Wilhelm Holzamer
Vor Jahr und Tag
Wilhelm Holzamer

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Ach, kratzte dem Golderjahn der Gänsekiel. Aber es mußte sein, und er setzte nicht aus:

Das Jahr Fünfundsechzig muß man erlebt haben, sonst kann man nicht wissen, wie das war. Der Wein! Der Neue! Er schmeckt noch gut in der Erinnerung. Ein Tropfen! Wie Öl. Ein Feuer! Edel. Er machte dem lieben Herrgott alle Ehre, das muß gesagt werden. Allerdings bringt er so was selten genug fertig. Wen der Fünfundsechziger mal »hatte«, nun, den hatte er. Und es muß gesagt werden, leider Gottes, aber 's ist die Wahrheit, und darum ist's kein Schand, daß man's sagt: Am Sonntag nach dem Andreastag war das halbe Dorf besoffen. Besoffen, ich sag das. Der alte Rosenzweig hatte eine volle Schatulle, und die Einheimischen und Fremden, die hatten tolle Köpfe. Ach, was war da das Bett eine Wohltat – wenn auch der Tag vor den Türen stand. Nun ja, und es muß gesagt werden, daß das Jahr Sechsundsechzig in Rheinhessen ein reiches Kinderjahr war, was auch mit dem Wein von Fünfundsechzig nicht ohne gelinden Zusammenhang sein dürfte – vielleicht war's auch deshalb, daß die Preußen uns den Sechsundsechziger Krieg beschert haben, damit unter den Alten aufgeräumt wurde, um Platz für den jungen Nachwuchs zu schaffen. Deshalb kann ich aber die Preußen doch nicht loben, und mögen mag ich sie deshalb auch nicht grad mehr. Ich bin dafür, daß wir am Rhein und in Süddeutschland unsere eigene Sach auch selber ausmachen – vor allen Dingen will ich aber niemand hineingemischt haben, den ich nicht leiden kann, und vor dem ich mir die Ohren zuhalt, denn die Preußen haben alle Stimmen, wie die Karfreitagsknarren in der Kirche oder wie alte, verrostete Wetterfahnen, die am liebsten den Wind kommandieren möchten. Doch das nebenbei und als meine ganz persönliche Meinung. Dies ist eine Sache, in der mir auch der Fünfundsechziger nichts hilft, in dieser Angelegenheit hab ich Essig gesoffen, das gesteh ich ehrlich ein.

Der Gänsekiel kratzte, wie der Golderjahn weiterschrieb:

Emerich Josef Vetterlein hatte kein Auge zugetan. Er spielte die Orgel heut meist im Dreivierteltakt. Es war der Wein und die Liebe in ihm.

Der Dorth war's in der Kirche so, als müßte sie ihr Gewissen erforschen. Denn der Jörg-Adam, der beim Tanz sich ganz höflich gegen sie benommen hatte, war auf der Kirchentreppe neben Sie getreten und hatte ihr giftig zugeflüstert:

»Schäm dich, Dorth, schäm dich! Daß die Leut von dir reden. Drum hast du so viel mit dem Schulmeister getanzt.«

Sie hatte gerade Zeit gehabt zu erwidern:

»Laß mir mein Ruh, Jörg-Adam.«

Dann hatte er, gerade in der Tür, noch Zeit gehabt zu sagen:

»Heut abend reden wir miteinander.«

Sie wußte gar nicht, wie's gekommen war, sie hatte genickt drauf. Nun dachte sie darüber nach, was der Jörg-Adam mit ihr wollte – und daß er sie ja gar nichts anging. Sie hatte kein Verhältnis mit ihm. Sie plauderte gern mit ihm, warum nicht. Sie stand manchmal abends auf ihrer Haustreppe mit ihm. Nun ja, so beinahe jeden Abend. Aber was war da weiter dabei! Und er kam oft mit seinen Kameraden. Aber da kam er mehr wegen der Kegelbahn. Und zudem – was hatte sie Übles getan? Sie hatte mit dem Schullehrer getanzt. Jetzt machten die Leute gleich wieder eine Geschichte draus. Sie hatte deshalb noch lange mit dem Schullehrer kein Verhältnis. Und wenn sie eines hatte!?

