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16.

Es war dunkel, als wir am Tore der äußeren Mauer anlangten. Der Bruder Torhüter hatte unseren Führer allerlei zu fragen, bevor er uns einließ. Die mit weißem Kalkbewurf versehenen Kirchen und Kapellen dieser großen umfriedeten Siedlung hoben sich im Mondlicht scharf von dem tiefen Olivengrün der Palmen ab, die überall den Hintergrund bildeten. Man hatte den Eindruck, als ob man eine ganze Stadt vor sich sähe.

Der Abt des Klosters empfing uns in der Vorhalle, ein Greis mit müdem, weltfernem Blick und von feierlicher Verschlossenheit.

Noch einmal flackerte hier die berauschende Wildheit großen Erlebens auf: Als der Abt jede Auskunft verweigerte, ob Fürst Zubanoff hier weile.

Steenpool sagte schroff: »Er ist hier, mein Vater! Wäre er nicht hier, würden Sie dies ohne Zögern erklärt haben. – Bitte, – kennen Sie einen Haftbefehl?! Wollen Sie der ägyptischen Regierung trotzen?!«

Wera rief – und auch Gupa und ich waren überrascht von diesem Schachzug Steenpools, der sich den Haftbefehl in Kairo ohne unser Wissen besorgt hatte:

»Oh – das ist heimtückisch, das ist gegen die Abmachung!«

Steenpool meinte kühl: »Ich rechnete hier mit Schwierigkeiten … – Bitte, mein Vater, zeigen Sie uns den Weg zu Zubanoffs Zelle!«

Der Greis erwiderte nur mit einer milden Handbewegung:

»Er betet … Gehen Sie in die heilige Kapelle …«

In dieser mehr als bescheidenen Kapelle, die auf so viele Hunderte von Jahren zurückblickt, deren Wände seltsame verblichene Fresken zeigen, kniete in Kutte und Fellmütze vor dem Altar eine einsame Gestalt. Nur vier Kerzen brannten hier …

Hier sah Wera ihren Gatten endlich wieder. Hier rief sie ihn, den nicht einmal das Geräusch unserer Stiefel störte, mit bebender, zagender Stimme an.

Er richtete sich ganz langsam auf … Dann erkannte er sie, sein Kopf sank …

»Wera – du?!«

Was sie sprach, was sie in immer leidenschaftlicherer Anklage hervorstieß, trieb ihn vor ihr in die Knie.

Männer, vor Weibern kniend, gehören in ein Lustspiel …

Männer, die wie Kinder besinnungslos weinen, die nicht die Kraft haben, Mann zu bleiben, gehören in eine Posse …

»Sprich, – verantworte dich!«

Das war ein Peitschenhieb, und Zubanoff besann sich auf sich selbst.

Mit einem Schlage änderte sich sein Benehmen, mit einem Schlage wurde er … wenigstens etwas Mann.

Und das, was er dann vorbrachte?!

Er hatte Wera Nachricht gesandt, er beschwor es … »Die Wangs müssen die Briefe vernichtet haben … Ich schrieb dir so oft …«

»Und in Zubanowo?!«

Er verlor wieder etwas die straffere Haltung.

»… Ich geriet mit Bix und Fattmoore in Streit … Ich tötete sie, aber in Notwehr … Mit diesen meinen blutbefleckten Händen konnte ich dir nicht gegenübertreten, Wera …«

Aus allem, was er in unserer Anwesenheit zu seiner Entschuldigung anführte, ging für mich nur das eine klar hervor: Der Wang-Bund und seine Macht als dreizehnter Tschu-Wang hatten ihm mehr gegolten als sein Weib!

Dann … schickte Wera uns drei hinaus …

Was sie mit ihm unter vier Augen verhandelt hat, – es blieb im Grunde gleichgültig.

In dieser Nacht schlief Wera dann allein in derselben Zelle, die ich jetzt bewohne. Am Morgen erst sah ich sie wieder, als die Kamele schon gesattelt waren.

Steenpool hatte den Haftbefehl zerrissen, Zubanoff trug den Reitanzug, in dem er vor zwei Tagen nach St. Antonius gekommen, Wera war sehr blaß, und ihre einzigen Worte waren:

»Sie wollen hier bleiben, sagte mir der Abt. Leben Sie wohl, Olaf … Ich hoffe mit meinem Gatten irgendwo eine neue Heimat zu finden …«

Sie sagte das ohne jede Wärme …

Sie kam mir vor wie innerlich erstorben. Sie reichte mir ihre Hand, und die war eiskalt.

Ich stand mit Gupa und Wrangel auf der äußeren Mauer … Wir blickten den Davonreitenden nach … Steenpool winkte immer wieder zurück … Wera nicht ein einziges Mal.

Aber den Blick, mit dem sich Zubanoff vor mir zum Abschied wortlos verbeugt hatte, – den sehe ich noch jetzt …

Die zahllosen Raben, die in den Bergwänden hausen und zur Zeit der Dattelreife die Bäume plündern, erfüllten die Luft mit ihrem höhnischen Geschrei.

Damals – nein, damals war mir Wera fremd geworden … Ich begriff weder sie noch ihren Gatten, und Gupa sagte, als die Berghöhen die Reiter verdeckten:

»Olaf, wir Asiaten schätzen die Frauen richtiger ein …!«

… Gestern habe ich diese letzten Zeilen geschrieben, heute war ich mit Gupa und Wrangel und zwei Mönchen drüben in St. Paulus … Auf dem Heimwege im Abendschatten knallte aus den hellen Klippen bedrohlich ein Schuß, und die Kugel summte bedrohlich dicht an meinem Ohr vorüber. Von dem Schützen war nichts zu entdecken.

Der Pater Torwart gab mir dann einen Brief, den der Bote heute von Kairo mitgebracht hatte.

Von Wera …

In meiner Zelle habe ich ihn gelesen …

Wera … kommt zu mir zurück …!

… Was sie noch schreibt?!

Zubanoff hat ihr gestanden, daß er Bix und Fattmoore hinterrücks niederschoß und daß er nach China zurückwolle …

»… Er ist nicht Europäer, Olaf, – er ist Asiate … Unsere Ehe, Olaf, ist das geblieben, was sie war: Keine Ehe!! – Ich komme …!!«

… Ob ich es verlernt habe an ein Glück zu glauben?! Ob ich es verlernt habe, mich zu freuen?!

… Ich streichele Wrangels Kopf, der in meinem Schoße ruht …

»Sie kommt …!« sage ich laut …

Der Hund winselt leise …

Draußen läutet die Glocke zum Nachtgebet …

Das schrille Gebimmel bricht jäh ab …

Mein Fenster klirrt …

Die Kugel hat durch mein Haar eine Furche gezogen …

Ich höre das Rufen der Mönche, ich höre Gupas Donnerstimme …

Der Schütze wurde wieder nicht gefunden. Die Kugel war das zweite Lebenszeichen meines Feindes.

Mein Feind Cordy hat nachher noch Ärgeres getan als diese hinterlistigen Schüsse …

Morgen wird Wera eintreffen.

… Ich fürchte, ich kann an mein Glück nicht mehr glauben … Ich bin zu oft enttäuscht worden.


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