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Sechstes Kapitel.
Ein Konzert in einem Badeorte.

Gegen Abend kamen noch einige junge Leute in das gräfliche Haus: ein Graf Aladar Halomi, ein wackerer, hübscher junger Mann mit blondem Bart und von sanftem einschmeichelndem Wesen, sodann ein Grundbesitzer aus dem Banat, Namens Szilard Rajcosvics, der, wenn auch selbst kein Magnat, so doch für einen solchen gelten konnte, dessen starke schwarze Augenbrauen, dichter Bart und ölfarbener Teint die serbische Abstammung verrieth. Im Uebrigen weiß ein Jeder, daß er wüthender Patriot und mehr ultra ist, als die grimmigsten Ultraner, der sich selbst opponirt und so liberal gesinnt ist, daß wenn man ihm sagte: komm' Kamerad, gehen wir barfuß, geben wir unsere Stiefel Jenen, die keine haben und gehen wir selbst Holz hacken und pflügen, so thäte er es ganz gewiß und trotzdem ist er mehr Aristokrat, als der Kaiser von China.

Mit diesen Herren besprach der Graf und die Fräuleins ausführlich, wie sie das Wohlthätigkeitskonzert veranstalten würden; die beiden Gräfinnen gaben sogar bereitwillig am Klavier Proben ihrer Gesangs- und Spielbefähigung ab, worauf sich die Damen in ihre Gemächer zurückzogen, die Männer aber das Rauchzimmer aufsuchten, wo sie weiter plauderten.

»Freund,« sprach Rajcsovics zu Somlyohazi. »Freund, weiß der Teufel, dieses Konzert ist ja ganz schön, ja wenn's sein muß, trete ich selbst auf in demselben und blase ein Stück auf meiner Hirtenpfeife, doch ekelt es mich unaussprechlich an, von diesem maulsperrenden Publikum etwas zu erbetteln, nachdem wir, wenn wir zu vieren oder fünfen zusammentreten, aus unseren eigenen Taschen die Summe hergeben können, die wir so von hundert Leuten zusammenscharren müssen. Weiß der Geier, ich kann nicht einmal für Andere etwas erbitten, lieber gebe ich das Hemd von meinem Leibe her. Wieviel muß es denn werden für diese abgebrannte Kirche?«

»Nicht hiervon ist die Rede,« sprach der Graf, der den jungen Grundherrn ruhig angehört hatte, der während dieser kurzen Rede sich auf drei Fauteuils gesetzt hatte und wieder aufgesprungen war. »Ich weiß sehr wohl, daß uns einiger tausend Gulden halber unsere Nachkommen nicht beweinen würden, indessen ist jetzt nicht hiervon die Rede. Unsere Stellen haben sich ungemein geändert. Ob Ihr es nun wahrgenommen habt oder nicht, so viel ist sicher, daß wir, die wir Grundherren genannt werden, nicht mehr die Herren des Volkes sind, hingegen seine guten Freunde sein können. Ehedem bestand das Verhältniß zwischen uns, daß der Bauer unseren Boden bestellte und unser Getreide abmähte; wir nahmen uns den zehnten Theil seines Weines, seines Weizens und als Gegenleistung dafür kämpften wir zu Kriegszeiten für ihn, versahen die Staatsgeschäfte und wenn irgendwo Gefahren sich erhoben oder Schäden entstanden, half ein Jeder seinen Leuten, ohne zu den Nachbarn Zuflucht zu nehmen. – Dies wird heute hier und dort anders. Vor zwei Jahren ließ ich meine Leibeigenen frei, seit zehn Jahren kämpfe ich für das Princip der Steuergleichheit und für das nächste Jahrzehnt glaube ich, ist die Zeit gekommen, da kein anderer Unterschied mehr zwischen uns und unseren Untergebenen vorhanden sein wird, als nur die Kleidung und auch hierin werden jene im Vortheile über uns sein.«