Der Jörg-Adam hatte bei den weißen Chevau-legers in Darmstadt gedient – und das sah man ihm heute noch an. Wenn er durch die Stube ging, klirrten die Fensterscheiben. Es war immer, als ob er seine Sporen noch anhatte. Und wenn er die dickste Kegelkugel sich aussuchte, einmal in die Hand spuckte, die Kugel zweimal durch die Hände drehte, dann auf die Rechte legte und einen Blick auf sie tat und einen Blick auf die Vollen – ein wenig sich neigte – auf der rechten Fußspitze wippte und drei Schritte vorsprang – dann in die Vollen warf – scharf, mit einem kurzen, kraftvollen Ruck, wonach er, der Jörg-Adam – und hier mußte die Dorth das Gesicht in beide Hände legen, so hingenommen war sie auf einmal von der Vorstellung – wonach er bolzenstracks noch kürzer aufschnellte, sich herumdrehte und wie ein König dastand, ja, wie ein König, dann fielen draußen alle Neune, und er hörte es, denn wie ihn gab's keinen zweiten. Dafür war der Jörg-Adam auch der Verwalter von's Kretzers Gut und ganz und gar ein Herr. Aber was wollte er denn mit ihr? Sie hatte kein Verhältnis mit ihm – und sie konnte sich nicht ganz auf seine Seite, nicht ganz auf die des Schullehrers stellen – sie konnte keine Wahl treffen und sich entscheiden. Daran merkte sie, daß sie noch frei war, und daß ihre Gewissenserforschung keinen Sinn hatte, denn sie hatte kein Gewissen in der Sache. Sie waren ihr beide gleich lieb, jeder auf seine Art. Der Lehrer als ein guter Tänzer, der einen so gefühlvoll durch den Saal drehte, äußerlich ein bißchen komisch und etwas gar lang geraten, aber ein guter Kerl, denn das lag in seinen Augen, die immer so etwas Weiches und Schmelzendes hatten wie Butter in der Sonne. So gut, daß man sich eigentlich über sie ärgern könnte: so wie ein geschlagener Hund Augen macht. Der Jörg-Adam, nun, weil er eben der Jörg-Adam war, einer, vor dem man Respekt hatte, einer – na ja – ein ganzer Kerl!

Es war der Dorth jetzt ordentlich leicht, und nachdem sie ein Gähnen unterdrückt hatte, guckte sie auf, wie weit's am Altare sei. Der Pfarrer mußte heute Evangelium und Epistel verkürzt haben, denn er war schon fertig und schritt eben die Altarstufen herunter, den Predigttext und die Verkündigungen zu verlesen, weil doch keine Predigt heute war. Nun, sie hatte eine besondere Andacht heute verrichtet – um's aber recht gut zu machen, betete sie noch rasch die lauretanische Litanei, machte sich nun aber doch ein paar ganz winzig kleine Gewissensbisse, daß sie Opferung, Wandlung und Kommunion einfach verträumt hatte, obgleich die Meßdiener doch die Schellenzeichen gegeben hatten. Aber diese leisen Skrupel vergingen, und als die Kirche aus war, schritt sie stolz den Mittelgang hinaus, fast wie eine Königin ja, wie eine Königin – sie dachte das selbst, so triumphierend und strahlend, denn sie wußte, daß sie begehrt war. So nahm sie auch die Musik, die der lange Vetterlein auf der Orgel traktierte, ganz allein für sich an – und dem Jörg-Adam warf sie einen großen, nicht gerade verheißenden, aber doch schönen und warmen Blick zu. Dann besprengte sie sich mit Weihwasser und schlüpfte hinaus. Und draußen erst war sie wieder die Rosenzweigs Dorth, ein Mädchen von vielen Mädchen, denen die Burschen nachsahen und auch mal was nachriefen.

Ach ja – die Weiber! –

Hier konnte der Golderjahn nicht weiter schreiben und mußte sich einen Augenblick hinter den Ohren kratzen.

»Wie ist's denn nun zwischen uns, Dorth?« fuhr der Jörg-Adam die Dorth am Abend an, »ich möcht nun endlich wissen, woran ich bin.«

»Ich weiß immer, woran ich bin«, sagte die Dorth und guckte nach der Seite.

»Woran ich bin, weiß ich auch, aber woran ich mit dir bin, das möcht ich wissen«, sagte der Jörg-Adam und hatte dabei so feuchte Lippen bekommen, daß er den Speichel ein wenig einschlürfen mußte.

»Siehst du«, sagte die Dorth, – »es läuft uns eine Katze über den Weg.«

Das war auch wahr, es lief auch eine Katze über den Weg.

»Ach, laß das«, drängte der Jörg-Adam, »ich will endlich mal eine klare Antwort. Ich bin's müd, von dir an der Nas geführt zu werden.«

»So, ich führ dich an der Nas?«

Der Jörg-Adam horchte auf. Hatte die Dorth da einen schnippischen Ton eben gehabt! I! So einen Ton konnt die haben! Zugleich ward ihm ein wenig bange. Er dachte: vorsichtig sein und nichts verderben.

