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Der Krieg und die deutsche Wirtschaft

Die finanzielle Mobilmachung war in Friedenszeiten gründlich vorbedacht und vorbereitet worden. Abgesehen von der planmäßigen Verbesserung und Kräftigung unserer Geld- und Kredit Verfassung, die sich jetzt so reichlich lohnte, lag der Organisationsplan bereit, nach dem unser Finanzwesen den Kriegsbedürfnissen angepaßt werden sollte. Auf dem Gebiete der Gütererzeugung und des Warenhandels waren ähnliche Vorkehrungen für den Kriegsfall nicht getroffen worden. Wohl hatte unsere Wirtschaftspolitik in ähnlicher Weise unsere gesamte Volkswirtschaft erstarken lassen und für den Kriegsfall tüchtig gemacht, wie unsere Geld- und Bankpolitik die finanziellen Grundlagen unseres Wirtschaftslebens. Vor allem war es vermöge unserer Wirtschaftspolitik gelungen, unsere landwirtschaftliche Erzeugung in den letzten Jahrzehnten vor dem Krieg in noch stärkerem Maße zu heben, als unsere Bevölkerung gewachsen war. Ebenso war die eigene Gewinnung der für den Krieg wichtigsten industriellen Rohstoffe, der Kohle und des Eisens, in einem Maße gesteigert und auch technisch vervollkommnet worden, daß eine Grundlage für die technisch-industrielle Durchführung des Krieges gesichert war. Auch hatten wichtige Erfindungen und neue Verfahren unsere nationalwirtschaftliche Selbständigkeit, die für das Durchhalten eines großen Krieges von besonderer Bedeutung ist, in einigen nicht unwesentlichen Punkten verbessert. Schließlich waren auf dem Gebiet der sozialen Organisation, insbesondere der Ausgestaltung der Arbeitsnachweise, Fortschritte erzielt worden, die für die Anpassung unserer Wirtschaft an die durch den Krieg von Grund aus geänderten Verhältnisse eine Erleichterung bedeuteten. Aber ein eigentlicher Organisationsplan für die Bereithaltung, Beschaffung und Verteilung der für das Leben der Bevölkerung und die Durchführung des Krieges erforderlichen Nahrungsmittel und Rohstoffe, für die Umstellung unserer gewerblichen und kommerziellen Tätigkeit und für die Umgruppierung der Arbeitskräfte, wie sie der Krieg erforderlich machen mußte, war nicht vorhanden.

 

Keine wirtschaftliche Kriegsvorbereitung

Aus den Kreisendes praktischen Wirtschaftslebens heraus war in den Jahren vor dem Ausbruch des Krieges wiederholt auf diese Lücke in unserer Bereitschaft hingewiesen und u. a. die Einrichtung eines »wirtschaftlichen Generalstabs« zur Bearbeitung dieser organisatorischen Aufgaben verlangt worden. Es war aber nichts Durchgreifendes geschehen. Ich habe den Eindruck, daß man sich bei unseren amtlichen Stellen, denen die Bearbeitung unserer wirtschaftlichen Angelegenheiten anvertraut war, einmal über die seit Jahren über uns schwebende Kriegsgefahr ebensowenig Rechenschaft gab wie im allgemeinen in unserer öffentlichen Meinung; daß man ferner sich von den wirtschaftlichen Verhältnissen und Anforderungen eines modernen Krieges kein hinreichend greifbares Bild machen konnte, um danach organisatorische Vorbereitungen einzurichten; schließlich, daß man weder mit einem langen Kriege, noch auch mit einem ausgesprochenen Wirtschaftskriege ernstlich rechnete.

 

England geht sofort zum Wirtschaftskrieg über

Nun war der Krieg da; und die Maßnahmen unserer Feinde, namentlich Englands, zeigten alsbald, daß dieser Krieg gegen eine gewaltige, uns fast von allen Seiten umfassende Koalition kein bloßer Krieg der bewaffneten Streitkräfte, sondern auch ein Krieg der Volkswirtschaften, ja der ganzen Volksgemeinschaften sein werde.