»Wie das?«

»Weil die Kleidung jener bequemer, billiger und dauerhafter ist als die unserige. Wer unter unseren Herren Grundbesitzern diesen Wink des Schicksals nicht einsieht, wird nach zehn Jahren ärmer sein, als der letzte Bauer und bedauern wird ihn auch Niemand, sondern lachen wird Jedermann über den Unglücklichen, der bei einem Besitze von zehntausend Joch Feld zu Grunde ging. Ihr paradirt blos mit den Ideen der Gleichheit, für die Ihr so schöne Diktionen zu halten wißt, da Ihr meint, das sei blos ein neuer bunter Knopf an Eurem Kleide, ich aber sage, daß es ein ganzer neuer Anzug ist, in welchem wir uns finden müssen. Auch müssen wir fortan Gewohnheiten entsagen, die uns bisher als Herren charakterisirten. Ich sage nicht, daß der Graf fortan gleichfalls in rauhem Leinenkittel gehen und hinter dem Pfluge einherschreiten, daß er sich keinen Koch halten, sondern sich mit Brot und Speck begnügen solle; auch sage ich nicht, daß unsere Frauen fortan sich vom Klaviere ab – und an den Spinnrocken gewöhnen müßten, doch sage ich allen Ernstes, daß wir auf die Pracht verzichten müssen, denn die gehört nicht mehr uns, sondern bildet ein nationales Eigenthum. Möge dasselbe dem geehrten Publikum ebenso gemeinsam sein wie das Straßenbauen und Steuerzahlen. Für Alles, was eine allgemeine Sache betrifft, muß das Gemeingefühl Kontribution leisten; dieselbe kann und darf nicht mehr nach dem Opfer Einzelner haschen. Wir entsagten der Rolle des Protektors und traten in die Reihen der öffentlichen Arbeiter der Nation und es ist dies eine vollendet schöne Aufgabe, wenn wir derselben zu entsprechen vermögen. Fünf bis sechs ungarische Magnaten als Gönner und Protektoren sind im Verhältnisse zu der schreienden Noth ein Tropfen im Meere; aber fünf- bis sechshundert Magnaten als aushaltendes Publikum, geben, wenn auch gerade kein Meer, so doch ein schiffbares Wasser. Deshalb gewöhnen wir das Publikum immerhin daran, an dem Ruhm, die gemeinsamen Angelegenheiten zu unterstützen, theilzunehmen und nicht Alles seinen Grundbesitzern zu überlassen, denn wenn die einmal zu Grunde gehen sollten, sind wir mit Allem auf dem Trockenen.«

»Weiß der Teufel, ich kann mich mit ihnen nicht vertragen. Die Nähe des größten Herrn genirt mich nicht in dem Maße, wie die eines unschuldigen Lateiners.« (Der Grundherr aus dem Banat ahnte gar nicht, daß Julius Feher auch dies sei.) »Wenn ich Jemandem zu einem Gemeinzwecke tausend Gulden gebe, sage ich ihm: Da nimm und verstecke es; sage ja Niemandem, daß Du es bekommen und wage nicht, dafür zu danken, sonst renne ich davon, wenn aber einer von diesen Leuten zehn Gulden zu einem Meßgewande hergiebt, oder auf einem Wohlthätigkeitskonzert ein Gedicht herdeklamirt, wenn er auf ein paar Zeitungen abonnirt hat, will er seinen Namen gleich überall gedruckt lesen, will er, daß man Verse auf ihn mache und alle Menschen mit den Fingern auf ihn deuten und sagen sollen: ›Das ist der Herr oder die Dame, der oder die da und dafür ein großer Patriot oder Patriotin ist.‹ Hol's der Geier, lieber zahle ich dafür, nur hören will ich nicht, daß ein Anderer damit prahlt, was er gegeben.«

»Aber was verschlägt denn das?« rief Julius lachend dazwischen. (Somlyohazi berührte es angenehm, daß sich Julius durch diese Worte nicht verletzt fühlte.)