»Na ja«, lachte er, »es sagen's doch alle Leut. Man wird ja zum Gespött. So ein Schlappschwanz ist man doch auch nit. Da mein ich, ich bin sicher mit dir – und da tanzt du den ganzen Abend mit dem Schulmeister, der aussieht, als ob er jeden Augenblick aus seinen Kleidern fallen müßt. Gar kein Kerl, der reinste Hannebambel.«

»Wann du gekommen bist, hab ich auch mit dir getanzt.«

»Naja.«

»Aber du bist nur ganz wenig gekommen.«

»Na ja.«

»Du bist lieber auf der Kegelbahn gewesen.«

»Ich kegel halt lieber als tanzen.«

»Gelt – da haben wir's. Und nun willst du kommen und mir Vorwurf machen. Die Leut sagen! – Die Leut sagen viel. Die Leut sagen auch, wir hätten ein Verhältnis miteinander. Aber wir haben gar keins miteinander.«

Der Jörg-Adam sperrte Mund und Augen auf. Er war nicht gewiß, ob er recht gehört hatte. Und wie er das aufzunehmen hatte. Er wußte nicht, sollte er jetzt gütig sein zur Dorth oder sie scharf anfahren. Er schwieg klüglicherweise. So gingen sie denn eine Weile nebeneinander her und wußten nicht, was sie miteinander anfangen sollten. Sie gingen den Mühlweg hinunter, zwischen den Backsteinplätzen hin, wo man die Lichter der umliegenden Dörfer auf den Höhen sehen konnte. Die guckten so verschwiegen und heimlich in den Talkessel herunter, so daß der noch stiller und heimlicher ward, als er schon war, weil man fühlte, wie abgeschlossen er dalag. Im Rücken hatten sie das Dorf. Es ging kaum ein Fenster ins Feld hinaus, Straßenbeleuchtung gab es nicht, und so lag es schwarz und brütend hinter ihnen. Sie fühlten es beide – das Dunkle hinter sich, das fast schwer werden wollte. Der Dorth fiel's leicht, sich dagegen zu wehren, der Jörg-Adam schnaufte ein paar Mal, als hab er ein paar Blasebälge voll Atem zu viel in der Brust.

Das Feld war ganz still, die Luft war feucht, und der Nachtnebel fisserte ein wenig.

Da hob sich zwischen den Tannen von Friedensrichter Wagners Garten ein Lichtschein in die Höhe und fiel aufs Feld hinaus. Sie blickten beide hin, und es war ein erlösender Augenblick für sie beide. Es ist so: das weite Feld macht still. Es ist, als ob sich alle Gedanken und Worte darin verlören. Was einmal auseinander geraten, das findet sich nicht mehr zusammen. Anders im Hause. Zwischen den vier Wänden bekommt alles seinen Widerhall, da entweicht nichts; da ist aber auch das Schweigen nicht auszuhalten. Und nun dachten sie wohl an des Friedensrichters Haus hinter den Tannen – und sie merkten, daß sie voreinander stille waren, und daß es weit zwischen ihnen geworden war, fast zu weit zum Zusammenfinden.

»Dorth!« bat der Jörg-Adam.

»Jörg-Adam?« fragte mit halber Schnippischkeit, aber doch gutmütig, die Dorth zurück.

»Na, sag, soll es so zwischen uns bleiben?«

Der Dorth war es wunderlich, daß der Jörg-Adam so weich sein konnte. Das reizte sie.

»Naja!« sagte sie.

»Du willst's?«

»Ach, sei doch nit so. Du bist ja wie ein Krüppel am Weg.«

»Aber Dorth!«

»Ich sag dir doch, sei nit so. Und warum? Es ist nichts zwischen uns, so nit und so nit. Nein –« Sie redete sich nun in einen Widerspruch und eine Halsstarrigkeit hinein – »es ist nichts zwischen uns. Wir haben kein Verhältnis miteinander, und ich will machen, was ich will, und ich will keine Vorschriften gemacht haben, und ich will keine Vorwürfe gemacht haben. Was die Leut sagen was gehn mich die Leut an! Und was gehst du mich an, und was geht mich der Schullehrer an! Ihr geht mich all gar nichts an – und du kannst machen, was du willst, kannst hingehen, wohin du willst – ich hab nichts mit dir. Nein, grad nit – und grad, wenn du mir so kommst! Kegel du – ich tanz – das ist mein Sach – und das andere ist dein Sach!«

Ihr rheinhessisch Temperament war nun richtig mit ihr durchgegangen.

Den Jörg-Adam hatte es rot überlaufen im ganzen Gesicht, so daß es ihm wohltat, wie ihm der Nebel auf die Wangen rieselte. Er hatte auch seinen Stolz. Was ihr einfiel! Wenn ihm das ein Mann täte, ihn so ganz und gar nicht estimieren, tät er ihn Mores lehren. Und die Dorth sollte ihn so gering achten dürfen und sollt's ihm auch noch ins Gesicht sagen dürfen?

»Ich brauch doch dir nit nachzulaufen«, hub sie wieder an, »ich brauch kei'm Menschen nachzulaufen. Was du dir einbildest! Hab ich mich dir versprochen? Hab ich dir gesagt, ob ich dich will? Ich will dir sagen: ich will dich gar nit! So, daß du's weißt, – weil du mir doch Vorschriften machen willst. Ich bin auch nit von Fuchsdreck, brauchst dir gar nit einzubilden.« Der Jörg-Adam zügelte seinen Zorn.

