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XXI.

Noch waren die böhmischen Truppen mächtig genug, um Prag zu behaupten und dem Feinde vom neuen eine Schlacht anzubieten. Aber König Friedrich gab alles verloren; er bat den Herzog Maximilian um einen Waffenstillstand. Dieser bewilligte ihm acht Stunden unter der Bedingung, daß er die böhmische Krone niederlege und das Land verlasse. Ein panischer Schrecken bemächtigte sich jetzt des Königs, der von nun an den Spottnamen »Winterkönig« erhielt, und seiner Leute. Er ließ, trotzdem ihm die Bürger Gut und Blut anboten, daß sie in Masse aufstehen wollten, daß Thurn noch Bataillone aufbrachte, das böhmische Archiv und die Reichskleinodien einpacken und begab sich auf die Altstadt, um mit dem anbrechenden Morgen Prag zu verlassen. Thurn als Oberfeldherr hätte die Krone gerettet, aber Anhalt und Hohenlohe hatten sie verspielt. Viertausend frische ungarische Truppen lagen bei Brandeis, Mansfeld stand dem Feinde im Rücken, es bedurfte nur eines kräftigen Willens; aber Anhalt rieth zur Flucht, indem er dem König vorspiegelte, die Böhmen würden ihn im Nothfall an den Kaiser ausliefern, um desto eher Vergebung ihrer Empörung zu erlangen. Friedrich floh eilig nach Breslau und vergaß in der Hast sogar die bereitgehaltenen Wagen mit den Kronschätzen und Kleinodien. Mit ihm gingen Anhalt, Hohenlohe, Thurn, Roupova, Bubna und mehrere der am meisten Compromittirten.

Die Prager öffneten, nachdem ihnen Maximilian versprochen, sie mit einer Plünderung zu verschonen, den Kaiserlichen die Thore, die Stände unterwarfen sich dem Kaiser und baten den Herzog von Bayern um seine Fürsprache. Der Herzog gab ihnen die Versicherung, es solle alles verziehen werden.

Aber es wurde nicht alles verziehen. Des Kaisers Beichtvater Lamormain drohte Ferdinand mit der Rache des Himmels, wenn er die Ketzer ungestraft lassen würde; Lohelius, Questenberg und die vertriebenen Jesuiten kehrten racheschnaubend zurück. Ferdinand decretirte im Namen Gottes und der heiligen Jungfrau und die Blutrichter kamen von Wien und brachten das Bluturtheil mit. Vergebens rieth Tilly, wohlgemerkt Tilly, der spätere grausame Zerstörer von Magdeburg, den böhmischen Edlen zur Flucht; sie waren wie mit Blindheit geschlagen, sie hofften auf Herzog Maximilian's Verheißung und auf des Kaisers Gnade, sie waren Besiegte, also keine Gegner mehr! Ferdinand war nie gewohnt, zu verzeihen.

In der Nacht vom 10. Februar wurden achtundvierzig der sogenannten Häupter der Empörung festgenommen und theils in den Gefängnissen der drei Prager Städte, theils in dem weißen Thurm untergebracht. Dreißig, welche sich geflüchtet hatten, wurden öffentlich aufgefordert, vor Gericht zu erscheinen. Den Grafen Schlik, welcher sich in das Voigtland begeben, lieferte schändlicherweise der Kurfürst von Sachsen aus.

Auf die Nachricht, daß auch Otto von Los, der unter König Friedrich die Stelle eines Unterkämmerers des Königreiches und eines Burggrafen von Karlstein bekleidet hatte, gefangen genommen worden sei, stürzte Walperga bleich und verstört in Slavata's Cabinet.

Wilhelm von Slavata war wieder Herrscher geworden, er triumphirte über seine Feinde, er hatte sich nicht verrechnet, ungebeugt erhob er das stolze Haupt.

»Oheim!« rief Walperga und sank zu seinen Füßen, »Otto schmachtet im weißen Thurm, Ihr müßt ihn erretten!«

»Daß ich ein Thor wäre,« versetzte giftig lächelnd Slavata, »die Stunde der Rache ist gekommen, wie ich ihm verkündet, als er nicht der Unserige werden wollte.«

»Bedenk' – was er für uns, für die Mutter gethan!«

»Er stand an jenem Tage der Schmach unter den Rebellen und wehrte ihrer Unbill nicht.«

»Und wodurch haben denn wir ihn verpflichtet, daß er uns jeglich Opfer bringe? Bedenkt, gnädiger Oheim, daß ihn Jaroslava liebt, daß sein Tod auch ihr Tod sein wird.«

»Freit er meine Nichte, so mußte er an jenem Tage sich für mich opfern und die nichtswürdige That nicht geschehen lassen. Besser, Jaroslava stirbt, als sie wird die Gattin eines Empörers, den die Acht des Kaisers getroffen.«

»So fleh' ich denn zu einem Herzen, das härter ist als der Marmor über einer Gruft.«

»Nicht gegen Dich, mein Kind! Ich weiß wohl, daß ich Dir meine Rettung danke, als die meuterische Rotte kam, nach meinem Blute lechzend; und ich will Dich auch belohnen. Sieh', ich bin nun wieder groß und mächtig und werde es bleiben. Unter den Edelsten des Landes sollst Du wählen, ich will Dich erhöhen, Du sollst meines Namens, meiner Schätze Erbin sein!«