Schon bei dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen lehnte es die britische Regierung ab, den Schutz, den nach der Haager Landkriegsakte das private Eigentum und die privaten Forderungen zu beanspruchen hatten, unzweideutig und uneingeschränkt anzuerkennen. Alsbald nach Kriegsausbruch erließ sie Verfügungen, die nach dem alten britischen Recht alle Zahlungen an die Bewohner der mit England im Kriege liegenden Länder unter Strafe stellten. Das Verbot wurde bald auf den gesamten Verkehr mit dem Feinde ausgedehnt. Ebenfalls schon in den ersten Tagen des Krieges wurden die Filialen deutscher Banken in London unter Staatsaufsicht gestellt, der bald die Anordnung der Zwangsliquidation unter Sequestration des Liquidationserlöses folgte. Im weiteren Verlauf wurden Zwangsverwaltung, Sequestration und Zwangsliquidation auch auf alle anderen Unternehmungen im Vereinigten Königreich, den Dominions und Kolonien, die Deutschen gehörten oder an denen deutsches Kapital in nennenswertem Umfange beteiligt war, ausgedehnt und namentlich in den überseeischen Gebieten in der rigorosesten Weise durchgeführt. Dazu kam die Aufhebung von Verträgen mit feindlichen Staatsangehörigen und der feindlichen Staatsangehörigen zustehenden Patentrechte.

Noch einschneidender waren die britischen Maßnahmen auf dem Gebiet des Seekrieges. Ohne sich durch die völkerrechtlichen Satzungen irgendwie beirren zu lassen, unterwarf England den gesamten Seeverkehr auch der Neutralen seiner Kontrolle in der Absicht, jede auch indirekte Zufuhr für Deutschland zu verhindern. Darüber hinaus zwang es den Neutralen in ihren eigenen Ländern eine Handelskontrolle auf, die in ihrer Wirkung die Blockade bis an die Landgrenzen Deutschlands tragen sollte.

 

Der englische Wirtschaftskrieg

Ganz offenkundig und ganz rücksichtslos ging England, von seinen Verbündeten unterstützt, von Anbeginn des Krieges an darauf hinaus, die Kriegführung der Land- und Seestreitkräfte zu ergänzen und zu unterstützen durch eine wirtschaftliche Erdrosselung des deutschen Volkes. Durch die Abschnürung der Zufuhr kriegswichtiger Rohstoffe sollte Deutschland wehrlos gemacht, durch die Abschnürung der Zufuhr von Nahrungsmitteln sollte Deutschland ausgehungert und zur Übergabe gezwungen werden. Dabei handelte es sich für England von allem Anfang an nicht nur um ein Kriegsmittel, sondern klar erkennbar um einen wesentlichen Kriegszweck: Deutschland sollte durch den wirtschaftlichen Druck nicht nur – unabhängig von den militärischen Operationen – zur Kapitulation gezwungen, sondern Deutschlands Stellung in der Weltwirtschaft, die England so unbequem geworden war, sollte den tödlichen Streich erhalten. Die Verfolgung und Vernichtung jeder deutschen geschäftlichen Betätigung, jeder deutschen Wirtschafts- und Kulturarbeit in allen den Gebieten, die für den britischen Arm überhaupt erreichbar waren, gibt davon beredtes Zeugnis. Der britische Vernichtungswille kannte keine Schranke, weder in geschriebenen Satzungen, noch in der ungeschriebenen Völkermoral, weder im menschlichen, noch im göttlichen Recht, Alles was in den Bestrebungen der edelsten Geister der Menschheit bisher erreicht worden war, um die Kriegführung auf die bewaffneten Streitkräfte zu beschränken und die Leiden des Krieges von der nichtkämpfenden Bevölkerung fernzuhalten, erwies sich vor Englands Gewaltpolitik als eitel Schall und Rauch.

