Rudyard Kipling
Indische Erzählungen
Rudyard Kipling

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Falsche Morgenröte.

Die eigentliche Erklärung für diese Geschichte wird wohl niemand je erfahren, obwohl sie sich die Frauen manchmal leise nach einem Balle erzählen, wenn sie sich für die Nacht frisieren und die Liste ihrer Opfer durchgehen. Ein Mann, das versteht sich von selbst, darf solchen Beschäftigungen nicht beiwohnen, und darum muß die Geschichte aufs Geratewohl, im Dunkeln sozusagen, verkehrt, erzählt werden.

Lobe nie eine Schwester der anderen Schwester gegenüber, in der Hoffnung, deine Komplimente werden an ihre Adresse gelangen und dir für später den Weg öffnen! Die Schwestern sind in erster Reihe Frauen, dann erst Schwestern, und du wirst finden, daß du dir selbst geschadet hast.

Saumarez wußte das, als er sich entschloß, der ältesten der Misses Copleigh seinen Antrag zu machen. Saumarez war ein eigentümlicher Mensch, der in den Augen der anderen Männer wenig Verdienste besaß, doch er wurde von den Frauen geschätzt und besaß genug Eitelkeit, um dem Kriegsrat eines Vicekönigs präsidieren zu können.

Er war ein »Civilmensch«. Viele Frauen beschäftigten sich mit Saumarez, vielleicht, weil seine Manieren gegen sie nicht sehr ehrfurchtsvoll waren. Wenn man, sobald man sich einen Pony gekauft hat, ihn gleich zu Anfang die Gerte kosten läßt, so wird uns das Tier zwar nicht lieben, es wird sich aber stets im höchsten Grade für unsere Bewegungen interessieren.

Die ältere der Misses Copleigh war rundlich, liebenswürdig, anmutig und hübsch. Die jüngere war nicht ebenso hübsch und zog die Männer nicht an, ja, sie versuchte nicht einmal, ihnen zu gefallen. Die beiden jungen Mädchen hatten ungefähr dieselbe Gestalt und ähnelten sich sehr, sogar in der Stimme, doch niemand konnte einen Augenblick im Zweifel darüber sein, welche von beiden die angenehmere war.

Saumarez beschloß, sobald sie von Bekar angelangt waren, die ältere zu heiraten. Wenigstens war das unser aller Ansicht. Sie war genau 22 Jahre, er zählte 33, und seine gesamten Einkünfte betrugen 1400 Rupien monatlich; das war also unserer Ansicht nach eine gute Ehe.

Nachdem er seinen Plan gefaßt, unterbreitete er ihn einer Untersuchungskommission, die aus ihm allein bestand; er beschloß, sich nicht zu überstürzen. In unserm abscheulichen Jargon sagten wir, die Misses Copleigh »jagten paarweise«; das heißt mit andern Worten, man konnte mit der einen nichts anfangen, wenn sie von der andern getrennt war. Es waren zwei Schwestern, die sich sehr lieb hatten, doch ihre Zuneigung war manchmal unbequem.

Saumarez gefielen alle beide so ziemlich gleich, und niemand außer ihm hätte sagen können, nach welcher Seite sich sein Herz neigte, obwohl es alle Welt erriet. Er stieg viel mit ihnen zu Pferde, doch es gelang ihm nie, die eine lange Zeit von der andern zu entfernen.

Die Frauen behaupteten, daß die beiden jungen Mädchen infolge eines tiefen Mißtrauens unzertrennlich blieben, da jede fürchtete, die andere möge sich ihre Abwesenheit zu nutze machen. Doch die Männer kommen nicht auf solche Ideen. Saumarez bewahrte ein kluges Schweigen und verdoppelte seine Aufmerksamkeiten, soviel er konnte, ohne seiner Arbeit und seinem Polo zu schaden. Zweifellos gefiel er dem jungen Mädchen.

Da die warme Jahreszeit nahte und Saumarez sich nicht erklärte, so behaupteten die Frauen, man könne die Aufregung der beiden Schwestern in ihren Augen lesen; sie erschienen nervös, unruhig und reizbar. Die Männer sind in solchem Falle blind, wenn ihre Natur nicht allzu weiblich ist, und dann hat es wieder keine Bedeutung, was sie sprechen und was sie denken. Ich behaupte, daß die Wangen der Misses Copleigh nur infolge der warmen Apriltage so blaß wurden. Man hätte sie früher in die Berge schicken sollen.

