Victor Hugo
Maria Tudor
Victor Hugo

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Achte Szene

Die Nämlichen, der Lord Kanzler, der ganze Hof

Die Königin Herein, herein, Mylords! Ich bin wahrhaftig erfreut, euch Alle heute bei mir zu sehen. – Gut, gut! die Männer der Gerechtigkeit, hierher! näher! – Wo sind die Gerichtsdiener der Lordkammer, Harriot und Clanerillo? Ah, hier! Meine Herrn, seid willkommen! Zieht eure Degen, stellt euch zur Rechten und Linken dieses Menschen, er ist euer Gefangener.

Fabiani Madame, worin besteht mein Verbrechen?

Die Königin Mylord Gardiner, mein gelehrter Freund, Ihr seid Kanzler von England, wir lassen Euch wissen, daß Ihr schnell die zwölf Lords der Sternkammer zu versammeln habt. Wir bedauern, sie nicht hier zu sehen. Es geschehen seltsame Dinge in diesem Palast. Hört, Mylords, Madame Elisabeth hat unsrer Krone schon mehr als einen Feind erregt. Wir hatten das Komplott des Pietro Caro, der die Bewegung von Exeter veranlaßte und heimlich mit Madame Elisabeth mittelst einer auf eine Guitarre eingegrabenen Chiffer korrespondierte. Wir hatten den Verrat des Thomas Wyatt, der die Grafschaft Kent in Aufruhr brachte. Wir hatten den Aufstand des Herzogs von Suffolk, der nach der Niederlage der Seinigen in einem hohlen Baume ergriffen wurde. Wir haben heute einen neuen Versuch. Heute, diesen Morgen, verlangte ein Mann Gehör bei mir. Nach einigen Worten zückte er den Dolch auf mich. Ich fiel ihm zur rechten Zeit in den Arm. Lord Chandos und der Herr Vogt von Amont haben den Mann ergriffen. Er hat erklärt, er sei durch Lord Clanbrassil zu diesem Verbrechen getrieben worden.

Fabiani Durch mich? Das ist nicht wahr! O, doch das ist eine schändliche Geschichte! Dieser Mann ist nicht vorhanden. Man wird diesen Mann nicht finden. Wer ist er? Wo ist er?

Die Königin Er ist hier.

Gilbert tritt mitten aus den Soldaten hervor, hinter welchen er verborgen stand Ich bin es!

Die Königin In Folge der Erklärungen dieses Menschen, klagen wir, Marie, Königin, vor der Sternkammer diesen Menschen, Fabiano Fabiani, Grafen von Clanbrassil, des Hochverrats und eines königsmörderischen Versuches auf unsere königliche und geheiligte Person an.

Fabiani Königsmörder ich! Das ist ungeheuer! O, mir schwindelt! meine Augen flimmern! Was ist das für eine Falle? Wer du auch seist, Elender, wagst du zu behaupten, daß das, was die Königin gesagt hat, wahr sei?

Gilbert Ja.

Fabiani Ich habe dich zum Königsmord getrieben, ich?

Gilbert Ja.

Fabiani Ja! immer ja! Verdammnis! Ihr könnt nicht wissen, meine Herren, wie falsch das ist. Dieser Mensch kommt aus der Hölle. Unglücklicher! du willst mich vernichten, aber du weißt nicht, daß du dich zugleich vernichtest. Das Verbrechen, was du auf mich häufst, fällt auch auf dich. Du tötest mich, aber du stirbst. Mit einem Wort, Unsinniger, machst du zwei Köpfe fallen, meinen und deinen. Weißt du das?

Gilbert Ich weiß es.

Fabiani Mylords, dieser Mensch ist bezahlt.

Gilbert Durch Euch! Hier ist die mit Gold gefüllte Börse, die Ihr mir für das Verbrechen gegeben. Euer Wappen ist darauf gestickt.

Fabiani Gerechter Himmel! – Aber man zeigt den Dolch nicht vor, womit dieser Mensch, wie man sagt, die Königin töten wollte. Wo ist der Dolch?

Lord Chandos Hier.

Gilbert zu Fabiani: Es ist der Eurige. – Ihr habt mir ihn dazu gegeben. Man wird die Scheide bei Euch finden.

Lord Kanzler Graf von Clanbrassil, was habt Ihr zu antworten? Erkennt Ihr diesen Menschen?

Fabiani Nein.

Gilbert In der Tat, er hat mich nur des Nachts gesehen. – Laßt mich ihm ein Paar Worte in's Ohr sagen, das wird seinem Gedächtnis nachhelfen. Er nahet sich Fabiani. Leise: Du erkennst also heute Niemand, Mylord? den entehrten Mann so wenig, als das verführte Weib. Ha! die Königin rächt sich, aber der Mann aus dem Volke rächt sich auch. Du lachtest mich aus, glaube ich. Die Rache packt dich jetzt doppelt. Mylord, was sagst du dazu? – Ich bin Gilbert, der Arbeiter.

Fabiani Ja, ich erkenne Euch. – Ich erkenne diesen Menschen, Mylords. Seit dem Augenblick, wo ich mit ihm zu tun habe, weiß ich nichts mehr zu sagen.

Die Königin Er bekennt.

Lord Kanzler zu Gilbert: Nach dem normannischen Gesetze und dem 25. Artikel Heinrich des Achten rettet in Fällen des Majestätsverbrechens ersten Grades das Geständnis den Mitschuldigen nicht. Vergeßt nicht, daß in einem solchen Falle die Königin das Begnadigungsrecht nicht hat, und daß Ihr auf dem Schaffot sterben werdet, wie der, den Ihr anklagt. Besinnt Euch. Beharrt Ihr auf Allem, was Ihr gesagt habt?

Gilbert Ich weiß, daß ich sterben werde, und beharre dabei.

Jane bei Seite: O Gott! das ist entsetzlich geträumt, wenn es ein Traum ist.

Lord Kanzler zu Gilbert: Wollt Ihr Eure Erklärungen, die Hand auf dem Evangelium wiederholen? Er hält Gilbert das Evangelienbuch hin, welcher die Hand darauf legt.

Gilbert Ich schwöre, die Hand auf dem Evangelium und meinen nahen Tod vor Augen, daß dieser Mensch ein Mörder ist; daß dieser Dolch, welcher ihm gehört, zu dem Verbrechen gedient hat; daß diese Börse, welche sein ist, mir von ihm für das Verbrechen gegeben wurde. So soll mir Gott helfen! das ist die Wahrheit.

Lord Kanzler zu Fabiani: Mylord, was habt Ihr zu sagen?

Fabiani Nichts. – Ich bin verloren!

Simon Renard leise zur Königin: Eure Majestät hat nach dem Henker geschickt; er ist da.

Die Königin Gut. Laßt ihn herein.

Die Reihen der Edelleute öffnen sich, und der Henker tritt ein. Er ist in Schwarz und Rot gekleidet und trägt auf der Schulter ein langes Schwert in seiner Scheide.


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