Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Neuntes Kapitel.
»Es gibt mehr zwischen Himmel und Erde – –«

Die Sonne fiel in das Zimmer Nr. 217. Furustolpe und Gyllenkvist saßen auf dem roten Plüschdivan. Gyllenkvist bequem und elegant am Kopfende hingegossen, während Furustolpe ungemütlich am Fußende hockte. Gyllenkvist hatte das linke Bein über Las rechte geworfen und nickte lächelnd; der Lackschuh wippte auf und nieder und der Glanz stach Furustolpe in die Augen. Er trug einen Anzug mit taubenfarbener Weste, Umlegekragen und einen weinroten Schlips. Im Schlips leuchtete eine Perle in der Farbe der Weste. Furustolpe, der sich für einen gutgekleideten Mann hielt, sah mißbilligend auf Gyllenkvists Eleganz. Auf dem Tisch stand eine Flasche Benediktiner und zwei Gläser, von denen das vor Furustolpe ausgetrunken war.

»Ja, so steht die Sache,« sagte Gyllenkvist. Er sprach einen wenn möglich noch ausgeprägteren finnischen Dialekt als Furustolpe, – – aber dann und wann machte er den Versuch hochschwedisch zu sprechen. Der eben erwähnte Ausdruck war seine Lieblingsphrase.

»Ja, ja, so steht die Sache. Eine Aktiengesellschaft ist eben eine Aktiengesellschaft!«

Furustolpe nahm die Flasche, um einzuschenken. Er sah das Glas seines Gastes noch voll und betrachtete ihn verwundert. Gyllenkvist schüttelte mit hochgezogenen Augenbrauen den Kopf.

»Danke – – –« sagte er in seinem schönsten Schwedisch, »es ist zu heiß zum Trinken.«

Furustolpe füllte sein eigenes Glas und trank es demonstrativ aus.

»Ja, ich habe Ihnen ja schon gesagt, was ich wollte. Aber ich wiederhole: Sie wollen also nicht nachgeben, Herr Gyllenkvist?«

»Nein,« sagte Gyllenkvist und knöpfte den untersten Westenknopf auf, damit die Weste ja keine Falten bekommen sollte, während er lag. »Nein! Eine Aktiengesellschaft ist eben eine Aktiengesellschaft. Ich habe 30 000 Kronen in das Geschäft gesteckt und bekomme 35 Prozent der Aktien. Sie haben 8000 Kronen hineingesteckt und bekommen ebensoviel Aktien wie ich. Die Herren Stangeland und Petersson haben nichts eingesetzt und zusammen 30 Prozent erhalten. Darf ich fragen: wer hat von uns ökonomisch am meisten riskiert?«

»Ja, natürlich, ökonomisch haben Sie – – –«

»Gerade, und jetzt wollen Sie Ihr Geld aus der Aktiengesellschaft nehmen und doch Ihre Aktien behalten! Ist das nicht ein bißchen sehr viel verlangt?«

»Aber ich habe Ihnen ja schon gesagt, daß ich nur das Geld so lange benötige, bis Herr Petersson fertig ist und wir verkaufen können!«

»Das ist mir ganz egal, Sie müssen schon entschuldigen. Wie lange dauert es, bis Herr Petersson fertig ist? Das weiß ich nicht, und bis dahin muß ich eine Sicherheit haben. Wenn Sie auch nur wenig Geld in der Aktiengesellschaft haben, Herr Furustolpe, so ist es doch eine gewisse Sicherheit!«

»Glauben Sie denn nicht, daß ich ein ehrlicher Mann bin, Herr Gyllenkvist?«

»Wieso denn? Eine Aktiengesellschaft ist eben eine Aktiengesellschaft! Und am Freitag fahre ich nach England!«

»Sie fahren nach England?«

»Jawohl! Jetzt habe ich es bei allen Schneidern hier in Kopenhagen versucht. Die Gebrüder Petersen und die Firma Berlin gehen ja noch zur Not, aber sie haben nicht den rechten Stil! Ich fahre nach England, um mir einige richtige Anzüge machen zu lassen!«

Furustolpe sah seinen Gast so erstaunt an, als ob dieser gesagt hätte, daß er nach Rom führe, um den Glauben seiner Väter abzuschwören; das hätte ihn übrigens weniger verblüfft. Aber daß ein erwachsener Mann von 27 Jahren nach England reisen konnte, um Kleider zu bestellen?

»Aber die Minen?«

»Ach was, die Minen! Ich halte es eben nicht mehr mit den Gebrüdern Petersen aus!«

Furustolpe war starr. Dann packte ihn die Wut.

»Na, ich muß sagen! Sie reisen nach England, um sich Kleider zu kaufen. Die Kleider, die Sie haben, sind Ihnen nicht gut genug und das, was Sie hier in Kopenhagen kaufen können, auch nicht, während ich hier stehe mit kaum einem roten Heller in der Tasche, und Sie sagen glatt »Nein«, wenn ich von meinem eigenen Gelde borgen will!«

Gyllenkvist schüttelte den Kopf, wie über ein unvernünftiges Kind und sprach hochschwedisch:

»Nein, das habe ich nicht gesagt! Wenn Sie Ihre Aktien in der Aktiengesellschaft gegen – – – sagen wir 8 Prozent beleihen wollen, so habe ich nichts dagegen!«

Furustolpe schlug sich mit der Hand über das Knie, daß es nur so krachte.

