Maria Janitschek
Der rote Teufel
Maria Janitschek

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Es war gegen die Mitte des Monats August, als der Garten der königlichen Burg in Winchester eine erlesene Gesellschaft empfing. König Wilhelm hatte noch einmal seine Freunde bei sich bewirten wollen, bevor die großen Herbstjagden angingen. Nach dem prunkvollen Mahl waren alle hinausgeeilt, um die köstliche Sommerluft zu genießen.

Die Brokatschleppen der Damen schleiften über den Rasen hin und gaben den Kavalieren zu schaffen, denn die zwei Ellen langen Schuhschnäbel der letzten Mode boten zu allerlei Verwickelungen Anlaß.

Orielde von Viant, die schöne Freundin des Königs, hatte ihm eben eine boshafte Bemerkung über jemand zugeflüstert, als Lord Haimon mit einer Verbeugung herantrat.

»Sir, eine Bitte! Wollt Ihr Graf Troarn gestatten, Euch seine Gemahlin vorzustellen? Er brennt nach dem Augenblick.«

Wilhelm wandte sich lebhaft dem Freund zu. »Was sagt Ihr? Der Wasserspeier schon zurück? Per vultum dei, auf die Dame bin ich neugierig.«

»Ich nicht.« Orielde schnitt eine Grimasse. »Nur 2 eine ihm Ähnliche wird ihn genommen haben. Laßt mich die Flucht ergreifen . . . . .«

»Bleibt zu meiner Unterstützung.« Wilhelm lächelte und sagte dem Vertrauten einige Worte.

Etliche Minuten später beugte Graf Troarn sein Knie vor dem König. Rufus – seiner roten Haare wegen nannte man ihn so – reichte huldreich seine Hand der Gräfin und vergaß sie in der ihren. Er hatte erwartet, eine groteske Häßlichkeit zu erblicken, und begegnete einem palmenschlanken Kinde mit bräunlicher Hautfarbe und Augen, dunkel und voll Seligkeiten wie eine Frühlingsnacht im Orient. Und diese Augen hingen in reizender Verwirrung an ihm. Auch sie hatte sich ein Bild von ihm entworfen. Sein prachtvoller Normannenschädel, der stolz und selbstbewußt auf einer reckenhaften Gestalt saß, trug indes andere Züge.

»Darf ich,« flüsterte Orielde zu Rufus, »meine Fackelträger holen lassen, damit sie Euch heimleuchten aus der Nacht dieser Augen, aus der Ihr, wie's scheint, den Rückweg verloren habt?«

Er hörte ihre Worte nicht. Er sagte dem Grafen und seiner Gemahlin einige Phrasen und wandte sich an einen der Hofherren, die ihn umgaben.

»Bei Lucifers Stirnfalte, das kann nicht mit rechten Dingen zugehen, wie kommt der Mensch zu dieser Frau?« Fräulein Orielde von Viant drehte sich auf der Ferse um und rauschte davon, von mehreren Kavalieren gefolgt. »Was sagt Ihr dazu, Graf Bellesme?«

3 Der Graf mit der Glatze und dem Doppelkinn legte die Rechte an den juwelenfunkelnden Griff seines Degens. »Sie ist, Sir, die Tochter eines sarazenischen Häuptlings, der später zum Christentum übergetreten ist. Ihr Vater soll Fehde mit Herzog Roger –«

»Die Hautevilles sind Schlauköpfe. Obzwar Lehnsträger des Papstes, wollen sie Sarazenen in ihrem Dienst haben, die kosten sie wenig und sind zuverlässiger; übrigens –ha, wie vergnüglich er grinst –« Rufus blitzende blaue Augen richteten sich auf Troarn, der mit seinem Freund Mortimer in ein Gespräch vertieft war.

»Wenn ich so viele Pfund Goldes hätte, als er Furchen im Gesicht hat! Seh ihn nur einer an!« Rufus fühlte die Anwandlung eines Schulbuben über sich kommen und äffte heimlich Troarns Miene nach. In der Tat war Troarn von einer ungewöhnlich stark entwickelten Häßlichkeit. Sein Gesicht glich einer Landkarte, tausend Linien durchzogen es nach allen Seiten hin, dazu lag unaufhörlich ein grinsendes Lächeln um seine dicken Lippen. Rötliche, schwach gezeichnete Augenbrauen, langes ölig glänzendes Schwarzhaar und eine kartoffelförmige Nase vervollständigten das Bild dieses sonst ehrenwerten Mannes. Freilich, manchmal, wenn er sich ungesehen wähnte, trat ein Zug tiefen Leides in seine kurzsichtigen Augen, die für gewöhnlich das öde Lächeln des Mundes teilten. In solchen Minuten konnte man seiner Häßlichkeit vergessen, ihn selbst anziehend finden.

4 »Er spürt Euern Blick, Sir,« scherzte Bellesme, »er hat sich soeben unterbrochen und herüber gesehen.«

In diesem Augenblick trat Robert von Meulants ehrfurchtgebietende Gestalt an den König heran.

