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Ich weiß wahrhaftig nicht, welches sentimentale Fräulein dieser Einöde den Namen Rosenhain geben konnte? Entweder mußte dasselbe eine ungemein lebhafte Einbildungskraft besitzen, oder mochte die Zeit schon lange dahingeschwunden sein, da wilde Rosen die Felder weit und breit bedeckten, denn jetzt ist auf denselben nichts weiter zu sehen, als hier und dort ein stacheliger Dornbusch, denn alles Andere wird von der über zehntausend Schafe zählenden Heerde, die täglich hinausgetrieben wird, glatt abgeweidet.
Niemals bringen die Jahreszeiten hier Gräser oder Blumen hervor; keine beackerte Fläche, kein grünendes Saatenland unterbricht die einförmig grauliche Färbung der holperigen Ebene, die weder im Frühling noch im Herbste irgend welche Veränderung zeigt.
Tausende der wolletragenden Schafe rasiren täglich den Bart der schönen Natur glatt ab, zuweilen unterbrechen aus Schilf geflochtene Hürden die langweilige Einförmigkeit, sowie einige Feldbrunnen mit ihren langen Stangen und noch längeren Trögen, wo das liebe Vieh allabendlich getränkt wird.
In der Tiefe eines sandverwehten Thales steht das Wohngebäude selbst wie versteckt; es hätte immerhin auf einem Hügel erbaut werden können, von wo auch die Aussicht eine schönere gewesen wäre; der weise Ansiedler fand aber, daß er des Schutzes vor den Winden dringender benöthigt sein werde, als der schönen Aussicht und während er die eine Seite des Hügels unterhöhlte und genügende Lehmmassen fand, um seine sämmtlichen Ställe und übrigen Baulichkeiten aufzuführen, bildete die andere Hügelseite eine vorzügliche Abwehr gegen die von allen Seiten heranbrausenden Winterstürme.
Es ist wohl wahr daß die auf diese Weise in dem Thale aufgeführten Lehmgebäude während drei Viertheilen des Jahres über alle Maßen feucht sind und im vierten eine unausstehliche Hitze ausstrahlen, – wo fände der Sterbliche aber etwas Vollkommenes in dieser Schattenwelt?
In einer Gruppe sind etwa acht lange, niedrige Gebäude zu sehen, die ohne jeden Bauplan in die Kreuz und in die Quer gegen einander errichtet sind und deren elende zerfallene Schilfdächer, plumpe, bis zur halben Höhe mit Winterreif beschlagene Mauern, winzige Fenster und Gitterthüren einander so auf ein Haar gleichen, daß ein Fremder kaum herauszufinden vermöchte, welches Gebäude für den Besitzer, für die Schafknechte und welches für die Ställe verwendet wird.
Von einem Hofe ist keine Spur vorhanden, Stroh- und Heuhaufen erheben sich vor jedem Hause, blos die durch den Frost in dem Lehmboden zurückgehaltenen Schafspuren unterbrechen die schmutzige Erdfarbe; Abfälle von Stroh und Schilf bedecken die nächste Umgebung und wilde Hunde liegen gähnend in jeder Thüre und es ist ein Glück, wenn sie den Ankömmling nicht zehnmal überfallen, bis er Jemanden findet, den er nach dem Besitzer fragen könnte.
Es scheint indessen, wie wenn Jener, der da in der gelben Kutsche angefahren kommt, bereits genügende Ortskenntniß besitze, da er gerade auf das in der Mitte stehende lange Haus zufährt, und vor dessen Thüre anhält, obschon kein äußerlich sichtbarer Grund vorliegt, dieses Haus von den übrigen Schafställen hervorzuheben.
Aus der Kutsche steigt vorerst ein Herr in einem Wolfspelz dem eine Dame im Zobelpelze folgt, deren mit Astrachanfell besetzte Stiefelchen sichtbar werden, während sie vom Tritte steigt; hierauf kommt der auf dem Kutschbock mitgebrachte livrirte Diener, der allerlei Schachteln und Taschen herunterhebt, während die aus der Küche zum Vorscheine kommende Wirthschafterin in ihren ungeheuren Stiefeln einem dritten oder vierten Hause zutrabt, um den Hausherrn von der Ankunft der Gäste zu benachrichtigen.
Herr Michael Borcz, der steinreiche Schafzüchter, ist gerade mit einer großen Arbeit beschäftigt. Der Jahrmarkt von Großwardein naht heran. Die ungeheuren Käsemassen, die während des Winters bereitet wurden, müssen auf Wagen gepackt werden. Der Werth derselben beträgt viele hundert Gulden. Jetzt beginnen auch die Schafe zu werfen, zarte Lämmer stehen jetzt hoch im Preise, sie müssen demnach eiligst ausgemustert werden; welches am Leben bleiben soll, wird gezeichnet und geimpft, die verkauft werden, kommen in eine andere Abtheilung. Bei solchen Gelegenheiten ist die Anwesenheit des Herrn unumgänglich nöthig, denn das Stempeln geht mit vielen abergläubischen Gebräuchen vor sich: jedem Schaf müssen die Ohren nach einwärts gedreht werden, damit es vor Seuchen und anderen Uebeln bewahrt bleibe; dann muß es über das Stempelholz springen, damit es gute Milch gebe; hauptsächlich aber muß darauf geachtet werden, daß während dieser ganzen Operation kein Wollflöckchen ausgerissen werde, denn dies bedeute Schlimmes, ein derart verunglimpftes Lamm wird vom Wolfe zerrissen. Auch dürfen die Schafe nicht mit lauter Stimme gezählt werden, denn da gewinnt der Böse Macht über sie, sondern blos mit leiser Stimme zählt ein Jeder für sich und sagt erst am Ende, wie viel er zählte. Der Herr sagt nun, ob's auch richtig ist und schneidet gerade und krumme Striche auf sein Kerbholz.
