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Tausend und eine Nacht. Band VI
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Schluß der Geschichte des Prinzen Kamar es-Samân und seiner Söhne El-Amdschad und El-Asad.

Zweihundertundsiebenundvierzigste Nacht.

Am andern Morgen stiegen El-Amdschad und El-Asad zu Pferd, um vor dem König zu erscheinen. Auf ihr Gesuch um Audienz, erteilte er ihnen hierzu die Erlaubnis, und nun traten sie bei ihm ein, und der König empfing sie huldvollst, worauf sie sich niedersetzten und plauderten. Während sie aber so dasaßen, hörten sie mit einem Male das Volk der Stadt laut schreien und einander zurufen und um Hilfe kreischen, und gleich darauf trat der Kämmerling bei dem König ein und sprach zu ihm: »Ein König hat sich mit seinem Heere vor der Stadt gelagert, sie schwingen die Waffen, und wir wissen nicht, was ihr Begehr ist.« Da beriet sich der König mit seinem Wesir El-Amdschad und dessen Bruder El-Asad über die Nachricht, die ihm soeben der Kämmerling gebracht hatte, und El-Amdschad sagte: »Ich will zu ihm hinaus und die 74 Sache ergründen.« Darauf ritt El-Amdschad zur Stadt hinaus, wo er den König mit einem großen Heere und berittenen Mamluken fand. Als dieselben El-Amdschad erblickten, erkannten sie, daß er als Gesandter vom König der Stadt herausgekommen war, und nahmen ihn und führten ihn vor den Sultan; wie er aber vor ihm stand und die Erde vor ihm küßte, sah er, daß der König eine Frau war, die einen Lithâm vors Gesicht gebunden hatte; sie aber sprach zu ihm: »Wisse, ich begehre von euch nicht diese Stadt sondern verlange nur einen bartlosen Mamluken. Finde ich ihn bei euch, so habt ihr nichts zu befürchten, finde ich ihn aber nicht, so soll sich zwischen uns und euch eine gewaltige Schlacht erheben, da ich nur um seinetwillen hierher gekommen bin.« Da fragte El-Amdschad: »O Königin, wie sieht dieser Mamluk aus, was hat es mit ihm auf sich und wie heißt er?« Die Königin antwortete: »Er heißt El-Asad, und ich heiße Mardschâne. Dieser Mamluk war mit dem Magier Bahrâm zu mir gekommen. Da ihn mir Bahrâm nicht verkaufen wollte, nahm ich ihn mir mit Gewalt, er aber raubte ihn wieder und stahl ihn zur Nacht. Sein Aussehen ist so und so beschaffen.« Als El-Amdschad dies vernahm, erkannte er, daß es sein Bruder El-Asad war, und sagte zu ihr: »O Königin der Zeit, gelobt sei Gott, der uns Trost gebracht hat! Siehe, eben dieser Mamluk ist mein Bruder.« Darauf erzählte er ihr seine Geschichte und alle ihre Erlebnisse im Lande der Fremdlingschaft und teilte ihr auch die Ursache mit, weswegen sie von den Ebenholzinseln fortgezogen waren. Die Königin Mardschâne verwunderte sich hierüber und schenkte in ihrer Freude, El-Asad wiedergefunden zu haben, seinem Bruder El-Amdschad ein Ehrenkleid. El-Amdschad aber kehrte nun zum König zurück und teilte ihm das Vorgefallene mit, worauf sie erfreut, der König, El-Amdschad und El-Asad zur Königin hinausritten. Als sie in ihr Zelt getreten waren und sich gesetzt hatten und mit ihr plauderten, erhob sich mit einem Male eine 75 Staubwolke und verrammelte den Horizont. Nach einer Weile verzog sie sich wieder, und nun wurde unter ihr ein gewaltiges Heer sichtbar, gleich der tobenden Flut, gerüstet in Wehr und Waffen, das mit blitzenden Schwertern gerade auf die Stadt zu kam und sie umschloß wie der Ring den kleinen Finger umschließt. Da riefen El-Amdschad und El-Asad: »Wir sind Gottes, und zu Ihm kehrt unser Weg zurück! Diese großen Heerhaufen sind nichts anderes als sicherlich Feinde, und wenn wir uns nicht mit der Königin Mardschâne verbünden, sie zu bekämpfen, so nehmen sie uns die Stadt und erschlagen uns. Es bleibt uns kein anderer Ausweg übrig, als daß wir zu ihnen herausziehen und sehen, wer sie sind.« Darauf erhob sich El-Amdschad und ritt zum Stadtthor hinaus, indem er an dem Heer der Königin Mardschâne vorüberzog. Wie er aber bei dem fremden Heer anlangte, fand er, daß es das Heer seines Großvaters, des Königs El-Ghajûr, war, des Vaters seiner Mutter, der Königin Budûr, –

