Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band XXIV
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Die Geschichte des Fischers und seines Sohnes.

»Man erzählt, daß einst ein Fischer lebte, ein armer Mann mit Weib und Kindern, der Tag für Tag sein Netz nahm und an den Strom ging, sein täglich Brot, das verteilt ist, durch Fischen zu erwerben. Einen Teil seines Fanges pflegte er dann zu verkaufen und Lebensmittel dafür einzukaufen, während er den Rest seinem Weib und seinen Kindern zum Essen brachte. Eines Tages sprach er zu seinem Sohn, der zu einem strammen Burschen heranwuchs: »O mein Kind, komm diesen Morgen mit mir, denn vielleicht sendet uns Gott, der Erhabene, etwas Gutes durch deine Fußstapfen.« Der Knabe versetzte: »'s ist gut, mein Vater.« Hierauf nahm der Fischer seinen Sohn und sein Netz, und beide gingen zusammen zum Stromufer hinunter, wo der Vater sprach: »O mein Knabe, ich will das Netz auf dein Glück auswerfen.« Dann trat er ans Wasser heran und nahm sein Netz auseinander, daß es sich ausbreitete, als es in den Strom fiel. Nachdem er eine Weile gewartet hatte, zog er es und fand, daß es schwer war. Da rief er: »Mein Sohn, leg' Hand an;« worauf der Knabe herzutrat und dem Vater beim Einziehen half. Als sie nun das Netz wieder an den Strand 19 gezogen und geöffnet hatten, fanden sie einen großen Fisch darin, der in allerlei Farben glänzte. Da sagte der Vater: »Mein Sohn, dieser Fisch gebührt allein dem Chalifen; bleib' daher bei ihm, während ich fortgehe und eine Schüssel hole, daß ich ihn in ihr dem Fürsten der Gläubigen als Geschenk bringe.« Hierauf setzte sich der Knabe neben den Fisch; als aber der Vater weit fort war, trat er an ihn heran und sprach: »Sicherlich hast du Junge, und das Sprichwort sagt: Thu' Gutes und wirfs ins Meer.« Alsdann nahm er den Fisch und legte ihn neben den Fluß, worauf er ihn mit Wasser besprengte und zu ihm sagte: »Geh' zu deinen Jungen, das ist besser als vom Chalifen verspeist zu werden.« Als er aber den Fisch wieder in den Strom geworfen hatte, ward er von Furcht vor seinem Vater ergriffen, so daß er sich ohne Aufschub und Verzug erhob und aus seinem Dorf fortlief; und nicht eher hemmte er seine Flucht, als bis er das Land des Irâk erreichte, dessen Hauptstadt von einem weit über die Lande gebietenden König beherrscht ward, – Preis dem König über alle Königreiche! – Als er die Straßen der Stadt betrat, begegnete er einem Bäcker, der zu ihm sprach: »O mein Sohn, willst du dienen?« Er versetzte: »Jawohl, mein Oheim.« Hierauf machte der Mann einen Tagelohn von zwei halben Silberlingen mit ihm aus zugleich mit Speise und Trank, und der Knabe arbeitete geraume Zeit bei ihm. Da traf es sich eines Tages, daß er einen Burschen von den Söhnen jener Stadt einen Hahn zum Verkauf tragen sah, und ein Jude kam auf ihn zu und fragte ihn: »Mein Kind, willst du diesen Hahn verkaufen?« Der Bursche erwiderte: »Ja.« Nun fragte der Jude: »Für zehn Fadda?« Der Bursche versetzte: »Gott wird öffnen.« – »Für zwanzig?« – »Gott verhüllt.« – Hierauf bot der Jude immer mehr für den Hahn, bis sein Gebot einen vollen Dinar erreichte, worauf der Bursche versetzte: »Her damit.« Da gab ihm der Jude den Dinar und nahm ihm den Hahn ab, den er sogleich schlachtete. Dann kehrte er sich zu einem Knaben, 20 einem seiner Diener, und sprach zu ihm: »Nimm diesen Hahn trag' ihn nach Hause und sag' deiner Herrin, sie solle ihn rupfen aber nicht eher öffnen, als bis ich heimgekehrt bin.« Der Diener that nach seinem Geheiß; als jedoch der Sohn des Fischers, der dicht dabei stand, diese Worte vernommen und den Handel gesehen hatte, wartete er eine Weile, bis der Diener den Hahn fortgetragen hatte, worauf er sich erhob und zwei Hähne für vier Fadda kaufte. Dann schlachtete er sie und begab sich mit ihnen zum Haus des Juden, an dessen Thür er klopfte. Als die Hausherrin zu ihm herauskam, sagte er zu ihr: »Der Hausherr läßt dir sagen, du sollst diese beiden Hähne nehmen und mir den Hahn geben, den dir soeben der Bursche brachte.« Sie versetzte: »Es ist gut;« und nun gab er ihr die beiden Hähne und nahm von ihr den Hahn, den ihr Mann geschlachtet hatte, worauf er wieder zur Bäckerei zurückkehrte. Hier öffnete er, als er allein war, den Bauch des Hahns und fand in ihm einen Siegelring mit einem Edelstein, der in der Sonne eine andre Färbung als im Schatten zeigte. Da nahm er ihn und steckte ihn in seinen Busen, worauf er den Hahn aufnahm und ihn im Ofen kochte und aß.

