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Drittes Kapitel.
Der eigene Diener.

Jeder Mensch kennt entweder aus Erfahrung oder nach seinen Wünschen das angenehme Gefühl, welches der Gedanke erregt: »ich bin mein eigener Herr! Ich bin mein eigener Herr und thue was ich will, Niemand hat mir zu befehlen.«

Dieser angenehme Zustand hat aber eine böse Variation, nämlich, wenn sich der Mensch zu »seinem eigenen Diener« macht; wenn er sich einen grausamen Tyrannen auf den Hals ladet, der ihn vom Morgen bis zum Abend beschäftigt, jeden Moment seiner Zeit in Anspruch nimmt, dem er nicht kündigen, nicht durchgehen kann, gegen den er sich nicht empören darf – denn er ist es ja in eigener Person.

Ein solcher bemitleidenswerther Sklave seines eigenen Selbst ist jener Baron Leopold Ludveghy, den Gräfin Serena am Hochzeitstage im Stiche ließ und dessen Besitzung Herr Borcz gepachtet hält und dieselbe sogar anzukaufen drohte.

Baron Leopold gehört zu jenen ewig jungen Männern, von denen die Welt sagt, daß sie sich gut konservirt haben; doch kostete es ihm auch ein hartes Stück Arbeit! Jedes Härchen seines Kopfes erfreut sich einer sorgfältigeren Pflege, wie der ganze Organismus eines anderen Menschen und um sich einmal niederzulegen, muß er größere Vorbereitungen treffen, als ein anderer um zu sterben.

Vormittags um zehn Uhr ist's für ihn Morgen, da erhebt er sich, steigt in sein bain hygiénique, welches die Haut erfrischt und seidenweich macht und verwendet dabei kein Auge von der Uhr, um keine Minute weniger oder mehr in dem Bade zu verweilen.

Zwei Minuten nach dem Bade sichert ihm ein in einem kleinen Gläschen angemachter Trank aus syrop d'Erysimum die Reinheit und den metallischen Klang seiner Stimme, worauf er sechs Körnchen cachou zerkauen muß, die den Mund vom Cigarrenrauch freihalten und den Athem wohlriechend machen.

Nun beginnt das Lösen der Haarwickeln; jedes Haarbüschel ist um Papierröllchen gewickelt, da das Kräuseln mit dem Eisen das Haar zu sehr abwetzt.

Der Toilettentisch des Barons ist eine ganze Apotheke.

Hier in diesem Fläschchen befindet sich die Benzoëtinktur, welche mit Rosenwasser untermengt, die Jungfernmilch erzeugt, die den Augen ein so lebhaftes Feuer verleiht; jenes Porzellanschälchen enthält Cold-Cream, das nach dem Rasiren die Entzündung der Haut hebt; jene sonderbare Salbe dort mit der Aufschrift: » collyre au pierre divin« ist bestimmt, die fieberhafte Röthe der Augenlieder zu verwischen und die cératau beurre de Cacao – ist nöthig, um den Lippen die frische Farbe zurückzugeben; den schönen weißen Schmelz der Zähne sichert das rosenfarbene Quinquina, das wieder mit eau de Botot ausgespült werden muß. Die Haare müssen vorerst mit einem magnetischen Kamme geglättet werden, sodann müssen einzelne Härchen, die unhöflich genug sind, eine graue Färbung anzunehmen, mit dem Ruße von gebrannten bittern Mandeln, hierauf das Ganze mit der berüchtigten pommade de Dupuytren eingerieben werden; dann muß er den Bart von dem gestrigen Eierschaum reinigen, womit er jeden Abend eingeschmiert wird, damit er glänzend und gekraust sei; dann muß er die Spitzen des Schnurrbartes mit einem warmen Eisen emporbiegen, muß endlich das Haupthaar in der Mitte theilen, so zwar, daß kein Härchen die Symmetrie störe, sodann wird vor dem Spiegel jede Locke in kleine Schnecken gelegt um wenn es nicht gut ausgefallen, von neuem zu beginnen, eine kleine kahle Stelle sorgfältig zu maskiren u. s. w. u. s. w.

