Armee zwei Stunden mit verhängten Zügeln dahinsprengen sehen. Wenn man diese Geschichte den meisten Husaren wiederholt, so werden sie wahrscheinlich ziemlich grob werden. Sie sind nämlich auf den Vorfall nicht stolz.

Man kennt die weißen Husaren an ihrem »Renommée«, das bedeutender ist, als das aller andern Regimenter der Armeeliste. Wem das als Kennzeichen nicht genügt, der mag sie sich an dem alten Brandy merken. Derselbe befindet sich seit 60 Jahren im Kasino und verdient es, daß man ihn eingehend probiert. Man frage nach dem alten Brandy »Mr. Goire« und sehe zu, daß man ihn auch bekommt. Wenn der Kasino-Sergeant jemanden für unerzogen hält und der Ueberzeugung ist, daß der echte Stoff bei einem fortgeworfen ist, so wird er uns dementsprechend behandeln. Er ist ein guter Mensch. Doch wenn man sich im Kasino befindet, soll man zu seinen Wirten niemals von starken Märschen oder langen Ritten sprechen. Das Kasino ist dann sehr empfindlich, und wenn sie glaubten, man lache über sie, so würden sie einem den Standpunkt klar machen.

Wie die »Weißen Husaren« behaupten, war nur der Oberst daran schuld. Er war ein Neuling und hätte nie das Kommando übernehmen sollen. Er meinte, das Regiment wäre nicht schneidig genug. Das sagte er den weißen Husaren, die da wußten, daß kein Pferd sie abwerfen, keine Flinte sie durchbohren, und daß man ihnen keinen Fußbreit Erde abtrotzen konnte.

Die Beleidigung war die erste Ursache des Aergernisses.

Dann strich der Oberst das Paukenpferd – das Paukenpferd der weißen Husaren! Vielleicht begreift der Leser gar nicht, welches ungeheure Verbrechen er damit begangen hatte. Ich will versuchen, die Sache zu erklären. Die Seele des Regiments lebt in dem Paukenpferd, das die silbernen Kesselpauken trägt. Es ist fast immer ein starkes Roß aus Wales. Das ist Ehrensache, und ein Regiment giebt für ein solches Pferd alles mögliche aus. Es ist über die gewöhnlichen Gesetze der Streichung und Abschaffung erhaben. Seine Arbeit ist sehr leicht, und es geht nur im Schritt. Darum ist sein Wohlbefinden auch gesichert, so lange es ausschreiten kann und hübsch aussieht. Es weiß vom Regiment mehr als der Adjutant und könnte, wenn es das selbst versuchte, keinen Irrtum begehen.

Das Paukenpferd der Weißen Husaren war erst 18 Jahre alt und seinen Verpflichtungen vollständig gewachsen. Es hatte mindestens noch für sechs Jahre Arbeitskraft im Leibe und stolzierte mit all' dem Gepränge und Pomp eines Garde-Tambourmajors. Das Regiment hatte für das Tier 1200 Rupien bezahlt.

Doch der Oberst sagte, es müsse fort, und es wurde regelrecht abgeschafft und von einem schwachen, rotbraunen Tiere mit einem Rattenschwanz, Kuhbeinen und einem Schafhals ersetzt, das so häßlich wie ein Maulesel war. Der Paukenschläger haßte das Tier, während die besseren Musikerpferde die Ohren zurückzogen und bei seinem bloßen Anblick das Weiße ihrer Augen zeigten. Sie wußten, es war ein Emporkömmling, aber kein Gentleman. Ich glaube, die Ansicht des Obersten hinsichtlich der Schneidigkeit erstreckte sich auf die Musikkapelle, und er wollte auch sie an der regelrechten Paradeübung teilnehmen lassen. Eine Musikkapelle der Kavallerie ist eine geheiligte Sache. Sie rückt nur aus, wenn der Oberstkommandierende Parade abhält, und der Kapellmeister ist noch um einen Grad bedeutender, als der Oberst. Er ist ein Hoherpriester und der »Keel Row« ist sein Opfergesang. Der »Keel Row« ist der Kavalleriemarsch, und wer dieses hohe, schrille, gellende Tonstück, in dem sämtliche Instrumente vertreten sind, nicht gehört hat, der kann immer noch etwas hören und noch etwas lernen.