»Borgen! Mein eigenes Geld gegen 8 Prozent borgen. Ich, der ich jeden Öre selbst verdient habe und jetzt reich wäre, wenn nicht Petersson, der Kerl, das ganze Lager verdorben hätte! Borgen? Sie verlangen, daß ich mein Geld noch verborgen soll?«

Er nahm die Flasche und hielt sie hoch, teils, um sein Glas zu füllen, teils, wie um zu drohen und starrte auf Gyllenkvist mit offenem Munde und fernblickenden Augen.

»Was ist denn los, Herr Furustolpe,« fragte Gyllenkvist scharf. »Warum sehen Sie mich so an? Wollen Sie mir die Flasche an den Kopf werfen? Sie wollen mich wohl totschlagen?«

Die Flasche fiel aus Furustolpes Hand und schlug mit einem Krach auf den Tisch. Furustolpe sah entgeistert seinen Gast an, dann vergrub er den Kopf in die Hände, bückte sich vorwärts und fing an zu weinen. Sein Rücken zuckte wie der Rücken eines gepeitschten Tieres. Die Tränen flossen aus seinem großen Bart. Gyllenkvist sah ihn an und rümpfte die Nase. Er fand es geschmacklos, sich so unbeherrscht zu gebärden. Er stand auf, nahm seinen hellen Überzieher und ergriff seinen weichen Hut.

»Herr Furustolpe!«

Furustolpe hob den Kopf und sah seinen Gast mit großen verweinten Augen an.

»Ich danke Ihnen bestens für Ihre Einladung hierher und für den Benediktiner – – – der mir zu so früher Stunde etwas zu stark erscheint! Hier ist ein Kuvert, das einen Wechsel enthält, den ich für die Aktiengesellschaft ausgestellt habe. Ich weiß nicht, ob ich Sie noch vor meiner Abreise sehen werde. Sollte die Aktiengesellschaft Geld gebrauchen, so können Sie den Wechsel akzeptieren, das Geld abheben und es für die Aktiengesellschaft verwenden. Natürlich müssen Sie alle Ausgaben buchen! Da Sie der Akzeptant sind, so ist es für mich weniger riskant, und da ich den Wechsel nur auf 3000 Kronen geschrieben habe, so laufe ich nicht Gefahr, daß bei meiner Rückkehr das ganze Kapital der Aktiengesellschaft abgehoben und verschwunden ist. Wenn Sie Ihren Entschluß ändern und Ihre Aktien gegen 8 Prozent Zinsen beleihen wollen, so können Sie mich anrufen. Heute ist Mittwoch – – – und ich reise erst am Freitag ab. Also auf Wiedersehen, Herr Furustolpe, und nochmals vielen Dank!«

»Bitte, bitte,« murmelte Furustolpe mechanisch.

Er starrte seinem Gast nach. So sind die Menschen. Elegant, in feinen Kleidern, weiß getünchte Gräber, wie die Heilige Schrift sagte, aber innerlich voller Schmutz! Einem Menschen zu verweigern, sein eigenes Geld zu bekommen! Vorzuschlagen, es gegen 8 Prozent zu borgen! Wahrlich, aus Gyllenkvists Schrecken hatte man sein schlechtes Gewissen ersehen können!

Wenn die Flasche gegen seinen Kopf anstatt auf den Tisch gefallen wäre, wäre ihm nur Gerechtigkeit widerfahren – – – aber seine Worte hatten Furustolpe gelähmt »Wollen Sie mir die Flasche an den Kopf werfen? Wollen Sie mich erschlagen?«

Er nahm das Kuvert, welches Gyllenkvist auf den Tisch gelegt hatte und öffnete es.

»Sie zahlen 6 Wochen a dato gegen diesen Sola-Wechsel an mich oder Order Kronen dän. 3000 (Dreitausend dän. Kronen.).

Hjalmar Gyllenkvist.«

Dreitausend Kronen! Die Summe, und vielleicht noch mehr würde die Aktiengesellschaft für den Betrieb gebrauchen können während der 6 Wochen, die Herr Gyllenkvist in England verbrachte, um Kleider zu kaufen – – – feine Kleider, um darunter den Schmutz in seinem Innern zu verbergen! Mit einem Wechsel auf sechs Wochen konnte man nicht spekulieren, wie mit einem Wechsel auf drei Monate, in der Hoffnung, ihn später zurückzuzahlen! – – – Und dann sollte Furustolpe ja die Ausgaben buchen! Ein hochnasiger Bengel sagte ihm, einem erwachsenen Mann, daß er die Ausgaben, die er mit seinem eigenen Gelde machte, ordentlich buchen solle – – – ein grüner Junge, ein 27 jähriger Laffe, der nach England reisen mußte, um Kleider zu kaufen, die für seine werte Person paßten! Hatte man je etwas Derartiges gehört? – – – Was für Zeiten – – – was für Menschen! Furustolpe nahm die Flasche und wollte sie gegen das Kopfende des Diwans schleudern, wo man noch den Eindruck sah, den Gyllenkvists Kopf hinterlassen hatte – – – aber er senkte sie über sein leeres Glas. Den Likör hatte er gekauft, um Gyllenkvist damit herumzukriegen – – – und – – – der Bengel hatte nicht einmal an seinem Glase genippt. Wahrhaftig – – –!«

Furustolpe stürzte drei Glas hintereinander hinunter und starrte den Wechsel an.