Sie pflegten ihn den weisesten Staatsmann zwischen »London und Jerusalem« zu nennen, und er war ohne Zweifel einer der besten Berater des Königs. Rufus warf noch einen Blick auf die Gräfin Troarn, die eben Gautier Tyrell, dem braunlockigen Apollo des englischen Hofes, ihr entzückendes Gesicht zugewendet hatte, und vergaß für eine Weile an der Seite Herrn von Meulants der galanten Neigungen.

Sie war so befangen, die junge Frau, daß Gautier Mitleid mit ihr fühlte. Seine sonnigen Augen richteten sich voll Wohlgefallen auf sie. Seinen Namen teilte er mit Adgife, einer Tochter des Herrn von Rougemont, seine Liebe besaß die blonde Gräfin von Bray.

»Ich fürchte,« sagte er nach einigen galanten Redensarten, »Ihr werdet bei uns frieren, Gräfin, Ihr seid kein Geschöpf für unser Inselreich.«

»Frieren? Mein Gemahl hat mir erzählt, daß die Sonne hier viel schöner scheine als bei uns daheim. Ein leichter Schleier liege auf ihr und dämpfe ihre Glut.«

»Ja, Ilbert lobt sein Vaterland und findet alles in ihm schön, selbst den rauhen Ostwind, der das Gesicht wie mit Degen zerschneidet. Ich für meinen Teil möchte gern England mit Sizilien vertauschen.«

5 »Weshalb tut Ihr es nicht?« Ein Hauch beginnender Vertraulichkeit wehte aus ihren Worten.

»Weshalb nicht? Das ist leicht zu sagen. Ich müßte meine Besitzungen, meine Freunde, alles, was ich liebe, hier zurücklassen, eine Entbehrung, die der Aufenthalt in dem schönen Lande nicht aufwiegen würde.«

Eine Gruppe verschwenderisch gekleideter Damen, von Kavalieren gefolgt, schritt vorüber.

»Welche Pracht!« rief Albereta, »wie einnehmend sind die Frauen hier!«

Er lächelte mit seinen frischen, roten Lippen. »Andere Frauen schön finden, kann nur die Schönste. Euere dunkle Herrlichkeit stellt alle in den Schatten.«

»Ihr seid ja selbst dunkel.«

»Meine Eltern sind Franzosen. Doch möchte ich lieber sein wie der König.«

»Seid Ihr viel in seiner Nähe?«

Sie errötete bis über die kleinen Ohrmuscheln, und Gautier dachte: Wie entzückend sie ist!

»Ich hänge sehr an ihm, und meine heitere Art, das Leben hinzunehmen, mißfällt ihm nicht. Meine Scherze haben ihm oft schwere Gedanken verscheucht, er ist zum Grübeln und zur Schwermut geneigt.«

»Da müßt Ihr oft um ihn sein. –«

»Das bin ich auch.«

»Und ihn so leicht machen, wie Ihr selbst seid.«

»Das wird mir kaum gelingen. Am wohlsten ist ihm in der Freiheit, im schaukelnden Nachen auf der 6 See oder wenn Stürme seine Stirn umbrausen. Das sind seine besten Stunden, in denen er am gütigsten ist.«

»Ist er – nicht immer gütig?«

»O gewiß!« Tyrell blickte in leichter Verlegenheit vor sich hin, »er ist immer gütig. Er hat mir einmal erzählt, daß er als Knabe, bevor er einen Apfel aß, den Apfel inbrünstig geküßt habe.«

»Aber – gegessen hat er ihn doch.«

Der Ritter lachte. »Das ist so Knabenbrauch, gnädige Frau, man läßt nichts Schönes übrig.«

»Was ist Knabenbrauch?« Albereta fuhr erschreckt zurück. Über ihre Schulter blickte Rufus Gesicht.

»Habe ich Euch erschreckt? Ich kam, um Euch Unerhörtes zu melden. Graf Troarn ist soeben mit Adgife von Tyrell durchgegangen, ich sah sie in einem dämmerigen Laubengang verschwinden.«

Gautier blickte schalkhaft Albereta an, die des Königs Scherz nicht verstanden zu haben schien und wie eine scheue Taube zu ihm aufschaute.

Rufus bot ihr seinen Arm. Tyrell entfernte sich unbemerkt. Sie raffte die Schleppe ihres gelbseidenen Gewandes auf und folgte dem König. Er erblickte die Spitze ihres Füßchens, fühlte das Beben ihrer leichten Gestalt und dachte in aufglühendem Zorn: Morgen werden seine häßlichen Lippen wieder mehr vom Blütenstaub ihrer Anmut verwischt haben. O, über alle diese höchst überflüssigen Leute, auch über die hier, die hinter den Büschen und Sträuchern nach uns spähen! . . . .

7 »Wollen wir nicht diese Richtung wählen?« Er führte Albereta in eine schattige Allee, die sich seitwärts von den breiten blumenumsäumten Plätzen hinzog.

Da zuckte er zusammen.

Eine hohe Frauengestalt, wie aus dem Erdboden herausgewachsen, stand vor ihm.

