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Erstes Kapitel

Unter den fremden Offizieren, welche die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten erringen halfen, nimmt der General von Steuben eine hervorragende, wenn nicht die hervorragendste Stellung ein; gleichwohl aber sind seine Verdienste bisher von der Amerikanischen Geschichtsschreibung nicht gebührend beachtet und anerkannt worden.

Der Grund für diese Vernachlässigung liegt offenbar darin, daß Steuben als Inspektor und Disciplinator der Truppen weniger in den Vordergrund trat als Andere, daß er vielmehr in dieser nicht in die Augen fallenden, aber unentbehrlichen Stellung fast ausschließlich hinter der Scene des Kriegstheaters beschäftigt war und den Sieg vorbereiten half. Nur ein einziges Mal war es ihm vergönnt, ein selbständiges Commando zu führen. So sind nur wenige äußere Spuren von seinen kriegerischen Leistungen vorhanden, während manche seiner Mitkämpfer, die weniger bedeutend waren als er, die Lorbeeren pflückten, welche sie oft nur seinen Vorarbeiten, seinen Talenten und seiner Energie verdankten.

Steuben ist eine der interessantesten Erscheinungen unter all den glänzenden und thatenreichen Persönlichkeiten des achtzehnten Jahrhunderts. Aus einer altpreußischen soldatischen Familie hervorgegangen, folgt er noch als Kind seinem Vater auf dessen Feldzügen in die Krimm und später nach Kronstadt, ist als Knabe freiwilliger Zeuge des Sturmes von Prag, tritt als Jüngling in die damals berühmteste Kriegsschule, in die preußische Armee und ficht mit Auszeichnung unter den Augen des Königs in den blutigsten Schlachten des siebenjährigen Krieges. Gefangen genommen von den Russen, verlebt er einige Zeit am Petersburger Hofe und fördert selbst hier die politischen Zwecke Friedrichs des Großen, als dessen Adjutant er dann, von Peter III. freigegeben, bis zu Ende des Krieges thätig ist.

Die Jahre der Ruhe, welche dieser stürmischen Jugend folgten, waren nicht von langer Dauer. Kaum öffnen sich Steuben am glänzendsten Hofe jener Zeit Aussichten auf Ruhm und Ehre, als er im reiferen Mannesalter die liebgewordenen Verhältnisse verläßt und nach Amerika eilt, um der kämpfenden Freiheit sein Schwert und seine Erfahrungen anzubieten und unter Georg Washington die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten erkämpfen zu helfen. Der Erfolg krönt seine Bemühungen und Steuben tritt wieder in die Reihen der Bürger zurück, um ärmlich und bescheiden sein thatenreiches, dem öffentlichen Wohl gewidmetes Leben in einem rohen Blockhause der Wildniß zu beschließen.

Prag und Kunersdorf, Berlin, Kolberg und Petersburg, Versailles und Philadelphia, Yorktown und Newyork sind die Marksteine in dieser Laufbahn, die so beschwerlich und mühevoll sie auch war, doch manche glänzende Spur von sich zurück gelassen hat und wohl verdient, in ihren reichen Einzelnheiten den Zeitgenossen vorgeführt zu werden.

