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Vorrede

Der General von Steuben, dessen Leben ich hiermit dem deutschen Publikum vorlege, ist in seiner Heimath so gut als verschollen. Kaum daß hie und da ein zeitgenössisches Blatt oder Buch eine Notiz über ihn enthält, kaum daß der eine oder andere Geschichtsschreiber ihn im Vorübergehen als einen der Generale der amerikanischen Revolution nennt. Und doch verdient Steuben mehr als eine nur flüchtige Erwähnung. Namentlich erhebt ihn die Art, wie er für die Vereinigten Staaten gewonnen wurde und wie er in deren Interesse seine in der Kriegsschule der größten Feldherren des 18. Jahrhunderts gewonnene Bildung verwerthete, über den engeren Kreis bloß militärischer Bedeutung; seine selbständige Stellung in dem amerikanischen Unabhängigkeits-Kriege, zu dessen glücklicher Beendigung er wesentlich mitwirkte, erhöht ihn sogar zum Range eines Vermittlers zwischen Europa und Amerika.

Es ist der Zweck dieser Arbeit, Steuben im Lichte und Urtheil seiner Zeit darzustellen.

Durch Umstände und Ereignisse, deren Bestimmung nicht von meinem guten Willen abhing, gezwungen, vorläufig im Auslande zu leben, habe ich, seit ich mich in den Vereinigten Staaten aufhalte, mit besonderer Vorliebe in der Geschichte dieses Landes die direkten und indirekten Einwirkungen Europa's auf die Gestaltung der hiesigen Republik studirt. Die nativistische Bewegung, die vor einigen Jahren mit ungezogenerer Heftigkeit als früher sich wieder an die Oberfläche des öffentlichen Lebens drängte, führte mich unwillkürlich zu jenen Fremden, welche die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten begründen halfen und durch ihre uneigennützigen Thaten den Nachkommen jener Unabhängiggewordenen einen beschämenden Spiegel vorhalten. Steuben ist Einer der hervorragendsten unter diesen Fremden, und da ich auch in der hiesigen Literatur nur gelegentliche Bemerkungen und bloß eine sehr mangelhafte biographische Skizze über ihn fand, so habe ich es für meine Pflicht gehalten, sein Leben mit der ihm gebührenden Ausführlichkeit zu beschreiben.

Würde es mir bei einer englischen Bearbeitung desselben darauf angekommen sein, die anglosächsische Nationalität auf ihr rechtes Maß zurückzuführen, so trägt vielleicht mein deutscher Steuben insofern zur Hebung des deutschen National-Gefühls bei, als er den schon so oft geführten Beweis von Neuem liefert, daß der Deutsche selbst unter den schwierigsten Verhältnissen, selbst ohne jeden politischen Rückhalt und ohne den heimathlichen Boden unter seinen Füßen, in erster Reihe mit den Tüchtigsten seiner Zeit steht, daß also Deutschland, sobald es erst dazu kommt, seine eigenen Angelegenheiten gründlich zu ordnen, die rechten Leute dazu in Hülle und Fülle finden muß.

Uns Deutschen fehlt leider, was unsere Vettern in England und Amerika groß und stark macht: wir haben zu wenig gesunden nationalen Egoismus und zu viel kosmopolitische Verschwommenheit. – Wir haben bei fast allen fremden Völkern unsere politischen Ideale gesucht und zu finden geglaubt: wir haben unsere ehemaligen Bauern im Südwesten und im Nordwesten bewundert, wir haben Engländer und Franzosen copirt, Griechen und Polen, sogar Hungarn und Amerikaner in den Himmel erhoben, aber stets uns selbst verkannt und verkleinert und zum Theil wegen dieser Schwäche und Unselbständigkeit, die wir gern kosmopolitische Vielseitigkeit nennen, es höchstens zu nationalen Anfängen gebracht. Wir haben die Bedeutung des nationalen Momentes in unserer Geschichte ganz übersehen oder uns durch unsere inneren und auswärtigen Feinde verwischen lassen, ja wir bilden uns theilweise noch ein, wir könnten es ganz überspringen. Wenn wir es selbst nicht erkennen, so wird uns seine Erkenntniß von Anderen noch hart genug aufgedrängt werden. Wir mögen anfangen, was wir wollen, wir müssen uns zuerst einen Boden schaffen, auf dem wir stehen und unserm nationalen Willen Geltung verschaffen können.