Wir sehen also, daß Herr Michael Borcz zur Stunde, da ihn die Wirthschafterin zu holen kam, mehr Arbeit als gewöhnlich hat; in der einen Hand hält er den Farbentopf, in der andern das Stempeleisen, womit er die Anfangsbuchstaben seines Namens jedem seiner neugeborenen Unterthanen aufdrückte, sodann riß er aus der Tasche wieder das Kerbholz, aus dem Stiefelschaft sein krummes Messer und registrirte gewissenhaft jede Verrechnung, wischte sich mit dem Aermel seines Mantels den Schweiß vom Gesicht, wodurch Gesicht, Dolman und Weste allmälig so farbenbeschmiert wurden, daß keines dem andern einen Vorwurf machen konnte.
Es wäre auch schwer gewesen, den guten Herrn von seinen übrigen Schafknechten zu unterscheiden, zumal für einen Fremden, denn er trug gerade solch einen abgeschabten Ledermantel mit schwarzem Schafpelze besetzt, wie die übrigen Knechte, ja die Nähte sind sogar noch schmutziger, als bei den anderen, da der Mantel offenbar viel älter ist. Seine schweren Stiefeln sind mit Talg beschmiert, die in die Stirne gedrückte Lammfellmütze voll Spreu und Heu, selbst sein Gesicht unterscheidet sich in nichts von dem seines Gesindes, da es mürrisch und verdrossen ist, wie das eines unzufriedenen Bauern; sein Schnurrbart ist kurz geschnitten, damit er mit demselben nichts zu thun habe, und das krause, ergraute Haar wirrer als ein Heuhaufen.
Eben hielt er ein schönes, schwarzes Lamm zwischen den Knieen und dachte nach darüber, ob er auch dieses auf den Markt senden oder, da es gar so schön sei, mit etwas gelöschtem Kalk abstempeln solle, als die Wirthschafterin in der Stallthüre stehen blieb und mit heiserer Stimme hineinrief:
»Gestrenger Herr, wir bekommen Gäste; der gnädige Herr Andreas von Torhanyi und seine Tochter.«
Der Schafzüchter wandte sich um und wie wenn er besser hören würde, wenn er die Mütze aus der Stirne schiebt, fragte er ohne jede Freundlichkeit:
»Was giebt's?«
»Der gnädige Herr Andreas von Torhanyi!« bemühte sich das heisere Frauenzimmer lauter zu schreien.
Mit aristokratischem Hochmuthe antwortete Herr Michael Borcz:
»Nicht von Torhanyi, – nur Torhanyi. – Er heißt Torhanyi, nicht von Torhanyi. Was für ein von? Das von gehört nur adeligen Leuten. Na ja! ein Händler, ein Kaufmann und gar von Torhanyi!«
Und wie wenn damit Alles schönstens geordnet wäre, drückte er sich die Mütze wieder in die Stirne und malte sich in seinem Zorne auch unter den Augen Brauen, als er mit seinen farbenbeschmutzten Fingern etwas von dort entfernen wollte. Dabei brummte er noch fortwährend vor sich hin:
»Ja, ja, so ein Händler. Ein Krämer, sonst nichts und gleich will er ein – von sein, wie wenn man es nur so am Düngerhaufen fände, damit es Jeder aufheben könne, der Lust dazu hat. Ich kenne ihn schon lange; früher schrieb er sich nur so, jetzt läßt er sich bereits so nennen. Er meint, auf diese Weise einmal hast du's nicht gesehen? ein Edelmann zu werden. Hoho! da haben wir auch noch ein Wörtchen mitzureden. Wie wenn das so leicht wäre!«
Herr Michael Borcz war bei diesem Gedanken völlig empört. Wie denn nicht! Er konnte es von sich selbst wissen, welches Opfer das koste. Vor vierzig Jahren war er selbst blos ein einfacher Bauernbursche gewesen, der Schafe hütete; welche Unsummen Geldes kostete es ihm, sich dieses Privilegium zu verschaffen und der will es nur so, ganz umsonst es sich zu eigen machen?
Na wartet nur! etwa weil Ihr in der Kutsche gefahren kommt?
Bedenke es, daß Du jetzt im Hofe des Herrn Michael von Borcz bist, und so wahr es ist, daß die ganze Besitzung eher Herrn Michael von Borcz gehört, als dem Baron, der sein Gutsherr ist, von dem er dieselbe vor zwanzig Jahren mit vier Kupferkreuzern per Joch für zweiunddreißig Jahre in Pacht genommen hatte, so wahrscheinlich und möglich ist es, daß Herr Michael von Borcz auch den Barontitel für seine Nachkommen erwirbt, da er Geld genug hat, denn es gehört gar keine Anstrengung dazu, ein kleines Milliönchen bei den zwölftausend Joch Feldern zusammen zu scharren, für die der Mensch nur achthundert Gulden jährlich Pacht zu zahlen hat.
Unterdessen war es den Gästen frei gestellt, sich drin im Wohnhaus, dessen Inneres vollständig dem Aeußeren des Besitzers entsprach, nach Herzenslust zu ergötzen.
An den feuchten Mauern war der alte, schimmelbehaftete Mörtelbewurf im letzten Stadium des Herabfallens; die Lücken an den niedrigen Fenstern waren fürsorglich mit Sägestaub verstopft, damit kein Lüftchen weder ein- noch hinausschlüpfen könne; alte, schwarz gewordene Stühle und Schränke stützten sich mit den wackeligen Rückseiten an die Wand und in einer Ecke streckte sich ein weder Kissen noch Unterlage zeigendes Ruhebett aus, welches mit schweren Schafpelzen bedeckt war; zwischen den beiden Fenstern erschreckte ein niedriges Ledersopha die Leute, die sich auf dasselbe niederlassen wollten, mit seinen klaffenden Rissen, durch welche das alte Kuhhaar guckte – Bett und Sopha waren übrigens voll übelriechender Tabaksknäuel; Schränke und noch einige Wandbretter waren mit Käse beladen, während hinter dem mächtigen Ofen die für die jungen Lämmer bereitete Maische gährte, wodurch nun in dem übermäßig geheizten Zimmer ein so entsetzlicher Geruch herrschte, daß der aus der freien Luft Hereintretende schier ohnmächtig werden mußte.