Zweihundertundachtundvierzigste Nacht.

des Herrn der Inseln und Meere und der sieben Schlösser. Als er nämlich vor ihn gelangt war und die Erde vor ihm geküßt und ihm seinen Auftrag übermittelt hatte, sagte der König: »Ich bin geheißen König El-Ghajûr und bin des Weges einherfahrend, dieweil die Zeit mich betrübt hat in meiner Tochter Budûr. Sie verließ mich und ist nimmer wieder zu mir heimgekehrt und nimmer vernahm ich seitdem etwas von ihr und ihrem Gatten Kamar es-Samân. Habt ihr vielleicht etwas von ihnen vernommen?« Als El-Amdschad diese Worte vernahm, senkte er das Haupt eine Weile nachdenklich zu Boden, bis es ihm feststand, daß es sein Großvater war, der Vater seiner Mutter. Alsdann hob er sein Haupt wieder, küßte die Erde vor ihm und teilte ihm mit, daß er der Sohn seiner Tochter Budûr wäre. Als der König aber vernahm, daß er der Sohn seiner Tochter Budûr 76 war, warf er sich an seine Brust und beide weinten, bis der König El-Ghajûr sagte: »Gelobt sei Gott dafür, daß ich wohlbehalten mit dir zusammengetroffen bin!« Darauf erzählte ihm El-Amdschad, daß es seiner Tochter Budûr und ebenso seinem Vater Kamar es-Samân wohl erginge, und teilte ihm mit, daß sie in einer Stadt, die Ebenholzstadt geheißen, lebten, und sagte ihm auch, daß sich sein Vater Kamar es-Samân wider ihn und seinen Bruder erzürnt und sie zu töten befohlen hätte, daß aber der Schatzmeister sie aus Mitleid verschont hätte, und der König El-Ghajûr sagte: »Ich will dich und deinen Bruder zu deinem Vater zurückführen und euch wieder aussöhnen und bei euch bleiben.« Da küßte El-Amdschad die Erde vor ihm, und der König El-Ghajûr schenkte El-Amdschad, dem Sohn seiner Tochter ein Ehrenkleid, worauf El-Amdschad lächelnd zum König umkehrte und ihm die Geschichte des Königs El-Ghajûr mitteilte. Der König verwunderte sich hierüber aufs äußerste und schickte ihm und der Königin Mardschâne die üblichen Gastgeschenke, wie Pferde, Kamele, Schafe, Proviant und dergleichen hinaus. Als aber die Königin Mardschâne von dem Geschehenen vernahm, sagte sie: »Ich will mich euch mit meinem Heere anschließen und will mir ebenfalls Mühe geben euch mit eurem Vater auszusöhnen.«

