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[Vorwort]

Wenn in diesem Vorwort davon erzählt wird, Paul Keller habe bereits mit 19 Jahren den ersten Lorbeerkranz überreicht bekommen, so soll mit diesen einleitenden Worten nicht der Anerkennung Erwähnung getan werden, die er Zeit seines Lebens erfahren, ihm eine große Lesergemeinde gezollt hat. Dieser besagte Lorbeerkranz galt Keller als dem erfolgreichen Dramatiker. War er schon als Dorfjunge unter die Dichter gegangen, wie er in diesem Buch erzählt, so setzt er seine Laufbahn als Dramatiker fort, wo ihm seine Studiengenossen dieses Zeichen verehrender Freundschaft überreichen. Er sagt, es sei für ihn ein Augenblick gewesen, der ihn wie nur ganz wenige seines Lebens seine jugendliche Seele aufs tiefste berührt habe, und das Gefühl kommender Berufung mag zu dieser Stunde in ihm geweckt worden sein.

Diese und die darauf folgenden Jahre seines Lebens, da Keller als Lehrer gewirkt hat, in denen der »Waldwinter«, »Die Heimat« und »Das letzte Märchen« erscheinen, sind kennzeichnend für seine Entwicklung. Lange ist er dem Lehrerberuf treu geblieben, bis sich seine künstlerische Natur die lebensnotwendige Freiheit erkämpft, als er im Jahre 1908 den Schuldienst verläßt.

Keller ist Romantiker – er liebt die Fabel, das Märchen, die Träume, Keller ist Realist – er sieht das Leben mit nüchternen Augen, er legt den Finger auf die Wunden sozialer Mißstände seiner Zeit und schildert den Menschen in seiner Not und seinem Leid mit höchster Eindringlichkeit. So mögen nun die Literaturhistoriker kommen und sagen, niemand könne beide Richtungen in sich vereinigen. Aber es ist doch so! Man hat ihn mit Recht zusammen mit Eichendorff und Novalis genannt und seine Kunst bewundert, die Not lastender Nachkriegsjahre zu schildern. Er ist überhaupt nicht so ohne weiteres in eine bestimmte Dichterkategorie einzuordnen. Denn was er schreibt, kommt aus dem Herzen in mitfühlender Freude oder mitfühlendem Schmerz im Wissen um den Bruder Mensch und aus der wahrhaft reinen Freude am Fabulieren. Sein Wesen ist erfüllt von der tiefen Liebe zu jeglicher Kreatur Gottes und von einem bedingungslosen Glauben an das Gute im Menschen. Sein auf dem Grunde eines sicheren sittlichen Gefühls ruhender Optimismus, sein gütiger Humor und seine Lebensweisheit teilen sich wärmend und hoffnungheischend dem Leser mit.

Wenn nun nach dem Ende eines unseligen Krieges diese Sammlung von Erzählungen mit anderen »Paul-Keller-Büchern« wieder erscheint, so wird sie in ihrem Inhalt den Dichter nicht in seinem ganzen Wesen aufzeigen können. Es haben in diesem Buch unter anderen vor allem jene Erzählungen Aufnahme gefunden, in denen er von seinem Elternhaus, von seiner glücklichen und unbeschwerten Kindheit und seinen Jugendjahren ein so heiteres und unwiderstehliches Bild zu geben vermag. Einige aber auch ernsteren Inhalts sind ausgewählt worden, das Bild des Dichters in diesem kleinen Ausschnitt abzurunden.

Gera, im Mai 1949.


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