Die Familie, welcher der General von Steuben angehörte, blüht noch in einigen Theilen Deutschlands, wie in Westfalen, Sachsen-Weimar und Ost-Preußen und wird zuerst im dreizehnten Jahrhundert erwähnt. Spangenberg's Adels-Historie II. 1106-1117 und collectio genealogica Koeningiana Vol. 93 in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Sie zog damals aus Franken nach Sachsen und der Grafschaft Mansfeld, wo sie im Laufe der Zeit die freien Rittergüter Gerbstädt, Friedeburg und Treschwitz erwarb. Der Name ist Anfangs Stoybe, Steube, Steyben und endlich von Steuben geschrieben und findet sich in den Mansfeldschen und Magdeburgischen Vasallen-Tabellen. Obwohl alt und angesehen, hat die Familie doch nicht zu den freiherrlichen Geschlechtern gehört. Steubens durchgängige Bezeichnung als Baron gründet sich daher wohl weniger auf einen Rechtstitel als auf eine bloße Form konventioneller Höflichkeit. – Im Jahre 1398 verkaufte u. A. der Erzbischof Albrecht von Magdeburg das Lehnsgut Hohenthurm an Bernhard von Steuben. I. Ch. von Dreyhaupt: Ausführliche diplomatisch-historische Beschreibung des Saalkreises mit allen darin befindlichen Städten. Halle 1755, pag. 901. Wenzel von Steuben war 1457 und 1466 Rathsherr und Pfänner in Halle an der Saale; Philipp und Hans von Steuben wurden 1478 vom Erzbischof Ernst von Magdeburg mit zwei Pfannen im deutschen Brunnen zu Halle an der Saale nebst verschiedenen Gütern in der Nachbarschaft belehnt.

In der Reformationszeit trat die ganze Familie zum Protestantismus über. Sie muß ihre Unabhängigkeit schon früh verloren haben, denn bereits vor dieser Periode finden wir mehrere ihrer Mitglieder in untergeordneten geistlichen Würden. Obgleich sie erst im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts den Rest ihrer Güter aufgeben mußte, Derselbe: General-Tabelle oder Geschlechts-Register derer vornehmsten im Saalkreise mit Rittergütern angesessenen Familien, Halle 1750, pag. 160. so ist doch schon in der frühesten Geschichte der protestantischen Kirche ein Pfarrer von Steuben erwähnt und bereits 1512, also noch vor Luthers Ablaßstreit mit Tetzel, fungirt ein Alexander von Steuben als Pfarr-Priester zu Trotha bei Halle. Hering's Beiträge zur reformirten Kirche II., 312.

Es würde ermüdend und uninteressant sein, wollten wir den Stammbaum der Familie Steuben bis in alle seine Zweige und Glieder verfolgen. Es möge daher für unsern Zweck die Bemerkung genügen, daß die Linie, zu welcher der General gehört, sich zur Zeit des dreißigjährigen Krieges vom Hauptstamm trennte, aber dessen Namen und Wappen beibehielt. Historisches Portefeuille, Berlin 1785, IV. Stück, pag. 447 Artikel von J. F. Seyfart in Halle, dem der Vater des Generals Stammbaum und Familienverhältnisse mitgetheilt hatte. Das Letztere besteht in einem in ein blaues und silbernes Feld getheilten Schilde, der von einem rothen, von rechts nach links laufenden Balken diagonal durchschnitten wird. Ueber dem Schilde erhebt sich ein goldener adliger Helm mit zwei emporstehenden Elephantenrüsseln, von denen der zur Rechten roth und silbern, der zur Linken blau und roth ist.

Diese Linie ist durch Heirathen mit einigen der bedeutendsten Familien jener Zeit verwandt und verschwägert. Zu ihren Mitgliedern gehören u. A. die Saldern, Möllendorf, Jagow und v. d. Knesebeck, aus denen ein ganzes Jahrhundert lang tüchtige Generale und höhere Staatsbeamte hervorgingen, sowie die Grafen von Effern und regierende Fürsten von Waldeck und Nassau-Siegen.

Gründer der Linie war Ernst Nicolaus von Steuben, der im dreißigjährigen Kriege in die Dienste des Kaisers trat und Hauptmann war, indessen in Folge schwerer Wunden, noch jung seinen Abschied nahm. Er verheirathete sich mit einem Fräulein Henriette von Franken aus Ens in Oesterreich und hinterließ nur einen Sohn, Namens Ludwig, geboren 1642, der Johanniter-Ritter war und ebenfalls nur einen Sohn, Augustin, hatte. Der Letztere widmete sich dem Studium der Theologie und starb als Oberprediger an der reformirten Kirche zu Brandenburg an der Havel im Jahre 1737. Er war ein sehr gelehrter Mann und zeichnete sich durch einige theologische Schriften aus, wie eine kurze Erklärung des neuen Testaments, sowie der Offenbarung Johannes. Er war vermählt mit einer Gräfin Charlotte Dorothea von Effern und Großvater des Generals.