*

Der Freitag war vorbei. Gyllenkvist war abgereist. Furustolpe klingelte im Hause Gammel Kongevej 112.

Herr Wendland öffnete und begrüßte ihn strahlend.

»Guten Tag, Herr Furustolpe, bitte, bitte treten Sie näher!«

Furustolpe setzte sich auf dem Stuhl, von wo aus er sich angewöhnt hatte, dem Kontrollgeist zuzuhören.

»Sie sehen verstimmt aus, Herr Furustolpe. Sie haben doch keinen Rückfall Ihrer geistigen – – – hm – – – Heimsuchungen gehabt?«

»Nein – – – nein!«

»Nein, nein, das will ich nicht hoffen! Posch sagte ja, daß Ihr Geist sich jetzt in einer anderen Sphäre befindet und ich habe Ihnen ja immer gesagt: Sie können sich auf Posch verlassen. Es ist also etwas anderes!«

»Jawohl, es gilt etwas anderem.«

»Wünschen Sie eine Séance?«

»Ja, aber – – – noch eins. Ich kann heute nichts in die Kasse des Vereins ›Eos‹ zahlen! Es kann vielleicht auch noch einige Tage dauern, bis ich zahlen kann – – –«

Herr Wendland sah ihn strahlend an.

»Aber ich bitte Sie, Herr Furustolpe – – –«

Er setzte sich in dem Stuhle zurecht, schloß die Augen und begann die üblichen Streichungen. Bald war sein Gesicht verschwunden und aus seinem Munde sprach der Kontrollgeist Posch, wie aus einem Sprachrohr.

»Guten Abend, hier Posch aus Krakau. Gold, Silber, Juwelen, alles extra prima. Brauchen Se was zu benetigen? Der Mann, den man ermorden wollte, der Mann mit den 10 000 finnischen Mark ist nicht hier. Nein, ist nicht hier! Ist in einer anderen Sphäre! Er will nicht mehr durch Posch reden!«

Furustolpe unterbrach ihn bittend:

»Ist es wirklich nicht möglich, daß ich mit ihm sprechen kann!«

»Nein, nein, ausgeschlossen!«

»Aber – – –«

»Nein, nein!«

Furustolpe starrte ratlos auf das Gesicht. Die Stimme wiederholte:

»Nein, nein!«

Plötzlich schien es, als ob sich in dem Gesicht ein Kampf auskämpfte. Der Mund verzog sich bis hinter die Ohren, die Stirne furchte sich, an Stelle der bekannten Stimme kam ein Zischen; Furustolpe sah beunruhigt zu. Der Kampf spiegelte sich in Wendlands Zügen ab; jetzt hörte das heisere Zischen auf, man hörte nichts mehr. Herr Wendland atmete schwer; seine Glieder zuckten, als ob ein elektrischer Stoß von ungewohnter Stärke durch ihn gegangen wäre. Furustolpe fand das Schweigen unheimlich und bedrückend. Er hatte sich an das Krächzen des Kontrollgeistes Posch gewöhnt. Er hatte einiges auf dem Herzen und er beschloß es zu sagen.

»Hören Sie,« begann er.

Das Gesicht verzog sich zu einer Grimasse.

»Kann ich denn nicht mit ›ihm‹ sprechen?«

Keine Antwort, nur ein lauernder, bösartiger Ausdruck um den Mund.

»Ich möchte ihm nämlich etwas sagen. Ich werde es jedenfalls sagen und sehen, ob ich eine Antwort bekomme. Die 10 000 Mark, die er neulich verlangte, habe ich gezahlt und dagegen ist ja nichts zu sagen. Aber seitdem ist es mir im Geschäft schlecht ergangen und es will auch nicht besser werden. Und jetzt kommt es darauf an, ob ich mein Geschäft überhaupt durchhalten kann oder nicht. Dann wollte ich nur fragen, ob ›er‹ mir einen Rat geben kann. Die 10 000 Mark zahlte ich ja und das ist doch allerhand Geld!«

Das Gesicht behielt seine steinerne Ruhe. Keine Antwort kam, nur um den Mund lag noch der bösartige Ausdruck. Furustolpe begann wieder:

»Ich habe an die Börse gedacht. Allerdings habe ich dort kein Glück gehabt, aber jetzt habe ich gehört, daß die Aktien der Reederei »Sirius« sehr gut sein sollen. Stimmt das? Ich kann mir nicht vorstellen, daß es schwer sein soll, die Frage zu beantworten, wenn man – – wenn man dort drüben ist!«

Es kam Leben in das Gesicht. Die Glieder bewegten sich wie bei einem Hampelmann. Der Mund öffnete und schloß sich wie bei einem Paralytiker, ohne ein Wort herauszubekommen. Endlich kam ein – –

»Chr … Solche Dinge – – –«

Die Stimme war merkwürdig. Sie ähnelte Poschs und war doch verschieden.