Ich weiß, daß was ich hier sage, keineswegs neu ist, allein es ist vielleicht für die deutschen Leser von Interesse, daß diese, durch zehnjährigen Aufenthalt im Auslande täglich mehr befestigte Ansicht zugleich die Ueberzeugung eines großen Theiles der gebildeten Deutschen in Amerika ist.

Ich kenne zu gut die Fehler und Vorzüge dieses Buches, als daß mich falsche Bescheidenheit abhalten sollte darüber zu sprechen. Um Steuben nach allen Seiten hin gehörig würdigen zu können, hätte ich eine gründliche kriegswissenschaftliche Bildung besitzen müssen. Nur ein tüchtiger Offizier kann einen Gegenstand wie den meinigen erschöpfend behandeln, und nur der Umstand, daß es hier keinen gab, der das gewollt hätte, ließ mich meine ursprüngliche Scheu gegen die Ausführung dieser Arbeit überwinden. Ich habe aber, um diesem Mangel so viel als möglich abzuhelfen, überall die wichtigeren Dokumente und Briefe selbst mitgetheilt, so daß es, wie ich hoffe, jedem militärisch Gebildeten leicht wird, sich sein Urtheil selbst zu bilden und meine in dieser Beziehung höchst unvollkommene Darstellung zu ergänzen.

Ich verdanke der freundlichen Güte eines Preußischen Stabs-Offiziers so viel wertvolle Materialien und Original-Dokumente, namentlich für die beiden ersten Kapitel, so wie soviel kriegswissenschaftliche Andeutungen und Mitteilungen über einzelne Abschnitte dieser Arbeit, daß Alles, was in dieser Beziehung gut daran befunden werden sollte, auf Rechnung dieses Herrn gesetzt werden muß, dem ich nicht genug für sein meinem Buche bewiesenes Interesse danken kann. Da indessen unsre Verbindung nur eine schriftliche war, so konnte ich sehr oft nicht einmal seine Andeutungen näher ausführen. Wenn ich daher hie und da einen Fehler gemacht habe, so ist er ausschließlich mir zu belasten.

Einen Vorzug dieses Buches erblicke ich aber darin, daß es die Thatsachen selbst sprechen läßt und das Urtheil des Verfassers auf die unumgänglich nöthigen Andeutungen beschränkt.

Wäre das Material nicht zu lückenhaft gewesen, so würde ich meinem eigenen Geschmack gefolgt sein und bloß eine kritisch und chronologisch geordnete und gesichtete Auswahl der Steuben'schen Papiere gegeben haben, denn eine gute Biographie will doch nichts anderes sein als eine einzelne Planke zu dem Bau, den der Historiker erst zusammenfügt.

Je mehr Material sie enthält, desto besser, und je mehr Raisonnement sie hat, desto schlechter ist sie. Aus diesem Grunde habe ich so viel als möglich Zeugnisse und Personen der geschilderten Zeit sprechen lassen, und gewiß wird mir Niemand vorwerfen, daß ich in die hier zu Lande übliche, schwülstige Lobhudelei verfallen sei. Ich glaube die amerikanische biographische Geschichtschreibung ist in Bezug auf das Revolutions-Zeitalter noch nicht unbefangen genug. Die Amerikaner blicken mit berechtigtem Stolze auf den Unabhängigkeitskampf ihrer Väter, die allerdings wie wahre Riesen der Gegenwart gegenüber stehen; allein in ihrer spezifisch christlichen Anschauungsweise glauben sie ihren Helden eine große Ehre anzuthun, wenn sie dieselben aller menschlichen Eigenschaften entkleiden und wenn sie die Männer, die ihrem persönlichen Geschmacke nicht nahe stehen oder entsprechen, entweder ignoriren oder, mit dem Maßstabe der Gegenwart messend, blindlings verdammen. So hat sich auf Kosten der unbefangenen Kritik und historischen Forschung in der jetzigen Generation der schiefe Zug des Idealisirens des Revolutions-Zeitalters eingenistet. Je weiter das Handels- und Geschäfts-Leben der Gegenwart vom innern Verständniß der Revolutions-Charaktere ablenkt, desto mehr wird die Vergangenheit transzendentalisirt. Mit der unbedingten Vergötterung correspondirt aber notwendiger Weise die unbedingte Verkleinerung oder gar Verketzerung, und dem apotheosirten Washington und Lafayette entspricht der wenig genannte Greene oder der nicht gewürdigte Steuben.

