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XIV.

Kaum hatte der neue König Prag verlassen, so kehrten Thurn und Fels, sowie die übrigen protestantischen Herren wieder dahin zurück und beriethen über die Haltung, welche sie nun zu beobachten hätten; denn sie erkannten ebenso richtig als angsterfüllt, daß einem Manne wie Ferdinand, trotz Eidschwur und Revers kein Vertrauen zu schenken sei.

Mathias Thurn traf im Schlosse mit Waldstein zusammen.

»Lange nicht gesehen!« rief er ihm entgegen, »hast Deine junge Ehe auf dem Lande gefeiert. Es war ein kluger Streich, Albrecht, diese Verheiratung. Ich wünsche Dir Glück. Jugend und Schönheit ist Träumerei; Deine Gattin hat Dich ungeheuer reich gemacht, und Reichthum ist vonnöthen in unserer Zeit, die anfängt wieder trüb zu werden. Wenn dieser Ferdinand nicht der Todesengel ist der böhmischen Freiheit, dann – dann haben mich auch meine Sterne belogen. Doch,« setzte er sich verbessernd und nicht ohne Bitterkeit hinzu – »Du bist ja äußerst gnädig aufgenommen von der spanisch-österreichischen Hoheit, von unserem neuen Herrscher. Nun, des Tigers Pfoten gleichen denen der Katze – weich und sanft wie diese, nur stecken stärkere Krallen darin – die können selbst einen Löwen zerreißen.«

»Ich habe Dir, glaube ich, schon einmal gesagt,« antwortete Waldstein, »daß ich die Pflicht der Dankbarkeit und ihre Uebung nie verlernen werde. Empfangt Ihr schon jetzt den neuen König mit Mißtrauen, so ist das für ihn keine Aufforderung zur Liebe. Frühzeitiger Widerstand, feindselige Absicht erbittert.«

»Die nächste Vergangenheit,« antwortete finster Thurn, »ist ein Buch, frisch aufgeschlagen, lesbar für jedermann: da drinnen steht sein Urtheil.«

»Was Ferdinand dort gethan, muß nothwendig nicht auch hier geschehen. Ihr habt seinen Revers und seinen Schwur.«

»Ja den Schwur, den er im Lande Steier aussprach, er wolle in seinem Lande den protestantischen Glauben vertilgen, oder eher Krone und Leben lassen. Was gedenkst Du zu thun – Albrecht? Bleibst Du bei uns?«

»Ich ziehe wahrscheinlich zu Ferdinand – er hat Händel mit den Venetianern Ungarns wegen. Der lange Müßiggang hier macht mich müde.«

»Bleibe lieber bei uns; es wird hier, däucht mich, bald viel zu thun geben. Die Wahrheit ist auf unserer Seite.«

»Was ist denn Wahrheit,« rief mit einem leisen Anflug von Spott Albrecht und faßte des Freundes Hand. »Jeder sieht sie mit seinen Augen an und braucht sie, wie sie ihm gefällt. Da habt Ihr das Geheimniß aller menschlichen Handlungen, die im Aufgebot der Wahrheit verübt werden. Die Göttin selbst in ihrer nackten Schönheit hat wohl noch kein unbefangen Menschenauge gesehen. Ihre Majestät würde unsere Sehkraft vielleicht auch blenden.«

»Auf der Seite der Deinigen,« versetzte Thurn bitter, »ist sie gewiß nicht dick zu Hause. Die Pfaffen verkaufen sie meines Wissens Euch nicht in Scheffeln. Das war nie Ihr Geschäft.« Er lachte laut auf und reichte Waldstein die Hand; sie trennten sich. –

In der Schenke an der Brückengasse saßen Hostal, der Kürschner und Kostelecky, der Bader.