»Wie zum Kukuk sollte es nichts verschlagen?« polterte der Banater. »Ich soll's dort mit anhören, wie Herr Matthäus Torhanyi damit prahlt, daß er hundert Gulden für einen Sperrsitz gegeben; ich soll es volle drei Wochen hindurch in all Euren lumpigen Zeitungen lesen, daß diese und diese Magnaten zum Wiederaufbau einer abgebrannten Kirche ein Konzert veranstalteten, in welchem der wackere Wollhändler Herr Matthäus Torhanyi hundert Gulden für einen Sperrsitz gegeben; dann soll ich ein Sonett an Amalie Torhanyi lesen, weil sie ihr Armband zu dem Zwecke hergegeben – denn zu erwarten ist's von ihr.«

»Ich bitte sehr,« sagte jetzt Graf Halomi; »es ist möglich, daß einer von uns in diese Dame verliebt ist.«

»Ich habe sie ja nicht beleidigt; mir gefallen aber diese Leute nicht, denn sie sind eitler, hochmüthiger und anmaßender ihres Geldes halber, als der erste Bannerherr und haschen nach der Gelegenheit, die es ermöglicht, daß die Menschen die Abfälle ihrer am Börsenspiel wohlfeil erworbener Beute ein patriotisches Opfer nennen.«

»Möge man es immerhin so nennen,« unterbrach ihn Julius, der während dieser Debatte in sein Element zu gerathen begann. »Weshalb sollten wir im Interesse des Gemeinwohles die menschliche Eitelkeit und Neugierde nicht besteuern, da dieselbe doch so leicht zu besteuern ist? Sodann muß auch nicht ohne Weiteres vorausgesetzt werden, daß dieses Lateinerpublikum ohne Ausnahme so prahlerisch und hochtrabend ist. Wie viele nationale Unternehmungen blühen durch die Unterstützung der Mittelklasse, die dieselbe gar nicht als Opfer betrachten will! Literatur, Mittelschulen, Sparkassen, landwirthschaftliche Vereine sind lauter auf solch' konventionellem Fuße stehenden Institutionen, von welchen niemals zu erfahren ist, durch wessen Gönnerschaft dieselben erhalten werden. Wer ein Buch kauft, oder ins Theater geht – fordert es dieser jemals, daß man ihn lobpreise oder ihm Dankbarkeit erweise, obschon Kunst und Literatur durch ihn erhalten werden? Sie betrachten es nicht für genant, Weizen oder Reps auf dem Markte verkaufen zu lassen und wenn Sie mit Herrn Torhanyi handeleins geworden, denken Sie gar nicht an das stolze Gesicht, mit welchem dieser Mann des Geldes zahlen wird – weshalb nehmen Sie es denn dann so gewaltig übel, wenn die Sache derart steht: ich werde ihnen ein schönes Lied singen, ein patriotisches Gedicht deklamiren, eine verschnörkelte Sonate vorspielen – wenn sie wollen, so zahlen sie; wollen sie nicht, so unterlassen sie es. – Vielleicht steht Jener, der seine Lieder verkauft, unter Jenem, der seine Wolle verkauft?«

Somlyohazy gewahrte, daß Szilard seine Augenbrauen finster runzelte; er eilte deshalb, dem Streit eine scherzhafte Wendung zu geben.

»Der langen Rede kurzer Sinn ist der, daß nachdem der Betrag zum Beschluß erhoben worden und Du sehr gut Cello spielst, auch Du an dem Konzert theilnehmen wirst.«

»Ich!« rief Szilard aufspringend aus, »Ich?«

»Na na, trommele nicht so stark gegen Deine Brust, da es Dich noch schmerzen wird. – Noch dazu Deine eigene Komposition, die Morgendämmerung, die ich so sehr liebe.«

»Da soll doch lieber die ganze Bande ...«

»Schwöre nicht, schwöre nicht; Serena wird Dich am Klavier begleiten.«

»Ach! es wird viel schöner sein, wenn sie allein am Klaviere spielen wird; ich tauge besser, um zu applaudiren oder Billette abzunehmen.«