Unter seinen zehn Kindern waren sieben Söhne, von denen drei sehr jung starben, während die übrigen sämmtlich Soldaten wurden. Der älteste, Christian Ludwig, der 1765 in Glückstadt als Oberst starb, studirte in Halle und Leyden und trat dann als Ingenieur-Officier in preußische Dienste, die er indessen 1736 mit dänischen vertauschte. Er war ein ausgezeichneter Mathematiker und militärischer Schriftsteller und machte sich durch eine neue 1761 in Kopenhagen gedruckte Fortifikations-Theorie vortheilhaft bekannt. Ein jüngerer Sohn Augustin's, August Gottlieb, fiel als Lieutenant im preußischen Regiment von Kalkstein in der Schlacht von Mollwitz. Der jüngste, Gottfried Gerhard, war Anfangs preußischer Lieutenant, verließ aber zu derselben Zeit mit seinem ältesten Bruder die preußische Armee und ging nach Holland, wo er 1758 als Hauptmann starb.

Wir haben es hier aber vorzugsweise mit dem zweiten dieser vier Brüder zu thun, mit Wilhelm Augustin von Steuben, dem Vater des Generals. Am vorher angeführten Orte. Geboren am 23. April 1699 erhielt er eine ausgezeichnete Schulbildung, studirte in Halle und trat im Jahre 1715 als Fahnenjunker in das preußische Regiment von Gersdorf. 1724 avancirte er zum Fähndrich in dem neu errichteten Regimente von Bardeleben, 1727 zum Ingenieur-Lieutenant und 1729 zum Kapitain, als welcher er ein Fräulein Maria Dorothea von Jagow, geboren am 14. August 1706, heirathete. Der Vater unsres Helden war als tüchtiger und wissenschaftlich gebildeter Offizier geschätzt. Im Jahre 1731 erhielt er den Orden de la générosité und zwei Jahre später beim Ausbruch des polnischen Erbfolgekrieges trat er auf Befehl des Königs Friedrich Wilhelm I. in russische Dienste. Die Kaiserin Anna von Rußland hatte nämlich den Letztern um einige gute Ingenieur-Offiziere gebeten: der König entsprach ihrem Wunsche und unter den Auserwählten befand sich Steuben, der Vater. Er zeichnete sich 1734 während der Belagerung von Danzig beim Sturme auf den Hagelsberg aus und zog, als bald darauf der Krieg zwischen Rußland und der Türkei erklärt wurde, mit der Armee des Feldmarschalls Münnich in die Krimm.

Nach Beendigung des Feldzuges und der Wiederherstellung des Friedens ging er nach Petersburg, half Kronstadt befestigen und ertheilte den russischen Offizieren kriegswissenschaftlichen Unterricht. Als Friedrich II. 1740 den Thron bestiegen hatte, kehrte Steuben nach Preußen zurück und wurde als Major von der Armee abermals dem Ingenieur-Corps zugetheilt. Bei der Eroberung von Neiße leistete er so bedeutende Dienste, daß ihn der König zum Ingenieur des Platzes ernannte und ihm den Orden pour le mérite verlieh, in dessen Ertheilung er sonst keineswegs freigebig war. Beim Ausbruch des siebenjährigen Krieges sollte er als Ingenieur des Platzes in Kosel verwandt werden; der König aber, wahrscheinlich durch Winterfeld veranlaßt, ernannte ihn in derselben Stellung für das weit wichtigere Küstrin und verband damit die Bestimmung als Commandant ad latus. Steuben bekleidete diesen Posten bis in sein hohes Alter und starb als verabschiedeter Obrist-Lieutenant in Küstrin, am 26. April 1783. Seine Zeitgenossen erwähnen als eine ganz besondere Merkwürdigkeit, daß, obgleich er von Jugend auf gedient, einer großen Anzahl von gefährlichen Aktionen beigewohnt und im siebenjährigen Kriege Küstrin vertheidigt habe, er trotz seiner überall bewiesenen Bravour nie verwundet worden sei.