Als der Oberst das Paukenpferd der Weißen Husaren abschaffte, kam es fast zu einem Aufruhr.

Die Offiziere waren ärgerlich, das Regiment war wütend, die Musiker fluchten – wie Soldaten. Das Paukenpferd sollte versteigert werden – öffentlich versteigert, um vielleicht von einem Parsen gekauft und vor einen Wagen gespannt zu werden! Das war schlimmer, als wenn man das innere Leben des Regiments dem Gerede der ganzen Welt preisgab, oder das Silbergeschirr des Kasinos einem Juden – einem schwarzen Juden verkaufte.

Der Oberst war ein gewöhnlicher Mensch und ein Eisenfresser. Er wußte, was das Regiment von seiner Handlungsweise hielt; und als die Soldaten sich erboten, das Paukenpferd zu kaufen, erklärte er, ihr Anerbieten wäre aufrührerisch und der Instruktion zuwiderlaufend.

Doch einer der Subalternoffiziere, ein Irländer, namens Hoyan-Jole, kaufte das Paukenpferd für 160 Rupien auf der Auktion, und der Oberst war wütend. Jole zeigte Reue – er war unnatürlich demütig – und sagte, er habe das Pferd nur gekauft, um es vor einem etwaigen Hungertode und schlechter Behandlung zu schützen; doch jetzt wolle er es erschießen und der Sache ein Ende machen. Das schien den Obersten zu beruhigen, denn er sagte, man möchte über das Paukenpferd verfügen. Er fühlte, daß er einen Mißgriff begangen, konnte denselben aber natürlich nicht zugeben. Mittlerweile aber war ihm die Anwesenheit des Paukenpferdes lästig. Jole nahm ein Glas des alten Brandy zu sich, steckte sich drei Zigarren ein und verließ mit seinem Freunde Martyn das Kasino. In Joles Wohnung konferierten Jole und Martyn zwei Stunden lang, doch nur der Bull-Terrier, der Joles Schaftstiefel bewachte, weiß, was sie miteinander sprachen. Ein bis an die Ohren verhülltes und eingewickeltes Pferd verließ Joles Ställe und wurde augenscheinlich sehr gegen seinen Willen in den Regimentsmarstall geführt. Joles Stallknecht ging mit. Zwei Mann begaben sich in das Regimentstheater und brachten mehrere Farbentöpfe und mehrere große Dekorationspinsel heraus. Dann brach die Nacht über das Lager herein, und man hörte ein Geräusch in Joles Stall, als wenn ein Pferd seinen Futterkasten in Stücke schlägt. Jole hatte einen kräftigen, alten, weißen Schimmel aus Wales.

Der nächste Tag war ein Dienstag, und die Mannschaften, die gehört hatten, Jole wollte das Paukenpferd am Abend erschießen, beschlossen, dem Tier ein regelrechtes Regimentsbegräbnis zu teil werden zu lassen – ein feineres, als sie dem Oberst hätten zu teil werden lassen, wenn dieser gestorben wäre. Sie beschafften einen Ochsenwagen, einige Säcke und Bündel von Rosen; unter die Säcke wurde der Kadaver gelegt und nach dem Platze überführt, wo die Kohlen aufgespeichert waren; zwei Drittel des Regiments folgten. Es war keine Musikkapelle dabei; doch alle sangen: »Der Platz, wo das alte Pferd gestorben« als etwas Pietätvolles und der Situation Angemessenes. Als der Kadaver in das Grab gesenkt war, und die Leute Arme voll Rosen hineinwarfen, um es zu bedecken, brach der Tierarzt in einen Fluch aus und sagte ganz laut:

»Ei, das ist ebenso wenig das Paukenpferd, als ich es bin.«

Die Feldwebel fragten ihn, ob er seinen Kopf in der Kantine gelassen hätte. Der Roßarzt erwiderte, er kenne des Paukenpferdes Füße so genau, wie er seine eigenen kenne; doch er schwieg still, als er auf dem armseligen, steifen Vorderbeine die eingebrannte Regiments-Nummer erblickte.

So wurde das Paukenpferd der weißen Husaren begraben. Die Säcke, die den Kadaver bedeckten, waren stellenweise mit schwarzer Farbe beschmiert, was dem Roßarzt auffiel, und worauf er auch aufmerksam machte. Doch der Feldwebel des Trupps E gab ihm einen tüchtigen Stoß in die Kniekehle und sagte ihm, er wäre zweifellos betrunken.