»Und wenn ich Dir sage, daß ich selber die Stelle des Kapellmeisters übernehme?«

»Wer? Du? Du selbst Graf Somlyohazy in eigener Person? Du wirst Regens Chori sein? Und Kapellmeister? Na, da werde ich Baßspieler sein. Hand her.«

Szilard meinte, daß der Graf blos scherze; dieser aber schlug rasch ein und ein Rückzug war unmöglich gemacht. Jetzt suchte er blos darin noch Trost, daß er Unglücksgefährten habe.

»Was wird denn Der machen?« fragte er auf Halomi deutend.

»Der wird die Flöte blasen.«

»Schön. Und dieser Andere? Der wird das Cymbal spielen?«

»Das kann er nicht. Der wird ›Kont Vitez‹ von Garay deklamiren.«

»Hm, ein gefährlicher Mensch. Ich kenne seinen Namen noch gar nicht.«

»Julius Feher.«

Julius verneigte sich mit scherzhafter Zuversicht.

»Was für ein Mensch ist das?« fragte Szilard den Grafen, doch so, daß es auch Julius vernehmen mußte.

»Der, mein Freund,« sprach der Graf lächelnd; »Der ist ein Genie.«

»Zum Teufel!« rief der Andere aus. »Das ist weder ein Rang, noch ein Amt, noch ein Handwerk. Was ist er also?«

Julius antwortete mit scherzhaftem Ernste:

»Von Profession ein Hufschmied.«

Szilard reichte ihm die Hand:

»So sei mir willkommen Du hufschmiedender Professionist.«

*

»Sagt' ich's nicht?« sprach am nächsten Tage der Grundbesitzer aus dem Banat zu Somlyohazi. »Hab' ich's nicht gesagt? Ich übernehme Dir zu Liebe die Kolportage, mache den Freier, werbe wie verrückt zu Deinem Konzert theils Publikum, theils Komödianten – na, ich habe allerorten schöne Erfahrungen gemacht. An einem Orte sagte man mir, ob sich denn so große Herren nicht schämten zu betteln? anderswo begann man mir von der Theurung zu sprechen und man müsse für so viele Dinge Geld ausgeben; dann fand sich ein Schlaukopf, der mich darüber aufklärte, wenn Kirche und Thurm versichert gewesen wären, würde jetzt die Gemeinde entschädigt werden; weshalb man denn nicht versichert hätte? Einer klügelte daran, wozu denn das gehöre? in dieser Hitze zu deklamiren, zu singen und an einer Stelle zu sitzen, da draußen so schönes Wetter ist; ein Anderer gab mir den guten Rath, uns, die wir Magnaten sind, nicht zu kompromittiren, sondern die Zigeunerbande auftreten zu lassen, womit wir dasselbe erreichen. Und erst bei den Leuten, die ich zur Mitwirkung aufforderte, – da kam ich gut an. Am besten erging es mir noch, wo man mich einfach auslachte und sagte, daß ich blos Scherz treibe, da es unmöglich sei, daß noble Leute vor dem Publikum Komödie spielen wollten! Eine strenge Mama warf mich beinahe zur Thüre hinaus, als ich sagte, das Fräulein möge dem Publikum ein Lied vorsingen, sie fragte mich, wofür ich sie dann ansehe? Ein Mensch, von dem ich weiß, daß er die Flöte bläst, hing mir beinahe ein Duell an, als ich ihn fragte, ob er nicht mit uns halten wolle? Ich erfuhr erst später, daß der Esel im Geheimen Verse schreibe und erwartet habe, ich werde ihn auffordern, dieselben vorzutragen. Einen Dummkopf konnte ich mir wieder kaum vom Leibe halten, der sich im Solotanz produziren wollte und nur mit genauer Noth konnte ich ihm erklären, daß man hier keine Purzelbäume schlagen werde. Am schönsten erging es mir aber bei Torhanyi. Ich wußte, daß Fräulein Amalie zu singen pflegte, da ich sie oft genug gehört hatte; sie singt immer falsch und hat keinen Begriff vom Takt. Dennoch freute sie sich ungemein über die Aufforderung und versprach sofort ihre Mitwirkung und ich war einfältig genug, ihr bei der Auswahl der Noten Hilfe zu leisten. Als ich nun von meinem Werberundgang nach Hause zurückkehre, finde ich einen Brief auf meinem Tische mit der Aufschrift: einliegend hundert Gulden, wie wenn ich ein Diligencekondukteur wäre, der blos das Couvert erblicken darf. Diesen Brief sandte Herr Torhanyi und drinnen stand: daß er ungemein bedaure, daß Amalie unerwartet unwohl geworden und demnach am Konzert nicht theilnehmen könne, doch sende er anbei hundert Gulden zur Deckung der Kosten. Ich wandte das Couvert sofort um, packte die hundert Gulden ein, versiegelte es und schrieb darauf: Dank für die hundert Gulden; die Kosten sind bereits von einem namenlosen Herrn gedeckt worden; über jenes urplötzliche Unwohlsein aber wird ein ärztliches Zeugniß erwartet, denn dies ist die Regel.«