Steubens Vater war ein durchaus tüchtiger und ehrenwerther Charakter. So wenig es ihm auch an äußerer Anerkennung fehlte, so befand er sich doch bei seiner zahlreichen Familie stets in drückenden Verhältnissen. Sein Gehalt reichte kaum aus, um standesgemäß zu leben und die außerordentlichen Kosten und Ausgaben für Versetzungen und Umzüge zu bestreiten. Unter diesen Umständen war es vielleicht kein Unglück zu nennen daß von seinen zehn Kindern nur drei groß wurden. Carl Renatus von Hausen: Staats-Materialien I. Band, 6. Heft p. 636. Dessau 1784. Siehe ferner über die Familienverhältnisse: Politisches Journal von und für Deutschland Vol. II. p. 84-95, 1784. Zwei Töchter sind in Kronstadt begraben, eine dritte in Petersburg und eine vierte in Riga, in welch letzterem Orte auch einer seiner Söhne starb, während er zwei andere in Breslau verlor. Von seinen ihn überlebenden Kindern ist der spätere General das älteste. Auf ihn folgte Dorothea Maria Justine, geboren in Kronstadt im Jahre 1733. Sie trat als Canonissinn in das adlige Fräulein-Stift Heiligengrabe in der Priegnitz, resignirte aber nach einigen Jahren und heirathete 1762 den preußischen Capitain, Baron Carl Constantin von Canitz, der indessen schon 1766 starb und ihr zwei Söhne hinterließ. Hans Alexander Siegfried aber, des Generals Bruder, wurde am 16. März 1743 in Breslau geboren, kam 1757 als Page an den Hof der Königin von Preußen und trat 1760 als Volontair in das berühmte Belling'sche Husaren-Regiment, dem damals auch der nachherige Feldmarschall Fürst Blücher angehörte. Er avancirte im Jahre 1761 zum Premier-Lieutenant, erhielt 1769 den Abschied und starb als Accise- und Zoll-Einnehmer in Bärwalde in Pommern, ohne, soviel bekannt, Nachkommen hinterlassen zu haben.

Friedrich Wilhelm August Heinrich Ferdinand von Steuben, der Held dieser Biographie, wurde am 15. November 1730 So schreibt Steuben seinen vollen Vornamen zu verschiedenen Zeiten, u. A. auf einem Stammbaume, der mir vorliegt. Er heißt also nicht Fr. W. August Gerhard Ludolf, wie er in zeitgenössischen Schriften oft angeführt wird. Das Datum seiner Geburt verdanke ich, durch freundliche Vermittlung des Herrn Dr. Meißendorf in Magdeburg, der Güte des Herrn Lieutenant von Steuben im I. Preußischen Infanterie-Regiment (Gumbinnen). in der Festung Magdeburg geboren. Der Vater, welcher damals dort als Ingenieur-Hauptmann garnisonirte, nahm bald darauf das Kind mit sich nach Polen, in die Krimm und nach Kronstadt, dessen Wiege somit im eigentlichen Sinne des Wortes im Lager stand und von Trommeln und Waffen umlärmt war. Als der Hauptmann im Jahre 1740 nach Preußen zurückkehrte, genoß der junge Steuben den Schulunterricht in den Städten, wo der Vater im Quartier lag. Namentlich wurde er in Neiße und Breslau von den Jesuiten erzogen und besonders gut in der Mathematik unterrichtet. Ihre Schulen waren die besten im damaligen Schlesien und darum sowohl von Katholiken als Protestanten zahlreich besucht. Steuben legte hier eine sehr solide Grundlage für seine Bildung; sie war derjenigen der meisten seiner Zeitgenossen bedeutend überlegen. Lagen die Kenntnisse, durch welche der Blick erweitert und die umgebende Welt beleuchtet wird, damals auch außerhalb des Bereiches der Schule, so erwarb sich Steuben doch in seinen jungen Jahren schon außer den Elementarfächern, die übrigens vielen Offizieren jener Zeit keineswegs geläufig waren, sehr gute Kenntnisse in der Geschichte, Völkerkunde, alten Sprachen und Mathematik. Das Französische sprach und schrieb er sehr geläufig, jedoch incorrect. Kaum erst vierzehn Jahre alt, machte er als Freiwilliger unter seinem Vater den Feldzug von 1744 mit und wohnte der blutigen und langwierigen Belagerung von Prag bei. Historisches Portefeuille a. a. O.