Mitten während dieser Vorgänge erhob sich mit einem Male eine neue Staubwolke und verfinsterte den Tag, und sie vernahmen lautes Rufen und Schreien unter ihr und das Gewieher von Rossen und sahen blitzende Klingen und eingesetzte Lanzen und hörten Trommelwirbel, als die neuen Heeresmassen sich der Stadt genähert hatten und die beiden andern Heerhaufen sahen. Als der König dieses gewahrte, rief er: »Fürwahr, heute ist ein gesegneter Tag; Gelobt sei Gott, welcher uns mit diesen beiden Heeren ausgesöhnt hat, und, so Gott, der Erhabene, will, verschafft er uns auch mit diesem dritten Heer Frieden.« Darauf sprach er zu El-Amdschad: »Amdschad, geh mit deinem Bruder El-Asad hinaus 77 und sieh nach, was es mit diesen Truppen auf sich hat, die ein so gewaltiges Heer sind, wie ich noch kein größeres gesehen habe.« Da gingen die beiden, El-Amdschad und sein Bruder El-Asad, hinaus, nachdem der König zuvor das Stadtthor aus Furcht vor dem Heere, das die Stadt umzingelt hatte, verriegelt hatte. Die Thore öffnend, ritten sie auf das neuangekommene Heer zu und fanden, daß es das Heer des Königs der Ebenholzinseln war, in dem sich auch ihr Vater Kamar es-Samân befand. Bei seinem Anblick küßten sie die Erde vor ihm und weinten, Kamar es-Samân aber warf sich, als er sie sah, an ihre Brust und bat beide, laut weinend und sie fest an sich pressend, um Verzeihung. Darauf erzählte er ihnen, wie sehr ihn die Trennung von ihnen verdüstert hatte, und El-Amdschad und El-Asad teilten ihm mit, daß der König El-Ghajûr bei ihnen eingetroffen sei. Da setzte sich Kamar es-Samân inmitten seines Gefolges auf, begleitet von seinen beiden Söhnen El-Amdschad und El-Asad, und sie ritten vorwärts, bis sie nahe zum Heer des Königs El-Ghajûr gekommen waren. Einer von ihnen zog dann voraus zum König El-Ghajûr und teilte ihm mit, daß Kamar es-Samân gekommen sei. Da ritt er ihm entgegen, und sie begegneten einander und verwunderten sich über diese Ereignisse und ihr Zusammentreffen an diesem Ort, und die Bewohner der Stadt richteten Bankette an und bereiteten die verschiedensten Gerichte und Süßigkeiten und brachten Pferde, Kamele, Gastgeschenke, Futter und dergleichen Dinge, deren die Truppen bedurften.