»Solche Dinge – – –«

Jetzt war die Stimme total verändert. Als sie sprach, hörte es sich an, wie wenn jemand versucht, Worte in einer fremden Sprache nachzusagen.

»Solche Dinge – – nicht erlaubt zu beantworten!«

»Jetzt war es wieder Poschs Stimme.

»Aber – – Chr – – – aber – – –«

Die Zunge versagte, als ob sie zwischen zwei Wünschen kämpfte. Plötzlich kam ein krächzender Wortschwall.

»Ja, ja, hier ist Posch! Posch aus Krakau. Solche – – Dinge – – solche Dinge – – nicht – – erlaubt zu beantworten – – nicht erlaubt. – – Aber spekulieren Sie. Es ist – – gut – – Chr – – sehr gut!«

Herrn Wendlands Körper fuhr hin und her, schlapp, stoßweise wie ein flatterndes Segel. Dann wurde er ganz starr und lag über eine Minute unbeweglich. Darauf öffnete Herr Wendland die Augen und strich sich schwerfällig über die Stirne.

»Bin ich aber müde – – – was war denn los? Was ist passiert? – –«

Er erkannte Furustolpe.

»Kam Posch? Erhielten Sie Verbindung?«

»Ja – danke! Gewiß. Morgen oder übermorgen komme ich wieder und ordne das Geschäftliche! Auf Wiedersehen! Danke!«

Er eilte an dem verblüfften Herrn Wendland vorbei, die Treppe hinunter und in sein Hotel. Er holte aus seinem Zimmer ein längliches Papier und lief die Treppe wieder hinunter. An der nächsten Straßenecke lag eine Bank. Er ging hinein und kam nach einer Viertelstunde wieder heraus. Ein Auto führte ihn über Amagertorv und Kristiansborg zur Börse. Er arbeitete sich in den äußeren Saal hinein und winkte einen jungen Mann mit krummer Nase aus dem einen Raum heraus. Seine Blicke zogen den jungen Mann aus dem Gedränge, wie eine gut geworfene Angelschnur einen Fisch aus dem Wasser. Sie tuschelten miteinander, der junge Mann verschwand wieder im Strom und Furustolpe stand wieder allein in der lärmenden Menge, unbeweglich und unruhig. Nach einer Stunde verlor er die Geduld und verschwand in eine Likörstube, die ganz in der Nähe lag. Als er seinen dritten Whisky vertilgt hatte, kam ein langhaariger, rotnäsiger Mann hinein und hatte einen Stoß Abendzeitungen unter dem Arm. Furustolpe raffte eine Nummer an sich und stürzte sich darüber.

 

Dampfschiffgesellschaft Orien 375 (400)
Dampfschiffgesellschaft Rex 525 (525)
Dampfschiffgesellschaft Sirius 350 (300)

 

»Ober!«

Fünfzig Punkte. Ob er gleich verkaufte? Was hatte er da verdient?

»Ober! noch einen Whisky!«

Was hatte er verdient? Er hatte hundert Aktien zu je 300 Kronen durch den jungen Mann gekauft und 10 Prozent oder 3000 Kronen als Margine erlegt. Die Aktien waren um fünfzig Punkte pro Stück gestiegen. Das machte 5000 Kronen aus – – so viel hatte er verdient. War das genügend? Aber man konnte die Sache auch von einem anderen Gesichtspunkt aus sehen. Was sind fünfzig Punkte? War es nicht anzunehmen, daß die Aktien weiter stiegen? Oh, doch. Wer hatte ihm den Rat gegeben zu spekulieren? War es anzunehmen, daß man dort, von wo aus der Rat gekommen war, 5000 Kronen für eine große Summe ansah? Hatte man darum die Grundsätze gebrochen und ihm den Rat erteilt?«

Furustolpe trank seinen Whisky aus. Nein, das war kaum anzunehmen! Wenn die Aktien so weiter stiegen, so hatte er 10 000 Kronen verdient – und sie würden natürlich so weiter steigen! Seine Ratgeber konnten die Schwankungen an der Börse besser übersehen als andere. Was hatte gleich Herr Wendland gesagt? Die Geister haben die Macht! Nein, er verkaufte nicht. Die Papiere würden morgen weiter steigen!