»Rettet Otto!«

»Ich kann nicht, ich darf es nicht.«

Ein Gedanke durchflog Walperga's Seele; sie erfaßte ihn mit einer Hast, wie der Schiffbrüchige den Rettungsanker! »Dann lass't,« rief sie, »mich noch heute die Schwester entfernen, damit sie den Schreckenstag nicht sehe.«

»Thu', was Du willst; nur verlange nichts Unmögliches von mir!«

»Und dann gebt mir einen Freibrief, daß ich in Otto's Kerker dringe, daß ich ihn tröste, ihm Lebewohl sage. Dies fordere ich als einzigen Lohn für meine That.«

Slavata betrachtete das Mädchen mit forschenden Blicken; in ihrem Antlitz, so schien es ihm, leuchtete nur die Schwärmerei der Liebe, dann sagte er: »Es sei, doch versuch' es nicht, irgend ein Gaukelspiel zu treiben. Du haftest mit Deinem Haupte für das seinige!«

»Mit meinem Haupte!« wiederholte Walperga feierlich.

Slavata nahm die Feder und schrieb den Freipaß für den Gefangenwärter im Altstädter Rathhaus.

Walperga eilte zu ihrer Schwester. Das Mädchen saß schweigend und thränenlos da, die Wangen bleich, die Augen starr auf einen Punkt gerichtet, die Hände gefaltet, ein Bild des hoffnungslosen Schmerzes.

»Jaroslava!« sagte Walperga und faßte ihre Hand und rief sie zum Bewußtsein, »Du mußt schnell fort – sogleich, rüste Dich, nimm zwei sichere Diener mit – eile nach Pirna. Ich rette Otto, ich sende Dir ihn nach. Doch lass' kein unbesonnenes Wort, keinen Blick zum Verräther werden! Rasch – ermanne Dich!«

»O, meine Schwester! Ist es möglich?« rief Jaroslava aus.

»Ich schwöre es Dir; doch eile, eile! Morgen folgt Otto – ich habe einen geheimen Befehl zu seiner Freilassung, doch muß er fliehen. Ich sende ihn in Deine Arme. Was wir an Geld, Schmuck und Geschmeide haben, das nimmst Du mit. Hier fesselt Euch nichts mehr; in Sachsen könnt Ihr eine neue Heimat suchen.«

»Und Du, Schwester?«

»Ich – ich – ich folge Euch, seid Ihr nur erst gerettet. Matusch muß Otto geleiten.«

Jaroslava rüstete sich mit freudiger Hast zur Reise; sie nahm nur flüchtig Abschied vom Oheim; in der nächsten Stunde schon eilte ihr Wagen auf der Straße nach Schlan hin.

Als es Abend wurde, hüllte sich Walperga in schwarze Männertracht, warf darüber einen weiten Frauenmantel, drückte einen Federhut tief in die Stirn, band eine schwarze Maske vor und stieg in eine Sänfte; sie ließ sich nach der Altstadt tragen.

Am 17. Juni rückten sieben Schwadronen sächsischer Reiter in Prag ein, welche in alle drei Städte verlegt wurden, um das Volk im Zaume zu halten. Den 18. wurde eine vier Ellen hohe, zweiundzwanzig Schritt lange und ebenso breite Bühne an dem Altstädter Rathhause dergestalt aufgerichtet, daß man vom Balcon des Rathhauses über eine schmale Brücke darauf gelangen konnte. Den 19. wurden dreizehn Gefangene aus der Neustadt und zehn aus der Altstadt unter einer starken Bedeckung auf das Schloß gebracht; die übrigen, welche Herren- und Ritterstandes waren, führte man auch aus dem weißen Thurm an den bestimmten Ort, wo sie ihr Urtheil vernehmen sollten. Der Fürst von Liechtenstein, als kaiserlicher Commissarius war mit den kaiserlichen Räthen in der Reichshofrathsstube versammelt. Es waren dies die Herren Adam von Waldstein, Friedrich von Talenberg, Christoph Bratislav von Mitrovic, Wolfgang von Albenreit, nebst sieben Rechtsgelehrten. Die Gefangenen wurden einer nach dem anderen vorgelassen und vernahmen ihr Urtheil. Siebenundzwanzig wurden zum Tode verurtheilt, die Uebrigen erhielten minder strenge Strafe. Man führte sie in ihre Gefängnisse zurück; sie durften die Besuche ihrer Frauen, Kinder und Freunde annehmen, auch wurden die Priester ihrer Religion zu ihnen gelassen.

Am Morgen des 20. erschien eine große Menge der Frauen, Kinder und Verwandten der Verurtheilten unter herzzerreißendem Klagegeschrei vor der Wohnung des neuen Statthalters Liechtenstein; sie baten um Gnade für ihre Gatten, Väter und Verwandten. Sie wurden mit einer abschlägigen Antwort abgewiesen und von den Hellebardieren gewaltsam auseinander getrieben.

Gegen Abend bedeckte man das vor dem Altstädter Rathhaus aufgerichtete Schaffot mit schwarzem Tuche und die Verurtheilten Alle wurden in das Rathhaus der Altstadt gebracht.


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