Zwar bewies die Wirthschafterin den vornehmen Gästen so viel Wohlwollen, daß sie dieselben in ein anstoßendes Zimmer führte, in welchem aber, da dort während des ganzen Winters nicht geheizt wurde, eine so grimmige Kälte herrschte, daß ein Verweilen beinahe unmöglich wurde.
Dort befanden sich aber wenigstens anständigere Möbeln, die zwar alt waren, an denen man aber nicht kleben blieb, dem zu Folge Fräulein Amalie lieber in Pelz und Muff dort blieb, um abzuwarten, bis eingeheizt wird, während ihr Vater das liebenswürdige Anerbieten der Frau mit den mächtigen Stiefeln annahm, wonach sie jenes andere Zimmer ausräuchern wolle. Die gute Seele that dies denn auch, indem sie auf einer eisernen Schaufel Gluth herein brachte und Kümmelkörner auf dieselben streute, was nun einen Geruch hervorbrachte, daß Herr Torhanyi meinte, man wolle ihm Kopfschmerzen vertreiben und während der Schafzüchter auf sich warten ließ, blieb ihm die peinvolle Wahl offen, aus dem duftenden Zimmer ins kalte, aus dem kalten ins duftende zu wandern, je nachdem ihm bald das eine, bald das andere Maleficium unerträglich däuchte.
Allmälig aber erwärmte sich das Zimmer und Amalie begann sich ihrer Winterhüllen zu entledigen. Herr Torhanyi half ihr so liebreich bei diesem Geschäfte, besserte so sorgsam an den Bändern und Falten seiner Tochter, glättete ihren Sammetkragen, strich über ihre hohe Frisur, schob ihre Manschetten in die Höhe, damit die diamantbesetzten Armbänder sichtbar sein sollen, zupfte an ihrem gestickten Hemdkragen und zog die kostbare Perlenschnur auswärts über denselben; er war ihr behilflich – wie – vielleicht wie ein Vater dem geliebten Töchterchen? nein, sondern wie ein Händler aus Bagdad der auf den Markt geführten Sklavin.
»Weshalb stecktest Du nicht die Broche an den Busen, da ich's Dir doch sagte?« schmälte er.
»Es ist nicht Sitte, derlei auf der Reise anzulegen,« antwortete Amalie unmuthig.
»Sitte her, Sitte hin. Was wissen denn die da, was Sitte ist? Ich hab's Dir einmal gesagt. Hast Du gemeint, ich habe Dir die vielen Diamanten und Perlen gekauft, damit Du sie im Etui haben sollest?«
(Ich denke, man pflegt dies deshalb zu kaufen, um es mit Gewinn wieder zu verkaufen; – und das Mädchen obendrein.)
Trotzig antwortete Fräulein Amalie:
»Weshalb hätte ich's angelegt, da ...« hier verstummte sie und zuckte die Achseln.
Herr Torhanyi aber wußte sehr gut, was seine Tochter mit diesem Achselzucken sagen wollte.
»Da Adorjan ja jetzt nicht da ist, wie? Nicht hierum handelt es sich, sondern Du mußt thun, was ich Dir sage, denn Du hast keinen Verstand und ich habe welchen. Ich weiß, was ich thue, aber Du weißt es nicht. Adorjan ist ein großer Lump, nach dem ich nichts frage, – ich wollte, Du fragtest auch nicht nach ihm – aber sein Vater, dieser abgeschmackte Esel ...
Eben öffnete er die Thüre.
»Ah, ergebenster Diener, mein guter, lieber Freund. Wir freuen uns, Sie in bester Gesundheit anzutreffen. Dies hier ist meine Tochter Amalie, mein lieber, guter Herr von Borcz. Ich brachte sie mit mir, wie ich es Ihnen das letzte Mal versprach. Stören wir sie vielleicht auch jetzt in Ihrer Arbeit?«
»Ja, ja in meiner Arbeit,« antwortete der Schafzüchter mit den Augen Amalie musternd, während er die Hände an seinem Mantel rieb, damit die Wagenschmiere von denselben entfernt werde, bevor er eine derselben Herrn Torhanyi zum freundschaftlichen Händedrucke reichen konnte. »Bei mir ist die Arbeit immer dringend, nicht so wie bei den Kaufleuten, die während des Winters mit den Füßen in der Luft baumeln. Ich bitte um Verzeihung, daß ich so schmutzig bin, man kann aber auf dem Lande nicht so gestriegelt gehen, wie in der Stadt, denn hier muß man bei Allem selbst zugreifen; wir leben vom Boden, der uns unser Brot giebt. Das ist einmal das Loos des armen Mannes.«
»Na ich wollte, ich wäre solch ein armer Mann, wie der werthe Herr von Borcz,« sprach der Gast einschmeichelnd.
Herr Borcz pflegt ja vor Andern nur deshalb zu sagen, er sei ein armer Mann, damit man sich beeile, ihm zu widersprechen. Er verwahrte sich auch gar nicht gegen die Lobsprüche.
»Na ja, was wir haben, das haben wir ja,« sprach er mit bäuerischem Stolz.