Aber es kam anders! Die Aktien der Aktiengesellschaft »Sirius« stürzten von ihrer Höhe ab wie ein Papierdrachen, wenn der Wind nachläßt. Als Furustolpe im »Extrabladet« die Börsenberichte las, stand da:

 

Dampfschiffgesellschaft Orion 425 (375)
Dampfschiffgesellschaft Rex 550 (525)
Dampfschiffgesellschaft Sirius 285 (350)

 

Die Aktiengesellschaft »Orion« hatte einen Tagesgewinn von fünfzig Prozent zu verzeichnen, die Aktiengesellschaft »Sirius« einen Verlust von fünfundsechzig Punkten. So war es eben an der Börse in Kopenhagen im Jahre 1917.

Furustolpe las das »Extrabladet« in der Weinstube »Halt«.

Er kaufte augenblicklich eine neue Nummer. Dann kaufte er die Abendausgabe vom »Berlingske«, dann die Nummer von »Nationaltidende«. Wie verschieden auch diese drei Zeitungen in ihren politischen Ansichten waren, so stimmten sie doch in einer Angelegenheit überein: Die Aktien der Aktiengesellschaft ›Sirius‹ waren um fünfundsechzig Punkte gefallen.

Um fünfundsechzig Punkte gefallen! Das bedeutete ganz einfach, daß Furustolpe seinen gestrigen Gewinn und außerdem noch 1500 Kronen verloren hatte. Von den 3000 Kronen, die er auf den Wechsel erhalten hatte, blieben nur noch 1000 Kronen übrig.

Plötzlich fühlte Furustolpe eine Hand auf seiner Schulter. Er schaute auf und sah eine lange rote Nase über sich gebeugt.

»Gut, daß ich Sie hier treffe, Herr Furustolpe,« sagte der Chemiker Petersson. »Ich muß etwas Geld von Ihnen haben!«

»Wieviel?« murmelte Furustolpe mechanisch.

»Heute brauche ich nicht viel – – ungefähr 1000 Kronen. Aber nächste Woche muß ich mehr haben.«

Furustolpe starrte wie abwesend vor sich hin. Von Storfossens Tisch kam ein Wortschwall:

»Die Deutschen siegen!«

»Niemals! Die Entente siegt!«

»Heute haben sie elf Schiffe versenkt – – gestern zwölf! – – –«

Furustolpe wandte sich wütend gegen Petersson.

»Tausend Kronen! Sie verlangen tausend Kronen!«

»Ja,« sagte Petersson und strich sich seine Nase.

»Sie! Erst ruinieren Sie mich, und dann verlangen Sie noch tausend Kronen!«

Petersson starrte seinen Chef ganz entgeistert an.

»Sie Heuchler! Sie taten so, als ob Sie nichts trinken, und dann tranken Sie doch und verbrannten alles, was ich besaß! Sie Bummler. Und Sie wollen tausend Kronen haben?«

»Für Rohmaterial,« sagte Petersson sanftmütig, »und nächste Woche brauchen wir noch mehr!«

Nach einem Augenblick fügte er hinzu:

»Das heißt, wenn ich weiter arbeiten soll, und wenn Sie und Herr Gyllenkvist wollen, daß die Aktiengesellschaft verkaufen und Geld verdienen soll!«

Furustolpe nahm die Zeitungen, die vor ihm lagen und zerriß sie, dann schrie er:

»Es ist gut. Kommen Sie morgen um elf Uhr zu mir. Heute habe ich kein Geld bei mir. Guten Abend!«

Petersson verschwand, gefolgt von einem wütenden:

» Bummler

*

Wie immer öffnete Herr Wendland die Tür und ließ Furustolpe ein. Er lächelte abwartend.

»Ich komme, um ernstlich mit Ihnen zu sprechen, Herr Wendland.«

»Ja, bitte? Worum handelt es sich denn?«

»Um Geschäfte!«

Herr Wendland machte eine abwehrende Handbewegung.

»Ach, die Kleinigkeit ist nicht der Rede wert!«

»Das meine ich nicht!«

Herr Wendland sah ihn verständnislos an.

»Gestern, als ich konsultierte, bat ich den Geist um einen – geschäftlichen Rat.«

»Hm – – so! Derartige Fragen werden selten beantwortet!«

»Diese aber doch!«

»So!«

»Ja, ich fragte nach einem bestimmten Papier an der Börse, und der Geist sagte: ›Kaufen Sie‹. Ich kaufte, und das Papier stieg um fünfzig Punkte!«

Herr Wendland rieb sich die Hände.

»Sehen Sie an!«

»Aber heut fiel es um fünfundsechzig Punkte!«

Herr Wendland wurde still.

»Warum verkauften Sie denn nicht?«

»Weil ich glaubte, daß es weiter steigen würde!«

»Das – – das war sehr leichtsinnig von Ihnen, nicht zu verkaufen, wenn ein Papier in solchem Maße gestiegen ist! Das ist wirklich sehr leichtsinnig!«

»Warum denn? Es gibt Papiere, die wochenlang steigen. Wenn sie den einen Tag steigen, warum denn da nicht auch den nächsten?«

»Na, und was wollen Sie jetzt?«

»Meine ökonomischen Verhältnisse sind momentan nicht so gut, wie sie in einigen Tagen sein werden. Ich habe 1500 Kronen zu meiner Verfügung. Eigentlich müßte ich morgen 1000 Kronen auszahlen. Jetzt möchte ich gern den Geist fragen, ob ich die Auszahlung aufschieben soll und es nochmals mit der Börse versuchen!«

Herr Wendland richtete sich im Stuhle auf.