»Wißt Ihr schon, Herr Gevatter,« sagte der Letztere, »daß sich die Pfaffen wieder breit machen und die Jesuiten die Uebermüthigen spielen? Der Abt von Braunau, Salander von Praschovic, hat die dortige Kirche der Protestanten zuschließen lassen, und der Erzbischof Lohelius jene in Grab sogar niederzureißen befohlen.«

»Ich habe es ja immer gesagt,« rief Hostal und schlug auf den Tisch, »es ist immer noch nicht schlimm genug, es kommt immer noch etwas schlimmeres nach. Das geht alles auf ein großes Elend los, dem wir doch einmal erliegen werden, so sehr sich auch unsere zähe Natur dagegen wehrt und sträubt. Von den Pfaffen kommt alles Unheil: Krieg, Feindschaft, Noth, Intoleranz, Verfolgung; ich glaube, wir haben ihnen auch die Pest zu verdanken.«

»Ja, das Beste kommt noch nach,« fuhr der Bader fort, »die Braunauer Evangelischen schicken Abgeordnete her an die königlichen Statthalter, und lassen sich über den Abt beschweren und berufen sich auf den Majestätsbrief und klagen über Verletzung der Toleranz. Die aber läßt der Herr von Slavata sofort ins Gefängniß schmeißen, indem er sagt, sie wären Rebellen und Aufsässige.«

»Das ist aber ja niederträchtig!« fuhr Hostal auf und schlug seinen Krugdeckel heftig zu.

»Aber wahr,« fiel Kostelecky ein; »weil wir uns alles gefallen lassen; die utraquistischen Herren Stände, so gerade in Prag, sind über diese Gewaltthätigkeit auch ungemein aufgebracht und haben auf nächsten Montag auch eine Versammlung im Carolin anberaumt und die königlichen Städte und die Prager dazu eingeladen, um sich wegen sothaner Eingriffe in die Religionsfreiheit zu berathen.«

Matusch trat in diesem Augenblicke grüßend ein; er sah finster und verstimmt aus. Die beiden Anwesenden reichten ihm die Hand.

»Es fehlt Euch etwas,« sagte der Bader, »ich seh' es Euch an. Ihr seid doch nicht krank? Kann ich helfen?«

»Krank nicht, was man so nennt,« versetzte Matusch, indem er Platz nahm und zum Kruge griff, mit welchem ihm Miklasch von draußen gefolgt war; »aber das Leben in Summa gefällt mir gar nicht mehr. Die Zeit ist alt geworden und das Herz wird's nachgerade auch und will doch von seiner Lieb' nicht lassen. Das giebt einen Zwiespalt, und ich seufz' dann oftmal, wenn nur alles mit einemmale schon vorüber wär'. – Freilich, die Guten Alle, an denen ich hänge in Treue und Freundschaft, wollt' ich, müßten erst glücklich versorgt sein, und dann könnt' ich in Frieden fahren. Es ist schlimm, wenn man gar keinen Trost mit hinübernimmt und das halbe Herz mit seinem Gram, sozusagen, auf der Welt zurückbleibt.«

»Das ist auch g'rad' mein Gedanke,« fiel der Kürschner ein, »das hab' ich immer gesagt; abfahren in Gottesnamen, aber den Bösen, die da bleiben, noch einen Denkzettel zurücklassen, woran sie Christum erkennen lernen. Denn sonst hat man gar ohne Zweck und Ursach' gelebt und wird von den Bösen und Niederträchtigen, die Recht behalten haben, noch ausgelacht wie ein Schulbube. Es ist hundsföttisch, das Leben.«

Singend und lachend sprang der Fleischer eben über die Schwelle. »Gott zum Gruß, meine Herren!« rief er. »Eine merkwürdige Nachricht – auch ich hab' zuweilen Neuigkeiten, daß Ihr's nur wißt. Morgen Früh um sieben Uhr in der Neustadt vor dem Rathhaus, ein schönes Schauspiel, groß und lustig; der Vojta, dem ich, wie Ihr wißt, die Hand so glatt abgeputzt, wird gehangen. Er ist nach den zwei Stichen, die er bekommen hat, wieder genesen. Was der Galgen einmal hat, das läßt er nicht los.«

