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Kriegssteuern

Diese im Herbst 1916 einsetzende bedenkliche Entwicklung unserer Kriegsfinanzwirtschaft legt die Frage doppelt nahe, ob nicht früher und in stärkerem Maße, als es geschehen ist, neue Steuern zur Deckung der Kriegsausgaben hätten herangezogen werden sollen.

Heute, wo wir alle vom Rathaus kommen, wird diese Frage im Brustton der Überzeugung bejaht von Leuten, die im Rathause selbst noch ganz anderer Meinung gewesen sind. Und diese Treppenklugheit erfreut sich des allgemeinen Beifalls.

 

Anleihen und Kriegssteuern

Steuern als Mittel zur Deckung des Kriegsbedarfs haben mit der Aufbringung durch die Ausgabe langfristiger Anleihen den Vorteil gemeinsam, daß sie lediglich bereits vorhandene Kaufkraft aus den Händen Privater in die Hände des Staates legen, daß also die Volkswirtschaft sich nicht den Gefahren der Überflutung mit neuen Zahlungsmitteln aussetzt; daß ferner der Staat vor dem Damoklesschwert der kurzfristigen Verbindlichkeiten gewaltigen Umfangs bewahrt bleibt. Vor dem Anleiheweg hat der Steuerweg den Vorteil voraus, daß er die endgültige Lösung der Deckungsfrage darstellt, während die Anleihe die Deckungsfrage für Zinsen und Tilgung auf die Zukunft schiebt. Aber wenn es schon in normalen Zeiten ein anerkannter Grundsatz der staatlichen Finanzwirtschaft ist, daß neben der Steuer auch die Anleihe, also das Verschieben der Belastung auf die Zukunft, ihre Berechtigung hat, so kann im Kriege der Vorzug der endgültigen Deckung erst recht nicht ohne weiteres zugunsten der Steuern den Ausschlag geben. In der Tat hat kein kriegführendes Land auf dem Steuerweg allein seinen Kriegsbedarf aufgebracht oder auch nur einen erheblichen Teil seiner Kriegsausgaben gedeckt. Auch England nicht. Die britischen Minister haben sich zwar zu Anfang des Krieges auf die gute alte Tradition berufen, die Gelder für den Krieg soweit wie möglich durch Steuern zu beschaffen, was sogar in den langen und kostspieligen napoleonischen Kriegen bis zu 45 % der gesamten Kriegskosten gelungen war. Der Weltkrieg hat aber so enorme finanzielle Ansprüche gestellt, daß auch England, so stark es die Steuerschraube anzog, nur einen sehr bescheidenen Bruchteil der Kriegskosten durch Kriegssteuern zu decken vermochte. Bis zum Ablauf des Finanzjahres 1917/18 stellten sich die englischen Kriegskosten (ohne die bei uns in Deutschland auf den ordentlichen Etat genommenen und durch laufende Einnahmen gedeckten Zinsen der Kriegsanleihen) auf rund 120 Millionen Mark, die steuerliche Deckung auf rund 15 Milliarden Mark Siehe Prion, Steuer- und Anleihepolitik Englands während des Krieges, S. 24 gleich 12 ½% der zu deckenden Kriegsausgaben. Dabei kamen von den 15 Milliarden Mark rund 7 ½ Milliarden Mark, also die Hälfte, auf die Kriegsgewinnsteuer.

Das Beispiel Englands zeigt also, wie bescheiden angesichts der enormen Kosten des Weltkrieges das Ziel bei einer Finanzierung eines Teiles der Kriegskosten durch Steuern gesteckt werden mußte.

Dabei lagen bei uns in Deutschland die Verhältnisse für die Ausschreibung von Kriegssteuern ungleich ungünstiger als in England.