»Wohin hast Du das geschrieben?«

»Auf das Couvert. Wenn sie mir aufs Couvert schreiben, daß hundert Gulden darin sind, schreibe ich ihnen den ganzen Inhalt hinaus.«

»Das war aber sehr grob.«

»Mag sein; sie haben es verdient. Diese Menschen, diese Geldfürsten verachten uns prinzipiell. Unter sich sprechen sie eben so verachtungsvoll, so spottend von uns, wie die Bühnengrafen und -Barone (zuweilen auch die wirklichen) über die Lateiner zu sprechen pflegen. Er wollte uns ganz einfach zu wissen thun, daß was uns hergelaufenen Grundbesitzern als Unterhaltung gut genug ist, unpassend für seinen Rang sei, denn er ist ein vornehmer Bankier und Ururwollhändler, der, wenn er von sich selbst spricht, sich gnädiger Herr titulirt und trotz dieser verdammten Hitze seine Bedienten silbergeschmückte Livreen tragen läßt, der mit jeder Flasche Champagner auf die Gasse heraus kommt, damit man sehe, was er trinke und wenn er im Freien frühstückt, stehen kirchthurmhohe silberne Theekannen vor ihm und spöttisch lächelt er, daß die jungen Gräfinnen Somlyohazi unterdessen aus einfachen Gläsern ihren Trank schlürfen. Ich dulde dieses Pack nicht und athme leichter, wenn ich ihm auf die Hühneraugen treten kann und nicht einmal Pardon sage.«

»Sie brauchen sich hierüber nicht zu ereifern, mein Herr,« sprach Julius dazwischen; »jeder selbstständige Mensch ist denen gegenüber stolz, von denen er nicht abhängt.«

»Bitte sehr; es thäte mir sehr leid, wenn Sie etwas von dem, was ich sagte, auf sich bezogen hätten. Ich weiß sehr wohl, daß Sie Industrieller sind und ebenfalls spekuliren und ich bin kein Feind der Industrie und Spekulation, betrachte es im Gegentheil für eine schöne patriotische Aufgabe, wenn Beides mit Verstand gehandhabt wird, doch verabscheue ich die Schwindler, die Niemands- und Nirgendsmenschen; die kein anderes Unternehmen haben, als das Glück, als den Coursfall der Börse und deren einziges Handwerk die Contremine ist; die Millionäre werden, ohne einen Industriezweig zur Blüthe gebracht zu haben, deshalb aber anerkannte Autoritäten sind, Ehrenbürger, Präsidenten wohlthätiger Institute, Wahlmitglieder gemeinnütziger Gesellschaften, Protektoren, Maecene, Herzöge! und wenn der Mensch fragt: weshalb? antwortet man: ja, das ist ein großer Mann! Aber weshalb? er hat Millionen! Woher? das weiß Niemand. Einmal bricht dann die Hausse oder die Baisse zu heftig herein; der große Mann, der Protektor, der Präsident, der Maecen verliert seine Millionen innerhalb einer Woche, wie er sie erworben. Wenn einer der Unsrigen zu Grunde geht, bleibt er noch immer ein Edelmann; was wird aber aus solch einem Geldherzog, wenn sein Geld beim Teufel ist?«