»Der Schuft!« brummte Matusch, »also endlich doch!«

»Ja,« fuhr Sojka fort, »er wollt's noch aufschieben und glaubte eine Frist zu erhaschen; wollte dem Jesuiten, der ihn gestochen haben soll, gegenübergestellt werden. Der bleibt aber natürlich verschwunden – den geben die Schwarzröcke nicht heraus – freilich, es würde ihrem Ansehen schaden. So hat er sich denn mit Lügen helfen wollen, denn die Schurken hängen mehr am Leben als der ehrliche Mann.«

»An der Geschichte ist übrigens etwas Wahres,« belehrte Matusch, »der Priester hat ihn im Zorn ermorden wollen, weil er ihm so lange seine königliche Abkunft verheimlicht hat. Natürlich wird man einem Sohne Kaiser Rudolfs und einem Jesuiten nicht an den Hals gehen, und hat ihn darum verschwinden lassen. Die Sache geht noch tiefer, aber ich will sie nicht untersuchen, weil ich edle Leute nicht noch mehr betrüben will. Will's Gott, kommt's von selbst an den Tag.«

»Der Vojta also,« fuhr der Fleischer fort, »glaubte sich zu salviren und meinte wohl gar, weil ein Jesuit und ein Priester an ihm ein Verbrechen versucht, er könnte auf die Fürsprache der Geistlichkeit wohl gar pardonirt werden. Aber die Richter meinten, er habe schon früher den Galgen verdient, als er damals entwischte, und sie wollten den Henker auf seinen Feiertagsbraten nicht länger warten lassen. Der bekommt fünf Gulden für seine Arbeit und will doch auch leben. Was aber seine neue Geschichte mit dem Pater betrifft, so wollten sie diese schon noch später untersuchen; der Vojta müßte erst die alte Rechnung abmachen und so wird sein Hals schon daran glauben müssen. Ich freu' mich d'rauf – den Schurken zappeln zu sehen.«

»Man sollte sich eigentlich auf keines Menschen Tod freuen,« versetzte Matusch, »auch unsere Stunde wird kommen. Der Tod soll bitter sein, die Sterbenden nur wissen davon, und Wenigen wird er leicht. In der Schlacht freilich, da ist er eine Lust; da kommt er jung und frisch wie das Leben. Aber auf dem Krankenlager – gemartert von der Hoffnung und vollends so durch Henkershand – die Stunde voraus zu wissen, in voller Geistes- und Körperkraft sein – man hat dann mit dem größten Schurken Mitleid, wenn's ihm an den Hals geht.«

»Ei, das ist ein unzeitig Mitleid, Freund Matusch!« warf der Fleischer lebhaft ein. »Hat denn der Schuft Erbarmen gehabt mit dem armen Mädchen, das ihm doch nie ein Leid's gethan, daß er sie so verfolgen und mißhandeln konnte!?«

»Er hat's freilich nur auf fremden Antrieb gethan,« antwortete Matusch, »ein Anderer, ein größerer Schuft, der Scherbic, befahl es ihm und zahlte ihn dafür.«

»Das ist ja noch niederträchtiger!« rief Sojka und focht ingrimmig mit den nervigen Fäusten in der Luft. »Hätt' er's aus eig'nem Haß, aus eig'nem Antrieb, aus Rachsucht gethan; es wäre zu entschuldigen, denn der Mensch kann oft nichts für sein Gemüth. Aber, so fürs Geld, für Lohn, unschuldige Leute peinigen, die man kaum kennt, die man zu hassen keinen Grund hat, das ist ja teuflisch. Mich dauert's nur, daß ich ihm nicht hab' noch die andere Hand abhacken können; die schöne Gelegenheit kommt nicht wieder.«