Wie nun der Jude sein Geschäft beendet hatte, kehrte er heim und sagte zu seiner Frau: »Bring' mir den Hahn.« Als sie ihm hierauf die beiden Hähne brachte, fragte er sie: »Wo ist der erste Hahn?« Sie versetzte: »Du schicktest selber den Knaben mit den beiden Hähnen und befahlst ihm, dir den ersten Hahn zurückzubringen.« Da schwieg der Jude, doch ward er so schwer bekümmert, daß er dem Tode nahe kam, und sprach bei sich: »Fürwahr, er ist meiner Hand entschlüpft.« Der Sohn des Fischers aber wartete, nachdem er den Ring in seinen Besitz bekommen hatte, bis zum Abend, worauf er sprach: »Bei Gott, mit diesem Stein muß es eine geheime Bewandtnis haben.« Alsdann verbarg er sich in dem Backraum und zog dort den Ring aus seinem Busen und rieb ihn. Mit einem Male erschien der Diener des 21 Ringes und rief: »Hier steh' ich zu deinem Befehl.« Da sprach der Sohn des Fischers: »Das ist allerdings des Glückes Krone,« und steckte den Ring wieder in seine Brusttasche wie zuvor. Als am nächsten Morgen der Bäcker kam, sagte er zu ihm: »O mein Meister, ich sehne mich nach meinen Angehörigen und meiner Heimat, und es ist mein Wunsch fortzuziehen und nach ihnen zu sehen, worauf ich wieder zu dir zurückkehren will.« Infolgedessen zahlte ihm der Bäcker seinen Lohn aus, und der Jüngling verließ ihn und wanderte von der Bäckerei fort, bis er zum Palast des Sultans gelangte, wo er nahe bei dem Thor gegen hundert abgeschnittene Köpfe sah, die dort aufgehängt waren. Er lehnte sich hier, um sich auszuruhen, gegen die Bude eines Scherbettverkäufers und fragte den Inhaber derselben: »Meister, weshalb sind alle diese Köpfe hier aufgehängt?« Der Scherbettverkäufer erwiderte: »O mein Sohn, frag' nicht nach Dingen, die geschehen sind.« Als der Jüngling indessen die Frage wiederholte, versetzte der Mann: »O mein Sohn, siehe, der Sultan hat eine Tochter, ein Bild von Schönheit und Lieblichkeit und von ebenmäßigem Wuchs und vollendeter Anmut, gleich einem Bambusrohr; jedem aber, der sich um sie bewirbt, stellt ihr Vater eine Aufgabe.« Da fragte der Sohn des Fischers: »Und welches ist sie?« Der andre entgegnete: »Unter den Gitterfenstern des Palastes des Sultans befindet sich ein großer Aschenhaufen, und, wer seine Tochter zur Frau begehrt, mit dem schließt er den Pakt ab, daß er jenen Haufen fortschafft. Hierzu erhält er eine Frist von vierzig Tagen und willigt ein, daß, wenn es ihm in dieser Zeit nicht gelingt, sein Haupt abgehauen wird.« Hierauf fragte der Jüngling: »Ist der Haufen hoch?« Der Scherbettverkäufer antwortete: »Wie ein Hügel.« Als nun der Jüngling alles, was ihm der Scherbettverkäufer erzählt hatte, begriffen hatte, nahm er von ihm Abschied und verließ ihn; dann begab er sich in einen Chân und mietete sich dort eine Kammer, in die er sich für eine Weile niedersetzte, um nachzudenken, wie 22 er vorgehen sollte, da er voll Furcht war, wiewohl sich sein Herz in Liebe an die Tochter des Sultans gehängt hatte. Schließlich holte er den Ring hervor und rieb ihn, worauf die Stimme des Dieners rief: »Hier steh' ich vor dir zu deinem Befehl; was verlangst du von mir?« Der Jüngling versetzte: »Ich wünsche einen königlichen Anzug.