Niemand, ob Mann oder Frau, hat eine engelhafte Laune, wenn die heißen Tage kommen. Die jüngere Schwester wurde reizbarer, unangenehmer und die ältere weniger verführerisch. Ihre Liebenswürdigkeit war erzwungen.

Der Bezirk, in dem diese Geschichte sich abspielte, war zwar nicht klein, aber er lag doch außerhalb der Eisenbahnlinien. Es gab dort weder Gärten noch Zerstreuungen, und man brauchte eine Tagereise, um zum Ball nach Lahore zu fahren. Deshalb war man schon für das kleinste Amüsement, das einem verschafft wurde, dankbar. Gegen Anfang Mai und gerade vor dem definitiven Auszug nach den Bergen, (es war schon sehr heiß, und es blieben kaum zwanzig Personen in der Station) veranstaltete Saumarez ein Picknick bei Mondschein, bei einem alten Grabe in der Nähe des Flusses, etwa sechs Meilen von der Station entfernt, die wir zu Pferde zurücklegen mußten. Es sollte ein Picknick à la »Arche Noah« sein, und es wurde das gewöhnliche Arrangement getroffen, daß wegen des Staubes zwischen einem jeden Paar eine Viertelmeile lag. Zehn Paare machten sich, die Gardedamen einbegriffen, auf den Weg. Die Picknicks im Mondschein sind zu Ende der Saison sehr nützlich, wenn alle jungen Mädchen in die Berge reisen.

Dieses Picknick wurde die »Explosion« genannt, weil ein jeder überzeugt war, Saumarez würde der ältesten der Misses Copleigh seine Erklärung machen. Die soziale Atmosphäre war zu schwer geladen, die Bombe mußte platzen.

Man traf sich um 10 Uhr im Manöverfelde. Die Nacht war furchtbar heiß, die Pferde schwitzten, auch wenn sie im Schritt gingen; doch das war alles noch besser, als in unsern dunklen Häusern sitzen zu bleiben. Beim Aufbruch bildeten wir unter den Strahlen des Vollmondes vier Paare, ein Terzett, und Herr Saumarez begleitete die beiden Misses Copleigh. Die ganze Gesellschaft war glücklich und zufrieden, doch wir merkten alle, daß irgend etwas vorging. Wir rückten langsam vor, und es war beinahe Mitternacht, als wir an dem alten Grabe anlangten, das inmitten des verlassenen Gartens lag, in dem wir essen und trinken sollten. Ich kam als letzter, und bevor ich in den Garten trat, entdeckte ich am Horizont nach Norden zu einen schwachen, fahlen Schein. Niemand hätte mir Dank gewußt, wenn ich ein so gut vorbereitetes Fest gestört hätte, wie es dieses Picknick war, und ein Staubsturm mehr oder weniger bei dieser Hitze that schließlich keinen großen Schaden. Man vereinigte sich an einem alten, verfallenen Bassin. Einer hatte ein Banjo, ein sehr sentimentales Instrument, mitgebracht, und drei oder vier Personen sangen. Ich bitte nicht zu lachen, unsere Vergnügungen in den abgelegenen Bezirken sind wirklich sehr bescheiden. Dann plauderte man in Gruppen oder vereinzelt, unter den Bäumen ausgestreckt, während die von der Sonne verbrannten Rosen ihre Blätter auf uns herabfallen ließen, bis das Essen bereit war. Es war ein schönes Abendessen, so kalt und eisig man es sich nur wünschen konnte, und wir zogen es nach Möglichkeit in die Länge. Ich fühlte, daß die Luft immer heißer wurde, doch niemand schien es zu bemerken, bis der Mond sich plötzlich verdunkelte und ein wilder Wind die Orangenbäume zu peitschen begann. Bevor man Zeit hatte, sich umzuwenden, war der Staubsturm auf uns herangebraust, und rings umher herrschte nur noch eine wirbelnde, grollende Finsternis. Der Eßtisch wurde vollständig in das Bassin geschleudert. Aus Furcht, es könne umgestürzt werden, wagten wir nicht, in der Nähe des alten Grabes zu bleiben. Infolgedessen tasteten wir uns nach den Orangebäumen zu, an denen man die Pferde angebunden hatte, und warteten, bis der Sandsturm vorübergezogen war. Das kleine Licht, das noch vorhanden gewesen war, verschwand; man konnte nicht mehr die Hand vor Augen sehen. Die Luft war mit Staub und Sand beladen, der aus dem Flußbett herrührte. Der Staub füllte die Taschen und die Stiefel, drang in den Hals und legte sich auf die Augenbrauen und den Schnurrbart. Es war einer der schrecklichsten Staubstürme des Jahres.