»Nun, er kriegt morgen seinen Lohn,« meinte der Kürschner, »der Himmel ist gerecht; denn das arme Mädchen hat er für die ausgestandene Angst auch belohnt und sie zu einem reichen und vornehmen Fräulein gemacht.«

»Alles zu wenig, gar zu wenig,« eiferte der Fleischer immer ungestümer werdend und machte Miene, dem Miklasch, welcher, nicht aufmerksam genug, seinen Krug noch nicht gefüllt hatte, denselben an den Kopf zu werfen, »ich hätte ihn rädern lassen, abgesehen davon, daß er schon einen Mord auf dem Gewissen hat. Darum, meine Freunde, es ist nur um der Gerechtigkeit willen, bitte ich Euch, wohnt morgen der Hinrichtung bei, damit wir dem Hund ins Gesicht sehen und wie ein Schurke anders stirbt als ein ehrlicher Kerl. Es ist ja dies ohnehin selten genug der Fall und die besten Menschen müssen oft in herberen Qualen abfahren. Verhöhnen wollen wir ihn, denn Mitleid ist eine Wohlthat und geziemt nur gegen Gute. Ich gebe hier, obgleich der Miklasch auch ein Lump ist, der das Hängen schon eine halbe Stunde vertragen könnte, einen Eimer Bier zum Besten nach der Execution; den wollen wir trinken mit dem Wunsche, daß alle Schurken, die noch frei und ledig herumlaufen, so niederträchtig enden mögen.«

»Dem stimm' ich bei, d'rauf trink' ich,« rief Hostal und reichte seine Hand hin, »alle Schurken sollten so sterben, so schmachvoll und elend, und säßen sie selbst bei der Statthalterei.«

»Ja,« stimmte Kostelecky ein und schwang seinen Krug, »und säßen sie selbst in der Statthalterei! Denn da brauchten wir uns nicht so viel gefallen zu lassen.«

»Das ist ein hartes Wort, meine Herren!« sagte Matusch ärgerlich, »und die Andeutung gehört gar nicht hierher. Der Unfriede ist, wie Ihr wißt, ansteckend – sollte er auch in unseren friedlichen Kreis dringen? Da sei doch Gott für; wir haben so jahrelang in Eintracht hier gesessen! – Lass't das die Herren untereinander ausmachen, wir wollen immer nur über die Erfolge erst sprechen. Wer viel übernimmt, hat viel zu verantworten. Die da regieren, liegen auch nicht immer auf Rosen. – Wir sprachen ja doch von Vojta; das ist eine Sache, die uns berührt. – Ich thu' Euch den Gefallen, Sojka, und komme morgen zur Execution, denn Gerechtigkeit ist immer gut, wär' sie nicht, so gäbe es nur lauter Schurken auf der Welt. An dem guten Willen des Buben lag's übrigens nicht, daß er mir nicht den Garaus machte, hatte er mich nur.«

»Und ich,« versicherte der Bader, »komme schon zur Hinrichtung, weil ich zu jeder gehe; denn ich bin Arzt und ein solcher Actus schlägt in die Wissenschaft der Pathologia, die müssen wir kennen, wir Aerzte. Denn es ist eine merkwürdige Erfahrung, daß von hundert Gehängten jeder auf eine andere Art und Weise stirbt.«

»Wie's aber schmeckt,« spottete der Fleischer, »das hat noch Keiner gesagt.«

»O ja,« versetzte docirend der Bader, »Einer wurde wieder ins Leben gebracht, weil der Strick zerriß. Er meinte, es wär' wie ein starker Rausch.«

»Da hab' ich also doch Recht,« fuhr Sojka wieder ärgerlich auf; »es ist alles noch zu wenig, wie ich sagte – ein Tod, leicht wie ein Rausch, für diesen Schuft. Rädern sollte man ihn. Der Kerl ist niedriger als mein Hund, der packt die Ochsen auch an, die ihm nie was zu Leid gethan, wenn ich's ihm heiße. Aber der ist darauf abgerichtet und denkt mich zu beschützen gegen den wilden Stier! Ist's nicht wahr?«

Matusch lenkte die Unterredung auf einen anderen Gegenstand. Die Gesellschaft brach spät auf, nachdem sie sich das Wort gegeben, am folgenden Tage sich bei der Hinrichtung und dann in der Bierstube zu treffen.