»Das Unvermögen meiner Eltern, der Militairstand meines seligen Vaters« – sagt Steuben in einem gegen das Ende seines Lebens geschriebenen deutschen Briefe – »und die damit verknüpften Abwechslungen des Aufenthalts verstatteten mir keine andre Erziehung, als die gemeiniglich einem armen Edelmann in den preußischen Staaten zu Theil wird. Mitten unter den Ausschweifungen einer soldatischen Jugend nährte ich indessen frühzeitig einen Trieb, nicht allein meine Profession zu erlernen, sondern auch meine Kenntnisse in den schönen sowohl als nützlichen Wissenschaften zu erweitern, ob ich nun wohl aus Mangel an Zeit und den erforderlichen Hülfsmitteln nur einen unvollkommenen Fortgang machen konnte.« Steubens Manuscript-Papiere (Sprague).

Für Steuben lag schon in den Umständen der Familie die Bestimmung zum Kriegsdienste vorgezeichnet: dem Sohne des armen Offiziers mußte der Soldatenstand die nächsten und besten Aussichten bieten. Im Lagerleben heranwachsend, sah er von Jugend an nichts als Soldaten und Krieg. Das Heer war der einzige Boden, in welchem er gleich seinem Vater gedeihen und vorwärts kommen konnte. Die Familien-Ueberlieferungen und Thaten seiner nächsten Verwandten bildeten den Stolz des älterlichen Hauses und den liebsten Stoff der Unterhaltung.

Die öffentliche Stimmung stand mit den Verhältnissen der Familie im Einklang. Der Ruhm großer Waffenthaten durchflog damals das Land. Der Geist des Volkes und die Einrichtungen des Staates, schon seit dem großen Kurfürsten kriegerisch, wandten sich unter den Siegen Friedrichs II. ganz in diese Richtung. Es war also nichts natürlicher, als daß die ersten Anschauungen und Eindrücke des Knaben auf das Schicksal des Mannes entscheidend einwirkten und daß Steuben, sobald er das erforderliche Alter erreicht hatte, da sein Glück versuchte, wo ihm Ruhm und Auszeichnung winkte. Er trat deshalb, kaum siebenzehn Jahre alt, 1747 als Fahnenjunker in das damalige Regiment von Lestwitz, das später unter dem Namen von Tauenzien so berühmt wurde.