Wir hatten uns bei den zitternden Pferden aneinander gedrückt, während der Donner über unsern Häuptern grollte, und Blitze von allen Seiten wie das Wasser aus einer Schleuse sprühten. So lange es den Pferden nicht gelang zu entwischen, war das alles gefahrlos. Ich stand mit gesenktem Haupte, die Hände auf den Lippen, und hörte, wie die Bäume rauschten; nur wenn die Blitze aufzuckten, sah ich, wer neben mir stand. So entdeckte ich, daß ich mich neben Saumarez und der älteren der Misses Copleigh befand, während mein Pferd mir gerade gegenüberstand. Ich erkannte die ältere der Fräulein Copleigh, die eine Schärpe um ihren Hut trug, während die jüngere keine Schärpe hatte. Die ganze Elektrizität der Luft war in meinen Körper gedrungen, und ich fühlte Zucken und Zittern von den Füßen bis zum Kopf; es war ein prächtiges Unwetter. Es machte den Eindruck, als raffe der Wind Erde zusammen, um sie in großen Massen vor sich herzuwirbeln, und dazu strömte die Hitze aus dem Erdboden wie am Tage des jüngsten Gerichts! Nach Verlauf einer halben Stunde trat eine gewisse Ruhe ein, und ich hörte eine dünne, verzweifelte Stimme ganz leise, als wenn eine verlorene Seele auf den Flügeln des Windes dahinflog, zu sich selbst sagen: »O, mein Gott!« Dann fiel die jüngere der Misses Copleigh in meine Arme mit den Worten:

»Wo ist mein Pferd? Suchen Sie mein Pferd, ich will nach Hause, ich muß nach Hause; bringen Sie mich nach Hause!«

Ich glaubte, die Blitze und die tiefe Dunkelheit hätten sie erschreckt; daher sagte ich ihr, es wäre keine Gefahr mehr vorhanden, und wir müßten warten, bis der Sturm vorübergezogen wäre.

Doch sie erwiderte: »Darum handelt es sich nicht, ich will nach Hause; führen Sie mich fort von hier.«

Ich versicherte ihr, sie könne nicht vor Tagesanbruch fort, doch ich fühlte, daß sie mich beim Vorübergehen streifte und fortrannte. Es war zu dunkel, um zu sehen, wohin. Plötzlich wurde der ganze Himmel von einem ungeheuren Blitze zerrissen, als wenn das Ende der Welt nahte, und alle Damen schrien auf.

Fast in demselben Augenblick fühlte ich die Hand eines Mannes auf meiner Schulter und hörte, wie Saumarez mir etwas ins Ohr flüsterte. Das Rauschen der Bäume und das Sausen des Windes hinderte mich, seine Worte sofort zu erfassen; endlich aber hörte ich: »Ich habe meinen Antrag gemacht und mich in der Schwester geirrt; was soll ich thun?«

Es war gar kein Grund vorhanden, daß mir Saumarez diese Mitteilung machte; ich bin nie sein Freund gewesen und bin es auch heute noch nicht. Er zitterte, so groß war seine Aufregung, während mich die Elektrizität in einen seltsamen Zustand versetzt hatte. Ich wußte nicht, was ich ihm antworten sollte, außer das eine: »Man muß verrückt sein, um in einem Staubsturm eine Liebeserklärung zu machen.« Ich sah allerdings nicht ein, inwiefern meine Worte dem Uebel abhelfen konnten.

Während ich noch diese Betrachtungen anstellte, rief er: »Wo ist Edith, Edith Copleigh?« Edith war die jüngere der beiden Schwestern, und ich erwiderte ganz erstaunt: »Was wollen Sie denn von ihr?«

Ob man es mir wohl glauben wird? Zwei Minuten lang schrieen er und ich wie zwei Besessene. Er, der immer die Absicht gehabt, die jüngere zu heiraten, während ich ihm bis zum Heiserwerden erklärte, er müsse sich geirrt haben. Das alles machte auf mich den Eindruck eines bösen Traumes, von dem Stampfen der Pferde in der Dunkelheit an bis zu der Behauptung Saumarez', er liebe Edith Copleigh, seit er sie kenne.