Gerade wird zu Mittag geläutet, als der Herr Baron mit seinem Kopfe fertig ist.

Nun gestattet ihm der Herr, der grausame Tyrann, der ihn auf diese Weise ermüdete, zu dejeuniren; aber auch da läßt er ihn seine Zeit nicht mit Muße verbringen; diese pâte digestive, die er vor dem chocolat colonial zu sich nehmen muß, dieser auf Zucker getröpfelte Ambrageist, dieses Gläschen vin amer de la charité nach dem Dejeuner sind ebenso viele Vorsichts- und Verdauungsmaßregeln, die der arme Sklave nehmen muß.

Nun kommt das Ankleiden; es kostet viele Mühe, bis das Binden seiner Kravatte die eigene Zufriedenheit erreicht; in dieser Wissenschaft ließ sich der arme Sklave einmal von einem genialen Abenteurer unterweisen, der ihn für fünfzig Goldstücke das Schlingen von vierundzwandzigerlei Halsbindeknoten lehrte.

Gegen zwei Uhr ist er endlich fertig vom Scheitel bis zur Sohle und er freut sich ungemein, wenn er seine höchsteigene Zufriedenheit hat. Nun zwingt er sich auszufahren. Das Lid des einen Auges ist beschäftigt, das Monocle festzuhalten, seine beiden Hände die Zügel zu führen, sein Mund den Passanten Ho! ho! zuzurufen, jede Faser seines Körpers vor dem Umwerfen zu zittern und diese anstrengende Beschäftigung hat erst um ein halb vier Uhr ein Ende, um welche Stunde sich der arme Sklave zum Diner ankleiden und sich mit pâtes digestives vorsehen muß, wonach man zum Diner ins Hotel spazirt und sich dort den Kopf darüber zerbricht, was dem heiklen Herrn, der sich derart bedienen läßt, schmecken und seiner Gesundheit zuträglich sein werde? Nach dem Diner läßt ihn sein gestrenger Kommandant forcirte Spaziergänge unternehmen, worauf er ihn ins Theater, in Abendgesellschaften jagt, ihn zwingt, mit dem verschwindend wenigen Geiste, welchen er von der Natur erhalten, zahllose Damen und Fräuleins zu amüsiren, genial zu erscheinen, unerhörte Platitüden mit graciösen Gestikulationen vorzutragen, in engen Stiefletten stundenlang zu tanzen, mit geschnürter Taille den jungen Mann zu spielen, zu lächeln, wenn er zu gähnen Lust hätte, bis er ihm nach Mitternacht vielleicht gestattet, sich nach Hause zu begeben, läßt ihn aber auch jetzt noch nicht zur Ruhe gehen, sondern läßt sich vorerst die Haare neuerdings einwickeln, seinen Bart mit Eierschaum einreiben, bei feuchtem, nebeligen Wetter sich das Gesicht mit frischem Rindfleische einhüllen, einen Kaffeelöffel voll in Wasser aufgelösten syrop de Lactrearium nehmen, was einen ruhigen Schlaf erzeugt, wonach er ihn endlich, endlich den pflegenden Armen der Natur überläßt.

Wir ersehen hieraus, welch beschwerliches Amt Baron Leopold Ludveghy übernommen, als er bei sich selbst in Dienst trat und es bleibt uns ein Räthsel, wie er Lust haben konnte, sich derart mit einem einzelnen Menschen abzugeben, daß er ausschließlich nur für diesen lebte und sich um nichts Anderes kümmerte. Noch dazu mit solch einem frommen Menschen, wie er war. Denn das widerfährt ja auch so manchem Gelehrten, daß er sich von Tag zu Tag immer nur mit sich selbst beschäftigt; dieser verbringt die Zeit aber wenigstens mit einem vernünftigen Menschen.

Wie kam es demnach, daß diesen frommen und einfältigen Mann, der auf der Welt sonst Niemandem als sich selbst Ungelegenheiten bereitet, Graf Somlyohazi und dessen ganze Familie derart als Feind betrachtet, daß bei Nennung seines Namens allen das Blut zu sieden beginnt, und daß sie selbst die Person hassen, die den Namen ausgesprochen?

