Victor Hugo
Maria Tudor
Victor Hugo

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Siebte Szene

Die Nämlichen, Fabiani

Königin Ah! da ist er! . . . Sie spricht wieder leise mit Simon Renard.

Fabiani bei Seite, indem er von Allen gegrüßt wird und um sich blickt: Was soll das heißen? Niemand hier diesen Morgen, als meine Feinde. Die Königin spricht leise mit Simon Renard. Teufel! sie lacht! böses Zeichen!

Königin mit Grazie zu Fabiani: Gott behüte Euch, Mylord!

Fabiani ergreift ihre Hand und küßt sie: Madame . . . bei Seite: Sie hat gelächelt. Die Gefahr droht nicht mir.

Königin immer mit Grazie Ich habe mit Euch zu sprechen.

Sie geht mit ihm auf den Vordergrund der Bühne.

Fabiani Und ich habe auch mit Euch zu sprechen, Madame. Ich habe Euch Vorwürfe zu machen. Mich auf so lange Zeit zu entfernen, zu verbannen! Ach! es wäre nicht so, wenn Ihr in der Stunde der Trennung so an mich dächtet, wie ich an Euch denke.

Königin Ihr seid ungerecht; seit Ihr mich verlassen habt, beschäftige ich mich nur mit Euch.

Fabiani Ist das auch wahr? Wäre ich so glücklich? Sagt mir es noch ein Mal.

Königin immer lächelnd: Ich schwöre es Euch.

Fabiani Ihr liebt mich also, wie ich Euch liebe?

Königin Ja, Mylord. – Gewiß, ich dachte nur an Euch, und das so, daß ich auf eine angenehme Überraschung für Euch sann, wenn Ihr wieder kämet.

Fabiani Wie! Welche Überraschung?

Königin Eine Zusammenkunft, die Euch Freude machen wird.

Fabiani Zusammenkunft, mit wem?

Königin Ratet. – Ihr ratet es nicht?

Fabiani Nein, Madame.

Königin Kehrt Euch um. Indem er sich umkehrt, erblickt er Jane auf der Schwelle der kleinen Türe, die halb offen ist.

Fabiani bei Seite: Jane!

Jane bei Seite: Er ist's!

Königin immer lächelnd: Mylord, kennt Ihr dies junge Mädchen?

Fabiani Nein, Madame!

Königin Junges Mädchen, kennt Ihr Mylord?

Jane Die Wahrheit über das Leben. Ja, Madame.

Königin Mylord, Ihr kennt also dieses Weib nicht?

Fabiani Madame! man will mich verderben. Ich bin von Feinden umgeben. Dieses Weib ist ohne Zweifel mit ihnen im Bunde. Ich kenne sie nicht, Madame! Ich weiß nicht, wer sie ist, Madame!

Königin erhebt sich und schlägt ihm mit ihrem Handschuh in's Gesicht: Ah! du bist eine Memme! – Ah! du verrätst die Eine und verleugnest die Andere! Ha! du weißt nicht, wer sie ist. Soll ich dir es sagen? Dieses Weib ist Jane Talbot, Tochter des Johann Talbot, des guten katholischen Herrn, der auf dem Schaffot für meine Mutter starb. Dieses Weib ist Jane Talbot, meine Base; Jane Talbot, Gräfin von Shrewsbury, Gräfin von Wexford, Gräfin von Waterford, Pairesse von England. Das ist dies Weib! – Lord Paget, Ihr seid Siegelbewahrer, Ihr werdet Euch nach meinem Worte richten. Die Königin von England erkennt feierlich das junge Mädchen hier als Jane, Tochter und einzige Erbin des letzten Grafen von Waterford an. Auf die Papiere zeigend. Da sind die Papiere und Beweise, Ihr werdet sie mit dem großen Siegel versiegeln. Das ist unser Wille. Zu Fabiani: Ja, Gräfin von Waterford! und das ist erwiesen! und du wirst die Güter herausgeben, Schurke! – Ha! du kennst dies Weib nicht! Ha! du weißt nicht, wer dies Weib ist. Nun, ich will dir es sagen, ich! Sie ist Jane Talbot! und soll ich dir noch mehr sagen? Sie sieht ihn an, leise, zwischen den Zähnen: Schurke! sie ist deine Geliebte!

Fabiani Madame . . .