 

Vergleich mit England

Schon die bundesstaatliche Verfassung des Reiches bedeutete eine empfindliche Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Reichsfinanzverwaltung. Die Bundesstaaten beanspruchten das Gebiet der direkten Steuern als ihre Domäne und setzten einem Hinübergreifen des Reiches auf dieses Gebiet starken Widerstand entgegen; nicht etwa nur die einzelstaatlichen Regierungen, sondern auch die einzelstaatlichen Landtage. Demgegenüber gab es wohl Druckmittel, aber keine Zwangsmittel. Auch die Druckmittel waren nur beschränkt anwendbar; denn über die Tatsache war nicht hinwegzukommen, daß die Einzelstaaten und neben ihnen die Kommunen und Kommunalverbände für die Deckung ihres im Kriege gleichfalls anwachsenden Geldbedarfs sich in der Hauptsache auf die direkten Steuern angewiesen sahen. Auf der andern Seite hatte die Erfahrung gezeigt, daß im Reichstag indirekte Steuern nur in Verbindung mit Reichssteuern auf Besitz und Einkommen Aussicht auf Annahme hatten. Dazu kam der doktrinäre Standpunkt der Sozialdemokratie, die indirekte Steuern grundsätzlich ablehnte. Da ohne eine starke Heranziehung indirekter Steuern auf Verbrauch und Verkehr ein praktisch durchführbares Steuerprogramm überhaupt nicht denkbar war – auch England hat im Krieg seine Verbrauchs- und Verkehrssteuern stark erhöht –, so drohte also von einem Versuch mit Kriegssteuern eine Gefährdung des seit dem 4. August 1914 behüteten »Burgfriedens«. Schließlich war zu berücksichtigen, daß die Abschnürung Deutschlands von der Außenwelt uns eine Reihe ergiebiger Steuerquellen verschlossen hatte, die England nach wie vor zur Verfügung standen. England konnte den Einfuhrzoll auf Kaffee, Tee und Kakao mit guter Wirkung erhöhen; bei uns gab es an diesen Genußmitteln keine nennenswerte Einfuhr mehr. England konnte Bier und Branntwein mit großen Summen heranziehen; wir mußten die Herstellung von Trinkbranntwein verbieten und die Bierbrauerei auf das Äußerste einschränken. Der Spielraum für die als Domäne des Reiches anerkannte indirekte Besteuerung war also durch den Krieg selbst auf das Empfindlichste eingeschränkt. Darüber hinaus war dem deutschen Volk durch den britischen Wirtschafts- und Hungerkrieg eine so ungleich größere Belastung seines Lebens und seiner Wirtschaft auferlegt als unsern Feinden, denen außer den eigenen Hilfsquellen die finanzielle und wirtschaftliche Unterstützung der überseeischen Welt, namentlich Amerikas, zur Verfügung stand, daß sich die Frage von selbst aufwarf: Ist es zu verantworten, und wie weit ist es zu verantworten, dem deutschen Volk während des Krieges selbst im Steuerwege Lasten aufzubürden, die es voraussichtlich erheblich leichter nach Wiederherstellung des Friedens würde bewältigen können?

 

Zwangsmomente für Kriegssteuern

Aber so groß diese Bedenken und Schwierigkeiten auch waren, ein unübersteigliches Hindernis für jedes Anziehen der Steuerschraube während des Krieges durften sie nicht bilden. Es war bei längerer Dauer des Krieges mit Zwangsmomenten zu rechnen, die kaum eine andere Wahl lassen würden, als neben den Anleihen auch die Steuern in Anspruch zu nehmen. Eines dieser Zwangsmomente war in verhältnismäßig naher Zeit mit Sicherheit zu erwarten: die Notwendigkeit, den ordentlichen Etat, dessen Belastung durch die Zinsen der Kriegsanleihen stark zunehmen mußte, im Gleichgewicht zu halten. Wenn man will, ein formaler Gesichtspunkt, wie überhaupt die Ordnung etwas Formales ist. Aber dieser formale Gesichtspunkt gab wenigstens einen bestimmten Anhalt, während die Frage, welcher Prozentsatz der eigentlichen Kriegsausgaben durch Steuern gedeckt werden sollte, nur durch einen ganz willkürlichen Griff hätte entschieden werden können. Außerdem konnte von der steuerlichen Deckung der Anleihezinsen noch während des Krieges, die als ein lösbares Problem sich darstellte, ein immerhin recht wertvolles Zehrgeld für die Übergangszeit bis zur endgültigen Neuordnung der Reichsfinanzen erwartet werden, ein Zehrgeld, das um so nötiger erscheinen mußte, als für die Friedenszeit mit erheblich größeren Schwierigkeiten in der Aufnahme von Anleihen zu rechnen war als während des Krieges. Der Krieg bedeutete für zahlreiche Unternehmungen den Ausverkauf ihrer Bestände, ohne daß Neuanschaffungen möglich waren. Das für Neuanschaffungen nicht verwendbare Geld stand für die Kriegsanleihen zur Verfügung. Nach dem Friedensschluß mußte sich diese Sachlage ändern: die Unternehmungen würden – das war zu erwarten – flüssige Mittel brauchen, um ihre geleerten Bestände an Rohstoffen, Halbfabrikaten, Fertigwaren usw. wieder aufzufüllen, ihren technischen und maschinellen Apparat zu erneuern und zu ergänzen. Mit der Fortsetzung des Kreislaufs, in dem der größere Teil des als Kriegsausgabe vom Reich hinausgegebenen Geldes als Einzahlung auf Anleihen an das Reich wieder zurückfloß, war also nicht zu rechnen. Auch konnte niemand erwarten, daß nach Friedensschluß die Anleihezeichnung in demselben Maße noch als patriotische Pflicht aufgefaßt werden würde wie während des Krieges. Um so wichtiger und unerläßlicher war es, rechtzeitig dafür zu sorgen, daß für die Übergangszeit bereits Neueinnahmen ausreichenden Umfanges zur Verfügung stehen würden.