Das ist sehr einfach. – Nicht die Menschen allein werden gehaßt, die mit Absicht ihrem Nächsten zu schaden suchen; die sich vornehmen, des anderen Gattin zu verführen, und die sich den Kopf darüber zerbrechen, auf welche Weise sie ihren Nächsten zu Grunde richten sollen; – o! jene lässigen energielosen Charaktere, die außer sich selbst Niemanden kennen, deren einzige Weltanschauung der Egoismus ist, für die es weder Feind noch Freund giebt, die beleidigen die meisten Menschen.

Einer der Tyrannen Roms, der am gehaßtesten war, hieß Commodus. Diese Commodität ist die verhaßteste Erscheinung auf der Welt, denn mit dem Mörder, dem Diebe, dem Wahnsinnigen läßt es sich noch in einem Zimmer leben, – doch mit einem bequemen Menschen nicht einmal in guter Bekanntschaft.

Baron Ludveghy hatte der Familie Somlyohazy nichts angethan; er hatte sie in ihrer Ehre nicht angegriffen, hatte sie in ihren Besitzungen nicht gestört, ja hatte von seinen Ahnen nicht einmal einen romantischen Haß gegen sie geerbt, sondern hatte in seinen jüngeren Jahren blos der Schwester des Grafen Somlyohazy den Hof gemacht. Das Mädchen war jung, es nahm sich jene ausgemergelte Gestalt zum Ideal, verliebte sich sehr in ihn, Leopold hofirte ihm nur noch mehr; das Mädchen hatte einen alten Anbeter, Serena's Bruder, der, als er sah, daß seine Liebe zurückgewiesen werde, vor Kummer zu reisen begann, sich dabei eine Erkältung zuzog und starb.

Als nun der Triumph des Barons Leopold ein vollständiger war, begann er der Sache überdrüssig zu werden; er begann das Haus zu meiden, wich dem Mädchen aus und schlug es sich aus lauter Commodität aus dem Kopfe.

Das verlassene Mädchen grämte und härmte sich, von einem Frühling zum andern wurde es bleicher und endlich kam der Frühlingswind auch um sie, der die Seelen mit sich zu nehmen pflegt, die die Erde zu verlassen wünschen und sie starb still und friedlich.

Es ist möglich, daß Baron Leopold hierin nichts Merkwürdiges fand, ja er mag die Sache gar nicht verstanden haben und wenn ihm Jemand dieselbe erklärt hätte, würde er höchstens den Gedanken in ihm erweckt haben, daß »parbleu!« dennoch etwas darin liegen müsse, wenn der Mensch seine Halsbinde auf vierundzwanzigerlei Arten zu schlingen verstehe.

Soviel ist sicher, daß ihm kein Härchen aus Kummer hierüber ergraute.

Auch weiterhin pflegte er sich sorgfältig; pflegte sich Bart und Haar, sorgte dafür, daß seine Nägel rein, seine Zähne gesund, sein Magen und seine Hühneraugen in Ordnung seien – um wichtigere Dinge kümmerte er sich nicht.

Diesem traurigen Ereigniß hat es Graf Somlyohazy zu verdanken, daß er mit seiner jetzigen Gattin bekannt wurde; diese verlor ihren Sohn, er seine Schwester Baron Leopolds Commodität halber. Man kann sich danach vorstellen, welchen Klang der Name Leopold Ludveghy in dieser Familie haben konnte. Derselbe wurde auch niemals genannt, bis auf einmal die aus ihrer ersten Ehe stammende Tochter Serena ihre Verwandten mit der Nachricht überraschte, daß sie Leopold Ludveghy heirathen werde.