War schon der Krieg gegen eine rein militärisch so starke Koalition für Deutschland und seinen Verbündeten eine in diesem Ausmaß in der Geschichte aller Zeiten und Völker bisher unerreichte Kraftprobe, so wurde die Gefahr der Zermalmung durch die brutale Übertragung des Krieges auf das wirtschaftliche Gebiet ins Ungeheuerliche gesteigert. Deutschland war, wie kein zweites Land außer England selbst, in die Weltwirtschaft verwachsen. Es hatte im letzten Friedensjahr eine Einfuhr von 10,7 Milliarden Mark gehabt, hauptsächlich Rohstoffe und Nahrungsmittel; seine Ausfuhr, hauptsächlich aus Fabrikaten bestehend, hatte den Wert von 10,1 Milliarden Mark erreicht. Wenn wir auch infolge der glücklichen Entwicklung unseres Ackerbaues nur eines verhältnismäßig geringen Zuschusses an Brotgetreide aus dem Ausland bedurften, so war doch unsere Viehwirtschaft, und damit die Versorgung unserer Bevölkerung mit Fleisch und Fett, in erheblichem Umfange auf fremde Zufuhren an Futtermitteln angewiesen. Von unseren großen Gewerbezweigen war die Textilindustrie, bis auf die geringe einheimische Erzeugung von Wolle und Flachs, von der Rohstoffzufuhr aus dem Auslande abhängig. Ähnlich, wenn auch nicht ganz so schlimm, stand es mit der Lederindustrie. Kohle und Eisen hatten wir im eigenen Land; aber andere wichtige Metalle kamen vorwiegend, wie das Kupfer, oder ausschließlich, wie das Nickel, aus dem Ausland. Unsere Ausfuhr gab einem großen Teil unserer arbeitenden Bevölkerung lohnende Arbeit. Die Ernährung, Bekleidung und Beschäftigung eines großen Teiles unserer Bevölkerung, darüber hinaus die Ausstattung unserer Streitkräfte zu Land und zu Wasser mit Kriegsgerät, Munition und Proviant wurde durch die Unterbindung unseres Außenhandels auf das ernstlichste in Frage gestellt. Die gewaltigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die auch ein auf das rein Militärische beschränkter Krieg hätte mit sich bringen müssen, wurden ins Unendliche gesteigert.

Nahezu alles, was zur Überwindung dieser Schwierigkeiten und Gefahren zu geschehen hatte, mußte improvisiert werden.

 

Aussichten einer Vergeltungspolitik

Die Aussichten einer reinen Vergeltungspolitik waren schlecht. Wir konnten die Beschlagnahme deutscher Vermögenswerte, die Zwangsverwaltung und Zwangsliquidation deutscher Unternehmungen und die anderen gegen deutsches Privatvermögen und deutsche Privatrechte gerichteten Maßnahmen mit den entsprechenden Gegenmaßnahmen beantworten und taten das auch. Aber was an feindlichem Privatvermögen und Privatrechten unserem Zugriff unterlag, war dem Werte nach nur ein Bruchteil dessen, was bei der weitverzweigten deutschen Betätigung in dem Machtbereich unserer Feinde der Willkür von Engländern, Franzosen und Russen ausgesetzt war. Der völkerrechtswidrigen Unterbindung unserer ausländischen Zufuhren konnten wir, da England die See beherrschte, zunächst nichts gegenüberstellen als unseren wiederholten eindringlichen Appell an die an der Aufrechterhaltung des Völkerrechts mit uns interessierten Neutralen; die U-Bootwaffe, deren Anwendung wegen ihrer Rückwirkung auf die Neutralen, besonders auf die Vereinigten Staaten, von Anfang an als zweischneidig angesehen werden mußte, kam als Mittel für eine Gegenblockade erst im weiteren Verlauf des Krieges ernsthaft in Betracht. Auch auf die sich dem britischen Druck so gefügig zeigenden uns benachbarten Neutralen konnten wir nur in sehr beschränktem Umfang einen Gegendruck ausüben. Ihre Abhängigkeit von unserer Kohle und unserem Eisen war nicht entfernt so groß und so empfindlich wie ihre Abhängigkeit von den unter Englands Kontrolle stehenden Zufuhren von Nahrungs- und Futtermitteln und an wichtigen überseeischen Rohstoffen. Immerhin gaben die uns zur Verfügung stehenden Mittel des Gegendrucks auf diesem Gebiet uns wenigstens einigen Spielraum.

Es kam darauf an, die bescheidenen Vorteile und Druckmittel, die uns zur Verfügung standen, in geschickten Transaktionen und Kombinationen nach jeder Möglichkeit auszunutzen, um die Erdrosselungsabsichten unserer Feinde zu vereiteln. Es kam weiter darauf an, einen Überblick über die im Inland vorhandenen Bestände der für das Durchhalten der Bevölkerung und der Kriegführung wichtigsten Nahrungsmittel und Rohstoffe zu gewinnen, die Erzeugungsmöglichkeiten dieser Stoffe oder geeigneter Ersatzstoffe nach Möglichkeit zu fördern, ihren Verbrauch zu kontrollieren und zu rationieren und auf die Preisbildung der für den Lebensunterhalt der Bevölkerung wesentlichen Waren einen Einfluß zu gewinnen. Das bedeutete nicht nur eine den besonderen Verhältnissen und Bedürfnissen anzupassende Umstellung der wirtschaftlichen Tätigkeit, sondern eine Neuorganisation unserer Wirtschaftsverfassung im Sinne des Überganges von dem individualistischen System der freien wirtschaftlichen Betätigung und Initiative, das sich in der hinter uns liegenden Friedenszeit von selbst reguliert hatte, zu dem Versuch einer einheitlichen und planmäßigen Leitung der Gütererzeugung und Güterverteilung.