»Ist das gesagt zwischen uns?«

»Das ist gesagt, natürlich.«

»Spielst du mit mir?«

»Spielen?«

»Ist das dein Ernst?«

»Mein heiliger Ernst.«

Da richtete er sich auf. Er war jetzt noch einen Kopf größer als sonst.

»Dann ist's gut«, sagte er.

Einen kleinen Augenblick stand er gerade und aufgerichtet. Er hielt den Atem an und bohrte die Augen auf die Dorth, die ganz zaghaft, aber ohne sich's in ihrer Haltung merken zu lassen, ein paar kleine Schrittchen weiter ging.

Dann drehte er sich um und ging. Und nun war's, obschon er auf der Straße ging, als klirrte etwas mit, als hätt er auch hier seine Sporen an, genau wie wenn die Fenster klirrten, wenn er durch die Stube ging.

Die Dorth blieb stehen, sah ihm nach.

Nun wurde ihr erst klar, was geschehen war.

Sie folgte ihm langsam. Langsam, als ob sie erwartete, daß er stehen bliebe, daß er zurückkomme.

Aber er tat's nicht. Er entfernte sich immer mehr vor ihr, immer mehr nach dem Dunkel des Dorfes zu.

Sollte sie ihn rufen? Nein, grad nicht! Er sollte haben, was er wollte.

Und sie ging ihm nach und verlangsamte ihre Schritte noch. Plötzlich schüttelte sie's. Sie nahm ihre Schürze auf und weinte hinein. Sie weinte heiß und krampfhaft – und sie meinte, es sei lauter Zorn, daß sie weine. Warum sang sie nicht lieber? Warum fand sie nicht böse und heftige Worte? Sie schluchzte immer wieder – und ganz müde und geschlagen kam sie daheim an.

 

Als der Nikolaustag herum war, war die Weihnachtsstimmung im Dorf. Alle Leute hatten Heimlichkeiten, und die Kinder waren fürchtig. Die Burschen durften zu gewissen Stunden des Abends nicht in die Stuben kommen oder wurden mit allerhand Kniffen ins Wirtshaus abgeschoben, weil die Mädchen beisammen saßen und Weihnachtssachen arbeiteten. Und die Kleinen mußten früh ins Bett, weil die Mutter »Guts« backte, Anisgebackenes und Buttergebackenes, in manchen Häusern auch damals schon Zimtwaffeln und Makronen und anderes Schnuckelzeug, das später immer mehr in Aufnahme gekommen ist, weil die Mäuler immer feiner geworden sind, die Weiber aber meinten, sie seien hinter ihrer Zeit zurück, wenn sie nicht so geschickt wie die Zuckerbäcker und so naschmäulich wie die Kinder wären. Die Weiber –

Hier hielt der alte Golderjahn wieder inne und kratzte sich hinter den Ohren, aber dann schrieb er den Satz doch fertig: Die Weiber sind überhaupt das Elend in der Welt, die Menschen hätten gerade so gut auch auf Bäumen wachsen können, und der liebe Gott hätte sich's ersparen können, die Eva zu schaffen. Aber da er's nun einmal getan hat – und da er's auch kaum mehr korrigieren wird – so müssen wir armen Männer uns eben mit den Weibern abfinden. Leicht ist's nicht – der eine bekommt eine Glatze davon, der andere einen krummen Buckel, manch einer mußte sogar seine Hosen ausziehen, weil die geliebte Gattin sie anziehen wollte, und die meisten, – ich wage zu sagen: die meisten! – laufen überhaupt als fünftes Rad am Wagen durch die Welt. Dies ist der Punkt, wo mein Zorn mein Trost wird.

Als der Golderjahn das geschrieben hatte, wollte er's rasch wieder durchstreichen, aber im selben Augenblick riß ihm der Spalt von seinem Gänsekiel durch, und er mußte mit dem Federschneiden beginnen. So blieb der Verräter stehen. Er fuhr dann fort, als seine Feder wieder in Ordnung war:

Die Dorth war eine echte Evastochter und hatte also den Teufel im Leibe. Es geschah ihr ganz recht, daß sie litt. Sie lag nachts stundenlang wach, und wenn sie einer gefragt hätte, was sie gedacht habe in der langen, wertvollen Zeit, die sonst die Menschen mit Nichtstun vergeuden, sie hätte es nicht zu sagen gewußt. Sie wußte es selbst nicht, was sie dachte. Aber es quälten sie Gedanken. Ungewisse und schwere Gedanken, die sich wie Blei auf sie legten.

In der Nähe der Herzgrube rutschten sie dann alle zusammen zu einem schweren Klumpen und drückten da wie der Ölberg. Wahrhaftig, es war ihr, als tät der ganze Ölberg auf ihr liegen. Am liebsten hätte sie geheult. Aber obgleich sie sich jeden Abend ein frisches Sacktuch unter das Kopfkissen legte, die Tränen kamen nicht. Sie schnipperte manchmal und wollte sie damit hervorlocken, sie taten ihr aber absolut nicht den Gefallen. Sie staken irgendwo fest, wie Schrotkörner in einem Hasenknochen – und seit dem Abend im Mühlweg wollten sie nicht mehr aus ihren Kapseln heraustreten. Nur das wurde der Dorth so schummerig klar, daß es wegen dem Jörg-Adam sei, daß sie etwas die Nächte lang quälte.