»Wenigstens zehntausend Schafe.«
»Heuer bereits zwölftausend.«
»Wenigstens ein Drittel sind spanische.«
»Ja, sogar zwei Drittel; wahre Merinos.«
»Eine wunderschöne, große Heerde, sie wurden gerade getränkt, als wir kamen.«
»Und wenn Sie erst den Wurf sehen würden!«
»Das haben Sie auch schon? Sie sind wirklich ein großer Landwirth, Herr Borcz. Und erst was Sie unter Verschluß haben!«
»Das ist nicht gerade viel. Das halten wir nicht zu Hause; das Geld ist das beste Vieh, denn es braucht nicht überwintert zu werden und vermehrt sich dennoch.«
»Vermehrt sich zuweilen auch um das Doppelte, nicht wahr, Herr von Borcz?«
»Na, Herr Torhanyi versteht es auch, sein Geld zu vermehren.«
»Wozu denn leugnen?« fragte Herr Torhanyi mit bescheidener Demuth, wie Jemand, der einen wohlverdienten Lobspruch entgegennimmt.
»Ja, ja, für nichts und wieder nichts haben Sie keine fünf Eichenholzschiffe nach dem Banate hinunterfahren.«
»Heuer sind's schon sieben,« bemerkte der bescheidene Mann demüthig.
»Und die Wolle kaufen Sie auch nicht, um an derselben zu verlieren.«
Nun fand es Herr Torhanyi an der Zeit, seinen Hals in der steifen Binde gerade emporzurecken; alle seine Finger waren voll mit Ringen, die nur so funkelten.
»Dies alles sind nur Nebengeschäfte; Getreide, Wolle, Wein, Waarentransport und Aehnliches gehört blos dazu, damit die Firma des Menschen bekannt werde; – größere Geldmänner betreiben dies blos als Nebenbeschäftigung, denn das Reich echter Großhändler ist die Börse, und wirklicher Großhandel ist blos mit Papieren zu treiben.«
»Papier, Papier,« murmelte der alte Schafzüchter und dachte an nichts weiter, als daß Herr Torhanyi irgendwo eine Papiermühle habe und für dieselbe Lumpen sammle; vielleicht würde er bei dem Wollenhandel auch ein Bündel zerrissener Theerdecken mit in den Kauf nehmen?
»Ich meine Staatspapiere,« beeilte sich Herr Torhanyi den Zweifelnden rasch aus seinen illusorischen Gedanken zu erwecken.
»Ja so! Sie kaufen die Banknoten zum halben Preise und verkaufen sie oben zum ganzen Preise?«
»Ach nein, nein! Es giebt Staatspapiere, die keine Banknoten sind, die keinen bestimmten Kurswerth haben, z. B. Bankaktien, Metalliques, deren Kurs heute unverhofft steigt, morgen unverhofft fällt. Da muß der kluge Kaufmann zeigen, was er kann? Wenn der Werth der Papiere fällt, kaufe er von denselben für eine Million; nach einer Woche steigen sie wieder und man hat einige hunderttausend Gulden gewonnen.«
Herr Borcz starrte den Sprechenden an.
»Wie können Sie aber wissen, wann die Papiere steigen oder fallen?«
»Das ist ja eben das große Geheimniß,« sprach Herr Torhanyi mit schlauem Augenblinzeln; »dazu hat man ja da den Verstand,« und dabei tippte er sich mit den Spitzen seiner vier Finger gegen die Stirne, daß seine Ringe an einander klirrten.
Der Schafzüchter wiegte den Kopf hin und her und dachte, um wie vieles leichter doch diese Art des Geldmachens ist, als vom frühen Morgen bis zum Abend Wolle scheeren zu lassen und Winter und Sommer zu darben und zu sparen, damit was bei der einen Thüre hereingekommen, bei der anderen nicht wieder hinausgehe. Er begann Herrn Torhanyi im Stillen zu respektiren, trotzdem jenes »von« vor seinem Namen keine legale Existenzberechtigung habe.
»Doch sprechen wir jetzt von unseren eigenen Angelegenheiten mein lieber, guter, werther Herr Borcz,« sprach Herr Torhanyi seinen ehrenwerthen Freund am Arme ergreifend. »Gehen wir deshalb in das andere Zimmer. Amalie wird sich unterdessen hier aufhalten; Amalie ist ein kluges Mädchen.«
Damit begaben sich die beiden Herren in das kümmeldurchräucherte Zimmer, dessen Duft die mitgebrachte Farbe zum Stempeln der Schafe noch zu erhöhen versuchte. Jetzt hatte aber Herr Torhanyi nichts dagegen einzuwenden. Lucri bonus odor. Einträchtig nahmen sie auf dem Ledersopha neben einander Platz, der Schafzüchter ergriff ein Stück Kreide und kritzelte mit derselben auf dem Tische.
Die ersten Positionen wurden mit wenig Unterhandlungen genommen, über die vorjährige Wolle, und heurigen Felle hatten sie sich rasch geeinigt; Beide kannten den Markt und heute befanden sie sich in ungewöhnlich nachgiebiger Stimmung. Sonst pflegten sie nicht auf diese Weise zu handeln, sondern zankten vom Morgen bis zum Abend, nannten einander wenigstens zwanzigmal Schurken und Wucherer und schlossen den Handel gewöhnlich erst ab, wenn Herr Torhanyi bereits im Wagen saß, ja häufig schieden sie sogar unter argen Zwistigkeiten und dann kehrte entweder Herr Torhanyi aus der nächstgelegenen Schenke auf ein letztes Wort zurück, oder der Schafzüchter ritt ihm auf eine halbe Meile mit dem Ultimatum nach.
Heute aber schlossen sie den Handel so leicht und rasch ab, wie wenn Wolle und Geld nur unnütze Dinge seien, die man am Düngerhaufen aufliest.
Sicherlich halten Beide ihr zum Feilschen benöthigtes Talent und ihre Energie für einen wichtigeren Gegenstand in Bereitschaft.
Herr Torhanyi erlegte die Anzahlung, die er unter einer Menge von Tausendern aus seinem Portefeuille hervorsuchte, daß es Herrn Borcz vor den Augen flimmerte und begann sodann freundlich zu lächeln und Herrn Borcz sanfte liebenswürdige Blicke zuzuwerfen.