Die Aufgabe war ihrer Art nach völlig neu. Es gab keine Möglichkeit, sich an bereits erprobte Vorbilder und Methoden anzulehnen; alles mußte gewissermaßen aus dem Nichts heraus geschaffen werden.

 

Die Neuorganisation unserer Wirtschaftsverfassung

Die Aufgabe wurde auch keineswegs in ihrem Umfange von Anfang an erkannt. Ich glaube, es gibt niemanden in Deutschland, der von sich sagen kann, er habe von Anfang an mit einem so langen Kriege und einer so strengen, sich im Laufe des Krieges immer mehr verschärfenden Abschnürung Deutschlands von auswärtigen Zufuhren gerechnet. Die Ansicht, daß ein moderner Krieg nur von kurzer Dauer sein könne, wog in militärischen wie in wirtschaftlichen Kreisen vor. Dafür sprach die furchtbare Zerstörungskraft der modernen Kriegswaffen, die rasche entscheidende Schläge in Aussicht zu stellen schien; ferner die ungeheuerliche Entziehung von Arbeitskräften durch die auf der allgemeinen Dienstpflicht beruhenden Volksheere, eine Entziehung, die in ihrer Wirkung auf die Volkswirtschaft mit einem Generalstreik verglichen worden ist; dann die alle Summen, mit denen Finanzleute und Volkswirtschaftler bisher zu rechnen gewohnt waren, weit hinter sich lassenden Kosten; schließlich die Spekulation auf die menschliche Vernunft, die es nicht zulassen werde, daß die Völker Europas bis zur letzten Erschöpfung ihrer physischen und moralischen Kräfte, bis zur letzten Zerstörung ihrer wirtschaftlichen und kulturellen Werte sich gegenseitig vernichten würden.

Gerade von sehr maßgebender militärischer Stelle habe ich, während der Krieg bereits im Gange war, wiederholt die Meinung vertreten hören, daß das Kriegsende in nicht allzu ferner Zeit zu erwarten sei. Als ich im Monat November 1914 im Großen Hauptquartier zu Charleville im Einverständnis mit dem Auswärtigen Amt den Vorschlag machte, im Interesse unserer Kriegführung im Orient – die Türkei war in den letzten Oktobertagen an unserer Seite in den Krieg eingetreten – die an der Verbindung mit Syrien und Mesopotamien noch fehlenden Gebirgsstrecken der Bagdadbahn im Taurus und Amanus alsbald mit allen Mitteln auszubauen, erhielt ich die Antwort: Da die Fertigstellung dieser Strecken erst nach Jahr und Tag zu erwarten sei, liege kein militärisches Interesse an dem Projekte vor. Die Möglichkeit, daß wir uns Ende 1915 noch im Kriege befinden könnten, wurde nach den Eindrücken, die ich damals empfangen habe, überhaupt nicht ernstlich in Betracht gezogen. Einer ähnlichen optimistischen Auffassung begegnete ich noch im April 1915, als ich als Reichsschatzsekretär im Großen Hauptquartier weilte. Man setzte damals große Hoffnungen auf gewisse gerade eingeleitete militärische Operationen, und ich hörte die Hoffnung aussprechen, daß, wenn alles gut gehe, der Krieg in wenigen Monaten zu Ende sein könne.

Ebensowenig wie mit einem mehr als vierjährigen Krieg hat man die Nachhaltigkeit und Wirksamkeit unserer Absperrung vom Ausland vorausgesehen. Auch wer England jede Art von Völkerrechtsbruch, namentlich in der Seekriegführung, zutraute, hat in den Anfängen des Krieges noch hoffen können, daß die Maschen des Wirtschaftskrieges weit genug bleiben würden, um uns zu gestatten, auf dem Weg über die uns benachbarten Neutralen uns wichtige Zufuhren zu verschaffen. Das Selbstinteresse der Neutralen, namentlich der Vereinigten Staaten, erschien als ein Faktor, der in unsere Rechnung eingestellt werden konnte. In der Tat hat in den ersten Kriegsmonaten England auf dieses Selbstinteresse Amerikas einige Rücksicht genommen. Noch in einer Note vom 7. Januar 1915, mit der die britische Regierung eine Beschwerde der Regierung der Vereinigten Staaten beantwortete, betonte die britische Regierung, sie habe z. B. Baumwolle nicht auf die Konterbandeliste gesetzt und bei jeder Gelegenheit ihre Absicht festgestellt, bei dieser Praxis zu bleiben. In der Tat ist Baumwolle erst in der zweiten Hälfte des Jahres 1915 von der britischen Regierung als Konterbande erklärt worden.