« Da ward unverzüglich ein Paket vor ihn gelegt, und, als er es öffnete, fand er einen Anzug wie für einen Prinzen darinnen. Er nahm denselben und begab sich sogleich ins Bad, wo er sich einseifen, reiben und abwaschen ließ; dann kleidete er sich in den Anzug, der ihn völlig verwandelte, so daß er dem Volk wie ein Prinz vorkam. Hierauf begab er sich zum Palast des Sultans, und, als er bei ihm eintrat, begrüßte er ihn mit dem Salâm und küßte, vor Bescheidenheit errötend, die Erde vor ihm, indem er ihn mit dem Chalifensegen segnete. Sein Gruß ward erwidert, und der König hieß ihn willkommen und fragte ihn, als er nach ihm geblickt und ihn wie einen Prinzen erfunden hatte: »Was ist dein Anliegen, o Jüngling, und was begehrst du?« Der Jüngling erwiderte: »Ich suche die Verbindung mit deinem Hause, und ich komme mit dem Verlangen mit der wohlverwahrten Maid und der wohlbehüteten Perle, deiner Tochter, vermählt zu werden.« Da fragte der König: »Bist du auch imstande, die Bedingung zu erfüllen, o Jüngling? Ich verlange weder Gut und Geld noch Edelsteine oder sonst dergleichen, sondern allein, daß du jenen Aschenhaufen dort unter den Fenstern meines Palastes fortschaffst.« Hierauf befahl er dem Jüngling näher zu treten und sprach, indem er das Fenster öffnete und ihm den Hügel darunter zeigte: »O Jüngling, ich will dich mit meiner Tochter vermählen, wenn du einwilligst, diesen Haufen fortzuschaffen. Gelingt es dir jedoch nicht, so lasse ich dir den Kopf abschlagen.« Der Sohn des Fischers erwiderte: »Ich bin's zufrieden; gewähre mir jedoch eine Frist von vierzig Tagen.« Der König versetzte: »Ich gewähre dir deine Bitte,« und fertigte ein Dokument mit dem Zeugnis der Anwesenden aus. 23 Hierauf sagte der Jüngling: »O König, laß deine Fenster vernageln und laß sie nicht eher wieder aufmachen, als bis der vierzigste Tag verstrichen ist.« Der Sultan versetzte: »Deine Worte sind recht,« und erteilte demgemäß Befehl. Der Jüngling verließ ihn nun wieder, während alle im Palast Anwesenden riefen: »Ach wie schade, wenn dieser Jüngling sein Leben lassen müßte! In der That, viele, die stärker als er waren, vermochten nicht den Haufen fortzuschaffen.« So äußerte sich jeder in seiner Weise; als aber der Sohn des Fischers wieder in seiner Kammer angelangt war, rief er, voll Besorgnis um sein Leben und ratlos in seiner Sache: »Wüßte ich doch, ob der Ring die Macht besitzt den Haufen fortzuschaffen.« Hierauf schloß er sich in seine Kammer ein und zog den Siegelring aus seiner Brusttasche hervor; und, sobald er ihn rieb, ertönte eine Stimme: »Hier steh' ich vor dir, und Heil deinem Befehl! Was begehrst du von mir, mein Herr?« Der Jüngling versetzte: »Ich wünsche, daß du den Aschenhaufen unter den Fenstern des Königspalastes fortschaffst, und ich verlange, daß du dort an Stelle desselben einen weiten Garten anlegst, in dessen Mitte ein hohes, festfundamentiertes Schloß als Wohnung der Tochter des Sultans stehen muß; alles dies mußt du jedoch innerhalb vierzig Tagen vollbringen.« Der Dschinnī versetzte: »Schön; ich will alles, was du wünschest, ausrichten.« Da legte sich die Furcht des Jünglings, und sein Herz beruhigte sich; und von nun an begab er sich Tag für Tag zum Aschenhaufen und nahm ihn in Augenschein, wobei er fand, daß derselbe jeden Tag um ein Viertel abnahm, bis nach dem vierten Morgen nichts mehr übrig geblieben war; denn in den Ring waren die kabbalistischen Zeichen der Priester eingegraben, und sie hatten hundert Mâride von den Dschânn über das Werk gesetzt, die Wünsche eines jeden, der etwas von ihnen verlangte, auszuführen. Als nun der Haufen beseitigt war, legten sie an seiner Stelle einen ausgedehnten Garten an, in dessen Mitte sie ein festfundamentiertes Schloß erbauten; und alles 24 dies ward im Zeitraum von fünfzehn Tagen ausgeführt, während sich der Sohn des Fischers Tag für Tag dorthin begab und die Arbeit in Augenschein nahm. Als aber sein Begehr ausgeführt war, trat er bei dem Sultan ein und sprach, nachdem er die Erde vor ihm geküßt und für seines Lebens Dauer und seinen Ruhm gebetet hatte: »O König der Zeit, geruhe die Gitterfenster deines Palastes zu öffnen.