Gerade zu dieser Zeit war der preußische Staat einem Meteore gleich am politischen Horizont aufgestiegen und hatte durch kühne Entfaltung der in ihm genährten Kraft eben angefangen, die Augen der ganzen Welt auf sich zu ziehen. Jene scheinbare Spielerei Friedrichs I., der sich zum König eines unbedeutenden Ländchens krönen ließ, zeigte sich nach kaum einem Menschenalter nicht ohne einen großen politischen Hintergedanken. Sein Nachfolger Friedrich Wilhelm I. gab dem jungen Staate das, was allen anderen damaligen Königreichen fehlte: ein gut disziplinirtes, schlagfertiges Heer, das noch nie besiegt worden war, einen wohlgefüllten Schatz, der sich als der beste Freund in der Noth erwies, und eine energische autokratische Regierung, die nach den Worten jenes absoluten Fürsten auf einen › rocher de bronze‹ gegründet war. Die nüchterne Umsicht, der praktische Blick und der gesunde Verstand des Vaters hatte dem Sohne den Weg geebnet. Diese verhältnißmäßig geringen Mittel waren in der Hand des Genie's hinreichend die Welt in Flammen zu setzen und ihr seinen Willen als Gesetz zu diktiren. Mit der Thronbesteigung Friedrichs des Großen eröffnete sich die glorreichste Periode der preußischen Geschichte; sie endet mit dem Hubertsburger Frieden, der den König trotz seines kleinen Staates zu einem der Schiedsrichter Europas erhob. In diesen drei und zwanzig Jahren (1740-1763), während deren Steuben größtentheils dem Heere angehörte, entwickelte Friedrich alle Kräfte seines Geistes und zog ganz Deutschland selbst wider dessen Willen hinter seinen siegreichen Fahnen her. Es ist hier nicht der Ort, die revolutionäre Bedeutung dieses Königs näher zu charakterisiren und seine Stellung zur großen Politik zu veranschaulichen; aber es ist unerläßlich für die Biographie eines Mannes, der unter den Augen des Königs heranwuchs und kämpfte, den mächtigen Einfluß und Zauber zu schildern, den Friedrich auf seine Zeitgenossen und Unterthanen ausübte. Deutschland, obgleich es seit der Reformation für fast alle Kriege Europas die Schlachtfelder, die Soldaten und sogar die Feldherren lieferte, war mit jedem Jahre schwächer geworden; es drohte in lauter kleine ohnmächtige, nur dem Namen nach selbständige Gebiete zu zerfallen, deren Einwohner unter dem Drucke des Auslandes und der sie aussaugenden Despoten und Despötchen gar kein nationales Gefühl mehr haben konnten. Kaiser und Reich, die bisher eine, wenn auch fingirte Einheit vorgestellt hatten, waren nie schwächer und verachteter als unter Karl VI. Da erschien Friedrich auf der politischen Bühne, weckte die gesunkenen Hoffnungen des Volkes und flößte ihm wieder Vertrauen zu sich selbst ein. Der Ruhm seiner Waffen begeisterte Jung und Alt, selbst unter seinen Feinden. Jeder Deutsche fühlte, daß der Glanz dieses Mannes auf sein Volk zurückstrahlte und freute sich, daß seine großen Siege endlich einmal Deutschland zu Gute kamen. Selbst die Deutschen in Pensylvanien feierten die Schlacht bei Roßbach; war sie doch eine Demütigung jener übermüthigen Franzosen, von denen ihre Eltern und ihre Voreltern am Rhein und in Schwaben so unsäglich gelitten hatten. Nach Jahrhunderte langem Schlafe war das Selbstgefühl des Volkes wieder erwacht.

Es hat darum nie einen nationaleren deutschen Helden und einen deutscheren König gegeben, trotzdem daß er seine Muttersprache nicht richtig sprach und nur die französische Literatur kannte. Preußen war damals der Exponent dieses allgemein erwachten Nationalbewußtseins; es hatte auf den Schlachtfeldern den Weg gezeigt, den bald Klopstock und Lessing, Winkelmann und Kant, Schiller und Göthe für ganz Deutschland in Literatur und Kunst mit eben so viel Erfolg einschlugen. Die preußische Armee, welche aus allen Kriegen siegreich hervorgegangen war, stand mit Recht als das beste aller stehenden Heere, als das hohe Ideal der ersten Kriegsschule da. Als Steuben in diese Armee eintrat, galt es an sich schon als eine Auszeichnung, ein preußischer Offizier zu sein und Theil an all' dem Ruhm und der Ehre nehmen zu dürfen, die dem Soldaten unter der Führung des Königs gewiß zufielen: Grund genug für den strebsamen und ehrgeizigen jungen Offizier, sich mit aller Energie dem Dienste zu widmen und nach persönlicher Auszeichnung und Anerkennung zu ringen.