 

Kriegsdauer. Entstehung der Kriegswirtschaft

So entwickelte sich im Laufe des Krieges erst allmählich der ganze Ernst der Lage und damit die Erkenntnis der ganzen Größe der zu bewältigenden Aufgabe. Unsere Kriegswirtschaft ist nicht entstanden aus einem von vornherein die Aufgabe in ihrer Gesamtheit umfassenden einheitlichen Plan; sie ist allmählich herausgewachsen aus tastenden Versuchen und aus oft unzulänglichen, oft über das Ziel hinausschießenden Notmaßnahmen, mit denen die wirtschaftlichen Berufskreise und die staatlichen Gewalten den immer schwerer und dringender werdenden Anforderungen der Zeit gerecht zu werden suchten. An ihrem Anfange stand der unmittelbar nach dem Kriegsausbruch einsetzende Zusammenschluß großer an dem Bezug ausländischer Rohstoffe interessierter Kreise des Gewerbes und Handels zur gemeinsamen Überwindung der sich auftürmenden gewaltigen Schwierigkeiten durch einheitliches Vorgehen und gemeinsames Tragen der mit einem Schlage so enorm gestiegenen Risiken (Zentraleinkaufsgesellschaft, Kriegsausschuß für Öle und Fette, Kautschukabrechnungsstelle u. a. m.); ferner die Errichtung der Kriegsrohstoffabteilung im Kriegsministerium zum Zweck der Sicherung und Beschaffung der kriegsnotwendigen Rohstoffe; dann gewisse Notmaßnahmen auf dem Gebiete der Ernährungspolitik, wie die – übrigens von der Vertretung der Landwirtschaft selbst angeregte – Festsetzung von Höchstpreisen für Brotgetreide, die Ausmahlungsvorschriften, die Schaffung eines einheitlichen Kriegsbrotes, die Verwendungsbeschränkung (Verbot der Verfütterung von Brotgetreide) und ähnliche Maßnahmen mehr. Von diesen Anfängen ausgehend, erstreckte sich die Kriegswirtschaft auf immer weitere Gebiete unserer ganzen Wirtschaft. Zu dem einen sich immer weiter ausdehnenden Kreis von Waren erfassenden System der Höchstpreise, Richtpreise und Preisprüfung kamen immer weitergehende Verwendungsbeschränkungen, Beschlagnahmen, Enteignungen, Ablieferungsverpflichtungen, Rationierungen des Verbrauchs durch Karten, Bezugsscheine und Verteilungsschlüssel, eine fortschreitende Zentralisation der Beschaffung und Bewirtschaftung von wichtigen Nahrungsmitteln, Rohstoffen und Fabrikaten; weiterhin staatliche Eingriffe in den Aufbau einzelner Gewerbezweige im Wege zwangsweisen Zusammenschlusses, verbunden mit Stilllegungen und Produktionsregulierungen; schließlich der Versuch einer staatlichen Regulierung der wirtschaftlichen Arbeit durch das Hilfsdienstgesetz. Ergänzt wurde diese Entwicklung der kriegswirtschaftlichen Organisation durch die Mitwirkung der wirtschaftlichen Verbände des Unternehmertums und der Arbeiterschaft, durch die mit bewundernswerter Tatkraft und erstaunlichem Erfolg durchgeführte Anpassung der Gütererzeugung in Landwirtschaft und Gewerbe an die neuen Verhältnisse und an die gewaltigen Anforderungen des Krieges, durch die im Zusammenwirken von Wissenschaft, Technik und wirtschaftlicher Tatkraft erzielten Fortschritte im Produktionsverfahren, die zu einer ungeahnten Steigerung der wirksamen Ausnutzung von Stoffen und Kräften führten und teilweise ganz neue Wege von bleibender Bedeutung erschlossen.

 

Entstehung der Kriegswirtschaft

Ich werde im weiteren Verlaufe meiner Darstellung Gelegenheit haben, auf einzelne Teile der Entwicklung unserer Kriegswirtschaft, an denen ich persönlich mitzuarbeiten berufen war, des näheren einzugehen.


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