»Damit wären wir also in Ordnung gekommen, noch dazu auf sehr leichte Weise, und ich wünsche nur, daß wir uns auch über die Hauptsache, die uns hierhergeführt, in so freundschaftlicher Weise einigen.«
Und damit drückte er freundlich Herrn Borcz die Hand und es fehlte wenig, so hätte er ihm dieselbe auch geküßt.
Herr Borcz lehnte sich zurück und blinzelte heftig mit den kleinen runzeligen Augenlidern.
»Nun, nun, was kann das sein?« (Trotzdem er gut wußte, was es sei.)
Herr Torhanyi lächelte bescheiden.
»Ihrem Wunsche gemäß brachte ich meine Tochter Amalie mit mir.«
»So? ja, ja. Ich habe sie gesehen.«
»Sie ist ein sehr gutes Mädchen; ich sage es nicht, weil ich der Vater bin.«
»Ja, ja. Ich habe sie gesehen.«
»Sie wünschte selbst, hierher zu kommen.«
»Und hier giebt es ja gar nichts Schönes, was sie so sehr anziehen kann.«
Herr Torhanyi wußte noch schöner zu lächeln.
»Wenn auch nicht etwas, – so doch Jemand.«
»Ich verstehe Sie nicht, verstehe nicht.«
»Nun Sie wissen doch, daß sich die jungen Leute schon seit so langer Zeit lieben.«
»Ich weiß nichts; gar nichts weiß ich.« (Herr Borcz begann urplötzlich gar nichts zu wissen.)
»Schon seit dem Großwardeiner Kasinoball, wo sie sich das erste Mal begegneten.«
»Seitdem haben sie sich gar nicht gesehen. Herr Adorjan sagte mir kein Wort; o, Herr Adorjan hat sehr große Aussichten; sehr große!«
»O, auch für Amalie traf sich bereits viel Günstiges; ich sage ja nicht, des Vermögens halber. Was bedeutet das mir! Einige hunderttausend Gulden mehr oder weniger. Blos, weil sich die jungen Leute lieben, wünschte ich sie glücklich zu machen.«
»Ah, da möcht' ich doch unterthänigst bitten!« brauste Herr Borcz auf, bei dem der Gedanke haften blieb, daß man sein Vermögen unterschätze; »bei mir ist nicht von einigen Hunderttausenden die Rede, denn ich heiße allgemein, wenn Sie es noch nicht wissen sollten, der Millionär-Schafzüchter. Unter einer Million Gulden lasse ich mich nicht schätzen.«
»Sie meinen doch Konventionsmünze?«
»Was Konvention? Ich spreche niemals in Konvention, zwei Halbe und ein Ganzes – das soll der Teufel verstehen! Ich spreche blos in vernünftigem Gelde, was jeder Mensch versteht: ich spreche in Banknoten.«
»Ja, aber bedenken Sie gefälligst, daß ein großer Theil dieses Kapitals in beweglichem Vieh steckt; ein schlechtes Jahr, was Gott verhüten möge, und das Kapital zahlt vom eigenen.«
»Und worin liegt denn Ihr Geld? Ihre Schiffe können untergehen, einfrieren, leck werden; Ihre Magazine können verbrennen, bestohlen werden; Ihre Papiere können fallen.«
»Verzeihen Sie gütigst, eines kann ich nicht verlieren: meinen Kredit. Ein Kaufmann, der eine Million besitzt, hat immer einen ebenso großen Kredit und wenn er auch sein ganzes Vermögen einbüßt, sein Kredit ist noch immer eine Million werth.«
Hierauf wußte Herr Borcz nichts zu antworten, denn er verstand nicht, was »Kredit« sei, den er sich als ein »Tischlein deck' dich« aus den Märchen vorstellt. In seinen Qualen zog er sich mit der Kreide dicke Striche über die Wangen.
Ganz leise wagte er als Trumpf zu antworten:
»Und ich habe meine Pacht.«
»Haha! was ist das Pacht? Am Ende ist ja Herr Borcz auch nur in Pacht da. Wenn Ihre Zeit um ist, setzt man Sie an die Luft.«
»Wenn man mich aber nicht an die Luft setzt?« sprach Herr Borcz in Hitze gerathend und malte sich noch ein riesiges X mit der Kreide auf sein Gesicht. »Wenn wir aber bereits so weit sind, die ganze Besitzung kaufen zu können, denn der Baron Ludveghi benöthigt jetzt gerade Geld, da er heirathet, und Herr Adorjan wird Grundbesitzer am Rosenhain.«
»Wenn er aber kein Geld benöthigt, denn er heirathet nicht!«
»Was? Das wollen Sie besser wissen? Sie wissen ja gar nicht, wen er heirathen will, da das noch ein Geheimniß ist.«
»Ich weiß sehr gut, daß er die Stieftochter des Grafen Somlyohazi, die Comtesse Serena Kalondai heirathen wollte und dann weiß ich auch, daß die Comtesse den Baron vor dem Altar im Stiche ließ.«
Herr Borcz war ganz niedergeschmettert und beschmierte sich jetzt auch die Nase mit Kreide.
»Das ist ganz gleich, Herr Adorjan bleibt deshalb doch adelig, während der Herr blos ein Bürger und seine Tochter blos ein Bürgerfräulein ist.«
Nun gerieth auch Torhanyi in Hitze.
»Was? Bürger? Und was war denn der Herr? Ein Bauernbursche war er, ein Schafknecht, der mit fünfzig Schafen anfing und nun ist er ein lumpiger Schafzüchter!«
»Und der Herr ist ein lumpiger Makler!«
Man hätte denken sollen, daß sich die beiden zornigen Männer jetzt sofort in die Haare gerathen werden, wobei es sich entscheiden muß, welcher der Stärkere ist, – doch thaten sie dies nicht. Als sie sich gegenseitig alle erdenklichen Schimpfworte gesagt hatten, verstummten Beide und ihre Gesichter zeigten deutlich, wie sehr sie sich darüber freuten, daß es Niemand mit angehört, wie schändlich sie einander ausgescholten. Sodann drückte sich Herr Borcz mürrisch in eine Ecke des Ledersophas und machte sich nunmehr mit der anderen Hand, die in die Pfeifenasche getaucht war, schwarze Striche über das Gesicht.
