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Nachwort

Unter den zahlreichen Unterhaltungsschriftstellern der Gegenwart hat wohl der Schwede Frank Heller das höchste geistige und literarische Niveau. Seine Romane kommen dem Bedürfnis des breiten Publikums nach stofflicher Spannung aufs weiteste entgegen: es sind meist Abenteurer- und Kriminalgeschichten, deren Fabel zuweilen bis hart an den Rand der Kolportage streift, aber die doch selbst auf den feinnervigen Leser nie plump und verletzend wirken. Dank der ironischen Weltbetrachtung, der scharfen Psychologie und der feinen sprachlichen Kunst, die Hellers Romane auszeichnen, ist es dem noch nicht Vierzigjährigen (geb. 20. Juli 1886 in Loesen, Schweden) bereits gelungen, eine große Lesergemeinde zu gewinnen: nicht nur in Skandinavien, sondern auch in Amerika, in England und bei uns in Deutschland erfreuen sich Frank Hellers Bücher wachsender Beliebtheit.

Wenn Hellers Romane, wie wir glauben, über das stofflich Spannende und die Kunst der Darstellung hinaus auch als Spiegelbilder unserer Zeit einen bleibenden kulturhistorischen Wert besitzen – so gilt das im besonderen Maße von unserem Roman, den wir in seinem Untertitel als »den Roman des modernen Schiebers« bezeichnen. Furustolpe ist der Typ jener smarten Geschäftsleute der neutralen Länder, die in den Wirren des Weltkrieges an der Not und Absperrung des deutschen Volkes zu verdienen wußten. Mit Tang, mit Nesseln und Eicheln zur Herstellung von Ersatzwaren, schließlich mit Platin und Salvarsan treiben Furustolpes zweifelhafte Aktiengesellschaften ihren schwunghaften Handel. In den Genossen seiner geschäftlichen Manipulationen begegnen uns verschiedenartige, aber charakteristische Gestalten von Männern, die es verstehen, sich an der Not der Völker zu bereichern.

Doch gegenüber diesem krassen Materialismus unserer Zeit steht auch sein Gegenpol: die Sehnsucht des Menschen unserer Tage, die Grenze des materiellen Daseins zu überspringen und die Schleier des Geheimnisses zu lüften. Das Verlangen nach den Sensationen einer anderen Welt, nach verborgenen Erscheinungen, nach Berührungen mit den Geistern Verstorbener ist ein markanter Charakterzug unserer materialistischen Epoche – der Spiritismus und verwandte geistige Strömungen erfreuen sich zunehmender Verbreitung und Beachtung.

Und in diese Welt nun läßt Frank Heller seinen Helden Furustolpe unwillkürlich hineingleiten; spiritistische Erlebnisse füllen mehr und mehr das innere Leben dieses Schiebers aus, verstricken ihn in Transaktionen, die seine geschäftliche Betätigung zugrunde richten, lassen Geschäft und Visionen unentwirrbar ineinandergleiten und führen schließlich zu dem geheimnisvollen Ende unseres Helden. Auf Grund eines gründlichen Studiums der spiritistischen Bewegung hat Heller die wirklichen oder vermeintlichen Erlebnisse spiritistischer Séancen und Offenbarungen in seinem Roman Gestalt werden lassen.

Aufgabe des Dichters ist es, die Welt zu gestalten, nicht sie zu deuten. Es wird jedem Leser unbenommen bleiben, je nach seinen persönlichen Erfahrungen und seiner eigenen Weltanschauung, die Erlebnisse des Herrn Furustolpe als die Berührungen mit einer anderen Welt zu betrachten, die hervorgebracht werden von seinem Feinde, dessen Haß noch über den Tod fortdauert – oder aber mit seinem Kompagnon, dem Materialisten Stangeland, zu glauben, daß die spiritistischen Erlebnisse unseres Helden nur Folgen des Alkohols, seines schlechten Gewissens und der von ihm erzeugten Autosuggestionen seien. Gerade darin, daß der Leser zwischen diesen beiden Deutungsversuchen immer wieder schwankend hin- und hergeworfen wird, daß ihm beide Erklärungsmöglichkeiten immer wieder zugeschoben und entzogen werden, liegt unseres Erachtens die feine Ironie der Hellerschen Darstellung.

So hoffen wir, durch Aufnahme dieses modernen Romans, für den wir das alleinige Autorrecht in Deutschland erwarben, unsere Sammlung um einen spannenden Band zeitgenössischer Literatur bereichert zu haben, dem man auch noch über unsere Zeit hinaus literarischen und kulturhistorischen Wert zuerkennen wird.

M. F.


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