Weiße Haarsträhne quollen unter der dunklen Lammfellkappe lang über ihren Rücken herab. In den tiefliegenden Augen brannte das Feuer unauslöschlichen Hasses. Rufus ballte die Faust und wollte auf sie zustürzen, da war sie zwischen den Baumstämmen verschwunden.

»Wer war das?« flüsterte Albereta erbleicht.

»Eine Irre« – des Königs Stimme klang unsicher – »ich werde Auftrag geben, sie von meinen Hunden zerreißen zu lassen.«

»Ihr werdet sie nicht in Euere Gewalt bekommen.«

»Vielleicht doch. Mehr als einen schönen Augenblick hat sie mir schon durch ihr plötzliches Erscheinen zerstört. Aber was ich Euch sagen will,« er schlug einen übermütigen Ton an, »glaubt auch Ihr, daß die Seelen verstorbener Märtyrer in den Kröpfen grüner Papageien hausen? So steht's im Koran, Euer Vater las ihn doch, oder nicht?«

Er hatte sie wieder ins Helle auf die freundlichen kiesbestreuten Plätze geführt. In einiger Entfernung sah sie ihren Mann neben Adgife Tyrell hingehen.

»Seht, wie recht ich hatte.« Rufus deutete auf die 8 Beiden. »Übrigens, auch in der Trompete des Engels, der zum jüngsten Gericht ruft, soll sichs angenehm wohnen, wie Bevorzugte Eures Stammes behaupten,« scherzte er weiter und geleitete die Gräfin mit einem Lächeln, das nicht gut war, zu ihrem Gemahl.

* * *

Einige Tage später ruht Albereta daheim in ihrem Gemach in einem riesigen Sessel, der fast so tief ist wie Karls des Großen Krönungsstuhl. Man hat ihr Kissen und Felle hineingelegt, damit ihre zarten Glieder nicht mit dem uralten starren Holz in Berührung kommen. Graf Troarn sitzt auf einem Schemel zu ihren Füßen und betrachtet bewundernd die Goldstickerei auf dem Saum ihres blauen Samtkleides.

»Könnt Ihr – sticken? Ihr sagt doch immer, Ihr könntet alles.«

Er sieht das schelmische Lächeln in ihrem Gesicht und ist glücklich über den kostbaren Augenblick. Bald wird er wieder vorüber sein und der Zug der Schwermut ihren Mund umlagern. »Freilich kann ich sticken, in roter Farbe, mit dem Schwert, das hält ebenso gut wie Euere goldnen Granatapfelblüten hier.«

Sie schauert zusammen. »Redet nicht so Häßliches in meinem Frauengemach.«

»Könnt Ihr jagen?« fragt er scherzhaft, ihren Ton nachahmend.

»Jagen? Ei, gewiß. Ihr wißt doch, was der Fromme 9 unter dem Jagdvergnügen versteht. Es ist die Bekehrung der Weltkinder. Ziegen bedeuten die Stolzen, die wilden Eber die Reichen, die Hirsche die allzu weltlich Gesinnten. Wir besiegen unser Wild mit den Pfeilen der Demut, der freiwilligen Armut, der vollkommenen Liebe.«

»Wie trefflich!« Troarn lacht. »Ich glaube, Ihr werdet da oft auf Hirschjagden gehen können, manche Ziege aufstören und ganze Rudel wilder Eber erlegen können.«

Es pocht leise. Eine Kammerfrau sieht herein. »Ein Bote ist draußen, ob die Herrschaften das Fräulein von Viant und den Grafen Bray empfangen wollen?«

Troarn zieht die rötlichen Augenbrauen in die Höhe und blickt seine Gemahlin an. »Die Tochter des Baronets Viant, boshaft, schwatzhaft, launisch, in ihren Launen oft freigebig mit Haß und Gunst, je nachdem. Hütet Euch vor ihr! In Bray lernt Ihr den gefährlichsten Recken des Hofes kennen.«

Ein Weilchen später empfing die Gräfin Troarn an der Seite ihres Gatten im Waffensaal die Gäste.

»Wir hatten, wir beide allein – ein Wettrennen angestellt« – Orielde von Viant brachte einen Strom frischer Waldluft mit sich – »und plötzlich befanden wir uns auf Euerm Boden. Da wollen wir doch gleich der Herrin auf Troarn Guten Tag sagen, schlug ich vor. Hier sind wir.«

Albereta blickte die stattliche Normannin bewundernd 10 an. Wie schön sie aussah! Das goldne Haar durch den schnellen Ritt verwirrt, glänzte unter dem Reithut hervor. Die langen grauen Handschuhe, das dunkle enganliegende Kleid gaben ihr ein keckes und zugleich bezauberndes Aussehen. Albereta geleitete sie zu einem der hohen Sessel und wandte sich Bray zu, den ihr Gemahl ihr zuführte. Ein vornübergeneigtes Männlein mit spärlichem, kunstvoll gekräuseltem Braunhaar, langen gelben Zähnen in dem leicht geöffneten Mund, hob mit gespreizten Fingern ihre Hand an die Lippen. Vogelköpfe zierten seine Spangen, und eine goldene Kette fiel ihm bis übers Knie herab. Bei der Berührung seiner Hand fühlte Albereta, wie er zitterte. Er trippelte zu dem ihm angebotenen Sitz und fiel leicht aufseufzend darauf nieder. »Das Fräulein von Viant reitet wie Herrn Odins Töchter, es kostet einem die Lunge.«

