Victor Hugo
Maria Tudor
Victor Hugo

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Erste Szene

Die Königin reich gekleidet auf einem Ruhebette. Fabiano Fabiani sitzt auf einem Schemel zur Seite, prächtiges Kostüm, das Hosenband.

Fabiani eine Guitarre in der Hand, singt:

Träumst du, o holde Traute,
Sanft unter meinem Aug',
So lispelt Liebeslaute
Mir deiner Lippen Hauch.
Entknosp't aus Prunk und Schleier
Blüht mir dein süßer Leib.
    Mir ewig teuer,
    Schlaf süß, hold Weib!

Hör' ich aus deinem Munde:
»Du liebst mich« – dann schon hier
Schließt sich in sel'ger Stunde
Der Himmel auf über mir.
Vom heil'gen, ew'gen Feuer
Der Liebe strahlt dein Blick!
    Weib, mir so teuer,
    Sei stets mein Glück!

Vier Zauberworte heben,
In Klarheit, ungetrübt,
Empor das ganze Leben,
Beneidet und geliebt.
Das ist des Lebens Sonne,
Mein ewig junges Glück:
    »Gesang, Traum, Wonne
    Und – Liebesblick!«

Er stellt die Guitarre weg. Oh! ich liebe Euch mehr, als ich sagen kann, Madame! Aber dieser Simon Renard! dieser Simon Renard! mächtiger hier, als Ihr selbst, ich hasse ihn.

Die Königin Ihr wißt wohl, daß ich nichts dafür kann, Mylord. Er ist hier der Gesandte des Prinzen von Spanien, meines zukünftigen Gemahls.

Fabiani Eures zukünftigen Gemahls!

Die Königin Still, Mylord, sprechen wir nicht mehr davon. Ich liebe Euch, was braucht Ihr mehr? Und dann, es ist jetzt Zeit, daß Ihr geht.

Fabiani Marie, noch einen Augenblick!

Die Königin Aber es ist die Stunde, wo der geheime Rat sich versammelt. Bisher war nur das Weib hier, die Königin muß jetzt hereintreten.

Fabiani Ich will, daß das Weib die Königin vor der Türe warten läßt.

Die Königin Ihr wollt! Ihr wollt! Ihr! Seht mich an, Mylord. Du hast einen jungen und reizenden Kopf, Fabiano.

Fabiani O, Ihr seid schön! Ihr würdet nichts nötig haben, als Eure Schönheit, um allmächtig zu sein. Auf Eurem Haupte ist etwas, das sagt, daß Ihr die Königin seid; es steht aber noch viel deutlicher auf Eurer Stirn, als auf Eurer Krone.

Die Königin Ihr schmeichelt.

Fabiani Ich liebe dich.

Die Königin Du liebst mich, nicht wahr? Du liebst nur mich? Sage mir das noch einmal so, mit diesen Augen. Ach! wir armen Weiber, wir wissen niemals genau, was in dem Herzen eines Mannes vorgeht; wir müssen euren Augen glauben, und die schönsten, Fabiano, lügen zuweilen am häßlichsten. Aber deine, Mylord, sind so treu und rein, daß sie nicht lügen können, nicht wahr? Ja, dein Blick ist offen und ehrlich, mein schöner Page. Oh! Himmelsaugen nehmen und damit betrügen, das wäre höllisch. Du hast deine Augen einem Engel oder dem Teufel gestohlen.

Fabiani Weder Engel, noch Teufel. Ein Mann, der Euch liebt.

Die Königin Der die Königin liebt?

Fabiani Der Marie liebt.

Die Königin Höre, Fabiano, ich liebe dich auch. Du bist jung, es gibt viel schöne Weiber, die dich gar zärtlich ansehen, ich weiß es. Endlich, man wird eine Königin müde, so gut wie eine andere. Unterbrich mich nicht. Ich will, daß du mir es sagst, wenn du je ein anderes Weib lieben solltest. Ich werde dir vielleicht verzeihen, wenn du mir es sagst. Unterbrich mich doch nicht. Du weißt nicht, wie weit meine Liebe geht, ich weiß es selbst nicht. Es ist wahr, ich habe Augenblicke, wo ich dich lieber tot, als mit einer Andern glücklich wissen möchte; aber es kommen mir auch andere, wo ich dich lieber glücklich sähe. Mein Gott! Ich weiß nicht, warum man mich in den Ruf eines schlechten Weibes bringen will.

Fabiani Ich kann nur mit dir glücklich sein, Marie. Ich liebe nur dich.

Die Königin Gewiß? Sieh' mich an. Gewiß? O! ich bin manchmal eifersüchtig; ich bilde mir ein, – welches Weib hat nicht solche Gedanken? – ich bilde mir manchmal ein, du täuschtest mich. Ich möchte unsichtbar sein und dir folgen können und immer wissen, was du tust, was du sagst und wo du bist. In den Feenmärchen gibt es einen Ring, der Einen unsichtbar macht; ich würde meine Krone für diesen Ring geben. Ich bilde mir immer ein, du gingest zu den schönen Mädchen in der Stadt. O! du solltest mich nicht täuschen, siehst du!

Fabiani Aber verbannt doch diese Gedanken, Madame. Ich Euch täuschen, meine gute Königin, meine gute Herrin! Ich müßte der undankbarste und erbärmlichste Mensch sein! Aber ich gab Euch keine Veranlassung, mich für den undankbarsten und erbärmlichsten Menschen zu halten. Aber ich liebe dich, Marie! aber ich bete dich an! aber ich könnte ein anderes Weib nicht einmal ansehen! Ich liebe dich, sage ich dir; aber siehst du das nicht in meinen Augen? O, mein Gott! die Wahrheit hat einen Ton, der dich überzeugen sollte. Sieh', betrachte mich genau, sehe ich aus wie ein Mensch, der dich verrät? Wenn ein Mann ein Weib verrät, so sieht man es gleich. Die Weiber täuschen sich gewöhnlich nicht in dergleichen. Und welchen Augenblick wähltest du, mir solche Dinge zu sagen, Marie? den Augenblick meines Lebens, worin ich dich vielleicht am meisten liebe. Es ist wahr, es ist mir, als hätte ich dich nie so geliebt, wie heute. Ich spreche jetzt nicht mit der Königin. Wahrhaftig, ich lache über die Königin. Was kann mir die Königin tun? Sie kann mir den Kopf abschlagen lassen, was macht das? Du, Marie, kannst mir das Herz brechen! Nicht Eure Majestät, nein, Marie, dich liebe ich. Deine schöne weiße und zarte Hand küsse und bete ich an, nicht Euer Szepter, Madame.

Die Königin Danke, mein Fabiano. Lebe wohl. – Mein Gott, Mylord, wie jung Ihr seid! Die schönen schwarzen Haare und der reizende Kopf da! – Kommt in einer Stunde wieder.

Fabiani Was Ihr eine Stunde nennt, heiße ich eine Ewigkeit! Er geht.

Sobald er weg ist, erhebt die Königin sich rasch, tritt zu einer verborgenen Türe, öffnet sie und führt Simon Renard herein.


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