Die Gräfin hatte eine reiche alte Großtante in der Nähe von Preßburg wohnen, die das sonderbare Gelüste hatte, eines der gräflichen Kinder zu erziehen. Gräfin Bertalan war eine sehr gute, ehrenwerthe, wackere Dame, bei der Gräfin Serena das elterliche Haus sicherlich ersetzt fand. Und sie fand es auch nur ein wenig zu sehr ersetzt. Die alte Dame fürchtete sich bereits zu reisen, was bei dem damaligen Zustande der Wege von Preßburg nach Klausenburg auch gar kein Vergnügen war, weshalb denn Serena von ihren Eltern nur gesehen wurde, wenn diese zu der Preßburger Großtante zu Besuch kamen, der dann zu Zeiten des Reichstages stets sehr ausgedehnt wurde.

Aber auch da ließ Gräfin Bertalan Serena nicht zu ihren Eltern; diese mußte stets an ihrer Seite sein, denn wie sie sagte, verzärtele die Mutter das Kind in einer Weise, daß es Niemand mit demselben auszuhalten vermag.

Die Sache verhielt sich aber gerade umgekehrt; gerade sie verwöhnte das Kind, so daß dasselbe mit zehn Jahren bereits so trotzköpfig, launenhaft und eigensinnig war, daß man es auf keine Weise zu bändigen vermochte. Gräfin Bertalan behauptete, sie sehr streng zu behandeln, während wenn es sich zuweilen begab, daß sie sie mit einem strengen Worte zu verletzen wagte und Serena dann zu weinen begann, die gute Dame nicht eher ruhen konnte, als bis sie sie versöhnt hatte und als sie sie einmal damit erschrecken wollte, daß, wenn sie nicht gehorche, sie sie aus dem Hause jagen werde, wonach sie zusehen solle, wie sie sich fortbringen werde, gab ihr das zehnjährige Kind zur Antwort, daß sie keine Minute länger bleibe und machte sich sofort ein Bündel aus etwas Weißwäsche, wozu noch ein Stück Kuchen kam und verließ das Haus. Gräfin Bertalan sandte ihr den Hausmeister nach, damit er sehe, wohin das Kind gehe und da holte er es erst ein, nachdem es bereits die Brücke hinter sich hatte und den Wald aufsuchen wollte. Auf die Frage sodann, wohin sie denn eigentlich habe gehen wollen, antwortete sie, nach der Türkei als Aschenbrödel. – Da soll noch ein Mensch mit ihr reden können.

Als ihr Bruder starb, wollte ihre Mutter Serena zu sich nehmen und die Großtante mußte zugestehen, daß dies ein ganz rechtliches Verlangen sei; nach zwei Monaten aber hatte man sie aus Siebenbürgen wieder zurück gebracht.

»Liebe Tante, dieses Mädchen hast Du schon derart verdorben, daß es nur für Dich allein noch gut ist. Der unglückliche Sterbliche, der sie jemals zur Frau nimmt, wird schwer heimgesucht sein. Erziehe sie jetzt nur weiter. Ich wünsche, Du suchtest einen Mann aus für sie, den ich sehr hasse, denn das wird Strafe genug für ihn sein.«

Serena fand Gefallen an diesem humoristischen Einfalle ihrer Mutter. Vielleicht brachte sie gerade dies auf die Idee, ihr Netz nach Baron Ludveghy auszuwerfen, was sie denn auch so schlau anzustellen verstand, daß Niemand früher etwas davon wußte, als bis das Wild gefangen war.

Aber auch andere Beweggründe leiteten Serena hierbei. Während der kurzen Zeit, welche sie im elterlichen Hause verlebte, hatte sie wahrgenommen, wie ernst, streng und verschlossen ihre einst so gemächliche und heitere Mutter geworden war und sie wußte, daß der Tod ihres Bruders die Ursache dieser Gemüthsveränderung war. Häufig vernahm sie auch erbitterte Ausbrüche ihres Stiefvaters, den sie bis zur Vergötterung liebte, gegen jene lässigen charakterlosen Mitglieder der Aristokratie, die den lebendigen Krebsschaden zwischen den verbindenden Schichten der Nation bilden, die blos durch einen feineren Instinkt von den rohen Proletariern unterschieden sind und dieser Unterschied bestand nach Somlyohazi's Auseinandersetzung blos darin, daß jene statt Kümmelbranntwein Cognac trinken, – und sie begann wahrzunehmen, daß das Ideal der gegeißelten Species Niemand so vollständig darstelle, als Leopold Ludveghy. Cirkulirte eine Anekdote über irgend eine kapitale Dummheit, mußte irgend eine großartige Bêtise Jemandem in die Schuhe geschoben werden, so war es sicherlich der Baron; zwar nannte Niemand seinen Namen, doch wußte Jedermann, daß er es sei und es widerstrebte den Leuten, auch nur zu lachen. Sie verachteten ihn.