»Ihr habt ja gar keine mehr.« Orielde warf ihm einen boshaften Blick zu. Dann sah sie sich um und wandte sich wieder zu Albereta. »Schön ist's bei Euch; übrigens kenne ich den Saal, mehr als einmal war ich mit andern Gästen Eures Gemahls hier, aber wißt,« setzte sie leiser hinzu, »für eine Schwatzstunde ist's mir hier zu weitläufig, auch ist eine Unterhaltung zu vieren nicht mein Geschmack. Wenns Euch recht ist, wollen wir in Euer Gemach gehen.«

»Wie es Euch beliebt.« Albereta erhob sich, nahm die Hand ihres Gastes und schritt, den Herren flüchtig 11 zunickend, hinauf nach dem obern Stockwerk, in dem ihre Zimmer lagen.

»O, wie ich Euch um Euere breiten Treppen beneide,« seufzte Orielde im Emporsteigen, »die unsern sind schmal und steil wie eine Hühnerleiter.«

Kaum hatte sie sich in Alberetas lauschiger Kemenate niedergelassen, als ein Knabe erschien und heißen, mit Gewürzen durchsetzten Wein anbot. Orielde nahm einen tüchtigen Schluck davon, verließ ihren Faltenstuhl, auf dem sie geruht hatte und ließ sich in jenen andern tiefen Sessel nieder, in dem Albereta zu liegen pflegte. »Bei allem Guten, das ist ein vornehmer Sitz!« Das schöne Weib wühlte sich in die Felle und Kissen ein.

Albereta ließ sich auf dem Schemel nieder, den Graf Troarn vorhin eingenommen hatte. Die beiden Frauen blickten einander an.

»Nun, dunkle Frau Venus, erzählt! Erzählt vor allem, wie Ihr es angefangen habt, Gräfin Troarn zu werden, nachher erzähle ich Euch, was Graf Troarn auf die Brautschau getrieben hat.«

Albereta war siebzehn Jahre alt. Nach der Eltern Tod war sie von ihrer Muhme aufgenommen und erzogen worden. Alles Bittere, Schwere, Häßliche, das das Leben auf seinem Untergrund birgt, war ihr bis jetzt unbekannt geblieben.

Mit leichtem Widerwillen vernahm sie Orieldes Frage.

12 Sie war von der Fragestellerin überrumpelt worden, und stand ihr Rede.

»Vor etwa drei Monaten kam er –« sie meinte ihren Gemahl, »und sah mich –«

»Wo sah er Euch? Bei einem Tournier, auf einer Festlichkeit, bei Euerem Grafen?«

»Nein, am Sonntag, als ich die Muhme zum Hochamt begleitete.«

»Wart Ihr denn nicht verschleiert?«

»Nein, die Christen bei uns gehen unverschleiert.«

»Ich weiß nicht, ob es nicht schöner bei Euch war, bevor ihr Lehnsträgern des Papstes dientet; ein wilder Maurenfürst ist mir lieber als Roger Hauteville, der im Leben in Allahs Paradies schwelgt und nach dem Tode mit Christus tafeln will.«

Das versteh ich nicht, sagten die unschuldigen Augen Alberetas. Orielde streckte die Hand nach dem Becher aus und tat wieder einen tiefen Schluck.

»Und als Ihr aus dem Hochamt kamt? Wo war es? In Palermo?«

»Nicht weit davon, in Alia. Da folgte er uns und schickte einen Boten, ob er selbst kommen dürfte.«

»Und Ihr jubeltet: Ja, ja, er soll kommen, heut lieber als morgen.«

»Nicht doch.« Stille Hoheit trat in das jugendliche Gesicht der Gräfin. »Ich blickte meine Muhme an, der ich stets gehorsam war, denn ich liebte sie am meisten von allen Menschen.«

13 »Und diese glückliche Muhme rief: Laß ihn kommen! Und schmückte Euch und zog Euch ein schwarzseidenes Gewand an.«