»Aber wozu denn dieses viele Reden?« begann nun Herr Torhanyi von neuem, aber mit viel sanfterer Stimme; »weshalb zanken wir denn hierüber? Wir zankten auch über die Wolle nicht, sondern einigten uns aufs Schönste. Und nun sollen wir uns über zwei Kinder veruneinigen? Sprechen wir vernünftig und deutlich mit einander.«
Damit ergriff nun er die Kreide und deutete damit an, daß er bereit sei, sich in arithmetische Kalkulationen über das Thema einzulassen.
»Nun mir ist es recht, reden wir vernünftig:«
»Also: der Adelsbrief des jungen Herrn zwanzigtausend Gulden. Mehr ist er doch nicht werth?«
»Nei ... ja.« (Herr Borcz wollte sagen, daß er nicht einmal so viel werth sei, besann sich aber noch rechtzeitig, daß es sein Eigenthum sei!)
»Und meine Tochter bringt für zwanzigtausend Gulden Schmuck mit sich. Und damit sind wir quitt.« Damit schrieb er mit Kreide zweimal die zwanzigtausend Gulden auf den Tisch nieder, einmal unter Adorjans, dann unter Amaliens Namen, wie wenn das eine das Soll, das andere das Haben wäre.
»Und was geben Sie denn sonst noch ihrem Sohne?«
»Ich? Was ich gebe? Was soll denn ich geben? Ich?«
»Nun ja. Wenn Sie ihn verheirathen wollen, müssen Sie ihm auch etwas mitgeben, oder wollen Sie, daß ihn seine Frau aushalte? Das wäre mir ein schöner Adel!«
»Das will ich gerade nicht. Sie sollen sehen, daß ich kein Bettler bin, ich habe Geld, und will mich nicht schmutzig zeigen, geben Sie mir die Kreide her; ich gebe, – gebe, gebe ihm ...«
Dazwischen schrieb er Zahlen auf den Tisch, die er bald auslöschte, bald neuerdings niederschrieb und dabei fortwährend mit der hohlen Hand verdeckt hielt.
»Ich gebe ihm in runder Summe hunderttausend Gulden.«
So viel stand auch auf dem Tische niedergeschrieben.
Mit lautem Hohngelächter sprang Herr Torhanyi vom Tische auf.
»Hahaha! hahaha! hahaha! Ein Millionär! Ein einziger Sohn! Ein Edelmann; und Grundbesitzer! Was ist denn das? Ein Bandkrämer giebt seinem Sohne dasselbe, wenn er ihn verheirathet, damit er sich einen Laden errichte. Das nenne ich edelmännisch!«
»Wie, was denn? was ist denn los?« stammelte Herr Borcz und bemühte sich dabei, die Kreide und den Ruß zu einer Farbenmischung auf seinem Gesichte zu verschmieren. »Was ist denn nicht in Ordnung?«
Herr Torhanyi steckte beide Hände in die Tasche und antwortete spitzig:
»Nun Sie sollen wissen, daß ich mich entschlossen habe, meiner Tochter auf jeden Fall das Doppelte der Summe zu geben, die Sie Ihrem Sohne geben; die geringste Summe aber, die ich hierzu bestimmte, beträgt nicht weniger als zweihunderttausend Gulden in Silber.«
»Zweihunderttausend Gulden in Silber? Geben Sie mir das schriftlich!« rief Herr Borcz aus.
»Da haben Sie's!« sprach Torhanyi mit der Kreide eine Reihe riesiger Nullen auf den Tisch niederschreibend.
»Nein! nicht auf den Tisch, nicht mit Kreide! sondern auf Papier, auf Papier! mit Dinte, unter Siegel und vor Zeugen.«
»Soll auch geschehen, wenn wir einig werden.«
»Wie sollen wir denn einig werden?«
»Vor allen müssen wir festsetzen, wieviel ein Jeder von uns seinem Kinde mitgiebt und dieselbe Summe zahlt derjenige als Reugeld, durch dessen Verschulden die Heirath nicht zu Stande kommt.«
»Was ist das? wie ist das? Das verstehe ich nicht.«
»Das ist so; wenn ich es zum Beispiel bereuen sollte, daß ich meine Tochter Ihrem Sohne versprach, so wäre ich gezwungen, Ihnen die zweihunderttausend Gulden zu bezahlen.«
»Sie würden mir die zweihunderttausend Gulden bezahlen?«
»Wenn aber Sie werther Herr Borcz, Ihren Willen ändern, so hätten Sie mir dieselbe Summe zu zahlen.«
»Was? dieselbe Summe? Das hab' ich nicht gesagt,« schrie Herr Borcz aufspringend. »Ich habe blos hunderttausend Gulden gesagt. Soviel habe ich versprochen.«
»Nun so sagen Sie doch mit einem Worte, wieviel Sie geben wollen? Werden wir einig, so ist's gut; einigen wir uns nicht, nun – ergebenster Diener! so sprechen wir nicht weiter darüber.«
Herr Borcz wollte seinen Mund vorerst daran gewöhnen, was er sagen werde, indem er ihn bald aufriß, bald wieder schloß.
»Na, hol's der Teufel; soll mir recht sein, es mögen dann hundert – sieb – sech – fünfundvierzigtausend Gulden sein.«
»Machen Sie doch eine runde Summe daraus.«
»Nun, so hundertvierzig.«
»Hoho! wir lizitieren nicht nach abwärts.«
»Nun also hundertfünfzigtausend.«
»Hol's der Geier!«
Damit drückte Herr Torhanyi Herrn Borcz die Hand und beide Herren lächelten zufrieden, da sie sich so leicht geeinigt hatten.