»Es ist gut, daß Sie mir dieses sagen, bevor Sie meinen Kontrollgeist um Rat fragen. Die Geisterwelt soll und kann in Geldsachen keinen Rat erteilen! Sie hat Ernsteres zu tun! Wenn Sie trotzdem einen Rat erhielten und dann leichtsinnig handelten, so müssen Sie dankbar sein und die Schuld auf sich nehmen!«

Furustolpe neigte sich näher an ihn heran.

»Aber bedenken Sie doch, wieviel man verdienen könnte, wenn die Geister raten würden, Herr Wendland. Sie wissen doch bestimmt, wie es kommt! Und Ihr Geist ist noch dazu ein Jude gewesen. Der muß doch etwas von der Börse verstehen, und selbstverständlich würde ich mich erkenntlich zeigen – – hm – – wir würden zusammen spekulieren und – – –«

Herr Wendland stand auf.

»Herr Furustolpe! Ich bitte Sie, mit Ihren Vorschlägen und mit Anspielungen auf die Rassenzugehörigkeit meines Kontrollgeistes aufzuhören. In der Bibel wird von dem Zauberer Simon erzählt, der seine Geistesgaben für Geld verkaufte. Soweit ich es verstehen kann, wollen Sie mich auch dazu verlocken. Aber ich bin kein Simon. Ich verkaufe nicht meine Gaben für Geld. Im übrigen spekuliere ich überhaupt nicht an der Börse – – Ihre kleine – – hm – – Schuld von gestern können Sie ja bei Gelegenheit regeln! Guten Tag!«

Eine milde, weiße Hand schob Furustolpe zur Tür hinaus, und er taumelte die Treppen hinab. In einer Kurve am Gammel Kongevej knirschten die elektrischen Bahnen betäubend – – es hörte sich an wie das Hohngelächter eines Verdammten.

Der Chemiker Petersson trank unter Stangelands Aufsicht seinen Vormittagsschoppen!

»Er ist so komisch! Manchmal denke ich sogar, daß es mit ihm nicht ganz richtig ist!«

»Aber das Geld hat er gegeben?«

»Ja! Aber mich so anzufahren, wo ich doch nur das Geld für die Aktiengesellschaft verlangte und er doch daran verdient! Was soll denn das heißen?«

»Ja, ich habe seit wer weiß wie lange nicht einen Heller in der Tasche! Ich weiß bestimmt, daß Gyllenkvist ihm einen Wechsel auf 3000 Kronen gab, ehe er verreiste. Aber heute muß er das Geld hergeben! Wenn ich nur wüßte, was er mit dem Gelde gemacht hat. Ich habe nachgezählt und aus einem Posten von mehreren tausend Kronen kann ich nicht klug werden. Ich weiß, daß er das Geld hatte, und eines schönen Tages war es weg!«

Petersson trank aus.

»Etwas ist jedenfalls nicht in Ordnung. Er ist nicht ganz gescheit!«

Furustolpe saß in Zimmer Nummer 217. Ein englisches spiritistisches Buch in Übersetzung lag vor ihm. Er las darin, und wenn er nicht an seine Geschäfte dachte, verstand er sogar, was er las.

Dreitausend Kronen hatte er abgehoben – – dreihundert Kronen hatte er übrig. Was sollte er damit anfangen? In einer Woche mußte Petersson mehr Geld haben, wenn die Aktiengesellschaft weiter arbeiten sollte! Was würde passieren, wenn Gyllenkvist wiederkam und Rechenschaft von ihm verlangte?

Das Buch vor ihm war von einem Manne geschrieben, der einen Sohn im Kriege verloren hatte. Kurz nach dem Tode hatte der Sohn angefangen, Botschaften von sich zu geben. Die Echtheit war nicht zu bezweifeln. Der Sohn hatte seine Identität durch verschiedene Feststellungen von Dingen, die dem Vater ganz unbekannt waren, beispielsweise durch Photographien, die an der Front gemacht worden waren, bewiesen. Er beschrieb Botschaft für Botschaft sein Leben in der jenseitigen Welt, seine Gefühle, als er erwachte, seine Verwunderung darüber, sich nicht in einer Schattenwelt oder einem Himmel, sondern in einem festen Universum zu befinden; er beschrieb das Zusammentreffen mit Freunden des Vaters.