Ein so scharfer Verstand wie jener Serena's durchblickte dies Alles.

Und eines Tages überraschte Serena die gute alte Gräfin Bertalan mit der Nachricht, daß sie sich mit Leopold Ludveghy vermählen werde.

Die alte Dame war entsetzt, war außer sich, wollte in allem Ernste zornig werden; sie zählte Serena her, wie sehr ihre Mutter diesem Menschen zürne, wie sehr ihn ihr wackerer Stiefvater verachte, welch ein ehr- und gewissenloser Mensch das sei, wie ihn die übrigen Magnaten verabscheuen und was für ein Mann das überhaupt sei! Ein Mann, der sich schminkt, der seine abgenutzten Nerven in solchem Maße schände, der sich mit so wenig Verstande in der Welt umhertreibe und der allerorten verlacht, verspottet wird. Sie möge bedenken, wie unglücklich es der Schwester des Grafen Somlyohazi mit diesem leichtsinnigen Menschen ergangen und endlich möge sie auch erwägen, daß sie ihre Mutter, wie ihr Vater keines Blickes mehr würdigten, wenn dies geschieht; dann werden sie auch ihr selbst zürnen und auch sie werde Serena zürnen, und sie bäte sich's aus, daß, wenn sie Baronin Ludveghy sei, sie weiterhin nicht in Preßburg bleibe, denn sie werde sogar ihrem Kutscher den Befehl ertheilen, daß, wo ihre Wagen zusammentreffen, er umkehren und einen anderen Weg nehmen solle. Serena aber verstand es so gut, der guten Großtante zu schmeicheln und sie zu begütigen, wußte Ludveghy's Fehler Punkt für Punkt so zu entschuldigen; was man bei ihm schwach nannte, wurde von ihr seiner Güte zugeschrieben, was er gesündigt hatte, nannte sie Charakterstärke, in seine politischen Ansichten aber dürften sich Frauen nicht einmischen, denn dies verstehen blos die Männer und endlich brachte sie ihr den Glauben bei, daß sie unendlich in ihn verliebt sei, daß es am Ende die arme Großtante selbst war, die sich zu dem schweren Schritte entschloß, Serena's Eltern zu schreiben. Sie theilte ihnen dann mit, wie unausweichlich und nothwendig es sei, daß Serena mit Ludveghy vermählt werde, ja sie bemühte sich sogar, ihnen etwas glauben zu machen, woran die Arme selbst nicht glaubte, daß es denn doch sehr gut wäre, den alten Feindseligkeiten auf diese Weise ein Ende zu bereiten und daß es zu hoffen ist, daß Baron Leopold, einmal verheirathet, ein wackerer, liebenswürdiger Mensch werden würde u. s. w. – Ich getraue mich zu behaupten, daß die wackere Dame am Ende selbst an all die Ungeheuerlichkeiten glaubte, an die sie Andere glauben machen wollte, so schön und eindringlich verstand Serena ihre Sache zu verfechten und wenn in ihr auch zuweilen Zweifel gegen deren logische Richtigkeit aufstiegen, so entschlug sie sich derselben gewaltsam, denn was könne das arme Kind dafür, daß es derart in ihn verliebt sei?

Nun wir haben gesehen, wie verliebt sie in ihn war. Beim Altar hatte sie ihn im Stiche gelassen.

Ein närrisches Mädchen!