An dem dem Begräbnis folgenden Montag suchte sich der Oberst an den weißen Husaren zu rächen. Da er unglücklicherweise zur Zeit gerade das Kommando über die Station führte, so setzte er eine Brigade-Felddienstübung an. Er sagte, er würde das Regiment wegen seiner verdammten Frechheit schwitzen lassen, und er führte diesen Entschluß auch vollständig durch. Dieser Montag war einer der schlimmsten Tage, für die weißen Husaren. Sie wurden gegen einen cachierten Feind gehetzt, vorwärts getrieben, zurückgeworfen, hinausgepeitscht und in jeder möglichen Weise wissenschaftlich über das neblige Feld gejagt, bis sie tüchtig schwitzten. Ihr einziges Vergnügen kam erst gegen Abend, als sie die reitende Artillerie anfielen und zwei Meilen weit fortjagten. Ein Parademarsch beschloß die Uebung, und als das Regiment zu seinen Linien zurückkehrte, waren die Leute von den Sporen bis zu den Kinnriemen mit Schmutz bedeckt.

Die weißen Husaren haben ein großes und besonderes Privilegium, das sie sich, glaube ich, bei Foulenoy errangen.

Manche Regimenter besitzen besondere Rechte, wie das Tragen von Kragen unter der Dienstuniform, oder einen Streifen Band zwischen den Schultern, oder rote und weiße Rosen auf den Helmen an bestimmten Tagen des Jahres. Einige Rechte sind mit Regimentskommandeuren verknüpft, andere mit Regimentserfolgen. Alle werden hoch geschätzt; doch keines so hoch wie das Recht der weißen Husaren, daß die Musikkapelle spielt, wenn die Pferde in den Linien getränkt werden. Nur ein Tonstück wird gespielt, und dieses Tonstück verändert sich nie. Ich weiß seinen richtigen Namen nicht, aber die weißen Husaren nennen es: »Bringe mich wieder nach London zurück.« Es klingt sehr hübsch. Das Regiment würde sich lieber aus der Linienliste streichen lassen, als dieses Privilegium missen.

Nachdem zur Rückkehr geblasen war, ritten die Offiziere heim, um die Ställe in Stand setzen zu lassen, während die Mannschaften sich »rührten«. Das heißt, sie machten die Rockknöpfe auf, lockerten die Helme und begannen zu scherzen oder zu fluchen, wie sie gerade die Laune anwandelte; die Sorgsameren stiegen ab und lockerten die Gurte und die Kinnketten. Ein guter Soldat schätzt sein Pferd genau so hoch, als er sich selbst schätzt, und glaubt oder sollte doch glauben, daß diese beiden zusammen, was Frauen oder Männer, Mädchen oder Flinten betrifft, unwiderstehlich sind.

Dann gab der dienstthuende Offizier den Befehl: »Pferde tränken!«, und das Regiment wandte sich zu den Schwadronströgen, welche in der Nähe der Ställe und zwischen diesen und den Baracken sich befanden. Es waren da vier ungeheuer große Tröge, einer für jede Schwadron, staffelartig arrangiert, so daß das ganze Regiment in 10 Minuten tränken konnte, wenn es wollte. Doch es brauchte gewöhnlich siebzehn, weil die Musik spielte.

Die Musik begann, während die Schwadronen zu den Trögen zogen, und die Mannschaften die Füße von den Steigbügeln befreiten. Die Sonne ging eben in einem dicken, heißen Ball von roten Wolken unter, und der Weg zu den Linien schien gleichsam in das Auge der Sonne zu führen. Da erschien auf der Landstraße ein kleiner Punkt. Er ward größer und größer, bis er sich als ein Pferd entpuppte, auf dessen Rücken eine Art Bratrost saß. Die roten Wolken glitzerten durch die Sparren dieses Rotes. Einzelne Soldaten beschatteten die Augen mit den Händen und sagten: »Was hat denn das Pferd da auf seinem Rücken sitzen?«

Eine Minute später hörten sie ein Wiehern, das jede Seele im Regiment – Pferde wie Mannschaften – kannte, und sahen das rote Paukenpferd der weißen Husaren gerade auf die Musik zulaufen!

