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Es war natürlich ein Unding, das Geschäft in Potsdam zu führen, ein Anachronismus, das wußte Heinrich Schön so gut wie Eduard Schön. Das war damals vor fünfzig Jahren gut gewesen, wo alles hierherkam, wo Schön & Co. nur mit dem Inland arbeiteten und Berlin noch nicht soviel bedeutete.

Heute war die ganze Manufaktur und der Seidenhandel längst auf Berlin übergegangen. Und in Wahrheit war ja auch das Berliner Geschäft von Samuel Schön & Co. in der Königstraße für den Verkauf weit wichtiger geworden als das Stammhaus. Sie hatten dort unter Degebrot ein paar sichere Leute sitzen, hielten dort Muster und etwas Lager; und abwechselnd sahen Eduard Schön, Heinrich und Müllner mal nach dem Rechten, blieben wohl auch gleich mehrere Tage drüben, wenn Not am Mann war. Einzig dem Umstand, daß sie in Potsdam etwas billiger fabrizieren konnten und daß ihre Weber und Meister durch Überlieferung auf schwere Qualitäten eingearbeitet waren, die man in Berlin, im Vogtland, vor dem Prenzlauer Tor nicht herstellte und die Preise hielten – einzig dem Umstand verdankten sie es, daß sich diese doppelte Geschäftsführung noch bezahlt machte.

Und jetzt waren sie ja auch noch in die Firma von Samuel Arnstein, der in der Klosterstraße einen offenen Laden hielt, als stille Sozietäre mit hineingegangen, so daß es noch weit mehr drüben in Berlin zu tun gab als hier in Potsdam und sich manches von Berlin aus hätte viel leichter erledigen lassen als von Potsdam aus, und oft umständliche Briefe geschrieben werden mußten, wo zwei, drei Worte genügt hätten. Aber trotzdem – sie mochten sich nicht von ihrem Haus am Kanal trennen, das sie nun schon in der dritten Generation an dieser Stelle führten. Sie waren hier verwurzelt, und sie hatten auch viel zuviel Grund und Boden in Potsdam, die Schöns, um so einfach von hier fort zu können. Und dann schließlich – erstens und letztens – in Potsdam waren sie eben die »reichen« Schöns, jedem gleich; und drüben, in Berlin, wären sie nur irgendeine Firma wie andere auch gewesen – und nicht einmal heute mehr unter den Ersten. Dazu gehörte jetzt mehr.

Und wenn nicht eben Heinrich Schön gewesen wäre, der neue Gedanken und neuen Wagemut aus Frankreich und England mitgebracht hatte und der den Vater mitgezogen hatte, so wäre gar nicht abzusehen gewesen, wo sie jetzt wären. Dann hätten sie vielleicht in einer Zeit wie dieser über kurz oder lang die Bude zumachen können, wie das eine Menge alter Geschäfte schon getan hatten. Nicht etwa, weil sie insolvent wurden, sondern weil sie nichts mehr verdienten, weil sie langsam, aber stetig begannen zuzusetzen. So aber waren doch Samuel Schön & Co. in den letzten Jahren wieder recht vorangekommen – und fingen an, von neuem in der ersten Reihe mitzuzählen.


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