Das zweite Zwangsmoment, das während meiner Verwaltung des Schatzamts praktisch noch nicht in Erscheinung trat, sich aber später in bedenklichem Umfang einstellte, war die volkswirtschaftliche Notwendigkeit, einer »Inflation« und ihren verhängnisvollen Begleiterscheinungen entgegenzuwirken. Solange die Anleihebegebung die Kriegskosten annähernd deckte, lag keine Gefahr vor. Wenn aber, was vom Herbst 1916 an in steigendem Maße der Fall war, der Ertrag der Anleihen hinter den Kriegsausgaben zurückblieb, so entstand ein Vakuum, das nur durch Schaffung neuer Zahlungsmittel seitens des Staates, also um den Preis der Inflation, ausgefüllt werden konnte – oder durch ein starkes Anziehen der Steuerschraube. Zum mindesten lag dann angesichts der zersetzenden und verheerenden Wirkungen der Inflation die Notwendigkeit vor, durch das Mittel der Besteuerung nach Möglichkeit entgegenzuarbeiten.

Nach diesen Erwägungen habe ich während meiner Amtszeit als Schatzsekretär die Finanzpolitik geführt.

 

Kriegssteuervorlagen

Als ich den Haushaltsplan für 1915/16 beim Reichstag einbrachte, mußte ich von Kriegssteuern absehen, da, als ich wenige Wochen zuvor das Amt übernahm, nichts in dieser Richtung vorbereitet war; ich konnte von Kriegssteuern absehen, da noch keines der geschilderten Zwangsmomente vorlag. Ich habe späterhin häufig den Vorwurf gehört, ich hätte mich damals grundsätzlich gegen die Erhebung von Kriegssteuern ausgesprochen. Das ist ein Irrtum, der auch durch öfteres Wiederholen nicht zur Wahrheit geworden ist. Ich habe in meiner Etatsrede vom 10. März 1915 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Voranschlag für das kommende Rechnungsjahr ohne Kriegssteuern balanciere, obwohl nicht nur die Verzinsung der bis dahin aufgelaufenen Kriegsschulden auf den ordentlichen Etat übernommen, sondern auch die planmäßige Tilgung der alten Reichsschuld aufrechterhalten worden war. Ich habe hinzugefügt:

»Der zwingende Anlaß, aus Gründen der rechnungsmäßigen Balancierung des ordentlichen Etats zu neuen Steuern zu greifen, liegt also für uns nicht vor, jedenfalls zur Zeit noch nicht. Unter diesen Umständen haben die verbündeten Regierungen geglaubt, zur Zeit von der Einbringung von Kriegssteuern Abstand nehmen zu können.«

In den folgenden Monaten ließ ich in meinem Amt die in Betracht kommenden Kriegssteuern durcharbeiten. Für den 10. Juli 1915 hatte ich die bundesstaatlichen Finanzminister zu einer Besprechung der finanziellen Lage eingeladen. Ich stellte auf dieser Versammlung auch die Frage der Kriegssteuern zur Erörterung. Die Finanzminister kamen in eingehender Aussprache zu einem Einverständnis darüber, daß dem Reichstag auch in der für den l0. August in Aussicht genommenen Tagung Kriegssteuern nicht vorgeschlagen werden sollten. Ich erklärte damals ausdrücklich, daß ich den Verzicht auf Kriegssteuern, der mir persönlich nicht leicht werde, nur dann würde durchhalten können, wenn nicht ein weiterer Winterfeldzug nötig werde.