In ihrem launigen Plane dachte sie an nichts weiter, als an eine eklatante Sache. Ihr schwebte nur der Gedanke vor, einen Mann, der kühn genug war, auch ihr den Hof zu machen, nachdem er ihre Familie so schwer beleidigt hatte, an seiner empfindlichsten Stelle zu treffen: an der schmerzhaften Stelle des Egoismus' und ihm eine Schmach anzuthun, die die Welt niemals zu vergessen vermag. Und hierbei dachte sie gar nicht daran, in welcher Weise sie sich selbst ins Gerede bringe, welchen abenteuerlichen Anstrich ihr ein derartiges Wagen verleihe, wie sehr sie ihre Tante erzürne, die sie dreifach anführt, welchen Schrecken sie ihrer Mutter, ihrem Stiefvater und all ihren Verwandten bereite und welch absonderlichen Begriff sie im allgemeinen allen Leuten von ihrem Charakter beibringe.

An all diese Umstände begann sie erst nach vollbrachter That zu denken. Das fühlte sie, daß sie zu ihrer Tante nicht sofort zurückkehren könne, denn der Schlag könne die alte Dame rühren, wenn sie nach dieser Ueberraschung mit ihr zusammen kommen müsse und deshalb bestieg sie unverzüglich einen Postkarren und eilte nach Klausenburg nach Hause.

Die durch die Schreckensnachricht ihrer Hochzeit aufgescheuchten Eltern befanden sich aber gerade auf dem Wege nach Preßburg und als Serena in Klausenburg ankam, stiegen jene bereits in Preßburg ab. Erst hier erhielten sie Kenntniß von der eigenthümlichen Wendung der Angelegenheit. Die ganze Stadt sprach bereits davon.

Es war ein schrecklicher Fall! Graf Somlyohazi gestand, daß er sich bereits in so mancher absonderlichen Situation befunden, daß ihm hier aber der Verstand still stehe und er nicht wisse, was er thun solle! Die Gräfin sagte, sie bringe das Mädchen um, sowie sie seiner ansichtig werde und die gute Gräfin Bertalan legte sich zu Bette und wollte binnen vierundzwanzig Stunden mit dem Tode abgehen.

Die vierundzwanzig Stunden vergingen aber und unterdessen kam per Stafette ein Eilbrief von Serena an, in welchem sie ihre Eltern und ihre Tante so eindringlich und zärtlich um Verzeihung bat, ihre Reue nach vollzogenem Racheakte in so lebendigen Farben schilderte, die in der Familie verursachte Angst und Kümmerniß so aufrichtig bedauerte, und endlich mit so kindlicher Nachgiebigkeit gelobte, sich fortan in allem dem Willen der Eltern zu unterwerfen und das Somlyohazer Schloß nicht eher zu verlassen, als bis man sich mit ihr versöhnte, daß Gräfin Bertalan am Ende nothgedrungen das Bett verlassen und ihre Sterbestunde verschieben mußte, worauf auch Gräfin Somlyohazi ihre kindesmörderischen Absichten aufgab und endlich auch der Graf auf einen hierher passenden klugen Gedanken gerieth, daß es für Serena nämlich sehr gut sein wird, eine Zeitlang in Siebenbürgen unter der Aufsicht ihrer Eltern zu bleiben, denn das Mädchen habe ja im Grunde ein wackeres, edles Herz und nur hier und da erfasse sie ein kleiner Wahn, welcher unter der mütterlichen Aufsicht wohl bald verschwinden werde.

Im Uebrigen war ja Jedermann sehr zufrieden mit der dem Baron Ludveghy angethanen Schmach und sicherlich auch die ganze gräfliche Familie, wenn sie dies auch nicht laut werden ließ.

Auch der arme Sklave diente keine Stunde länger bei seinem alten Herrn in Preßburg, sondern entfloh gleichfalls aus der Stadt. Wer Zeit hatte, an ihn zu denken, behauptete, er sei nach seinem Landgute geflüchtet, wo er sich zu pflegen gedenkt, bis man die ihm zugefügte Schmach ein wenig vergessen.

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