Vojta starb eines elendiglichen Todes. Da er von seinen Wunden, welche ihm Anselm's Jähzorn geschlagen, genas, klammerte er sich mit namenloser Angst an das Leben. Er hoffte, wenn nicht begnadigt, so doch durch Anselm's Hilfe, wenn dieser bereute, gerettet zu werden, indem man ihm Gelegenheit zur Flucht verschaffen würde. Konnte ja, nach seinem Dafürhalten, der Priester nur weniger straffällig erscheinen, wenn er, sein Kläger, beseitigt war. Er betete inbrünstig um nur noch einmalige Befreiung und gelobte ein frommer, reuiger Mensch zu werden. Auf sein Verlangen erhielt er – da ihm die Hinrichtung angekündigt worden und so fast jede Hoffnung verschwunden war, einen Beichtvater, einen Franciscanermönch. Dieser wollte ihn alles Ernstes für den Himmel vorbereiten; aber Vojta sprach nur vom Leben und beschwor den Pater bei Himmel und Erde, für seine Rettung thätig zu sein. Er bewog ihn auch, sich bei dem Provincial der Jesuiten für ihn zu verwenden. Aber dieser lehnte jede Fürsprache ab, da er mit den Gerichten nicht in neue Verwickelungen gerathen und den Orden nicht abermals in eine unangenehme Stellung bringen wollte.

Der zur Hinrichtung anberaumte Tag kam; Vojta wurde aus dem Thurm des Neustädter Rathhauses auf den Viehmarkt gebracht. Der Pater Franciscaner geleitete ihn. Der ungeheuere Platz, in dessen Mitte der Galgen aufgerichtet war, wimmelte von Menschen. In der ersten Reihe, dicht hinter den Stadtknechten, welche einen Kreis um den Richtplatz zogen, standen unsere Bekannten aus der Gaststube des Miklasch. Allen zuvor drängte sich der Fleischer. Er hielt sein blankes Schlachtbeil geschultert wie eine Waffe. »Daran,« sagte er zu den Freunden, »soll mich der Schurke erkennen; denn die heutige Mahlzeit hab' ich ihm doch eigentlich hergerichtet.«

Vojta trat in den Kreis unter das verhängnißvolle Holz. Er hörte nicht auf die salbungsvollen Ermahnungen des Paters; er schien noch immer zu hoffen. Als aber der Stab über ihn gebrochen und er dem Henker und seinen Bütteln übergeben war, als jeder Strahl der Rettung verschwand, da erfaßte ihn namenlose Wuth. Er erhob drohend seinen Armstumpf, seine Augen schossen Blitze und mit heulender Stimme stieß er Flüche und Verwünschungen über Scherbic und die Jesuiten aus.

Der protestantische Pöbel jubelte bei Anhörung des Schimpfes, der den Jesuiten galt, dessenungeachtet aber hatte man kein Mitleid mit dem Maleficanten und schrie: »Hinauf mit ihm! An den Galgen mit dem Jesuitenknecht!«

Der Henker und seine Schergen bemächtigten sich Vojta's. Sie schnürten ihm einen Riemen um den Leib, daß die Arme fest anlagen, ließen ihn die vier Stufen zum Pfahl hinansteigen, befestigten ihm eine Schlinge zwischen den Beinen und der Scharfrichter trat nun gleichfalls auf die Stufen dicht vor ihn und warf ihm die Schlinge um den Hals. – Der Henker war erbittert, weil ihm sein Delinquent einmal entgangen war, und beschloß, ihm die Todesqual zu verlängern.