Diesem Standpunkt getreu habe ich im Winter 1915/16 den Bundesrat und den Reichstag mit einer Anzahl von Steuervorlagen befaßt. Die zwingende Notwendigkeit lag jetzt vor; denn trotz der Übernahme der gesamten laufenden Ausgaben für Heer und Flotte auf den Kriegsfonds zeigte der ordentliche Etat einen rechnungsmäßigen Fehlbetrag von 480 Millionen Mark, dessen starke Erhöhung im wirklichen Ergebnis mit Sicherheit zu erwarten war.

Meine Vorschläge umfaßten:

  1. Eine Kriegsgewinnsteuer.
  2. Eine Anzahl von Verbrauchs- und Verkehrssteuern, nämlich eine Erhöhung der Tabakabgaben, einen Quittungsstempel, einen Frachturkundenstempel und Zuschläge zu den Post- und Telegraphengebühren.

 

Kriegssteuervorlagen

Die Einbringung des Kriegsgewinnsteuergesetzes entsprach den Wünschen aller Parteien. Dagegen stieß jeder weitere Schritt auf erhebliche Schwierigkeiten. Schon innerhalb des Kreises der Reichsleitung hatte ich es nicht leicht. Namentlich die Postzuschläge fanden bei dem Staatssekretär des Reichspostamts den stärksten Widerspruch, der schließlich nur durch eine Entscheidung des Reichskanzlers überwunden werden konnte. Die Parteien des Reichstags zeigten sich kühl oder feindlich. Der Führer der Nationalliberalen, Herr Bassermann, machte mir die eindringlichsten Vorstellungen, ich solle darauf verzichten, den Burgfrieden der Parteien auf eine Probe zu stellen, der er nicht gewachsen sei. Der Reichstag werde unter Umständen genötigt sein, über meine Vorlagen einfach zur Tagesordnung überzugehen. Ich hielt Herrn Bassermann entgegen, daß ein Burgfrieden, der nur um den Preis des Verzichts auf zwingende sachliche Notwendigkeiten aufrecht erhalten werden könne, ein fauler Friede sei, der mehr schade als nütze; ich sei entschlossen, meine Steuervorlagen einzubringen und mit ihnen, bei aller Geneigtheit, über Einzelheiten mit mir reden zu lassen, zu stehen und zu fallen. – Noch unmittelbar vor Torschluß kam der Zentrumsführer Dr. Spahn aus einer Sitzung seiner Fraktion zu mir, um mir gleichfalls dringend nahezulegen, die Steuervorlagen zurückzuziehen. Auf meine kategorische Ablehnung richtete er an mich die Frage: »Sind Sie wenigstens der Deckung durch den Kanzler sicher?« Ich antwortete »Seiner Zustimmung unbedingt.« Herr Spahn schüttelte bedenklich den Kopf und erzählte dann, in der Fraktionssitzung habe ein Abgeordneter berichtet, er habe an einer Sitzung beim Reichskanzler teilgenommen, in der die Frage der Kriegssteuern besprochen, worden sei; der Kanzler habe schließlich anerkannt, daß die Gefährdung des Burgfriedens durch die neuen Steuern vermieden werden müsse. Ich antwortete: »Der Abgeordnete heißt natürlich Erzberger, und die Sache ist Unsinn. Ich werde aber zu Ihrer Beruhigung den Sachverhalt sofort beim Reichskanzler selbst feststellen.« Herr von Bethmann war über den Bericht des Herrn Erzberger empört. Herr Erzberger hatte ihn am Vormittag besucht und dabei auch die burgfriedlichen Bedenken gegen die Kriegssteuern vorgebracht. Herr von Bethmann hatte ihm geantwortet, das sei alles überlegt worden, und nach reiflicher Prüfung habe man sich zur Einbringung der Vorlagen entschlossen; dabei müsse es bleiben.

Und es blieb dabei.

Aber es wurde eine schwere Geburt.