« Infolgedessen trat der Sultan an dieselben heran und öffnete sie, und siehe, da fand er an Stelle des Aschenhaufens einen prächtigen Garten mit Bäumen, Bächen, Blumen und Vögeln, die zum Preis ihres Schöpfers Hymnen sangen; außerdem aber gewahrte er in dem Garten einen Palast von stolzen Fundamenten, wie er bei keinem König oder Kaiser zu finden war. Beim Anblick hiervon verwunderte er sich, daß sich seine Sinne verwirrten und er verblüfft dastand. Hernach ließ er den Wesir kommen und sprach zu ihm: »Rate mir, o Wesir, was ich in der Sache dieses Jünglings thun, und wie ich ihn von mir abwehren soll.« Der Wesir versetzte: »Was soll ich dir raten, wo du es mit ihm ausbedangst, daß du ihm den Kopf abhauen würdest, wenn er sein Unternehmen nicht ausführen könnte? Nun giebt es keinen Ausweg in dieser Sache, und es bleibt dir nichts andres übrig als ihn mit dem Mädchen zu verheiraten.« Der König ward von seinen Worten überredet und ließ das Eheband knüpfen, worauf er Befehl erteilte, den Bräutigam in Prozession zur Braut einzuführen. Alsdann brachte sie der Jüngling in das Gartenschloß und lebte mit ihr in aller Freude und Fröhlichkeit heiter und vergnügt.

In dieser Weise stand es mit ihm; was nun aber den Juden anlangt, so ging er nach Verlust des Hahns wie ein Verrückter in seiner schweren Enttäuschung fort; weder des Schlafes Süße that ihm wohl, noch behagte ihm Speise und Trank, und so schweifte er ruhelos umher, bis ihn auch das Schicksal nach jenem Garten trieb. Da er aber zuvor an jener Stelle einen gewaltigen Aschenhaufen unter den 25 Palastfenstern bemerkt hatte, rief er angesichts des Gartens: »Fürwahr, der Bursche ist hier gewesen, und all dies ist das Werk des Siegelrings, denn allein die Mâride von den Dschânn vermochten solch' einen Hügel fortzuschaffen.« Mit diesen Worten kehrte der Jude wieder in seine Wohnung zurück und holte ein Pack seiner Perlen und etwas Smaragden und Korallen nebst andern Edelsteinen hervor, die er wie zum Verkauf auf ein Präsentierbrett legte. Dann näherte er sich dem Gartenpalast und rief laut: »Perlen! Smaragden! Korallen! Allerlei feine Juwelen!« Nachdem er die Rufe eine Zeitlang fortgesetzt hatte, vernahm ihn die Tochter des Sultans und sagte zu ihrer Sklavin: »Mädchen, bring' mir, was der Jude zum Verkauf hat.« Da ging das Mädchen hinunter und fragte den Mann: »Was hast du bei dir?« Er versetzte: »Edelsteine.« Hierauf fragte sie: »Willst du sie für Gold verkaufen?« Er erwiderte: »Nein, o meine Herrin, ich verkaufe sie nur für alte Ringe.« Da kehrte die Sklavin wieder zu ihrer Herrin zurück und teilte es ihr mit, worauf diese sagte: »Bei Gott, mein Herr hat in seinem Federkasten einen alten abgenutzten Ring; geh' und hol' ihn, dieweil er schläft.