Wieder klammerte er sich an meine Schulter und bat mich, ihm zu sagen, wo Edith Copleigh wäre, als ein neuer Zustand der Ruhe eintrat und man das Licht der falschen Morgenröte, die der wirklichen Morgenröte um eine Stunde vorherging, erblickte. Doch das Licht war sehr schwach, und ich fragte mich, wohin Edith Copleigh wohl gegangen sein mochte. Als ich noch darüber nachdachte, sah ich drei Dinge auf einmal: Erstens das lächelnde Gesicht von Maud Copleigh, die aus der Dunkelheit auftauchte und sich dem neben mir stehenden Saumarez zuwandte. Ich hörte, wie das junge Mädchen »Georges« murmelte und ihren Arm unter seinen Arm gleiten ließ, und ich sah auf ihrem Antlitz jenen Ausdruck, der im Leben einer Frau nur ein- oder zweimal vorkommt, wenn sie vollkommen glücklich ist, wenn Harmonien in der Luft schweben und wenn die Erde sich in eine Wolke wandelt, weil sie liebt und geliebt wird!

Gleichzeitig sah ich das Gesicht Saumarez', als er die Stimme Maud Copleighs hörte, und fünfzig Meter von dem Orangenboskett bemerkte ich eine graue Amazone, die auf einem Pferde fortsprengte.

Gewiß war es der Zustand seltsamer Ueberreizung, in dem ich mich befand, der mich veranlaßte, mich so schnell in Dinge zu mischen, die mich eigentlich gar nichts angingen. Saumarez wandte sich der Amazone zu; ich stieß ihn zurück und sagte: »Bleiben Sie hier und suchen Sie sich zu erklären; ich werde ›sie‹ holen.« Mit diesen Worten lief ich zu meinem Pferde.

Ich hatte die vollständig überflüssige Idee, es müsse alles angemessen und in der gewünschten Ordnung vor sich gehen, und Saumarez' erste Sorge müsse sein, den glücklichen Ausdruck auf Maud Copleighs Gesicht verschwinden zu lassen. Die ganze Zeit über, die ich dazu brauchte, die Zügel des Pferdes in Ordnung zu bringen, fragte ich mich, wie er sich dabei wohl anstellen würde.

Ich folgte Edith Copleigh im Galopp und hoffte, sie unter irgend einem Vorwande wieder zurückzubringen. Doch sie entfloh vor mir, sobald sie mich sah, und ich war genötigt, sie ernsthaft zu verfolgen. Zwei- oder dreimal rief sie mir über ihre Schulter zu: »Machen Sie, daß Sie fortkommen; ich reite nach Hause; machen Sie, daß Sie fortkommen!« Doch ich wollte sie zunächst einholen und dann mit ihr verhandeln. Der Ritt paßte vollkommen zu dem Rest des bösen Traumes; der Boden war abscheulich, und von Zeit zu Zeit stürzten wir durch die wirbelnden und erstickenden »Sanddämonen« auf den Spuren des Sturmes, der sich langsam verflüchtigte.

Es wehte ein glühender Wind, der uns den Dunst eines alten Ziegelofens zutrug, und in diesem unklaren Lichte, inmitten der Sanddämonen, flog die graue Amazone auf dem ebenfalls grauen Pferde durch die trostlosen Ebenen dahin.

Sie schlug nun die Richtung nach der Station ein und wandte sich dann durch verbrannte Grasfelder dem Flusse zu.

Wäre ich ruhig und kaltblütig gewesen, so hätte ich nie daran gedacht, ein solches Terrain bei Nacht zu durchreiten, doch bei den über meinem Haupte zuckenden Blitzen und den höllischen Ausdünstungen, die sich in meinen Nasenlöchern festsetzten, erschien mir die Sache ganz natürlich. Ich galoppierte und schrie dazu; sie beugte sich über den Hals ihres Pferdes und peitschte es, und das Unwetter trieb uns beide fort und jagte uns wie Papierblätter vor sich her.

Ich weiß nicht, wie weit wir ritten; doch das Stampfen der Pferdehufe, das Heulen des Windes und der Lauf des blutroten Mondes in dem gelben Nebel schien mir Jahre hindurch zu dauern, und ich war buchstäblich von dem Tropenhelm bis zu den Gamaschen in Schweiß gebadet, als das graue Pferd stehen blieb und sich wütend bäumte. Mein Pferd konnte nicht weiter. Edith Copleigh war in einem traurigen Zustande; sie war mit Staub bedeckt; ihr Hut war in den Sand gefallen, und sie weinte bitterlich.