Jetzt war blos noch übrig, Dinte, Feder und Papier hervorzusuchen, das gegenseitige Uebereinkommen niederzuschreiben, von zwei schriftkundigen Zeugen verlesen zu lassen, zu unterschreiben, mit den Siegeln zu versehen und die Dokumente an sicherem Orte zu verwahren.
Ein besseres Geschäft konnte Herr Borcz in seinem ganzen Leben nicht machen, für hundertfünfzigtausend erhielt er zweihunderttausend. Aus Freude hierüber ließ er auch so viele Lämmer und Hühner schlachten, daß es für eine ganze Armee genügt hätte und zu Mittag mit einem rostfleckdurchzogenen Tischtuche zu Tisch decken, auf welchem nun schweres Silbergeschirr aufgetragen wurde. Von reinstem Silber aß man die furchtbar gepfefferten und paprizirten Speisen bei deren bloßem Anblick Amalie einen Fieberanfall bekam – es war aber doch Silber.
Während des Speisens wetteiferten die beiden Herren mit einander darin, daß Herr Borcz seinen Sohn, Herr Torhanyi seine Tochter sich gegenseitig anpriesen. Nach Herrn Borcz konnte man keinen ordentlicheren, solideren, klügeren jungen Mann finden, als es Adorjan war, während wir Herrn Torhanyi auf sein Wort glauben müssen, daß Amalie die beste Hausfrau, ein gehorsames, standhaftes Herz, sanft und unschuldig sei. Amalie that, wie wenn sie kein Wort von alledem vernähme. Was soll man in den Handel eines Seelenverkäufers und eines Krämers dreinreden, von denen der eine sein widerspenstiges Pferd, der andere seine verblaßten Waaren dem Käufer anhängen will.
Man appellirte gar nicht an sie. Dies ist Sache der Alten, die im Reinen sind mit einander. Herrn Borcz interessirte es gar nicht, wenn Amalie Adorjan überhaupt nicht heirathen wolle, denn in diesem Falle hat ja Herr Torhanyi zu zahlen.
Herr Torhanyi aber wußte sehr gut, was er thut.
Wußte es Amalie vielleicht auch? Wir werden das schon noch erfahren.
Da nun die Geschäfte in Ordnung gekommen waren, setzte sich Herr Torhanyi nach dem Mittagsessen mit seiner Tochter wieder zu Wagen und verließ nach herzlichem Abschiede Rosenhain, geleitet von dem Geblöke Tausender von Schafen, die man gerade zur Tränke trieb.
Herr Borcz war zufrieden mit seinem Tagewerk und sofort nachdem sich seine Gäste entfernt hatten, nahm er den inhaltsschweren Kontrakt hervor und durchlas ihn von neuem. Alles war in Ordnung in demselben; er war sehr klug abgefaßt, Niemand konnte demselben entschlüpfen.
»Das ist klug gemacht,« dachte er für sich. »Adorjan drohte mir ohnehin, das Mädchen zu entführen, wenn wir nicht in ihre Narrheit einwilligen, die sie Liebe nennen und von dem Narren ist Alles zu erwarten, so aber kann er sie in Ehren heirathen und bekommt mit ihr sofort noch zweihunderttausend Gulden in Silber. Wer weiß es denn, daß sie nur eine Bürgertochter ist? Sie wird ja sofort zur Edelfrau, sowie sie den Namen Borcz erhält. Es war gut, sich mit der Sache zu beeilen, denn wer weiß, was daraus noch hätte entstehen können; Adorjan ist ein loser Schlingel, das Mädchen hat verschmitzte Augen. Es war bisher schon schwer genug den Stier von den Saaten zurückzuhalten; so aber kann ungestört eingeheimst werden und der Acker wird frei.«
Herr Borcz ging in seiner Freude soweit, daß er in seiner Großmuth neun abgelagerte Käse unter seinen Leuten vertheilte, damit auch diese des Tages gedenken, während er dem Schafknecht ein altes Schaf schenkte, damit er es kochen und wenigstens Suppe davon haben möge.
Und damit alle seine Wünsche in Erfüllung gehen sollen, kommt in den Hof gerade der Schlitten gefahren, welcher Adorjan vor sechs Wochen entführt hatte. Es war gerade Aschermittwoch und die edle Wette ausgetragen worden.
Am Boden des Schlittens lag Jemand unter dem Pelze, den der Kutscher lange rütteln mußte, bis er aus seinem tiefen narkotischen Schlafe erwachte.
»Junger Herr, wir sind zu Hause.«
Adorjans bleiches Gesicht kam aus den winterlichen Hüllen zum Vorschein; er blickte starr um sich, wie wenn er den Ort nicht gleich erkannte, dann blickte er faul zur Seite, wie wenn er mit sich zu Rathe ginge, ob er aussteigen oder in dem Schlitten bleiben solle?
»Nun, liebster Adorjan, bist Du endlich angekommen?« sprach schmeichelnden Tones der hinzugeeilte Schafzüchter. »Ei, wie lange Du abwesend warst! Ich ängstigte mich wirklich schon um Dich. Du frierst, nicht wahr? Komm' steige doch aus, Dein Zimmer ist bereits geheizt. Wenn Du wüßtest, wer in demselben gewesen!«
Gleichmüthig ließ sich Adorjan von seinem Vater aus dem Schlitten heben, ohne ihm auch nur einen guten Abend zu bieten; schwankend, einen Fuß vor den anderen setzend, begab er sich in sein Zimmer und warf sich auf das Sopha nieder. Etwas schien unter seinen Rücken gerathen zu sein, er ergriff es ohne Weiteres und warf es zur Erde. Es war ein Damenmuff.
»Schau schau, sie hat ihren Muff da vergessen,« sprach der Alte und hob das pelzbesetzte Ding lächelnd auf. »Wenn Du wüßtest, wem der gehört! Na, rathe doch einmal!«
»Ei was! was kümmert's mich,« antwortete Adorjan unmuthig.