– – – Gyllenkvist würde natürlich wütend werden!!! Und das war noch nicht das schlimmste, wenn Furustolpe nicht abrechnen konnte – – und wie sollte er – – dann würde er die Pläne, die er schon angedeutet hatte, in die Tat umsetzen. Er hatte ja Furustolpe angeboten, ihm auf seine Aktien Geld gegen hohe Zinsen zu leihen; jetzt, wo Furustolpe das Geld der Aktiengesellschaft verloren hatte, würde er ganz einfach Furustolpes Aktien beschlagnahmen, bis alles bezahlt war mit Zinsen und Zinseszinsen. So sind die Menschen! Daß sie so bös sein können! – – –

Der junge Mann setzte seine bisherigen Mitteilungen fort. Vieles, was er sagte, stimmte genau mit dem überein, was Furustolpe durch Posch gehört hatte. Er sprach von verschiedenen Sphären; daß Geister aus der einen in die andere Sphäre kommen können. Genau dasselbe hatte Teelemainen durch Posch gesagt. Er erzählte, daß man ihn in eine Sphäre von unbeschreiblicher Reinheit geführt, und daß er unsagbare Dinge gehört habe. Er war ganz verwundert darüber, daß er, soeben noch ein englischer Soldat, dieses erleben konnte, ohne besonders verändert zu sein … Er sprach von anderen Menschen, die hinüber kamen und nicht genug geläutert waren, und die dann nach der Sphäre der Buße kamen.

Wenn Gyllenkvist jetzt sterben würde, so käme er sicher in eine Sphäre der Buße. Einem Kompagnon sein eigenes Geld verweigern, während er selbst nach England fuhr, um sich neue Kleider zu kaufen, das war doch eine Herzlosigkeit, die nicht in einigen Tagen konnte hinweggefegt werden.

Der junge Mann hatte sich auf verschiedene Arten mit seiner Familie verständigt. Furustolpe erfuhr zu seiner großen Verwunderung, daß die Geister nicht nur auf Stuhlbeine und Medien angewiesen waren, wenn sie mit den Lebenden in Verbindung kommen wollten, sondern es gab auch ein Instrument, »Psychograph« genannt, eine Scheibe, die mit dem Alphabet versehen ist, und eine Scheibe, die von einer feinnervigen Hand von Buchstabe zu Buchstabe geführt wurde. Aber es gab außerdem eine andere Art, die Furustolpe noch mehr verblüffte. Das Buch erzählte von einer englischen Dame, deren Sohn tot war, und der direkt durch die Hand der Mutter schrieb! Die Mutter führte die Feder, aber die Handschrift war die des Sohnes, und die Mitteilungen waren von ihm; sie hatten gleich nach seinem Tode begonnen! Erst hatte sie gezweifelt und dagegen gekämpft, aber schließlich hatte das, wogegen sie kämpfte, sie überwältigt und zum Schreiben und Glauben gezwungen.

Jetzt kamen durch ihre Hand nicht nur vom Sohne Mitteilungen, sondern auch von anderen Verstorbenen. Sie nahm ganz einfach die Feder, und wenn der Geist da war, beantwortete er schriftlich ihre Fragen oder erzählte von selbst, was im Jenseits passierte – –

Furustolpe erhob den Kopf und starrte vor sich hin. Waren dies die Zeichen und Wunder, welche die Heilige Schrift für das jüngste Gericht voraussagte? War es so? Ja, warum denn nicht? Berühmte Gelehrte bürgten dafür, daß die Mitteilungen sich als richtig erwiesen, soweit sie sich kontrollieren ließen. Die Schrift, womit sie geschrieben waren, war nicht die des Mediums, sondern die des Verstorbenen, bis in die kleinsten Einzelheiten, auch der Ausdrucksweise.

Furustolpe ließ das Buch fallen, nahm in Gedanken eine Feder und starrte auf den Sonnenstrahl, der über seine Schreibmappe fiel. Eine Zeit der Zeichen! Ein Jammer und Elend wird kommen, wie es noch nie auf Erden gewesen ist; die Toten werden auferstehen, um zu zeugen – – – Eine Zeit der Zeichen – – –

Plötzlich hatte Furustolpe ein merkwürdiges Gefühl. Es war ihm, als ginge ein elektrischer Stoß durch seinen Körper. Seine Schläfen hämmerten; seine Haut stach und kitzelte. Er fühlte einen eisernen Griff um seinen Kopf. Seine Hand zuckte wie die eines Paralytikers und bewegte sich wider seinen Willen. Plötzlich bekamen die Bewegungen einen Sinn. Seine Finger, die die Feder umklammerten, wurden gegen das Papier gepreßt; seine Hand schrieb. Er kämpfte dagegen – aber vergebens, er war nicht Herr seines Willens. Er schrieb, ohne daß er etwas dagegen machen konnte, aber es war nicht seine Schrift. Er konnte weder deutlich sehen noch hören. Er zitterte und bebte, als sei er in der Nähe einer unbekannten, gewaltigen Kraftquelle. Jetzt kam der Druck ruckweise – – jetzt hörte er ganz auf. Langsam richtete er sich aus seiner gebückten Stellung empor. Seine Schultern schmerzten, als habe er eine Zentnerlast darauf getragen. Mit Augen, vor denen sich alles drehte, nahm er die Blätter, welche zerstreut auf dem Tische lagen.

Was war denn das für eine Schrift? Jedenfalls nicht seine eigene. Aber er kannte sie doch. Wessen Schrift war es nur?