»Warum wollen Sie mich nicht in Ruhe lassen?« fragte sie. »Ich wollte nur fort und nach Hause zurückkehren! O, ich bitte, lassen Sie mich gehen!«

»Sie müssen mit mir zurückkommen, Miß Copleigh; Saumarez hat Ihnen etwas zu sagen.«

Das war eine seltsame Art mich auszudrücken. Doch ich kannte Miß Copleigh kaum, und obwohl ich im Begriff stand, um den Preis meines Pferdes die Rolle der Vorsehung zu spielen, so konnte ich ihr doch nicht so ohne weiteres wiederholen, was Saumarez mir gesagt hatte. Ich hatte die Empfindung, er würde sich am besten selbst aus der Affaire ziehen. Alle ihre Vorwände von Ermüdung und der Wunsch, heimzukehren, verschwanden. Sie neigte sich schmerzlich auf ihren Sattel und schluchzte, während der Wind ihr schwarzes Haar peitschte. Ich will nicht wiederholen, was sie sagte, denn sie war nicht mehr Herrin ihrer selbst.

Das war, man mag es mir glauben oder nicht, die strenge, bissige Miß Copleigh!

Und ich, der ich für sie ein Fremder war, stand dabei und bemühte mich, ihr zu sagen, daß Saumarez sie liebte und daß sie mit mir zurückkehren müsse, um es von ihm selbst zu hören. Ich glaube, ich machte mich verständlich, denn sie faßte sich, ermunterte ihr Pferd, und wir brachen nach dem alten Grabe auf, während der Sturm nach Umballa zu weiter grollte und einige warme Regentropfen zu fallen begannen. Ich entdeckte, daß sie sich ganz in Saumarez' Nähe befunden hatte, als er sich ihrer Schwester erklärt, und nur noch einen Wunsch hegte: nach Hause zurückzukehren, um sich als wohlerzogene junge Engländerin in Ruhe ausweinen zu können.

Den ganzen Weg über wischte sie sich die Augen und schwatzte von dem Bedürfnis, ihr Herz auszuschütten, und von ihren Nerven fortgerissen, fortwährend. Es war vollständig anormal, und dennoch erschien mir das alles in Anbetracht des Ortes und der Zeit ganz natürlich. Auf der ganzen Welt gab es nur noch die beiden Copleighs, Saumarez und ich, die in Blitze und Finsternis vollständig eingehüllt waren, und ich glaubte, es wäre meine Mission geworden, diese verirrte Welt wieder auf den rechten Weg zurückzuführen.

Als wir an dem Grabe anlangten, zeigte sich in der tiefen Ruhe, die dem Sturme folgte, die Morgenröte kaum, und noch war niemand fortgeritten. Man erwartete unsere Rückkehr, Saumarez noch eifriger als jeder andere. Sein Gesicht war blaß und abgespannt. Als wir, Miß Copleigh und ich, anlangten, half er ihr vom Pferde und umarmte sie vor allen Gästen. Das war ein Theatercoup, und die Illusion wurde durch das Beifallsklatschen aller Männer und Frauen noch vervollständigt, die von dem Staube weißgepudert unter den Orangebäumen den Eindruck von Phantomen machten.

Endlich sagte uns Saumarez, wir müßten zurückkehren, sonst würde uns der ganze Bezirk suchen. Dann fragte er mich, ob ich wohl so gut sein wollte, Maud Copleigh zu begleiten. Ich erwiderte, nichts könne mir angenehmer sein.

Der Trupp bildete sich also wieder von neuem, im ganzen zehn Paare, und zu zwei und zwei kehrten wir zurück; Saumarez ging zu Fuß neben seinem Pferde, auf dem Edith Copleigh ritt.

Die Atmosphäre hatte sich geklärt, und ich fühlte, als die Sonne aufging, wie wir nach und nach alle wieder gewöhnliche Männer und Frauen wurden; ich begriff auch, daß das Picknick der »großen Explosion« eine Sache für sich war, die außerhalb des gewöhnlichen Lebens lag und sich nie wiederholen würde. Es war im Sturm und der Elektrizität der erhitzten Luft verschwunden.

Als ich ein Bad nahm und mich zum Schlummer vorbereitete, empfand ich eine große Ermüdung, Schwäche und auch Scham.

Es giebt eine weibliche Version dieser Geschichte, doch sie wird nie geschrieben werden, . . . wenn Maud Copleigh nicht diesen Versuch unternehmen will.

 


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