An seinen Seiten klapperten und hingen die mit Trauerflor umwundenen Kesselpauken, während auf seinem Rücken steif und martialisch ein Skelett saß.

Die Musik hörte zu spielen auf, und einen Augenblick herrschte tiefe Stille. Dann riß einer aus dem Trupp E – einzelne Soldaten sagen, es wäre der Feldwebel gewesen – sein Pferd herum und schrie auf. Was darauf geschah, kann eigentlich niemand so recht sagen; doch in jedem Trupp scheint wenigstens einer das Beispiel der Panik gegeben zu haben, und die anderen folgten wie Schafe. Die Pferde, die kaum ihre Schnauzen in die Tröge gesteckt, wurden unruhig und bockten. Doch als die Musik abbrach, was geschah, als der Geist des Paukenpferdes ziemlich nahe herangekommen war, drehten sich alle Rosse um, und das Getöse der stampfenden Hufe, das von dem gewöhnlichen Schnauben und Wiehern einer Paradeübung oder dem lustigen Getrappel, wenn es zur Tränke ging, durchaus verschieden war, machte sie nur noch erschrockener. Sie fühlten, daß die Leute, die auf ihren Rücken saßen, sich vor etwas ängstigten.

Trupp auf Trupp verließ die Tröge und rannte, der eine hierhin, der andere dorthin fort, um wie verschüttetes Quecksilber zu zerfließen. Es war ein höchst merkwürdiges Schauspiel, denn Pferde und Menschen befanden sich bisher in vollkommener Ruhe, während das gelockerte Zaumzeug ihnen jetzt in die Seiten schlug und sie noch heftiger anspornte. Die Mannschaften schrieen und fluchten, und versuchten, die Musikkapelle aufzuhalten, die von dem Paukenpferd gejagt wurde, dessen Reiter vornüber gefallen war.

Der Oberst war nach dem Kasino gegangen, um einen Trunk zu sich zu nehmen. Die meisten Offiziere waren bei ihm, und der diensthabende Leutnant wollte sich gerade zu den Truppen begeben, um die Berichte der Feldwebel entgegenzunehmen. Als das »Bringt mich wieder nach London« nach zwanzig Takten abgebrochen wurde, sagte jeder in dem Kasino: »Was um Himmelswillen ist denn nur geschehen?« Eine Minute später hörten sie unmilitärischen Lärm und sahen die weißen Husaren in wüster Auflösung, zerstreut über die Ebene jagen.

Der Oberst war sprachlos vor Wut, denn er glaubte, das Regiment hätte sich gegen ihn empört oder wäre sinnlos betrunken. Die Musik stürzte wie ein aufgelöster Pöbelhaufen weiter, und hinter ihr drein sprengte das Paukenpferd – das tote und begrabene Paukenpferd mit dem klappernden, hin- und herbaumelnden Skelett. Hoyan Jole flüsterte Martyn zu: »Die wird kein Draht festhalten,« und die Musik, die wie ein Hase gerannt war, kehrte wieder um. Doch das übrige Regiment war fort und jagte durch die Provinz, denn der Nebel sank hernieder, und jeder brüllte seinem Nachbar zu, das Paukenpferd wäre ihm auf den Fersen. Truppenpferde werden in der Regel nicht zu zart behandelt. Sie können im Notfall ein gut Stück aushalten, selbst mit 200 Pfund im Sattel. Das merkten die Soldaten jetzt. Wie lange diese Panik dauerte, kann ich nicht sagen. Ich glaube, als der Mond aufging sahen die Leute, daß sie nichts zu befürchten hatten, und kehrten zu zwei und drei und in halben Trupps beschämt in das Lager zurück. Inzwischen jagte das Paukenpferd, das sich über diese Behandlung von seiten seiner alten Freunde ärgerte, hin und her, bäumte sich und sprengte die Stufen der Veranda hinauf, um sich Futter zu suchen. Auch nicht einer rannte fort; aber auch nicht einer trat vor, bis der Oberst eine Bewegung that und zu den Füßen des Skeletts Halt machte. Die Musik hatte sich in einiger Entfernung davon aufgestellt und kam jetzt zurück, der Oberst nannte sie einzeln und zusammen mit allen möglichen Schimpfnamen, die ihm gerade in den Sinn kamen; denn er hatte seine Hand auf die Brust des Paukenpferdes gelegt und Fleisch und Bein vorgefunden. Dann schlug er mit den geballten Fäusten auf die Kesselpauken und entdeckte, daß sie nur aus Silberpapier und Bambusrohr bestanden. Darauf versuchte er unter weiterem Fluchen das Skelett aus dem Sattel zu ziehen, fand aber, daß es mit Draht angebunden war. Der Anblick des Obersten, der seine Arme um das Skelett schlang und seine Kniee dem alten Paukenpferd in den Magen drückte, war großartig, um nicht zu sagen belustigend. Er zerrte ein bis zwei Minuten an dem Ding, warf es dann an die Erde und sagte zu der Musik: »Da, ihr Köter, davor habt ihr euch gefürchtet!« Das Skelett sah im Zwielicht nicht gerade hübsch aus. Der Tambourmajor schien es zu erkennen, denn er murmelte und fragte stotternd:

»Soll ich es fortbringen, Herr Oberst?«

»Ja,« versetzte der Oberst, »bringen Sie es zur Hölle und reiten Sie selber hin!«

Der Tambourmajor salutierte, nahm das Skelett zu sich in den Sattel und ritt nach den Ställen. Nun begann der Oberst, sich nach dem Rest des Regiments zu erkundigen, und die Sprache, die er dabei gebrauchte, war wundervoll. Er wolle das Regiment auflösen, wolle jede lebende Seele in demselben vor ein Kriegsgericht stellen, er wolle ein solches Lumpenpack nicht kommandieren u. s. w., u. s. w. Als die Mannschaften wieder auftauchten, wurde seine Sprache noch wilder, und er überschritt sogar die äußersten Grenze freier Sprache, die selbst, einem Kavallerie-Oberst gezogen sind.

Martyn nahm Hoyan Jole beiseite und machte ihn darauf aufmerksam, daß er den Dienst verlassen müßte, wenn alles entdeckt würde. Martyn war der schwächere der beiden. Hoyan-Jole zog die Augenbrauen in die Höhe und bemerkte, erstens wäre er der Sohn eines Lords, und zweitens wäre er an der theatralischen Auferstehung des Paukenpferdes so unschuldig, wie ein neugeborenes Kind.

»Meine Instruktionen,« sagte Jole mit eigentümlich häßlichem Lächeln, »lauteten, das Paukenpferd solle so schleunigst wie möglich zurückgeschickt werden. Ich frage Sie nun, bin ich dafür verantwortlich, wenn ein eigensinniger Freund es in einer Weise zurückschickt, die den Seelenfrieden eines Kavallerieregiments Ihrer Majestät stören muß?«

»Sie sind ein großer Mann,« versetzte Martyn, »und werden noch einmal General werden. Doch ich würde meine Aussichten auf Beförderung darum geben, wenn ich heil und gesund aus dieser Geschichte heraus wäre.«

Die Vorsehung rettete Martyn und Hoyan-Jole. Der Oberstleutnant führte den Oberst in den kleinen mit einem Vorhang bedeckten Raum, wo die Subalternoffiziere der weißen Husaren abends gewöhnlich Poker spielten, und hier sprachen sie, nachdem der Oberst noch viele Flüche ausgestoßen, leise miteinander. Ich glaube, der Oberstleutnant muß den Streich wohl als das Werk irgend eines gemeinen Soldaten hingestellt haben, den zu entdecken ganz unmöglich sein würde, und ich weiß, daß er auf die Beschämung und das Gelächter aufmerksam machte, die das Bekanntwerden des Streiches nach sich ziehen würde.

»Sie werden uns,« sagte der Oberstleutnant, der wirklich eine sehr rege Phantasie besaß, »sie werden uns »Nachtschwärmer«, sie werden uns »Geisterjäger«, nennen, und uns von einem Ende der Armee bis zum andern mit Spitznamen belegen. Alle Erklärungen der ganzen Welt würden Fernstehenden nicht begreiflich machen, daß die Offiziere nicht dabei waren, als die Panik begann. Um der Ehre des Regimentes und Ihrer selbst willen lassen Sie die Sache vergessen sein.«

Der Oberst war vor Aerger so erschöpft, daß es gar nicht so schwer war, ihn zu beruhigen, wie man gedacht hatte. Man machte ihm mit freundlichen Worten nach und nach begreiflich, daß es platterdings unmöglich war, das ganze Regiment vors Kriegsgericht zu stellen, und ebenso unmöglich, gegen einen Subalternoffizier einzuschreiten, der seiner Ansicht nach mit dem Streich in Verbindung gebracht werden könnte.