Mitten während dieser Vorgänge wirbelte von neuem eine Staubwolke auf und verrammelte den Horizont; die Erde erdröhnte von den Hufen der Rosse, die Trommeln rasselten und prasselten wie die wilde Windsbraut, das ganze Heer erstrahlte gerüstet und gepanzert, alle die Streiter waren in Schwarz gekleidet, und mitten unter ihnen ritt ein alter Scheich in schwarzen Kleidern, dessen Bart bis auf die Brust niederwallte. Als die Leute der Stadt dieses gewaltige Heer 78 sahen, sagte der Beherrscher der Stadt zu den Königen: »Gelobt sei Gott, welcher euch alle mit seiner Erlaubnis an einem Tage vereint hat, zumal wo ihr alle Freunde seid; was aber mag dieses gewaltige Heer zu bedeuten haben, das den ganzen Horizont verrammelt?« Da sagten die Könige zu ihm: »Fürchte dich nicht vor ihm; wir sind drei Könige, und jeder hat viele Streiter bei sich. Sind es Feinde, so streiten wir wider sie mit dir, auch wenn sie noch dreimal so stark wären.« Während sie noch in dieser Weise miteinander redeten, kam mit einem Male ein Gesandter von jenem Heere zur Stadt heran, und sie führten ihn vor Kamar es-Samân, den König El-Ghajûr, die Königin Mardschâne und den König der Stadt, worauf der Gesandte die Erde küßte und sprach: »Dieser König kommt aus dem Lande der Perser. Seit einer langen Zeit von Jahren vermißt er seinen Sohn und zieht, nach ihm suchend, durch die Lande. Findet er ihn bei euch, so soll euch nichts Übles widerfahren, findet er ihn aber nicht, so soll der Kampf zwischen euch und ihm anheben, und er wird eure Stadt verwüsten.« Da sagte Kamar es-Samân: »Das soll ihm nicht gelingen; wie aber wird er genannt im Perserland?« Und der Abgesandte sprach: »Er ist geheißen König Schahrimân, der Herr der Inseln Chalidân. Alle diese Truppen hat er aus den Ländern, die er durchzogen hat um sich geschart, und er wandert von Land zu Land seinen Sohn zu suchen.« Als Kamar es-Samân die Worte des Abgesandten vernahm, stieß er einen lauten Schrei aus und sank in Ohnmacht. Nach langer Zeit erst erholte er sich wieder und weinte nun laut und sagte zu El-Amdschad und El-Asad und seinem Gefolge: »Ziehet fort, meine Söhne, mit dem Boten, begrüßet euern Großvater, meinen Vater den König Schahrimân, und bringt ihm gute Nachricht von mir, denn, siehe, er bekümmert sich um meinen Verlust und trägt um meinetwillen schwarze Gewänder.« Darauf erzählte er den anwesenden Königen alle seine Erlebnisse aus den Tagen seiner Jugend, und alle die Könige 79 verwunderten sich hierüber. Alsdann stiegen sie und Kamar es-Samân von dem Schloß hinunter und begaben sich zu seinem Vater; und Kamar es-Samân begrüßte seinen Vater, und sie umarmten einander und sanken im Übermaß ihrer Freude in Ohnmacht. Als sie sich dann wieder erholt hatten, und er seinem Vater alle seine Erlebnisse erzählt hatte, begrüßten ihn alle die andern Könige; dann schickten sie Mardschâne heim in ihr Land, nachdem sie sie zuvor mit El-Asad vermählt und sie ermahnt hatten, recht fleißig Nachrichten zu senden. Weiter vermählten sie dann El-Amdschad mit Bustân, der Tochter Bahrâms und zogen insgesamt nach der Ebenholzstadt, wo Kamar es-Samân seinem Schwiegervater unter vier Augen alles, was ihm widerfahren war, und wie er mit seinen Söhnen wieder zusammengetroffen war, mitteilte; und der König Armānûs freute sich und beglückwünschte ihn zum guten Ausgang. Hierauf besuchte der König El-Ghajûr, der Vater der Königin Budûr, seine Tochter, begrüßte sie und genas von seiner Sehnsucht nach ihr. Nachdem sie dann einen vollen Monat in der Ebenholzstadt verweilt hatten, reiste der König mit seiner Tochter, –

Zweihundertundneunundvierzigste Nacht.

seinem Gefolge und mit El-Amdschad in sein Land zurück. Dort angelangt, setzte er El-Amdschad anstatt seiner zum König ein, während Kamar es-Samân, nachdem er an seine Stelle in der Stadt seines Schwiegervaters Armānûs seinen Sohn El-Asad eingesetzt hatte, sich zur Abreise zurecht machte und mit seinem Vater, dem König Schahrimân nach den Inseln Chalidân zog, wo man ihm zu Ehren die Stadt schmückte und die frohe Nachricht einen vollen Monat lang austrommelte. Dann setzte sich Kamar es-Samân und regierte an seines Vaters Statt, bis der Zerstörer aller Freuden und der Trenner aller Vereinigungen sie heimsuchte. Und Gott ist allwissend.

Da sagte der König: »Ach, Schehersad, diese Geschichte 80 ist höchst wunderbar.« Schehersad erwiderte: »O König, diese Geschichte ist nicht wunderbarer als die Geschichte von Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât.« Nun fragte der König: »Und wie ist die Geschichte von Alā ed-Dîn Abusch-Schāmât?«

Da erzählte Schehersad:

 


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