Am Tage dachte sie nicht daran. Da war die Arbeit, da war das Kommen und Gehen der Gäste, da war der Schnee auf den Feldern und die rote Wintersonne am Himmel, na ja, da war ihr Herz wie ein Taubenschlag, grün angestrichen und mit einem offenen Falltürchen, das sie nie zufallen ließ, weil sie nicht drin behalten wollte, was hineingeflogen war. Wozu auch! Und nachmittags kam der Lehrer. Um drei Uhr war die Schule aus. Um vier strich er schon in einem weiten Bogen ums Haus herum. Er tat immer, als suche er was da draußen. Als ob man's nicht merkte! Veilchen blühten jetzt nicht, Äpfel von den Bäumen stehlen konnte man auch nicht, und um sich darüber lange Gedanken zu machen, daß der Schnee weiß ist und nicht schwarz, und daß es Schnee und nicht Streuzucker ist, dafür brauchte man nicht extra lange stehen zu bleiben und ein Gesicht zu machen wie ein Schwartenmagen, dem der Hund den einen Zipfel abgebissen hat. Mein Gott! So ein Schullehrer ist der geborene Wichtigtuer. Der kann sich nicht mal einen Hosenknopf zumachen, ohne dabei ein Gesicht zu schneiden, als wär er der liebe Gott am ersten Schöpfungstage und wüßt selbst noch nicht, was aus dem ganzen Kram werden sollt. Na, und so ging er denn einen Kreis nach dem anderen, wie ein Hase, der in sein Nest will, bis er richtig auch den letzten Hupfer tat und in die »schöne Aussicht« eintrat.

Er trank nur einen halben Schoppen Neuen, und wenn auch die Dorth regelmäßig sagte: »Auf einem Bein heimgehen, Herr Lehrer?« – er bestellte doch den zweiten nicht und sagte:

»Danke schön, Fräulein Rosenzweig. Es würde zu viel für mich. Ich muß nämlich noch arbeiten. Wissen Sie, unsereiner muß sich doch immer auf dem Laufenden halten und muß für seine Weiterbildung sorgen.«

»Was wollen Sie denn noch weiter bilden!«

»Was ich gelernt habe.«

»Und haben Sie nicht schon genug gelernt, Herr Lehrer?«

»Man hat nie genug gelernt.«

»Jesses, das möcht ich nit. Da muß man ja einen Kopf kriegen wie ein Simmer so dick. Dumm war ich in der Schul nit, aber zu viel lernen halt ich doch für ungesund.«

Der Vetterlein lächelte.

»Da müssen Sie gewiß viele Bücher haben?« fragte die Dorth.

»Eine ganze Wand voll, es geht.«

»Und immer lesen?«

»Das macht doch Freude, Fräulein Rosenzweig.«

»O mein! Gehn Sie mir! Sonntags das ›Kreuzermagazin‹, daran hab ich grad genug. Zu viel lesen tat verrückt machen, sagt mein Vater immer. Gelt, drum haben auch die Lehrer all so was da oben im Oberstübchen, was nit so ganz richtig ist?«

Sie errötete selbst ein wenig, als sie das gesagt hatte.

Der Vetterlein lächelte wieder – und in diesem halb belustigten, halb mitleidigen Lächeln wurde sein Gesicht wie lauter Güte. Und das machte ihn ordentlich schön. Die harten Knochen und die Döllen in den Backen schienen verschwunden, die braunen Augen lagen so weich in ihren Höhlen, halb beschattet von den langen Wimpern, und das Licht, das in ihnen war, es war nicht scharf, sondern war nur ein Schein, mild und gedämpft, und der Mund öffnete sich ein klein wenig, so daß ein dunkler Strich zwischen den vollen, aber nicht sehr roten Lippen erschien. Die Dorth, ohne sich's selbst klar zu machen, sah das alles, und es war fast, als werde auch in ihr etwas gut, als dämpfe sich ihr Übermut ein wenig ab, das Lachen hatte sie immer weniger zu verbeißen, beinahe gefiel ihr der Lehrer – denn so komisch er war, wenn er seine Hasenkreise ums Haus machte, und gar, wenn man an sein Tanzen dachte, dann mußte man ihn fast lieb haben. Denn so tanzte keiner mehr in der Gegend, denn so viel Gefühl hatte keiner mehr – hier fiel der Dorth der Jörg-Adam ein – und Gefühl ist doch das erste, was ein rheinhessisch Mädchen verlangt.