Jefferson kritisirt einmal diesen subjektiven Standpunkt sehr gut, indem er von einer in diesem Sinne geschriebenen Biographie Patrick Henry's sagt: » It is a bad book written in bad style, and gives so imperfect an idea of Patrick Henry, that it seems intended to show of the writer more than the subject of the work.«

Ich hoffe mich diesem Vorwurf nicht ausgesetzt zu haben, denn es war mein ernstes Bestreben, durch unparteiische Wahrheit und Gerechtigkeit jeder Illusion, jedem schiefen Schlusse vorzubeugen, und wenn mein Urtheil über Ereignisse und Männer oft anders, ja selbst ungünstiger lautet, als die bisherige Tradition sie darstellt, so hoffe ich, daß man, statt mich zu tadeln, darin den Beweis erblickt, daß ich die Quellen selbständig und gewissenhaft geprüft habe. Es sind dieselben in dem hinter dem Text der Biographie abgedruckten Quellen-Verzeichnisse nachgewiesen und in dem Anhange einige Briefe und andere Schriftstücke, die mir von besonderem Interesse schienen, im Original mitgetheilt.

Das Leben Steubens konnte übrigens nur in New-York geschrieben werden. Die hiesige historische Gesellschaft besitzt in ihrer Manuscripten-Sammlung sechszehn Bände Original-Papiere Steubens, die ihr vor etwa zwanzig Jahren von den Erben resp. Exekutoren des Obersten Benj. Walker geschenkt sind. Sie verbreiten sich über das ganze Leben Steuben's, und wenn auch hie und da erhebliche Lücken sich finden, so wäre es doch ohne sie unmöglich, ein nur halbwegs auf Vollständigkeit Anspruch machendes Leben meines Helden zu schreiben. Am reichsten sind in dieser Sammlung die Briefe aus dem Jahre 1778 und die Dokumente über den Feldzug in Virginien vertreten.

Außerdem enthalten die Manuscript-Papiere von General Gates, die ebenfalls der New-Yorker historischen Gesellschaft gehören, einen großen Theil der Correspondenz Steubens mit Lafayette im Jahre 1781 und einige andere werthvolle Briefe von Gates, Armstrong und Anderen.

Alle diese Schätze sind bisher noch gar nicht benutzt, geschweige denn ausgebeutet worden, wie mir scheint aus keinem andern Grunde, als weil sie meistens französisch geschrieben und sehr schlecht zu lesen sind. Mir wurde ihre Benutzung durch die Freundlichkeit des Bibliothekars, des Herrn George H. Moore, bedeutend erleichtert.

In demselben Grade wie ihm, bin ich Herrn Professor Geo. Wash. Greene für die Bereitwilligkeit verbunden, mit der er mir die Durchsicht seiner Handschriften-Schätze anbot. Herr Greene ist ein Enkel des berühmten Revolutions-Generals Greene, und hat mit der Pietät eines Sohnes und der Einsicht und dem Fleiße eines Geschichtsforschers alle Briefe und Depeschen seines Großvaters gesammelt. Ich fand in dieser reichen Sammlung zwei und sechszig Briefe, die zwischen Greene und Steuben gewechselt waren und oft ein ganz neues Licht auf den Krieg im Süden, so wie das Verhältniß beider Generale werfen.

Ganz unschätzbare Dienste leistete mir aber Herr John W. Mulligan, mit dem ich die Ehre hatte, im Laufe dieser Arbeit näher bekannt zu werden. Dieser ehrwürdige, jetzt 84 Jahre alte Mann war Steuben's Secretair und Gesellschafter von 1790-1794 und theilte mir mit einer bei seinem Alter bewunderungswürdigen Frische alle jene kleinen Züge und Anekdoten aus Steuben's Leben mit, welche dem Bilde meines Helden mehr Abrundung, Wärme und individuelle Färbung verliehen haben. Ich wünsche jedem Biographen einen so zuverlässigen Gewährsmann und einen so liebenswürdigen belehrenden Erzähler wie Herrn Mulligan.

Auch auf meinen Reisen, die ich behufs Auffindung neuer Quellen unternahm, war ich überall bei Privaten glücklich. Durch die Güte des Herrn Jared Sparks und die freundliche Vermittlung des Herrn Dr. Langdon Elcoyn in Philadelphia wurde mir die Einsicht und Benutzung der sämmtlichen Papiere Duponceau's, des ersten Secretairs von Steuben, gestattet, die sich bis jetzt ungedruckt im Besitze des Herrn G. Garesché in Philadelphia befinden. In Albany verdanke ich dem Dr. W. B. Sprague einige der werthvollsten Dokumente, die ich für meinen Zweck brauchte. Herr Sprague war so freundlich, sie mir aus seiner berühmten Autographen-Sammlung anzuvertrauen, und würde meine Schrift ohne seine Gefälligkeit manche empfindliche Lücke enthalten.