« Sie wußte jedoch nicht, was ihrer im Schoß der Zukunft harrte, und kannte das Geschick nicht, das ihr verhängt war. Und so nahm sie den erwähnten Siegelring aus dem Federkasten heraus und gab ihn der Sklavin, die mit ihm das Haus verließ und ihn dem Juden einhändigte, worauf der Jude ihn erfreut nahm und ihr dafür das Präsentierbrett mit seinem ganzen Inhalt gab. Alsdann verließ er die Stadt und machte sich zu den sieben Eilanden auf, die unfern von dem erdumgebenden Ocean liegen; dort angelangt, setzte er nach einer Insel über und setzte sich mitten auf dieselbe, worauf er den Siegelring hervorholte und ihn rieb. Der Sklave erschien sofort und rief: »Hier stehe ich vor dir, was ist dein Begehr von mir?« Der Jude versetzte: »Ich verlange, daß du mir sofort das Schloß der Prinzessin hierherschaffst und den Aschenhaufen an seine frühere Stelle 26 unter das Gitterfenster des Königspalastes setzest.« Ehe noch die Nacht verstrich, ward die Prinzessin mit ihrem Schloß mitten auf die Insel versetzt, und, als der Jude sie erblickte, ward sein Herz von dem Übermaß ihrer Schönheit und Lieblichkeit lichterloh entflammt. Er betrat ihr Gemach und begann mit ihr zu plaudern, sie gab ihm jedoch keine Antwort, und jedesmal, wenn er sich ihr nähern wollte, wich sie vor Abscheu zurück, so daß er, als er keine Zeichen seines Sieges bemerkte, bei sich sprach: »Mag sie sich erst an mich gewöhnen, dann wird sie sich schon zufrieden geben.« Und so fuhr er fort ihr Herz zu trösten.

Was nun aber den Sohn des Fischers anlangt, so währte sein Schlaf bis tief in den Vormittag, und er erwachte erst, als ihm die Sonne auf den Nacken brannte. Wie er sich jedoch erhob und sich nun auf dem Aschenhaufen unter dem Palast liegen sah, sprach er bei sich: »Mach' dich auf und davon, denn, wenn der Sultan aus dem Fenster schaut und den Haufen an seinem alten Platz gewahrt, läßt er dir den Kopf abhauen.« Hierauf machte er sich aus dem Staube, kaum an sein Entkommen glaubend, und beschleunigte seine Schritte, bis er zu einem Kaffeehause gelangte. Er trat in dasselbe ein und mietete sich dort eine Wohnung, indem er des Nachts dort schlief, während er des Morgens ausging. Eines Tages traf es sich nun, daß er einem Manne begegnete, der einen Hund, eine Katze und eine Maus herumführte und sie für den Preis von zehn Fadda zum Verkauf ausbot. Da sprach der Jüngling bei sich: »Kauf' sie dir für diesen geringen Preis;« und so rief er den Mann und gab ihm die zehn Silberlinge, worauf er seinen Kauf an sich nahm. Nach diesem begab er sich Tag für Tag zum Schlachthaus und kaufte für seine Tiere etwas Kutteln oder ein Stück Leber und fütterte sie damit, doch saß er alle Augenblicke in Gedanken versunken über den Verlust des Ringes da und sprach bei sich: »Wüßte ich doch nur, was Gott, der Erhabene, mit meinem Ring, meinem Palast und meiner Gattin, der Tochter 27 des Sultans, gethan hat!« Der Hund, die Katze und die Maus hörten ihn jedoch, und eines Tages, als er sie wie gewöhnlich mit sich nahm und sie zum Schlachthaus führte und dort ein Gericht Eingeweide für sie erstand, von dem er jedem Tier etwas zu fressen gab, setzte er sich in trüben Gedanken nieder und stöhnte laut, von Kummer überwältigt, bis er vom Schlaf überkommen ward. Es war um die Zeit des Vormittags, und, während er nun schlummerte und in tiefen Schlaf versunken dalag, sprach der Hund zur Katze und Maus: »Ihr meine Brüder, fürwahr dieser Jüngling, der uns für zehn Fadda gekauft hat, führt uns täglich hierher und giebt uns unsere Ration an Speise. Jedoch hat er seinen Ring und den Palast verloren, in dem sich seine Braut, die Tochter des Sultans, befand. Wir wollen uns daher aufmachen und nach ihnen suchen, und ihr beide steigt auf meinen Rücken, damit wir die Meere und die Gestade der Inseln absuchen können.