Der Vetterlein hatte, nachdem sich das Lächeln in seinem Gesicht verloren hatte, seine langen, schmalen Finger ein wenig betrachtet, hatte sogar noch an ihnen herumgerupft, als wollte er sie noch länger machen, und dann, sich ein wenig aus seiner Brust hebend, in die er eingesunken war, sagte er mit einem ganz freien und offenen Lächeln, das so hell in seinem Gesichte stand wie ein Licht auf dem Christbaum:

»Fräulein Rosenzweig – Sie können recht haben, wenn man das, was Sie uns Lehrern angehängt haben, nur richtig auffaßt. Denn dann ist's auch gar nicht so schlimm, wie es klingt, wie ja überhaupt die Dinge, die am schlimmsten klingen, nicht die schlimmsten sind. Sagen wir, es kommt halt von unserem Beruf her, das mit dem Oberstübchen. Aber sehen Sie, das ist in jedem Beruf so, nur daß die Leute sonst nicht so rasch ans Oberstübchen denken. Sie sehen auch einem Schreiber den Schreiber, einem Schneider den Schneider an, und die Art von einem Metzger ist eine andere als die von einem Schuhmacher, die Menschen werden halt so, wie ihr Beruf sie macht, die einen erscheinen ein bißchen lächerlich und verdreht, die andern ein bißchen zimperlich und springerisch, die anderen wieder mehr grob und ungeschlacht – und so jeder auf seine Art. Aber bei allen kommt's darauf gar nicht an – wie's auch bei den Menschen nicht auf die Kleider ankommt – sondern es kommt auf den Menschen selbst an. Der Mensch, der in den Kleidern drin steckt, der ist das Eigentliche. Ich weiß, uns macht der Beruf ein wenig lächerlich – das hängt mit mancherlei zusammen – und wenn ich von mir reden soll, bei mir wird's halt noch ein bißchen unterstrichen durch den Mangel an Beleibtheit und den Überschuß an Länge – hier errötete er doch ein kleines bißchen – aber sehen Sie, wenn man das doch selbst weiß und sich auch keine Mühe gibt, vor den Leuten etwas zu verbergen, was man nun halt einmal doch sieht, ich meine, dann muß sich's von selbst aufheben. Es verwächst gewissermaßen mit einem und wird einem seine Art, an die sich die Leute gewöhnen müssen und die sie hinnehmen müssen, wie sie ist. Könnten Sie das nicht auch finden, Fräulein Rosenzweig?«

Er hätte noch weiter und immer weiter so plaudern können. Es gefiel ihr zu gut. Und wie er das von sich gesagt hatte, da hatte sich ihr Herz geregt, ihr gut rheinhessisch-sentimentalisch süddeutsch Mädchenherz, und hätte ihn gerade umhalsen mögen, so gut war das gewesen, und so herzig hatte es geklungen. Es war, als ob man ihn nehmen sollte wie ein Kind und immer für ihn sorgen sollte, ihn behüten und betreuen, daß nur kein Lüftchen an ihn käm und daß ihm nichts passieren könnt. Er kam ihr recht wie ein zart und gebrechlich Gefäß vor, das man mit Vorsicht anfassen mußte. Was für ein anderer Kerl, was für ein männlicher Mann war da der Jörg-Adam dagegen! Nicht einmal gut sein brauchte man zu dem, im Gegenteil, fest anfassen mußte man den, so wie sie's mit ihm getan hatte. War der zum Kommandieren gemacht – gut, war sie nicht zum Kommandierenlassen die geeignete Person. Basta!

Die Nächte beruhigten sich der Dorth nach und nach – das Gespräch mit dem Vetterlein wurde ihr immer lieber. Am Morgen dachte sie schon an den Nachmittag, und war der Nachmittag herum, so dachte sie schon darüber nach, was sie folgenden Tags mit dem Schullehrer bereden wollte, und sie fing auch bald an, sich's fein auszudenken, wie sie fein die Worte wählen wollte, damit er Gefallen daran finde.

In der ersten Zeit nach dem Disput mit dem Jörg-Adam hatte sie sich mit dem Gedanken getragen, ihm ein paar Hosenträger zu Weihnachten zu sticken, damit er wieder gut sein sollte und es nicht so Knall und Fall aus sei mit der Freundschaft. Aber nun schlief das so langsam in ihr ein. Es vergaß sich im Gespräch mit dem Schullehrer und in den Gedanken an diese Gespräche – und schließlich ließ sich der Jörg-Adam ja auch nicht sehen, und ihn um Gott's willen zum Gutsein zu bewegen, das brauchte sie auch nicht. Es hatte sie auch kein Esel aus der Wand geschlagen.

Und dann war's am vierten Advent. Da war das große Preiskegeln in der »schönen Aussicht«. Jedes Jahr hatte sich an diesem Sonntag der Jörg-Adam einen Preis geholt, auch in der Zeit, als er freiwillig bei den Chevaulegers gedient hatte – meist den ersten. Dieses Jahr würde er sich gewiß die eingelegte Schatulle holen, die der Hann-Adam Faust extra fürs Preiskegeln angefertigt hatte, und die ihre fünfzig Gulden unter Brüdern wert sein sollte, so geschickt war sie gemacht.