Albereta schüttelte das Haupt. »Nicht doch. Sie legte ihre Hand auf meinen Kopf und sagte: Wenn Graf Troarn, wie er sich nennt, dir gefällt und dich zu seiner Gattin machen will, so nimm ihn, denn meine Tage sind gezählt. Ich bin die älteste Schwester Deiner Mutter und unsere Familie erreicht kein besonders hohes Lebensalter. Und dann saßen wir am Springbrunnen in unserm Hof, der eigentlich ein Garten ist, und Taubenvolk stand neugierig um mich herum, und meine Muhme las aus einem alten Fabelbuch, in dem sie schon gelesen hatte, bevor sie Christin geworden war. Da kam die Dienerin und sagte: Er ist da. Und indem sie das sagte, tauchte er auch schon auf zwischen den Säulchen des Ganges, der den Hof einfaßt, ging zur Muhme und küßte ihre Hand. Und es war, als könnte er den Kopf nicht wieder von ihrer Hand erheben. Mir hat das Herz gepocht, denn ich wußte, er sprach mit dieser Hand und bat sie um etwas! Ich ging zwischen den Rosenbüschen hindurch, hinauf auf meine Kammer und sah herunter. Ich hatte noch nie einen Mann so recht angeschaut. Und wie ich noch nachsann, ob ich ihn leiden könnte oder nicht, erhob meine Muhme den Kopf und winkte mir. Und bevor die Sonne gesunken war, war ich Braut geworden. Zwei Wochen darauf bereitete uns Roger Hauteville das Hochzeitsmahl in seinem Palast. Und dann bin ich herüber gekommen.«

14 Orielde legte die Hand auf Alberetas Schulter. »Euer Leben war bis jetzt ein Traum, Gräfin, gebt acht, daß kein – Traum Euch als Leben erscheine. Leicht könnte das eintreffen. Ihr reizt alle durch Euer eigenartiges Wesen, das hier neu ist. Seid Ihr erst einige Zeit hier, so wird man sich beruhigen, des seid gewiß.«

Albereta, ohne Orieldens Bosheit zu verstehen, versetzte: »Ich werde nicht viel in Gesellschaften gehen, ich finde es hier auf Troarn sehr angenehm.«

Ein böser Zug trat in das schöne Gesicht des Fräuleins von Viant. »Also die Geheimnisvolle spielen wollt Ihr, damit Ihr länger neu bleibt. Ihr seid sehr schlau. Nun, wenn Ihr nicht kommt, so wird man zu Euch kommen; Graf Troarn ist als guter Wirt bekannt, man kommt gern zu seinen Jagden und Festlichkeiten. Auch der König pflegt ihn ab und zu zu besuchen.«

Eine dunkle Blutwelle schlug über das Gesicht der Gräfin hin. Den Augen der Normannin entging sie nicht.

»Ein einnehmender Herr, besonders wenn er scherzt und er scherzt oft. Gleicht seine Gattin ihm?«

»Solltet Ihr nicht wissen, daß der König unverheiratet ist?«

»Der König? Nicht an den König, an Gautier Tyrell dachte ich.«

»Gautier? Ein gutes Jungchen. Schade, daß nicht auch er den Einfall gehabt hat, Euch heute zu besuchen. Er ist sehr befreundet mit Bray.«

»Was haltet Ihr von Bray? Er sieht krank aus.«

15 »Krank?« Um Orielde's Lippen zuckte es. »Vielleicht hat er sich früher den Magen überladen.«

»Die arme Gräfin!«

»Bedauert sie nicht, sie weiß ihn zu behandeln. Kennt Ihr sie?«

»Nein.«

»Ein hageres Weib mit blutroten Lippen und spitzigen Fingern. Eine Wölfin. Aber klug. Für einen Bray die richtige Frau. Sie vermag selbst Schafe zum Girren zu bringen, zum Beispiel Gautier. Das ist immer so. Die Unfertigen und die Fertigen laufen an demselben Lenkseil. Aber was ich sagen will, die Herren werden gleich erscheinen. Troarn erklärt Bray wohl wieder die Geschichte seiner ältesten Fahne, die Robert des Teufels Urgroßmutter gewoben haben soll. Nun möchte ich, bevor ich scheide –« ihre Augen leuchteten boshaft auf – »erzählen, wie Euer Gemahl dazu kam, auf die Brautschau zu gehen. Ich weiß nicht, ob Ihr, unschuldiges Lamm, schon entdeckt habt, daß Graf Troarn nicht durch allzugroße Schönheit auffällt. Es gibt jedenfalls an unserm Hof viele Frauen, die er so anblickte, wie die Hand Eurer Muhme, die ihm aber eine weniger liebevolle Antwort gaben. Man hat ihm den Spitznamen Wasserspeier gegeben, weil sein Kopf den Köpfen dieser lieblichen Ungeheuer nicht ganz unähnlich ist, die unsere Dachtraufen und Brunnen zieren. Nun, bei einem der berühmten kleinen Abendessen, die der König gibt, leider werden nur Männer als Gäste eingeladen – soll die 16 Rede davon gewesen sein, daß Troarn sich mit einem Krähenweibchen, einer Elefantentochter oder einer ähnlichen Dame wird verheiraten müssen, weil eine Menschenfrau ihn wohl kaum zum Mann nehmen wird. Da soll er geprotzt haben: »Wenn ich will, so führe ich die schönste Frau der Welt als mein Ehegemahl heim.« »Gut,« ist entgegnet worden, »die Wette gilt.« Ein paar Tage darauf ist Troarn abgereist, um später durch Euch zu beweisen, daß kein Mann zu häßlich sei, um eine Frau zu gewinnen.« Orielde lachte übermütig und erhob sich. »Nun will ich aber auf die Suche nach Bray gehen, der sich aus Gefälligkeit für Euern Gatten wohl selbst in eine Fahne verwandelt hat.«

Albereta fuhr wie aus einem Traum auf. Sie fühlte ihre Wangen brennen.