»Wie kommen aber all diese Deine Expektorationen zu unserem Konzerte?« unterbrach Graf Somlyohazi den edlen Zorn. »Denn da sprichst Du ja doch umsonst, denn das ist ein umgekehrter Parvenü: ein zum Bürger gewordener Edelmann

»Nun gut, so sprechen wir nicht mehr davon, Freund Hufschmied

Damit setzten sich die ernsten Männer an den Tisch und arbeiteten das Programm mit allem Ernste und großem Taktgefühl aus und setzten das Konzert für den Abend des nächsten Tages fest.

Am nächsten Tage arbeitete die Contremine angestrengt, noch dazu so geschickt, daß man kaum wahrnehmen konnte, wer die Gräben anlege. Gerede, Geklatsch, freigelassene Verleumdungen wurden über die Konzertveranstalter- und Theilnehmer in Umlauf gesetzt; Hohn und Spott lagen in der Luft, – all dies aber erschütterte die Getreuen des Grafen nicht, sie standen unentwegt gleich Felsen inmitten des tosenden Meeres.

Am Morgen des Konzerttages erhielt jede Familie, jeder Kavalier und Bürger des Ortes eine Einladung, in welcher Herr Borcz, der reiche Schafzüchter, das geehrte Publikum bittet, ihm die Ehre seines Besuches in dem neuen Kastell zu Rosenhain zu einer kleinen freundlichen Abendunterhaltung zu schenken, die bis zum nächsten Morgen währen wird.

Da konnte man bereits vermuthen, daß Herr Torhanyi arbeite.

Die Contremine war sehr geschickt angelegt; es schien unmöglich, daß Abends beim Konzert des Grafen Somlyohazi Jemand anwesend sein wird. Welch eine Schmach wird das sein, wenn das Konzert wird verschoben werden müssen.

Des Grafen Getreue aber standen unentwegt und widerriefen ihre Bekanntmachung nicht; auf sie hatte die Panik keinen Einfluß, trotzdem sie wußten, daß der ganze Badeort nach Rosenhain eingeladen worden sei.

Und am Abend war der Konzertsaal so gedrängt voll, daß sich kein Mensch zu rühren vermochte, die ganze Provinz hatte sich eingefunden. Die Spötter und Lacher schrieen Hoch! daß es nur so dröhnte; der Graf dirigirte wie ein Maestro, Cäcilie sang wie ein Engel, der Grundherr aus dem Banat trompetete wie ein Triton, Serena spielte Klavier wie eine Göttin und Julius deklamirte wie ein Heros! Die ganze Unterhaltung gelang prächtig, Alles war zufrieden und für die Brandgeschädigten kam eine Summe zusammen, daß sie Schule und Pfarrhaus neu aufbauen konnten.

Derart ist unser Publikum beschaffen: einzeln unausstehlich, in der Gesammtheit aber liebenswürdig.

... Zu der Sommerunterhaltung zu Rosenhain aber erschien außer Herrn Torhanyi und dessen Tochter nur noch ein Mann aus der Umgegend, – wer das war? Das werden wir im nächsten Kapitel erfahren; dafür aber entfernte sich des Hausherrn einziger Sohn Adorjan, der der ganzen Unterhaltung aus dem Wege und nach S...i ins Konzert ging, während sein Vater ihm zu Liebe daheim eine Unterhaltung veranstaltete. Er ließ die ganze Kompagnieschaft im Stich.

*


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