Königin Das ist sie, jetzt will ich dir sagen, was du bist. – Du bist ein Mensch ohne Seele, ein Mensch ohne Herz, ein Mensch ohne Geist! Du bist ein Schurke und eine Memme! Du bist . . . Bei Gott, meine Herrn, Ihr habt nicht nötig, Euch zu entfernen. Es ist mir sehr gleichgültig, ob Ihr hört, was ich diesem Menschen zu sagen habe! Ich dämpfe meine Stimme nicht, wie mir deucht. – Fabiano! du bist ein Schurke, ein Verräter an mir, eine Memme gegen sie, ein heuchlerischer Knecht, der erbärmlichste und letzte unter den Menschen! Und doch ist es wahr, daß ich dich zum Grafen von Clanbrassil, zum Baron von Dynasmonddy und dann noch zum Baron von Darmouth in Devonshire gemacht habe. Nun, ich war nicht bei Sinnen! Ich bitte Euch um Verzeihung, Mylords, daß ich Euch den Ellenbogenstößen dieses Menschen aussetzte. Du Ritter! du Edelmann! du Herr! messe dich doch mit denen, die da stehen, Elender! Sieh doch um dich. Das sind Edelleute, da ist Bridges, Baron Chandos. Da Seymour, Herzog von Sommerset. Da die Stanleys, die Grafen von Derby sind seit dem Jahre 1485! Hier die Clinton, die Barone von Clinton sind seit dem Jahre 1298! Bildest du dir ein, du gleichest diesen Leuten, du! Du sagst, du seist mit dem spanischen Hause von Peñalver verwandt; aber es ist nicht wahr, du bist ein elender Italiener, nichts! weniger, als nichts! Sohn eines Schusters vom Dorfe Larino! – Ja meine Herrn, Sohn eines Schusters! Ich wußte es und ich sagte es nicht, und verbarg es; ich tat, als glaubte ich diesem Menschen, wenn er von seinem Adel sprach. Denn so sind wir ein Mal, wir Weiber. O mein Gott! ich wollte, es wären Weiber hier, es wäre eine Lehre für Alle dieser Schurke! dieser Schurke! er betrügt ein Weib und verleugnet das andere! der Elende! Gewiß, du bist sehr erbärmlich! Wie! seit ich spreche, liegt er noch nicht auf den Knieen! Auf die Knie, Fabiani! Mylords, bringt diesen Menschen mit Gewalt auf die Knie!

Fabiani Eure Majestät! . . .

Königin Dieser Elende, den ich mit Wohltaten überhäuft, dieser neapolitanische Lakai, den ich zum goldnen Ritter und freien Grafen von England gemacht habe! Ha, ich hätte mich darauf gefaßt machen sollen! Man hatte mir wohl gesagt, daß es so ausgehen würde. Aber ich bin immer so, ich bin eigensinnig, und sehe dann, daß ich Unrecht hatte. Es ist meine Schuld. Italiener, d. h. Schurke! Neapolitaner, d. h. Memme! Jedes Mal hat es meinen Vater gereut, wenn er sich eines Italieners bediente. Dieser Fabiani! Du siehst, Lady Jane, welchem Menschen du dich überlassen hast, unglückliches Kind! – Ich werde dich rächen! – O! ich hätte es zum Voraus wissen sollen, man kann in der Tasche eines Italieners nichts finden, als einen Dolch, und in der Seele eines Italieners nichts, als Verrat.

Fabiani Madame, ich schwöre Euch . . .

Königin Er wird gleich einen Meineid schwören! Er wird niederträchtig bis an's Ende sein; er wird uns ganz erröten machen vor diesen Männern, uns schwache Weiber, die wir ihn geliebt haben! Er wird nicht ein Mal das Haupt erheben!

Fabiani Doch Madame, ich werde es erheben. Ich bin verloren, ich sehe es wohl. Mein Tod ist beschlossen. Ihr werdet alle Mittel anwenden, den Dolch, das Gift . . .