Steuben wurde zwei Jahre nach seinem Eintritt in die Armee zum Fähndrich und im Jahre 1753 zum Lieutenant befördert. Aus dieser Zeit haben wir nur spärliche Nachrichten über ihn. Unter einer Masse von Papieren fanden wir indessen einen in schlechtem Französisch am 4. Juni 1754 in Schweidnitz geschriebenen Brief an einen Grafen Henkel von Donnersmark, der eben vom Könige zum Rathe bei einem der höheren Gerichtshöfe Schlesiens ernannt war. Steuben gratulirt ihm darin zu seiner Ernennung und legt bei der Schilderung seiner eigenen Lage jene Liebe zu seinem Beruf und jene treue Pflichterfüllung an den Tag, die er in seinem spätern Leben in so reichem Maße bewies.

»Während du, mein theurer Graf, im Tempel der Themis arbeitest, bin ich zu einer ganz empörenden Beschäftigung verurtheilt. Ein Werk, das Herr von Balby quer über einen Friedhof zu ziehen beabsichtigt, verlangt die Anlage eines tiefen Grabens, bei dessen Herstellung beständig halb verweste Leichen aufgefunden werden. Ich fürchte für meine armen Soldaten, denn die giftigen Dünste werden um so unerträglicher, je mehr die Jahreszeit vorrückt. Ich habe deshalb Weinessig, Schnaps, Taback, kurz alles nur Denkbare herbeischaffen lassen, was mir für die Erhaltung ihrer Gesundheit von Nutzen zu sein scheint. Bis jetzt habe ich noch keinen Todten; aber ich bin in großer Sorge für den Monat Juli. Um meine Leute nicht zu beunruhigen, arbeite ich regelmäßig mit, obgleich mich diese scheußliche Beschäftigung anekelt, und meine Untergebenen sind genöthigt, meinem Beispiele zu folgen. Ora pro nobis! Die hiesigen Festungswerke sind sehr ausgedehnt und äußerst gut angelegt. Ich wünschte sie nur ein wenig solider, denn dann würde dieser Platz den Absichten und Zwecken des Königs als großes Depot vollkommen entsprechen, wenn wir nächstens mit › der großen Dame‹ wieder Krieg haben sollten. Ich nehme augenblicklich einen Plan der ganzen Festung auf, und wollen wir ihn bei unserer nächsten Zusammenkunft besprechen. Schade, daß sie nicht vor September statt finden kann! Was sagen denn deine Berliner Correspondenten? Sind die Damen Elisabeth und Maria Theresia erbittert auf unsern großen König? Ich wünschte, sie wären es, obgleich ich gegen die Damen viel galanter bin als mein Kriegsherr. Ich brenne vor Begierde nach einem Kriege mit den beiden Amazonen, sollte ich auch nur als Lehrling dienen. – Ja, mein theurer Heinrich, wenn es einen Krieg giebt, so verspreche ich Dir, daß Dein Freund am Ende des zweiten Feldzuges entweder im Hades ist oder an der Spitze eines Regiments steht.«

In einem andren, um dieselbe Zeit geschriebenen Briefe erzählt Steuben seinen Besuch beim General de la Motte Fouqué in Glatz und giebt eine genaue Beschreibung der dortigen Festungswerke: ein Beweis, daß er schon als junger Offizier mit den wissenschaftlichen Fächern seines Berufs vertraut war und den großen Haufen seiner Kameraden an Kenntnissen und Bildung bedeutend überragte. In demselben Schreiben spendet er der Tüchtigkeit des Generals Fouqué das reichste Lob, eines Mannes, der von des Königs Freundschaft geehrt und nicht allein als eine bedeutende militärische Autorität, sondern auch als ein großer Diplomat, Historiker und Philosoph allgemein geschätzt wurde.

Steuben wurde im Jahre 1755 zum Premier-Lieutenant befördert. Historisches Portefeuille a. a. O. In dieser Stellung finden wir ihn beim Ausbruche des siebenjährigen Krieges.


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