« Sie thaten nach seinem Vorschlag, und er trabte mit ihnen zum Meer hinunter und schwamm mit ihnen, bis sie sich mitten in der See befanden. Einen Tag und eine Nacht lang schwamm er mit ihnen unverdrossen weiter, bis sie bei Anbruch des Morgens in der Ferne einen schimmernden Gegenstand gewahrten. Da schwammen sie auf ihn zu, und, als sie ihm nun nahe kamen und gewahrten, daß es der gesuchte Palast war, steuerte der Hund auf ihn los, bis er den Strand erreichte, wo er die Katze und die Maus absetzte. Dann sagte er zu ihnen: »Ich will hier bleiben und warten, während ihr euch beide in den Palast begebt. Dort soll die Katze auf den Zinnen über dem Gitterfenster Posto fassen, während die Maus sich in die Wohnung begiebt und die Räume absucht, bis sie den Ring gefunden hat.« Beide befolgten den Befehl des Hundes und suchten die ihnen angewiesenen Plätze auf; und die Maus kroch überall umher, ohne etwas zu finden, bis sie zum Lager kam, auf dem der Jude schlief, während die Prinzessin fern von ihm lag. Er hatte sich große Mühe gegeben ihre Gunst zu 28 gewinnen, und hatte sie sogar mit dem Tode bedroht, jedoch vermochte er es nicht, sich ihr zu nähern, und hatte nicht einmal ihr Gesicht zu sehen bekommen. Als nun die Maus an den Juden herankam, fand sie ihn auf seinem Rücken von dem vielen Wein, den er getrunken hatte, in tiefen Schlaf versunken daliegen. Sie kroch ganz nahe heran und betrachtete ihn, als sie mit einem Male den Ring in seinem Mund unter seiner Zunge gewahrte. Zuerst war sie ratlos, wie sie ihn wiederbekommen sollte, dann aber lief sie zu einem Gefäß voll Öl und tauchte ihren Schwanz hinein, worauf sie sich wieder dem Schläfer näherte und den Schwanz über seine Nasenlöcher zog. Da mußte er so heftig niesen, daß der Ring aus seinen Kinnbacken sprang und neben das Lager fiel. In mächtiger Freude hob sie ihn auf und kehrte zur Katze zurück, zu der sie sprach: »Fürwahr, das Glück ist zu unserm Herrn wiedergekehrt.« Alsdann kehrten beide zum Hund zurück, den sie ihrer wartend antrafen; und nun zogen alle drei wieder zum Meer, und die Katze und Maus setzten sich auf seinen Rücken, worauf er mit ihnen fortschwamm, während sie alle in höchster Freude waren. Als sie sich mitten im Meer befanden, sagte die Katze zur Maus: »Gieb mir den Ring, damit ich ihn eine Weile trage.« Die Maus that es, und die Katze trug den Ring eine Zeitlang in ihrem Maul, als der Hund zu ihnen sprach: »Ich will wie ihr den Ring eine Zeitlang tragen und behüten.« Da sprachen beide zu ihm: »O unser Bruder, vielleicht fällt er dir aus dem Maul.« Er versetzte jedoch: »Bei Gott, wenn ihr mir den Ring nicht für eine Weile gebt, so lasse ich euch hier ersaufen.« Vor Angst gaben sie nun dem Hund nach, doch entfiel ihm der Ring, nachdem er ihn in sein Maul genommen hatte, und versank in der Tiefe, worauf alle drei Reue empfanden und sprachen: »Unsere Mühe ist verschwendet.« Als sie dann ans Land gelangten und ihren Herrn noch immer vor Kummer und Gram schlafen sahen, standen sie in schwerer Kümmernis am Strand da, als mit einem Male 29 ein Fisch von merkwürdigem Aussehen erschien und zu ihnen sprach: »Nehmt diesen Siegelring und übergebt ihn euerm Herrn, dem Sohn des Fischers; und sprecht zu ihm: »Dieweil du eine gute That verübtest und den Fisch ins Meer warfst, soll deine Güte nicht umsonst gewesen sein; und, wenn sie auch am Geschöpf verloren ist, so soll sie nicht an Gott dem Schöpfer verloren sein.