»Aber das Tier lebt doch! Es ist überhaupt gar nicht erschossen worden!« brüllte der Oberst. »Es ist offenbarer Ungehorsam! Ich habe einen Mann gekannt, der sich um viel geringeres den Hals brach! Ich sage Ihnen, Mutman, sie machen sich über mich lustig, sie machen sich über mich lustig!«

Wieder einmal bemühte sich der Oberstleutnant, den Oberst zu beruhigen, und redete eine halbe Stunde auf ihn ein. Nach dieser Zeit stattete der Sergeantmajor des Regiments seinen Bericht ab. Die Situation war ihm zwar neu, doch er war nicht der Mann, sich von äußeren Umständen aus der Fassung bringen zu lassen. Er machte Honneur und sagte:

»Das Regiment ist vollständig zurück, Herr Oberst!«

Dann fügte er, um den Oberst milder zu stimmen, hinzu:

»Auch den Pferden ist nichts passiert.«

Der Oberst knurrte nur und erwiderte:

»Sie thäten besser, die Mannschaften in ihre Betten zu stecken und zuzusehen, daß sie nicht aufwachen und in der Nacht zu schreien anfangen.«

Der Sergeant machte Kehrt.

Der kleine Scherz, den er gemacht, gefiel dem Oberst, und er schämte sich auch ein wenig der Sprache, die er gebraucht hatte. Der Oberstleutnant redete ihm noch weiter zu, und die beiden schwatzten bis in die Nacht hinein.

Am nächsten Tage war Kommandeurparade, und der Oberst kanzelte die weißen Husaren gehörig ab. Der Kern seiner Rede war, da das Paukenpferd sich in seinem hohen Alter als fähig erwiesen hatte, das ganze Regiment in Verwirrung zu bringen, so sollte es auf seinen Ehrenposten an der Spitze der Musik zurückkehren, das Regiment aber wäre eine Schar von Hallunken mit schlechtem Gewissen.

Die meisten Husaren jauchzten und warfen alle beweglichen Gegenstände in die Luft, und als die Parade vorüber war, ließen sie den Oberst hochleben, bis sie nicht mehr schreien konnten. Den Leutnant Hoyan-Jole, der im Hintergrunde verschmitzt lächelte, ließ aber niemand hochleben.

Vertraulich sprach der Oberstleutnant zu dem Oberst:

»Solche Kleinigkeiten verschaffen Popularität und beeinträchtigen die Disziplin in keiner Weise.«

»Aber wenn ich nun mein Wort zurücknehme?« versetzte der Oberst.

»Thut nichts!« erwiderte der Oberstleutnant. »Die weißen Husaren werden Ihnen von heute ab überallhin folgen. Regimenter sind wie Weiber. Um eines kleinen Geschenkes willen thun sie alles.«

Eine Woche später erhielt Hoyan-Jole einen Brief von jemand, der sich: Sekretariat, Eifer und Barmherzigkeit, 3709 E. C. unterzeichnete, und um »die Rücksendung unseres Skeletts, das, wie wir glauben annehmen zu dürfen, sich in Ihrem Besitze befindet,« bat.

»Wer zum Teufel ist denn der verrückte Kerl, der mit Knochen handelt?« fragte Hoyan-Jole.

»Ich bitte um Vergebung, Herr Leutnant,« sagte der Tambourmajor, »aber das Skelett ist bei mir, und wenn Sie den Transport bezahlen, werde ich es zurückschicken. Es ist ein Sarg dabei, Sir!«

Hoyan-Jole lächelte, händigte dem Tambourmajor zwei Rupien ein und sagte:

»Schreiben Sie bitte das Datum auf den Schädel!«

Wenn jemand an dieser Geschichte zweifelt, so kann er sich das Datum auf dem Skelett ansehen. Aber den weißen Husaren gegenüber erwähne man die Sache nicht.

Zufällig weiß ich etwas darüber, weil ich bei den Vorbereitungen des Paukenpferdes behufs seiner Auferstehung mitgeholfen habe. Es ließ sich das Skelett durchaus nicht sehr freundlich aufbürden.

 


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