»Verzeiht, daß ich Euch nicht hinabgeleite, mir ist unwohl geworden.«

»O! Soll ich Euere Frauen rufen?«

»Nicht für mich.«

»Für mich nicht, ich finde mich auf Troarn zurecht.« Orielde warf einen Gruß hin, und entfernte sich.

Als sie allein war, senkte Albereta das Gesicht in die Hände und weinte.

* * *

Rufus rannte wie ein gefangenes Raubtier im Käfig, in seinem Arbeitszimmer auf und nieder. Auf seinem schönen Gesicht, das leichte Sommersprossen bedeckten, brannten zwei rote Flecken, Zeugen innern Aufruhrs 17 bei ihm. Ungeduldig klatschte er in die Hände und befahl dem erscheinenden Sekretär, sofort nach Flambard, dem Justiarius zu schicken. Dann begann er von neuem seine hastige Wanderung durchs Zimmer, bis ihn eine Vorstellung stehen bleiben und die Stirne kraus ziehen ließ. Und er ließ abermals den Sekretär kommen und wiederholte seinen Befehl.

»Die Boten sind abgegangen, Sir.«

»Haimon kann eintreten.«

»Graf Haimon ist nicht anwesend, Sir.«

»Ich erwarte ihn sofort.«

Der Sekretär verschwand.

Der König in seinem kurzen Leibrock aus malvenfarbenem Samt durchmaß weiter den Raum; dann ließ er sich an seinem Schreibtisch nieder. Wie lange man ihn harren ließ! War's nicht schon eine Stunde her, seit er Flambard erwartete? Konnte dieser nicht längst hier sein?

Da pochte es leise.

Der Sekretär blickte zaghaft herein. Er fürchtete die roten Flecken auf des Königs Wangen.

»Sir, der Herr Justiarius hat sich vorgestern zur Jagd begeben, doch erwartet man ihn jeden Augenblick zurück.«

Des Königs Augen blitzten auf, er erwiderte kein Wort. Geräuschlos schloß sich die Türe. Voll stummen Ingrimms vergrub Rufus die Hände in die rote 18 Haarmähne, kritzelte einige Namen auf ein Blatt Papier und versank in Nachdenken.

Die Ruhe gab seinen Zügen ihre ursprüngliche Schönheit und jene Anmut wieder, die sein großer Lehrer Lanfranc so sorgfältig gepflegt hatte. Lanfranc hatte ihn vor mehr als drei Jahren verlassen und ruhte in der Gruft der Metropolitankirche von Canterbury. Mit jedem Jahr war Rufus mehr und mehr dem veredelnden Einfluß dieses vornehmen Geistes entwachsen, der durch seine Überlegenheit ihn beherrscht und gebändigt hatte. Das Beispiel der Großen seines Hofes veränderte Rufus Charakter und ließ ihn verrohen.

Als der Sekretär nach einer Weile anpochte, und Seine Herrlichkeit den Herrn Justiarius meldete, ärgerte sich Rufus über die Störung.

Einen Augenblick später trat ein Mann herein, dessen Gesicht jeden Seelenforscher reizen mußte. Rufus verzog spöttisch die Lippen, ohne den Kopf nach dem Eintretenden umzuwenden.

»Habt Ihr ausgejagt, edler Flambard? Seid Ihr nüchtern genug, um über Staatsgeschäfte zu sprechen, oder prickeln Euch noch die Genüsse der letzten Stunden im Blut?«

Das glatte, volle Gesicht Flambards verriet durch keine Miene, was er dachte.

»Ich war in Rochester, Sir, um Eueres Vorteils, nicht um meines Vergnügens willen. Ich habe die an Herrn von Clare verpachteten Landgüter ihm wegnehmen 19 lassen und den Leons gegeben, die um dreihundert Pfund Silber mehr dafür zahlen werden. Es war kein leichtes Stück, denn der Pachtvertrag lautete auf zehn Jahre und das zweite Jahr ist noch nicht abgelaufen. Mehrere ähnliche Geschäfte, die ich abwickelte, tragen die Schuld an meiner verspäteten Zurückkunft. Ihr wißt nicht, Sir, wie hart die Schädel Euerer Untertanen sind, und wie wenig sie's begreifen, daß ihr Herr Geld braucht.«

Bei diesem Wort warf sich Rufus mit einem jähen Ruck aus seinem Sessel herum.