Die reichste Ausbeute fand ich jedoch in Utica bei Herrn Chas A. Mann, dessen Liberalität schon die Historial Society in New-York um die dort vorhandenen Papiere Steuben's bereichert hat. Ich entdeckte hier unter Rechnungen und Geschäfts-Papieren des verstorbenen Obersten Walker einen wahren Schatz von handschriftlichen Quellen: Gutachten, Musterrollen, Armeelisten, vollständige Berichte, Armee- und Parole-Befehle, Briefe etc., welche ein notwendiges Supplement zu den Steubenschen Papieren in der historischen Gesellschaft bilden und mir auch von Herrn Mann für dieselbe mitgegeben wurden.

Richter M. M. Jones endlich, der Geschichtsschreiber von Oneida County, der früher selbst beabsichtigt hatte, ein Leben Steubens zu schreiben, gestattete mir auf das Zuvorkommendste die Durchsicht seiner Sammlungen, und verdanke ich ihnen namentlich die interessante und so selten gewordene › Biographical sketch of Baron Steuben by General Wm. North.

Ich bin allen diesen außerhalb New-York wohnenden Herren um so mehr verpflichtet, als sie mir, dem Fremden, selbst ohne persönliche Empfehlung so freundlich entgegen kamen und ihr volles Vertrauen schenkten.

Der einzige Ort, wo ich schnöde abgewiesen wurde, war Washington. Ich wollte dort die im Staats-Archive aufbewahrten und vortrefflich geordneten Revolutions-Papiere für meinen Zweck benutzen, wurde aber, angeblich, weil ich für meine Absichten die Erlaubniß des Congresses nicht vorzeigen konnte, in Wahrheit aber, trotzdem daß ich die besten Empfehlungsschreiben hatte, nicht zugelassen, weil ich kein Amerikaner, sondern ein ›Foreigner‹ war. Ich weiß aus eigener Anschauung, daß jedem anständig empfohlenen Amerikaner die Staats-Archive stets auf's bereitwilligste geöffnet werden. Amerikanische Geschichtsschreiber rühmen mit Recht die Gefälligkeit und Aufmerksamkeit, mit der sie in Europäischen Bibliotheken aufgenommen, zu Europäischen Archiven zugelassen sind. Man ist in keiner Europäischen Hauptstadt so engherzig, an die wissenschaftlichen Bestrebungen den bornirten Nationalitäts-Maßstab zu legen; dazu sind die Bibliothekare, Minister und ihre Unterbeamten in ganz Europa, von Petersburg bis Madrid zu gebildet; sie betrachten darum auch die Benutzung der ihnen anvertrauten Schätze nicht als eine Gunst, sondern als ein jedem vortheilhaft eingeführten und gebildeten Manne zustehendes Recht.

Es ist übrigens so lange keine Aussicht vorhanden, daß Washington sich in dieser Hinsicht civilisirt, als man die Controlle über die großen handschriftlichen Schätze des Revolutionszeitalters den untergeordneten und unwissenden Werkzeugen der augenblicklich herrschenden Partei anvertraut.

Ich habe mir später durch Vermittlung eines amerikanischen Freundes eine Uebersicht der im Washingtoner Archive vorhandenen Briefe von und an Steuben verschafft und gefunden, daß die dortigen Sammlungen nichts enthalten, was ich nicht schon im französischen Originale und in den Copirbüchern Steuben's besaß.

Ich hatte beabsichtigt, sobald es meine Zeit erlaubte, dieser Arbeit das Leben des Barons von Kalb und der übrigen deutschen Offiziere des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges folgen zu lassen; allein da ich in meinen Studien für diesen Zweck größtentheils auf die Archive in Washington angewiesen sein würde, so habe ich diesen Plan auf bessere Zeiten verschieben müssen. Den Zweck der vorliegenden Arbeit aber werde ich für völlig erreicht halten, wenn es mir gelungen sein sollte, den braven Steuben für meine deutschen Leser vom Scheintode gerettet zu haben.

New-York, 1. Mai 1858.

Friedrich Kapp.


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