»Nun, Rothkopf,« sagte er, dicht vor ihm stehend und den Knoten langsam vor die Luftröhre legend, »das ist ein bitter Tränklein – nicht wahr? Einmal bist Du ihm entgangen; heut' mußt Du's aber schlucken, da hilft nichts. Sollst mich nicht zum zweitenmale zum Narren haben. – Nicht wahr, Vojtischku, es wär' Dir schon recht, wenn ich so ein Paar Stunden vor Dir stünde und zöge den Strick nicht an? Es wär' doch immer noch das Leben und eine Hoffnung dabei. Aber fürcht' Dich nicht, Rothkopf! Der Strick ist fest und reißt nicht. Die Leut' werden im Finstern glauben, es hängt eine Laterne an dem Pfahl. Einen solchen Fuchskopf hab' ich in der That noch nicht unter den Händen gehabt, Du wirst jetzt auf den Thron erhoben, Vojtischku!«

Vojta wollte mit einem Fluche antworten, aber die Todesangst zog ihm schon die Brust zusammen, er spuckte voll giftigen Ingrimms dem Henker ins Gesicht. Dieser, empört darüber, rief seinen Knechten zu, umklammerte den Verbrecher an den Hüften, sprang in die Schlinge – die Büttel zogen den Schemel weg, und der Henker hing so mit seiner ganzen Körperschwere an dem zuckenden Vojta. Diesem traten die Augen blutig aus ihrer Höhle, die Zunge quoll aus dem Munde, noch drei, vier krampfhafte Bewegungen durch den ganzen noch überkräftigen Riesenleib und – er hatte vollendet.

Der Henker sprang herab; die Andächtigen im Kreise knieten nieder und beteten leise ein Vaterunser, dann verliefen sich die Nächsten, während entfernter Stehende sich herbei drängten, um den Gerichteten genauer in Augenschein zu nehmen – später verlief sich das Volk.

Matusch und seine Freunde traten den Rückweg an. »Er hat mich erkannt,« sagte der Fleischer lachend; »als er schon oben stand, da traf mich sein Blick, es war, als wollte er noch was sagen. Der Hund blieb noch ein Hund im Tode; spuckt dem Henker ins Gesicht, hat weder Reu' noch Leid gehabt im letzten Augenblicke. Nun soll mir aber das Bier recht schmecken. Ich halte, was ich gestern versprochen habe.«

»Ein Schurke wär' todt,« meinte salbungsvoll der Kürschner, »wenn nur nicht immer wieder neue geboren würden!«

»Da könnte sich mancher spiegeln,« fügte der Bader hinzu, »und thut's alleweil doch nicht.«

»Wenn's nur im Hause meiner Herrschaft,« äußerte Matusch, »auch verschwiegen blieb' – nämlich dem Fräulein Walperga. Es ward ausgemacht, sie sollte nichts erfahren, daß der Vojta heut' gerichtet wird; denn es kann die Arme nur betrüben, wenn sie an die alten Zeiten und das erlittene Elend erinnert wird. Zudem ist sie so gut, daß sie den Oheim angegangen hätte, sich beim Oberstburggrafen zu verwenden um die Begnadigung des Schurken. So wird sie, wenn nicht ein Unberufener schwatzt, glauben, er sei im Kerker gestorben. Es ist so nichts als Trauer und Gram in unserem Hause.«