« Alsdann teilt ihm mit, daß der Fisch, den sein Vater, der Fischer, dem König zum Geschenk machen wollte, und dessen er sich erbarmte, indem er ihn ins Wasser warf, daß ich der Fisch bin; und ein altes Wort sagt: Dies für das, und gleiches für gleiches ist der Lohn.« Da nahm der Hund den Ring, und die beiden andern begleiteten ihn zu ihrem Herrn und weckten ihn aus seinem Schlaf, worauf sie ihm den Ring wiedergaben. Als er ihn sah, ward er vor Freude wie ein Verrückter, und die drei erzählten ihm die Geschichte des Ringes, wie sie ihn dem Juden fortgenommen hatten, wie er dem Hund aus dem Maul in die Tiefe des Meeres gefallen war, und wie der Fisch ihnen denselben wiedergebracht hatte, indem er erklärte, daß er es gewesen wäre, den sein Vater im Netz gefangen und er selber wieder in die Tiefe geworfen hätte. Da rief der Jüngling: »Gelobt sei Gott, der uns dieses Werk thun ließ und uns für unsere Güte belohnte!« Alsdann nahm er den Ring und geduldete sich bis zum Anbruch der Nacht, worauf er sich zum Hügel unter dem Palast des Sultans begab und den Ring hervorholte und rieb. Der Diener erschien auf der Stelle und sprach: »Hier stehe ich vor dir, und Heil sei deinem Befehl! Was ist dein Begehr, und was verlangst du von mir?« Der Jüngling versetzte: »Ich verlange, daß du für mich diesen Haufen fortschaffst, und den Garten wieder herbringst wie zuvor, zugleich mit dem Schloß und dem Juden und der Tochter des Sultans darinnen.« Und ehe noch jene Stunde verflossen war, befand sich alles wieder an seinem Platz. Hierauf stieg der Jüngling zum Saal empor, wo er den Juden antraf, wie er von seiner 30 Trunkenheit wieder zu sich gekommen war und die Prinzessin bedrohte und sprach: »Du kannst mir nicht entkommen.« Sie rief jedoch: »Du Hund, du Verruchter, Freude von meinem Herrn ist mir nahe.« Als der Jüngling diese Worte vernahm, stürzte er sich auf den Juden und zog ihn, ihn an seinem Halse schleifend, hinunter, worauf er den Leuten befahl ein heißes Feuer anzuzünden. Nachdem sie dies gethan hatten, so daß das Feuer flammte und lohte, fesselte er seinen Feind und ließ ihn hineinwerfen, daß ihm die Knochen vor seinem Fleisch schmolzen. Dann kehrte er wieder zum Schloß zurück und begann die Prinzessin des Ringes wegen zu tadeln, indem er sie fragte: »Weshalb thatest du dies?« Sie entgegnete: »Vor dem Schicksal giebt's kein Entrinnen, und gelobt sei Gott, der uns nach allem, was uns vom Juden widerfuhr, wieder vereint hat!« Der Sultan aber erfuhr weder etwas von allem, was der Jude gethan hatte, noch von der Rückkehr seiner Tochter, der Wiederherstellung des Palastes und von dem Tod des Betrügers; und hier endet meine Geschichte.«

Als nun der zweite Strolch verstummte, sprach der König: »Gott belobe dich für deine Geschichte! Bei Gott, sie ist wunderbar, und sie entzückt den Hörer und erfreut den Erzähler.« Nun aber rief der dritte Strolch: »Ich weiß auch eine Geschichte, die noch wunderbarer als diese beiden sind. Wäre sie mit goldener Tinte auf die Seiten der Menschenherzen geschrieben, sie verdiente es.« Da sagte der König: »O Strolch, wenn sie merkwürdiger und seltsamer als die beiden ersten ist, so will ich dich sicherlich beschenken.« Und so sprach er: »O König der Zeit, höre auf meine Erzählung;« und hob also an:

 


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