Presse und Parlament zausten in der grausamsten Weise an meinem Steuerbukett herum. Die einen erklärten Kriegssteuern für überflüssig und schädlich, den andern war ich zu schüchtern. Die Sozialdemokraten riefen nach weiteren direkten Steuern, insbesondere nach einer Erneuerung des Wehrbeitrags und nach einer Reichserbschaftssteuer, und lehnten die Verbrauchs- und Verkehrssteuern trotz Krieg und Kriegsnot nach altem Friedensbrauch grundsätzlich ab. Alle fanden, meine Steuern seien Stück- und Flickwerk; und damit hatten sie recht. Unrecht hatten sie nur, wenn sie von mir in diesem Stadium des Krieges ein »organisches Ganzes« und eine »großzügige einheitliche Reichsfinanzreform« verlangten. Es wäre Vermessenheit gewesen, im zweiten Kriegsjahr eine durchgreifende und endgültige Neuordnung der deutschen Finanzen schaffen zu wollen. Auch mein Nachfolger hat in seinen Steuervorlagen von 1917 und 1918 sich damit begnügen müssen, zu Notbehelfen zu greifen und die endgültige Neuordnung der Reichsfinanzen der Friedenszeit zu überlassen.

Die Verbrauchs- und Verkehrssteuern wurden mit Änderungen, wie sie nun einmal der Reichstag seiner Würde schuldig zu sein glaubte, im großen Ganzen angenommen. Die Änderungen, die der Reichstag an meinen Sätzen für die Postgebühren vornahm, hat er zwei Jahre später zum großen Teil wieder nach rückwärts korrigiert. Die Vorlage über den Quittungsstempel erfuhr eine gänzliche Umgestaltung: der Quittungsstempel wurde zu meiner Freude durch den Umsatzstempel ersetzt. Ich hatte im Schatzamt den Entwurf eines Umsatzstempelgesetzes in allen Einzelheiten ausarbeiten lassen, da ich den Umsatzstempel für eine sehr entwicklungsfähige Steuer hielt, und weil ich in ihm eine wichtige Ergänzung unseres Steuersystems erblickte. Ich habe darüber bei der zweiten Lesung der Steuervorlagen ausgeführt:

»Das Einkommen wird von den Einzelstaaten und Kommunen bei seinem Entstehen an seiner Wurzel als Einkommen gefaßt. Die Besteuerung und Verwendung des Einkommens liegt nun in der Weise beim Reich, daß derjenige Teil, der verbraucht wird, unter den Umsatzstempel fällt, und zwar proportional zum Verbrauch, und derjenige, der nicht verbraucht wird, also einen Vermögenszuwachs bildet, unter die Vermögenszuwachssteuer fällt.«

Wenn ich die Umsatzstempelvorlage nicht von vornherein einbrachte, so war für mich in erster Linie bestimmend die Befürchtung, daß diese Neuerung als allzu kühn abgelehnt werden würde. Den bereits dreimal vom Reichstag abgelehnten Quittungsstempel schlug ich vor, weil ich der Ablehnung so gut wie sicher war und dann wenigstens die Aussicht hatte, daß man mir aus dem Reichstag heraus als Ersatz die Umsatzsteuer präsentieren könnte.

So geschah's.

Der Abgeordnete Müller-Fulda erwies mir, ohne es selbst zu ahnen, den von mir erwarteten Gefallen.

Am schlimmsten verunstaltet wurde das Kriegsgewinnsteuergesetz.

Die Verteilung der Steuergebiete zwischen Reich und Einzelstaaten legte es nahe, die Kriegsgewinnsteuer als eine Steuer von dem während des Krieges eingetretenen Vermögenszuwachs zu konstruieren. Den Nachteil, daß bei dieser Konstruktion der Sparsame getroffen und der Verschwender gewissermaßen belohnt wird, wollte ich dadurch wenigstens einigermaßen ausgleichen, daß ich für die Bemessung des Steuersatzes den Grad der Einkommensteigerung während des Krieges mitbestimmend sein ließ. Es war nicht ganz einfach gewesen, die Bundesregierungen, die jede Heranziehung der Einkommen durch das Reich als einen Einbruch in ihre steuerliche Domäne anzusehen geneigt waren, für dieses Zugeständnis zu gewinnen. Die Reichstagskommission setzte nun in ihrer ersten Lesung eine selbständige Steuer vom Mehreinkommen neben die Steuer auf den Vermögenszuwachs, und als die verbündeten Regierungen dagegen Einspruch erhoben, schüttete sie das Kind mit dem Bade aus und strich – zur großen Freude der einzelstaatlichen Finanzminister – jede Berücksichtigung des Mehreinkommens aus dem Gesetz heraus. Denn geändert mußte nun einmal werden, wenn nicht nach links, dann nach rechts!