Königin faßt ihn bei den Händen und zieht ihn lebhaft auf den Vordergrund der Bühne: Das Gift, den Dolch! Was sagst du da, Italiener? Die verräterische Rache, die schmähliche Rache, die Rache von hinten, die Rache, wie in deinem Lande! Nein, Signor Fabiano, weder Dolch noch Gift. Habe ich nötig, mich zu verbergen, mich in die Gassenecken des Nachts zu drücken und mich klein zu machen, wenn ich mich räche? Nein, wahrhaftig, ich will den hellen Tag, verstehst du, Mylord? den hellen Tag, die Sonne, den freien Platz, das Beil, den Block, das Volk in den Gassen, das Volk an den Fenstern, das Volk auf den Dächern, hunderttausend Zeugen! Ich will, daß man Furcht habe, hörst du, Mylord? daß man das prächtig, furchtbar und großartig finde und daß man sage: ein Weib ist beleidigt worden, aber eine Königin rächt sich! Dieser so beneidete Günstling, dieser schöne, stolze junge Mann, den ich mit Seide und Sammet bedeckte, ich will ihn gebrochen, wirr und zitternd auf den Knieen, auf einem schwarzen Tuche sehen, die Füße nackt, die Hände gebunden, unter dem Hohn des Volkes, unter den Fäusten des Henkers. Um diesen weißen Hals, um den ich eine goldne Kette hing, will ich einen Strick legen. Ich sah, wie dieser Fabiano sich auf einem Thron ausnahm; ich will sehen, wie er sich auf dem Schaffot ausnimmt!

Fabiani Madame . . .

Königin Kein Wort mehr! Ha, kein Wort mehr! Du bist wahrhaftig verloren, siehst du, du wirst das Schaffot besteigen, wie Suffolk und Northumberland. Das ist ein Fest, so gut wie ein anderes, welches ich meiner guten Stadt London gebe. Du weißt, wie sie dich haßt, meine gute Stadt. Bei Gott! es ist eine schöne Sache, wenn man sich rächen muß, Marie, Dame und Königin von England, Tochter Heinrich des Achten und Herrin von vier Meeren zu sein. Und wann du auf dem Schaffot stehst, Fabiani, kannst du nach deinem Belieben eine lange Rede an das Volk halten, wie Northumberland, oder ein langes Gebet zu Gott schicken, wie Suffolk, um die Gnade nicht zu spät kommen zu lassen. Der Himmel ist mein Zeuge, daß du ein Verräter bist und daß die Gnade nicht kommen wird. Dieser elende Schurke, der mir von Liebe sprach und diesen Morgen: Du! zu mir sagte! Mein Gott, meine Herren! Ihr scheint zu staunen, daß ich so vor Euch spreche; aber ich wiederhole es, was liegt mir daran? Zu Lord Sommerset: Mylord Herzog, Ihr seid der Befehlshaber des Turms, nehmt diesem Menschen seinen Degen ab.

Fabiani Hier ist er; aber ich protestiere. Gesetzt auch, es sei bewiesen, daß ich ein Weib hintergangen oder verführt habe . . .

Die Königin O, was liegt mir daran, ob du ein Weib verführt hast! – Kümmere ich mich denn darum? Diese Herren sind Zeugen, daß mir dies sehr gleichgültig ist.

Fabiani Ein Weib verführen ist keine Todsünde. Eure Majestät hat Trogmorton auf eine solche Anklage hin nicht können verurteilen lassen.

Die Königin Er trotzt uns noch, glaube ich, der Wurm wird zur Schlange. Und wer sagt dir denn, daß man dich deswegen anklagt?

Fabiani Wegen was klagt man mich denn an? Ich bin kein Engländer, ich bin kein Untertan Eurer Majestät. Ich bin Untertan des Königs von Neapel und Vasall des heiligen Vaters. Ich werde seinen Legaten, den Kardinal Polus, auffordern, mich zurück zu verlangen. Ich bin ein Fremder. Ich kann einer Untersuchung nur dann unterworfen werden, wenn ich ein Verbrechen begangen habe, ein wahres Verbrechen. – Worin besteht mein Verbrechen?

Die Königin Du fragst, worin dein Verbrechen besteht?

Fabiani Ja, Madame.

Die Königin Mylords, ihr hört alle die Frage, die an mich gerichtet wird; ihr sollt die Antwort hören. Gebt Acht und hütet euch alle, so viel ihr seid; denn ihr sollt sehen, daß ich nur mit dem Fuße zu stampfen brauche, um aus dem Boden ein Schaffot steigen zu lassen. – Chandos! Chandos! öffnet diese Flügeltüre. Der ganze Hof! Alle! Laßt Alle herein!

Die Türe im Hintergrund wird geöffnet, der ganze Hof tritt herein.


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