Sie setzten während dieses Gespräches ihren Weg nach der Kleinseite fort. –

Camilla trat mit Marga's Zaubertrank in ihre Wohnung. Ihr Antlitz leuchtete von Freude. »Jetzt also,« sagte sie, »wär' ich dem Ziele nahe, und er stürzt wieder in mein Netz und reuig zu meinen Füßen. Die alte, eitle Thörin täusch' ich jetzt und täusche sie dann noch mehr, bin ich erst mit ihm einverstanden. Von mir geleitet, wird er sich verstellen, wenn er mich erst wieder liebt. Sie soll an seine Glut glauben, ich ihrer theilhaftig werden. – Rache durch Liebe ist süß. Wie wird er staunen, wenn es ihn mit Geistermacht drängt, an diesen Busen wiederzukehren. – Mein ist er also – mein, so lange ich ihn will, und an mir dann, nach Lust und Laune die Grausame und Spröde zu spielen. Denn solche Zauberliebe, sagt man, ist unvergänglich. Wenn er nach mir verlangen wird! – Und wie reizend die Versöhnung – wie neu, wie schön diese heimliche Liebe und welche Lust, diese welke Lucretia, die sich erfrecht, ihn zu lieben und Liebe verlangt, weil sie ihm Reichthümer gebracht, zu betrüben, insgeheim verspotten zu können!«

Sie stellte das Fläschchen vor sich auf den Tisch und betrachtete es lange mit lächelnden Mienen. Dann holte sie eine kleinere gläserne Phiole herbei und goß die Hälfte des Zaubertrankes in diese.

»Zwar hat die Alte gesagt,« fuhr sie fort, »ein Viertheil genüge; aber Liebe kann nicht stark genug sein, und dauern soll sie diesmal – die andere Hälfte bewahren wir sorgfältig, sie kann ein andermal von Nutzen sein.«

Sie nahm eine Nadel, ritzte sich damit den Finger und ließ den Tropfen Blutes, der hervorquoll, in das kleinere Fläschchen gleiten. »Der Bann wäre nun gesprochen und befestigt,« sagte sie lächelnd, »und er ist mir verfallen. Es ist in der That seltsam und lustig, daß die Gattin selbst mir die hilfreiche Hand leisten muß, um seine Liebe zu mir zu entflammen. Die Thörin wird betrogen; das ist das gerechte Los aller Thoren. – Doch eilen wir, noch heut' muß unser Werk vollendet sein!«

Sie begab sich zu Lucretia von Waldstein. Diese empfing sie mit ängstlich pochendem, aber als sie ihr verstohlen und freudig das Fläschchen mit dem Wundertrank in die Hand drückte, wieder aufjauchzendem Herzen. Camilla suchte dem Ganzen, der leichtgläubigen Frau gegenüber, noch einen mysteriösen und wirksamen Anstrich zu geben, indem sie sagte: »Ihr müßt dies dem Geliebten in seinen Wein mischen, am besten in seinen Nachttrunk; vorher aber sollt Ihr es unter der linken Brust auf der Stelle des Herzens tragen, daß der Inhalt beseelt werde von seiner Lebenswärme, und bevor Ihr es füllt in seinen Becher, mögt Ihr dreimal das Zeichen des Kreuzes darüber machen; das sei Euch zudem ein Beweis, daß nichts von Höllenkünsten d'ran ist.«

»Ihr seid ein Engel,« rief Lucretia und umarmte stürmisch die Gräfin; »ich dank' Euch schon so viel; damals – daß Ihr zur Versöhnung spracht, und dann nach jener Trauung, wo Ihr mich beruhigt habt durch das weiche Wort, es sei doch rühmlicher einen Mann zu besitzen, der Weiberherzen bestrickt und kränkt, als Einen, der von ihnen geflohen wird. Und nun begründet Ihr sogar für mich einen ganzen Himmel von Liebe, eine selige Zukunft! Wie kann ich Euch vergelten?!«

»Ich bin belohnt, weiß ich Euch glücklich. Der Liebe bedürftig, fühl' ich am besten Schmerz und Reiz derselben und hoffe, weil ich weiß, wie Hilfe labt. Nun lebt wohl – wir seh'n uns morgen wieder!«

Die beiden Frauen trennten sich, jede mit sich sowohl wie mit der Anderen gänzlich zufrieden.


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