 

Kriegsgewinnsteuer und Vermögensabgabe

Eine neue große Schwierigkeit entstand infolge des Kommissionsbeschlusses, gleichzeitig mit der Kriegsgewinnsteuer einen neuen Wehrbeitrag zu erheben. Freisinnige und Nationalliberale hatten sich den Sozialdemokraten angeschlossen, während Zentrum und Konservative dagegen stimmten. Die einzelstaatlichen Regierungen meldeten bei mir den schärfsten Widerspruch an. Die ganzen Steuergesetze drohten an dieser Differenz zu scheitern. Der Abgeordnete Schiffer machte nun den Vorschlag, neben der Kriegsgewinnsteuer eine einmalige Vermögensabgabe von 1°/oo zu erheben. Am 11. Mai fand eine interfraktionelle Beratung statt, an der alle Parteien teilnahmen, außer den Sozialdemokraten, die wegen ihrer grundsätzlichen Opposition gegen die indirekten Steuern fernblieben. Die Konservativen lehnten den Schiffer'schen Vorschlag strikt ab. Darauf erklärte das Zentrum, daß es bei einem Kompromiß nur mitmachen werde, wenn alle bürgerlichen Parteien einschließlich der Konservativen sich einigten. Wenn diese Einigung nicht gelinge, werde nichts zustande kommen. Der bayrische Ministerpräsident Graf Hertling, der an jenem Tage in Berlin war, erklärte mir, er werde im Bundesrat unerbittlich gegen jeden solchen Kompromißgedanken stimmen; er sprach dabei mit einer Erregung, die außer Verhältnis zur Sache stand, über Unitarismus und Revolution. Die sächsische Staatsregierung beantragte am gleichen Tage die Befassung des Bundesrats mit den Kompromißverhandlungen. Ich beantragte beim Reichskanzler, die einzelstaatlichen Ministerpräsidenten und Finanzminister zur Besprechung der Angelegenheit auf den 15. Mai nach Berlin einzuladen. In diesen Beratungen setzte ich den Schiffer'schen Vorschlag mit einer Variante durch, die ihn den bundesstaatlichen Regierungen annehmbar erscheinen ließ: Die Vermögensabgabe sollte sich dadurch als eine einmalige, den Kriegs Verhältnissen angepaßte Steuer charakterisieren, daß sie – ebenso wie die Kriegsgewinnsteuer auf den Vermögenszuwachs abgestellt war – auf die Vermögenseinbußen Rücksicht nahm, und zwar in der Weise, daß sie sich für jedes Prozent Vermögensverlust um ein Zehntel ermäßigte, also bei 10% Vermögensverlust ganz in Wegfall kam. Bei einer starken Vermögensabgabe, wie sie jetzt wohl kommen wird, hat dieser Gedanke seine Berechtigung und verdient geprüft zu werden. Bei einer Vermögensabgabe von 1°/oo war er eine Spielerei. Aber diese »Steuer auf entgangenen Verlust«, wie sie der badische Ministerpräsident von Dusch witzig taufte, hatte den Vorteil, die schmale Brücke zwischen kaum mehr ausgleichbar erscheinenden Gegensätzen zu bilden. Der Vorschlag wurde sowohl von den Bundesregierungen wie auch von den verschiedenen bürgerlichen Parteien angenommen, und damit war das Steuerkompromiß perfekt.

In den letzten Tagen meiner Amtstätigkeit als Staatssekretär des Reichsschatzamts wurden die Steuervorlagen vom Reichstag verabschiedet. Ich hatte die Genugtuung, daß es mir noch gelungen war, über starke Widerstände und Schwierigkeiten hinaus grundsätzlich die notwendige Ergänzung unserer Kriegsfinanzpolitik durch die Ausschreibung von Kriegssteuern durchzusetzen.


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