»Geld, Geld! Du hast das rechte Wort ausgesprochen, aber viel Geld, meine Fackel, nicht ein paar hundert Pfund lumpiges Silber, das nützt nichts. Deshalb habe ich dich zu mir beschieden, ich brauche, und zwar gleich, mindestens fünfhundert Pfund Gold. Lasse also dein Licht in die verborgensten Winkel unseres Reiches leuchten und suche, du wirst schon finden.«

»Sir, Euere Forderung« – Flambard senkte nachdenklich die verschwiegenen Augen, »setzt mich in die größte Bestürzung. Ich habe getan, was ich konnte; Silber vermochte ich Euch zu verschaffen, Gold Euch zu bieten, wird mir unmöglich sein.«

»Was? Euch etwas unmöglich?« Der König stand ärgerlich auf. »Wozu seid Ihr denn Ihr, wenn's für Euch etwas Unmögliches gibt? Ich lasse Euch vollständige Freiheit in der Wahl Euerer Mittel, aber das Gold muß herbeigeschafft werden, muß, versteht mich.«

20 Die wohlgepflegte Rechte Flambards fuhr streichelnd über sein glattes Kinn.

»Muß, Sir, das ist – verzeiht, leicht gesagt, aber schwer vollbracht.«

»Schwer? Tu nicht so zimperlich, mein Bester. Wir zwei kennen uns, ich dich nicht weniger, als mein Vater dich gekannt hat. Hier« – er drängte den Justiarius nach dem Schreibtisch – »schreib auf dieses Blatt, daß du dich verpflichtest, mir bis übermorgen 500 Pfund Gold zu verschaffen; hältst du nicht, was du versprichst, so lasse ich dich in deinem eigenen Fett braten.«

»Ihr seid in guter Laune, Sir, das beglückt mich; doch ein schriftliches Versprechen ist ebenso leicht zu brechen wie ein mündliches, das wißt Ihr so gut wie ich, was nützen Euch meine hingemalten Schriftzeichen?«

»Dann, beim heiligen Antlitz von Lucca, scher dich zur Hölle, Unfähiger, wenn du mich in der ärgsten Ratlosigkeit sitzen läßt.«

Zwischen Flambards Augen trat eine tiefe Falte hervor.

»Wenn es Schulden sind, Sir, so könnt Ihr auch ohne Geld fertig werden. Ich habe Leute, auf deren Verschwiegenheit ich mich verlassen kann, die ganz in meiner Hand sind. Wären es indeß Wünsche, die Ihr hegt, auch diese sind ohne Geld zu erfüllen. Ihr seid Herrscher über alles in Euerm Reich, weshalb sollt Ihr nicht einen oder den andern Krämer nötigen können, Euch das, was doch Euer Eigentum ist, herauszugeben?«

21 Der König spie aus. »Du bist ein herrlicher Mensch, Ranulf! Nicht nur an unsern intimen Abenden, an denen deine Geschichten alles an Würze übertreffen, was ein Landstreicher am Wege aufklauben könnte, zeigst du dies, sondern auch hier im Angesicht der Majestät deines Königs. Aber in einem irrst du: in der Annahme, daß ich auf das Gold verzichten könnte. Nein, mein Freund, das kann ich nicht.«

»Aber weshalb nicht, Sir?« Flambard verzog geringschätzig den Mund.

»Weshalb nicht, weshalb nicht? Hör also! Erstens will ich ein Fest geben, wie noch keins bei uns gewesen ist. New-Forest soll Wachslichter auf seine Föhren erhalten, der Rasen mit blühenden Rosen und Veilchen bestreut werden. Von Baum zu Baum sollen sich Gewinde weißer Blumen ziehen, mein Bruder Robert mag mir Tailifer-Schüler aus Rouen schicken, die mit schmeichelnden Geigen, Zithern und Flöten die Sinne der Zuhörer ergötzen. Alle Kavalierpferde sollen mit goldenen Decken und goldenen Schellen behangen sein, die Damen hingegen in ihrem vollsten Schmuck, mit all den Juwelen ihres Hauses geschmückt, erscheinen. Über das Mahl, das im Wald bereitet wird, gebe ich noch Befehle. Was meinst du, was der Abend kosten wird?«

»Ich schätze einen Aufstand, eine Hungersnot, Krieg . . .«

Rufus sah mit glänzenden Augen zum Fenster hinaus. Und in diesem Streit von Licht und Nacht, dachte 22 er, beim hundertstimmigen Jubel der Geigen, will ich sie in meine Arme nehmen und versuchen, sie glauben zu machen, sie wäre noch ungetauft, und wir wären in Mohammeds Paradies . . . . . . .

Flambards Lippen umzuckte ein ironisches Lächeln, er hatte ungefähr die Richtung der Gedanken seines Herrn erraten. Hinter dem Ruf nach Geld steckte irgend eine Torheit.

Es pochte.

Rufus wandte sich um.

»Graf Haimon, Sir.«

»Gestattet mir –« Flambard machte eine tiefe Verbeugung.

»Halt, hört nochmals! Ihr müßt das Geld schaffen. Es ist auch anderer Dinge wegen. Das Fräulein von Viant hatte eine Auseinandersetzung, deren Folgen wett gemacht werden müssen.«

»Ich weiß, Sir. Sie hat Rohais Delibre nicht übel zugerichtet.«

»Die Unholdin! Wie schade, daß ich nicht Zeuge sein konnte, wie die beiden einander geprügelt haben! Nun aber will die kleine Hexe nach Frankreich zurück und fordert eine nicht geringe Summe von mir. Auch Fräulein von Viant ließ mir ihre Rechnung vorlegen für zerrissene Gewänder, aus der Fassung gegangene und verlorene Edelsteine usw. Also Geld und immer wieder Geld! Vergeßt daher nicht! Ich muß das Geld haben.«

23 Rufus warf dem Vertrauten einen vielsagenden Blick zu und entließ ihn.

Haimon trat herein.