Die Kegelbahn war mittags schon gestopft voll. Wer nicht mitkegelte, wollte wenigstens zuschauen. In der Wirtsstube drin war es leer.

Die Dorth streckte mal den Kopf zur Kegelbahn herein, guckte sich rasch um und ging wieder. Der Jörg-Adam war noch nicht da. Ob er nicht kam?

Das beunruhigte die Dorth doch ein bißchen – und sie war drin beim Servieren nicht so recht bei der Hand und im Antwortgeben nicht so schlagfertig. Sie war viel eher zerstreut und abwesend und mußte sich sogar deshalb necken lassen. Aber sie verstand keinen Spaß heute, sie nahm Worte krumm, über die sie sonst hell aufgelacht hätte. Dann stand sie schmollend hinter der Einschenke, und immer mit ihren Gedanken ein bißchen wo anders. Der Jörg-Adam kam endlich kurz vor Eröffnung des Preiskegelns.

Drinnen in der Stube saßen ein paar fremde Gäste, das Louischen von Saulheim, der die Ferkel beschnitt, und der Hehlermatthes von Klein-Winternheim, der Ferkel verkaufte und immer schlechte Geschichten verzählte. Sie hatten beide schon ein bißchen im Hirn, und als noch der Niebergall, Pferdehändler von Alzey, dazukam, wurde so rasch getrunken, daß das Louischen bald nicht mehr deutlich sprechen konnte und der Hehlermatthes immer nur lächelte und »Prost« sagte. Denn der Niebergall, der die beiden häufig genug zum Geschäftemachen brauchte und sie als gute Vermittler schätzte, ließ etwas »laufen«. Es war gut, sie gut Freund zu behalten, denn sie konnten ihm mit »Kalfjesmachen« viel schaden.

Ihnen im Rücken, an dem Tisch mit den gedrehten Beinen, saß, wie gewöhnlich, der Vetterlein. Sein Glas hatte einen feuchten Ring gelassen auf der Tischplatte, und er beschäftigte sich damit, den mit dem Zeigefinger auszumalen. Er machte aus dem Ring einen Schmetterling, dann aus dem Schmetterling einen Tannenbaum – und schließlich, wie er alles ineinanderstrich, wurde aus dem Tannenbaum eine unförmliche Leberwurst mit dicken Falten, leicht gebogen, und zwei großen Zipfeln, an denen man ein Kalb hätte aufhängen können.

Da kam nun gerade die Dorth und stellte sich an den Tisch. Er fürchtete, sie sähe nach seiner Zeichnung, drum strich er sie mit der flachen Hand weg, so daß die Dorth sich verpflichtet fühlte, als gute Wirtstochter rasch hinzulaufen an die Einschenke und das Abtrockentuch zu holen, das da am Wandbrett hing. Und als sie das besorgt hatte, knüllte sie das Tuch in der rechten Faust zusammen, stützte sie in die Seite und lehnte sich mit der Linken an den Tisch, dem Vetterlein so halb schief zugewendet. Sie plauderten zusammen, in der halbleisen Art, wie sie sich mit der Zeit gewöhnt hatten, und mit der Vertraulichkeit, die die Gewohnheit bald mit sich gebracht hatte.

Die drei am Tisch gegenüber lärmten. Von der Kegelbahn hörte man Rufe. Da wurde die Tür aufgerissen, und der Jörg-Adam sah herein.

»Aha!« sagte er.

Sonst nichts. Dann warf er heftig die Tür zu und war verschwunden.

Das Louischen hatte gerade ein wenig geduselt. Beim Schlag der Tür fuhr er auf und knuschelte was vor sich hin. Der Hehlermatthes sagte: »Prost! Prost!« – und der Niebergall, der jetzt überzeugt war, daß die beiden genug hatten, stand auf, machte einen Bückling und höhnte: »Empfehl mich, meine Herren!«

Er ging hin zur Dorth und beglich die ganze Zeche, ja, noch einen Schoppen für jeden drüber, wenn die beiden noch einen trinken wollten, denn mag der Rheinhesse auch ein Schelm sein, ist er doch generös. Und darauf ist er sogar stolz. Er ist ein Weltmann. Er verachtet den, der's nicht ist, und nennt ihn einen »Bauer«. Das war der Niebergall nicht. Beim Pferdehandel – jawohl, da hieß es: Augen auf oder den Beutel! Aber am Wirtstisch, das tat er nicht anders, immer: Beutel auf!

Die Dorth nahm gedankenlos das Geld. Die Glieder zitterten ihr.

Sie versuchte, mehr als gute Wirtstochter als aus Bedürfnis, noch ein Gespräch mit dem Vetterlein. Aber es gelang nicht. So ließ sie ihn, machte sich hinter der Einschenke zu schaffen und verschwand dann. Der Vetterlein saß allein. Er begann wieder neue Zeichnungen auf der Tischplatte, denn sein Glas hatte einen neuen Ring gelassen.