»Na, na, wie böse Du doch bist. Hast Du Hunger? Da haben wir heute ein prächtiges Nachtmahl. Truthühner und Lammfleisch, Alles was Du liebst. Tokayer ist auch da.«
»Gebt mir einen Krug Wasser.«
Auf einen Zug stürzte Adorjan den ganzen Inhalt des Kruges hinunter, trotzdem ihn der Alte flehend bat, nicht so viel Wasser zu trinken, da ihm dies schaden werde.
Das kalte Wasser erfrischte ein wenig die erschlafften Lebensgeister des erschöpften Jünglings und er begann ein Gespräch mit seinem Vater.
»Wir hatten heute also Gäste?«
»Na ob!« sprach der Alte neckisch. »Errathe mal, wer da war?«
»Ich will nicht nachdenken.«
»Nun Torhanyi und seine Tochter. Die Amalie.«
Herr Borcz erwartete bei dieser Mittheilung, daß Adorjan aufspringen und ihm um den Hals fallen werde.
Seine Ueberraschung war demnach eine nicht geringe, als Adorjan statt dessen gähnte und blos sagte: »So? wirklich?«
»Du, das Mädchen war auch da. Ein kapitales Mädchen, das ist wahr. Jetzt wundert es mich nicht mehr, daß Du ganz vernarrt in dasselbe bist.«
Adorjan begann zu pfeifen.
»Du höre auf zu pfeifen und pass' auf. Ich bin mit dem Alten einig geworden.«
»Schön.«
»Noch dazu sehr vortheilhaft. Er giebt zweihunderttausend Gulden.«
»Für Deine Schafe?«
»Einfaltspinsel! Mit seiner Tochter giebt er diese Summe als Mitgift, sofort nachdem Ihr mit einander getraut worden seid.«
»Aber ich hielt ja nicht um das Mädchen an.«
»Ich hielt nicht an um sie und will sie auch garnicht heirathen.«
»Du willst sie nicht heirathen? Bist Du verrückt geworden Adorjan? Hast Du mir nicht hundertmal gesagt, daß Du in sie verliebt bist und sie gegen unser Beider Willen entführst?«
»Das war damals, jetzt liebe ich sie nicht mehr.«
»Liebst sie nicht mehr? Schockschwerenoth! Seit wann liebst Du sie nicht? Bist Du nicht insgeheim vor drei Tagen nach Somlyohaza gegangen, um mit ihr zusammenzukommen und jetzt sagst Du, Du liebst sie nicht?«
Adorjan gab gar keine Antwort, sondern zuckte blos die Achseln.
»Na Adorjanchen, sei doch vernünftig,« begann der Alte weinerlichen Tones. »Ich habe es ja mit ihm mit aller Sicherheit abgemacht, den Heirathskontrakt habe ich auch unterschrieben, in welchem ich eine Mitgabe von hunderttausend und fünfzigtausend Gulden verspreche, die ich verliere, wenn Du zurücktrittst.«
»Daran bin ich doch unschuldig.«
»So bedenke doch daß ich hundertfünfzigtausend Gulden verliere, wenn Du das Mädchen nicht heirathest.«
»Denken Sie sich Vater, daß Sie das Ganze auf ein Blatt setzten und Sie verloren hätten.«
»Aber um Gotteswillen, hundertfünfzigtausend Gulden zu verlieren.«
»Geschieht Ihnen Recht Vater; weshalb verkaufen Sie meine Haut, ohne mich im Vorhinein zu fragen.« Damit erhob sich Adorjan und wollte in sein Zimmer gehen.
»Na, – nein – nein: Du willst mich sicherlich blos erschrecken, Du scherzest nur, treibst blos Spaß mit mir. Du liebst sie ja auch jetzt noch; freilich liebst Du sie und wirst sie auch heirathen.«
»Ich werde sie nicht heirathen, liebe sie auch gar nicht, – denn ich liebe eine andere.«
Damit verließ Adorjan den Alten, schlug die Thüre zu hinter sich und warf sich angekleidet auf sein Bett, wo er augenblicklich einschlief.
»Huh! Tausend Teufel! Huh! Himmelhöllen, Kreuzdonnerwetter! Meine hundertfünfzigtausend Gulden! Wo ist die Axt? wo ist die Heugabel? Ich muß den Elenden umbringen!« brüllte der Schafzüchter die Heugabel aus der Ecke reißend und stürmte in das Zimmer seines Sohnes voll Wuth und Galle. Jener aber schlief bereits mit offenem Munde, den Kopf zurückgeworfen und je ärger er drohte, ihn umzubringen, desto ärger schnarchte er, mit dem konnte man nicht sprechen. Er stürmte mit der Heugabel also auf den Hof hinaus, stieß einen Schäferhund in die Seite, warf einen Maischtopf über den Haufen und begann rasend auf die ihm entgegenkommenden Schweine einzuhauen: »meine hundertfünfzigtausend Gulden!« Der beschenkte Schafknecht zog dem erhaltenen Schafe gerade das Fell ab; den ergriff er nun beim Kragen und begann ihn unmenschlich zu prügeln und zu rütteln: »meine hundertfünfzigtausend Gulden!« – »Herr, nie in meinem Leben sah ich auch nur hundertfünfzig beisammen.« – »Weh' mir, weh' mir! hundertfünfzigtausend Gulden habe ich zum Fenster hinausgeworfen!«
Ja, ja, mein lieber Herr Borcz, die haben wir sicherlich zum Fenster hinausgeworfen.
Die Augen dieses schmunzelnden Krämers hatten auf jener silbernen Hochzeit zu Somlyohazi sicherlich noch etwas wahrgenommen, während die Uebrigen glaubten, er amüsire blos die alten Damen, sicherlich war er nur deshalb noch vor Adorjans Heimkehr nach Rosenhain geeilt. Ja, der wußte gewiß, was er thut!
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