Der König ließ sich nieder und winkte ihm, Platz zu nehmen. Sie sprachen über dieses und jenes, auch über die Möglichkeit eines Krieges mit Schottland. Haimon, dessen ernstes, strenges Gesicht die Freundschaft verschönte, die ihn mit Rufus verband, eröffnete wenig erfreuliche Aussichten für die Zukunft. An Malcolms Seite stand sein junger tapferer Sohn Eduard, aber auf wen konnte Rufus sich verlassen, stützen? »Eure Brüder werden Euch kaum zu Hilfe kommen,« fuhr Fitz Haimon fort, »Prinz Henry ist auf Aventiuren aus, und Herzog Robert hat genug in seiner Normandie zu schaffen. Unter den Soldtruppen sind hitzige, verwahrloste Leute, wenig eingeübt, die immer zuerst auf die Beute losstürmen und sich um die Befehle ihrer Obern wenig kümmern.«

Rufus runzelte die Brauen und fing an von anderem zu sprechen. Wozu sich heute mit solchen Erwägungen den Kopf schwer machen? Kam der Tag, so standen auch die Leute, die sonst träge auf ihren Schlössern der Behaglichkeit pflegten, für ihn ein. Haimon zuckte die Schultern.

»Vielleicht! Auf das Volk dürft Ihr Euch nicht allzu fest verlassen, das ist Euch wenig hold, Ihr habt es verstanden, zwischen ihm und Euch eine Kluft zu schaffen.«

»Was ist mir an den Dieben und Lumpen gelegen; wenn ich sie nicht als Söldner brauch oder zu Treibern 24 bei meinen Jagden verwenden muß, mögen sie Hafer bauen.«

»Sir, verzeiht, zu Dieben und Lumpen haben Eure Ratgeber sie gemacht. Es ist ein guter Kern in den Leuten gewesen, aber wenn man Pflanzen Licht und Boden entzieht, wie sollen sie gedeihen?«

»Was heißt das?« Der König fühlte die Stirne heiß werden. »Ihr beliebt starke Worte zu wählen.«

»Nicht doch, Sir. Ihr wißt, das Volk braucht seinen Glauben, seine Führer, seine Kirchen. Indes, was gebt Ihr ihm? Durch Euer Beispiel zeigt Ihr, daß Ihr nichts weniger als Glauben habt, sonst könntet Ihr nicht so leben, wie Ihr lebt. Auch ist es noch nie dagewesen, daß ein Bischofsstuhl drei Jahre lang auf eine Erledigung wartete.«

»Laßt mich zufrieden. Ich habe nicht Lust, Lanfranc einen Nachfolger zu geben. Der Erzbischof von Canterbury bin ich. Glaubt Ihr, daß ich reich genug bin, um auf jene Einkünfte zu verzichten? Ihr irrt.«

»Sir, Ihr schädigt Eure königliche Würde durch solche Taten, doch ich, Euer Diener, muß schweigen.«

»Das Beste für uns beide, denn Ihr wißt, mein Kopf ist nicht aus Wachs.«

»Aber meine Klugheit sollte Euren Wünschen nicht das Szepter überlassen. Was habt Ihr – es ist erst einige Jahre her seit Herrn Lanfranc's Tod – aus Canterbury gemacht? Wie viel Klöster habt Ihr schließen lassen, wie viel Mönche mittellos auf die Straße gesetzt!«

25 »Ei, hätt' ich den Dickwänsten auch noch eine Aussteuer mitgeben sollen?«

»Sir, es war ihr eigener Besitz, aus dem sie ihren Lebensunterhalt bestritten. Ihr hängt den Dieb an den Galgen und mit Recht. Aber gesteht, die Klöster ihres Eigentums berauben kann kein Richter der Welt anders als Diebstahl nennen. Und wenn Ihr mich augenblicklich mit Eurem Degen durchbohrt, ich kann nicht anders sprechen, denn Recht bleibt Recht, für den König ebenso wie für sein Volk.«

Rufus hatte die Beine weit ausgestreckt, sich in seinen Sessel zurückgelehnt.

»Ihr nehmt Euch ja merkwürdig warm der Geschorenen an. Als ob Ihr nicht wüßtet, was Ihr da unterstützt.«

»Sir, wenn die Mönche auf's tiefste sinken, begehen sie noch immer nichts ärgeres, als die Weltleute täglich begehen.«

»Haimon, was Ihr da vorbringt, ist abgeschmackt. Übrigens habe ich noch allerlei zu tun.«

Rufus erhob sich.

In Haimons ernstem Gesicht regte sich kein Zug. Ohne ein Wort zu erwidern, verbeugte er sich und verließ das Gemach.

* * *


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