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Vorwort

Als mich der Verlag, in dem das vorliegende Bändchen in der 1. Auflage erschienen ist, aufforderte, für die von ihm herausgegebene Sammlung ein Bändchen über den Alkoholismus zu verfassen, war meine erste Regung die, den Antrag abzulehnen und von der Aufnahme einer Arbeit über diesen Gegenstand abzuraten. Denn wozu die mehr als genügend große Zahl von guten und minderguten Werken, Schriften und Schriftchen über einen Gegenstand, der in den letzten Jahren so oft und ausführlich, so leidenschaftlich und gelehrt behandelt worden ist, noch vermehren? Kann nicht jeder, der sich über diesen Zweig des Wissens unterrichten will, je nach Bildung, Beruf und Gesinnung aus so vielen ergiebigen und vorzüglichen Quellen Zur Belehrung über die Alkoholfrage empfehle ich folgende Schriften: Bergmann-Kraut, Geschichte der Antialkoholbestrebungen; von Bunge, Die Alkoholfrage; Delbrück, Hygiene des Alkoholismus; Forel, Hygiene der Nerven und des Geistes; von Gruber, Hygiene des Ich; Hoppe, Die Tatsachen über den Alkohol; Helenius, Die Alkoholfrage; Pfleiderer, Bilderatlas zur Alkoholfrage; Rosenfeld, Der Einfluß des Alkohols auf den Organismus. schöpfen, daß es wirklich Eulen nach Athen tragen hieße, noch einmal zu sagen, was besser als es schon geschehen, doch nicht mehr gesagt werden kann? Dann aber überlegte ich mir den Vorschlag noch einmal. Eine Sammlung von Reformschriften will der Verlag herausgeben, so wurde mir geschrieben: darf in dieser Sammlung das allerwichtigste Reformgebiet, darf die Krone aller Erneuerungen, die Umformung der Trinksitten, fehlen? Wäre es nicht eine Lücke, die das ganze Werk zu einem Bruchstück machen müßte? Darf denn die Veröffentlichung gerade dieses Bändchens auch nur verschoben werden, muß es nicht vielmehr eines der allerersten sein, um dadurch zu betonen, welch hervorragenden Platz unter den Reformen die Ausrottung der betäubenden Genüsse einnimmt?

Daß schon viel über die Frage geschrieben wurde, ist wahr; ebenso richtig ist es aber, daß noch lange nicht genug über sie gelesen wird und es heute noch unzählige Menschen aller Stände und Klassen, auch der mit mehr oder weniger Recht sich zu den »Gebildeten« zählenden, gibt, die über Trinksitte und Enthaltsamkeit schlecht oder gar nicht unterrichtet sind. Müssen wir darum nicht jeden Weg willkommen heißen, der sich uns zu den Geistern und Gemütern des Volkes darbietet? Dürfen wir zögern, ein Anerbieten des Verlages anzunehmen, der seine Bändchen gewiß unter das Publikum zu bringen wissen wird, von dem der größte Teil über die Absichten und Bestrebungen der Enthaltsamkeitsbewegung nicht unterrichtet ist?

Diese Überlegungen trugen den Sieg davon; ich sagte zu. Es widerstrebte mir aber, die zahllosen Beweise, die für die Schädlichkeit des Alkoholgenusses zusammengetragen worden sind, noch einmal aufzuzählen, alle die Zahlen, Statistiken, Tafeln, Krankheitsgeschichten aufs neue mitzuteilen, Untersuchungsprotokolle abzuschreiben und Autoritäten zu zitieren: ich fühle mich zu schwach, um das besser zu machen als es Delbrück, Hoppe, Helenius, Rosenfeld und so viele andere in ihren vortrefflichen Arbeiten bereits getan haben, die ich jedem wärmstens empfehle, der sich über diese Dinge näher unterrichten will. Wohl aber fühlte ich das Bedürfnis und die Begeisterung in mir, die Anschauungen und Gefühle eines »fanatischen« Abstinenten, zu denen mich die Gegner mit einigem Rechte zählen, darlegen, die wissenschaftlichen, ethischen und sozialen Grundlagen der Enthaltsamkeitsbewegung mit der Überzeugungstreue eines unnachgiebigen Hassers aller Rauschgetränke und der Sachkenntnis eines in der Fachliteratur einigermaßen vertrauten und den treibenden Kräften der modernen Antialkoholbewegung nahestehenden Beobachters schildern zu können. Das habe ich nach bestem Wissen und Gewissen zu tun versucht; meine Freunde und Kampfgenossen werden daher in dem Büchlein kaum etwas Neues, aber wohl auch kaum Anlaß zu Widerspruch finden, vielleicht erweist es sich ihnen brauchbar, Feinde und Zweifler zu weniger voreingenommenen Ansichten zu bekehren. Die große Zahl Derer aber, die so eifrig und selbstbewußt über die Enthaltsamkeitsbewegung den Stab brechen, ohne ihre Grundsätze, Beweggründe und Arbeitsweisen zu kennen, möge diesem Bändchen entnehmen, wie ein aufrechter Bekenner dieser Lehre, kein ausgedienter Säufer übrigens, was ich zur Vermeidung von Mißverständnissen feststellen möchte, fühlt, denkt und handelt; vielleicht urteilen sie dann gerechter über uns.

Pirkenhammer bei Karlsbad, Ende März 1912.

Dr. med. Arnold Holitscher.

 

Vorwort zur 2. Auflage

Das Büchlein hat freundliche Aufnahme gefunden und wurde manchen lobenden Wortes wert gehalten; Ausstellungen am Inhalte sind fast keine gemacht worden, darum glaubte ich auch keine fachlichen Veränderungen vornehmen zu sollen.

Hingegen wurde gegen die Arbeit mit Recht der Vorwurf erhoben, daß sie sehr viele überflüssige Fremdworte enthalte, wodurch die Gemeinverständlichkeit leide und der Sprachgeist beleidigt werde. Darum habe ich mich bei Vorbereitung der 2. Auflage bemüht, alle durch gleichsinnige deutsche Worte ersetzbaren Fremdworte auszumerzen; sonst wurden nur kleine stilistische Aenderungen vorgenommen und einige Irrtümer verbessert.

Pirkenhammer bei Karlsbad, im Mai 1914.

Dr. Holitscher


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