Jetzt sah er es. Nein, das war ja unmöglich! Aber möglich oder nicht. Die Schrift auf dem Papier vor ihm war die von Gyllenkvist!

Er war ganz verblüfft. Er sperrte die Augen auf und starrte. Gyllenkvist's Schrift. Ohne Zweifel: es war Gyllenkvists Schrift. Wie konnte das nur sein? Es war doch unmöglich! Aber jedenfalls wollte er durchlesen, was auf den Bogen stand – – es waren ihrer fünf.

Er ergriff den ersten.

»Ich, Gyllenkvist, bin hier im Zimmer. Du glaubst es nicht. Du kannst es nicht glauben, denn es ist unfaßbar für den menschlichen Verstand – – aber es verhält sich doch so. Ich, Gyllenkvist, bin hier, ganz dicht bei dir. Du kannst mich nicht sehen, denn du bist Fleisch und Blut, und ich bin ein Geist.

Du lebst – – ich bin tot, und doch lebe ich ebensogut wie du. Ich bin hier. Ich habe Macht und Kräfte, von denen du dir keine Vorstellung machen kannst. Ich bin es, der dich mit diesem wunderlichen Gefühl erfüllt, daß du jetzt in dir fühlst – – ich fasse um dein Gehirn – – ich zwinge deinen Arm sich zu bewegen und deine Finger zu schreiben. Sieh dir die Schrift an! Ist es nicht meine Schrift? Höre, was ich dir sage, denn dann wirst du es einsehen, daß ich, Gyllenkvist, durch dich schreibe, um dir zu helfen.

Ja, um dir – – aber auch, um mir selbst zu helfen. Ich bin tot. Ich starb auf einer Reise in weltlichen Geschäften. In einer Zeit, wo die ganze Welt Not und Elend leidet, dachte ich nur an eitle Dinge. Ich fuhr nach England, um für meinen vergänglichen Körper Kleider zu kaufen. Der Dampfer, mit dem ich reiste, hieß »Bertha«. Auf der Nordsee stieß er auf eine Mine und ging unter. Oh, es war entsetzlich! Das Heulen des Windes, das Tosen der Wellen und das Angstgeschrei der Ertrinkenden erfüllte meine Ohren, bis ich selbst nichts mehr vernahm und ertrank.

Es klang noch in meinen Ohren, als ich erwachte; denn ich erwachte zum Leben zwischen denen, welche man Tote nennt, welche aber doch leben – – hörst du – – leben. Ich war so von Angst erfüllt, daß ich unter lauten Hilferufen erwachte. Mitleidige Geister hörten mich, sie kamen, um mich zu empfangen und lehrten mich auch die Welt verstehen, in der ich jetzt lebe.

Unter vielen anderen Dingen lernte ich das Eine einsehen: daß ich nicht so gelebt habe, wie ich leben sollte, als ich noch auf Erden war. Ich habe an vielen unrecht gehandelt und nicht am wenigsten an dir! Es ist mir gestattet, das, was ich verbrochen habe, gutzumachen, soweit ich kann. Bei dir ist es mir möglich! Du bist sensibel! Ich kann dich erfüllen, ich habe die Macht, dein Gehirn zu erfüllen und deine Hand zum Schreiben zu zwingen, damit du weißt, was ich will. Heute will ich dir folgendes sagen:

Ich habe unrecht an dir getan. Ich untersagte dir, dein eigenes Geld abzuheben, und höhnisch bot ich dir an, das Geld gegen hohe Zinsen zu borgen. Ich schrieb dir einen Wechsel aus, der viel zu niedrig war! Jetzt hast du das Geld verbraucht und einen großen Teil der Summe verloren. Glaubst du, daß ich das nicht weiß? Glaubst du, daß uns irgend etwas verborgen bleibt, die wir im Jenseits sind und die wir die wirklich Lebendigen und Mächtigen sind? Wir wissen alles, soweit es uns gestattet ist zu wissen! Also ich weiß, daß du das Geld, welches du auf den Wechsel erhieltest, verloren hast, daß du mehr benötigst, daß du Kummer und Sorgen hast.

Aber du sollst dich nicht mehr grämen. Ich werde dir deine Sorgen abnehmen. Ich bereue meine Härte. Mit meiner eigenen Hand, die durch dich schreibt, unterschreibe ich diesen neuen Wechsel, von dem du freien Gebrauch machen darfst. Es wird leicht gehen, denn noch weiß niemand, daß ich tot bin, und es wird noch eine Weile dauern, bis man es erfährt. Ich flehe dich nur um eins an: verzeihe mir und erleichtere mir die Strafe, die ich für meine Härte im Leben verbüßen muß.

Und nun – – lebe wohl für heute! Ich könnte noch viel mehr schreiben, aber du bist müde; du hältst heute nicht mehr aus! Lebe wohl, mein Freund auf Erden, und vergib, daß ich so hart war, als wir noch zusammen waren.«

Das stand auf den fünf Bogen. Daneben lag ein Wechsel von Hjalmar Gyllenkvist akzeptiert – – Datum und Summe waren nicht ausgefüllt.


 << zurück weiter >>