Die Dorth kam nicht wieder. Sie hatte sich auf ihr Stübchen geschlichen, um sich da von ihrem Schrecken zu erholen. Sie saß auf ihrem Bette und starrte in ein Loch. Dann warf sie sich auf die Kissen und weinte. Zum ersten Male wieder. Aber es machte ihr nicht leicht. Es wurde ihr nur immer weicher und jämmerlicher davon. Schließlich fühlte sie sich so elend, daß sie nicht aufstehen konnte.

Auf der Kegelbahn lärmte es. Der Jörg-Adam warf heute nicht gut. Er trank auch viel mehr als sonst. Man begriff nicht, was er hatte.

»Hast heut Pech, Jörg-Adam.«

»Ja, kommt vor!«

Und dann mit lachendem Übermut:

»Man muß anderen Leut auch ihr Teil zukommen lassen – und was man nit kriegen kann, das soll man nit wollen. Pfeif drauf! Prost!«

Na ja, das war hinzunehmen.

»Wo ist denn die Dorth heut?« fragte jemand.

Erst blieb's still. Dann fuhr es laut dem Jörg-Adam heraus:

»Die ist zu vornehm für die Kegelbahn. Und die tanzt lieber. Hahahahahahaha. Die habt Ihr Euch fein gezogen, Rosenzweig.«

Man lachte. Aber der alte Rosenzweig hatte so sehr alle Hände voll zu tun, daß er nicht weiter drauf hörte, was der Jörg-Adam sagte – und außerdem, es mußte doch auch jemand drin in der Wirtsstube sein.

Das Preiskegeln ging so aus, daß der Jean Surri, der schwächliche Notariatsschreiber, den ersten Preis, die Schatulle, bekam, der Jörg-Adam aber den dritten, die Gans. Es gab ein Hallo, als sein Name gerufen wurde, und dieses Hallo war nicht ohne Spott. Er hörte das heraus. Eine ungeheure Wut packte ihn. Er hätte sich auf die Leute stürzen und sie klein schlagen mögen. Aber er behielt sich in der Gewalt.

»Verdammtes Weibsbild!« knirschte er vor sich hin. Man übergab ihm die Gans. Sie war noch lebend, an den Beinen und Flügeln mit Stroh zusammengebunden. Sein Zorn wuchs nur, als er sie in der Hand hielt. Es war übrigens eine schwere Gans. Ein Gedanke schoß ihm durch den Kopf – wie er seine Wut auslassen könnte. Ein Moment – in der Vorstellung der Ausführung mischten sich Zorn und Übermut. Er tat's. Und nun war's ein richtiger, grimmiger Übermut, als er's tat.

Ganz stark im Dialekt, der sonst gar nicht so sehr seine Art war, rief er: »Wer fängt, der hot!«

Mit einem weiten Schwung warf er die Gans über die Köpfe der Leute. Sie schrie und ließ aus Angst etwas fallen, das warm auf einen bloßen Kopf fiel. Viele Hände streckten sich ihr entgegen, denn obgleich man zuerst überrascht und stutzig gewesen war, hatte man doch rasch begriffen und suchte das Vieh in die Hände zu kriegen.

Der Jörg-Adam guckte gar nicht, wer sie bekam. Irgendjemand.

»Wird hier gebraten, nit mit heim nehmen!« riefen ein paar Stimmen.

Die Generosität war gefordert – es hieß, sich nicht lumpen lassen und nicht knickern.

Die Gans sollte am zweiten Weihnachtstage in der »schönen Aussicht« gegessen werden. Aber eine war zu wenig. Es bildete sich sofort eine kleine Gesellschaft, und privatim wurden zum gleichen Zweck noch drei Gänse ausgekegelt.

»So«, dachte der Jörg-Adam, »hat sie ihr Christkindchen. Kann sie morgen Gänse rupfen, statt mit dem Steckenreiter zu poussieren.«

Er drückte sich auf französisch, überwand sich auch, noch mal durchs Fenster in die Wirtsstube zu gucken, rieb sich vergnügt die Hände wegen des Christkindchens, das er der Dorth eingebrockt hatte, und stachetelte ins Dorf hinein. Niemand hätte ihn jetzt am Tritt gekannt, so unbestimmt war der. Auf einmal packte ihn aber wieder die Wut, die doppelte, wegen der Dorth und wegen dem Kegeln, woran sie ja auch Schuld hatte, und der Boden dröhnte wieder unter seinen Tritten. Die Knechte in Kretzers Hof, die schon zu Hause waren, guckten rasch noch einmal in die Ställe, als sie den Verwalter so scharf über den Hof gehen hörten. Gnade dem, der's heute an was hatte fehlen lassen, wenn er noch revidierte! Und wenn der Verwalter einen solchen Tritt hatte, revidierte er immer noch mal, darauf konnte man Gift nehmen.


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