Karl Borromäus Heinrich
Menschen von Gottes Gnaden
Karl Borromäus Heinrich

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Eine Zeitungsnachricht

In der Nacht vom vierten auf den fünften April 1896 erhielt Pater Bonaventura ein Telegramm des Paters Canisius aus Wien, mit den kurzen Worten: »Baron Frangart gestorben. Brief folgt.« Der Brief kam expreß am Mittag des nächsten Tages. Er enthielt einen Ausschnitt aus einer Wiener Zeitung, nebst einer, offenbar in der Eile deutsch abgefaßten Bemerkung von der Hand des Paters Canisius.

Die Zeitungsnotiz lautete (im zeitungsdeutsch, nicht übersetzt): »Heute morgen verschied unerwartet rasch eine der hoffnungsvollsten Zierden der österreichischen Armee, Hauptmann Baron Frangart. Die Nachricht wird allgemein mit Bedauern aufgenommen werden, indem wohl jeder, der mit Baron Frangart, sei es nun dienstlich oder in persönlichem Verkehr, zu tun gehabt hat, das beste Andenken an ihn mit fortgenommen haben dürfte. Über die Ursache des so plötzlichen Todes hüllen sich die maßgebenden Stellen in tiefstes Stillschweigen. Man geht wohl nicht fehl, wenn man das Ableben des Baron Frangart mit einem Ehrenhandel in Verbindung bringt. Die Beerdigung findet in aller Stille zu Frangart in Südtirol statt, wo der jäh Verschiedene in der Familiengruft beigesetzt wird.«

Diese Notiz war von folgenden lakonischen Worten des Paters Canisius begleitet:

»Baron Frangart ist tot. Er hat sich öfter duelliert als zulässig wäre, selbst wenn man darauf baut, daß einem Gott wohl will. Der Baron hat nach dem tödlichen Schusse noch zwei Stunden gelebt, und somit war ihm die Gnade gewährt, die heiligen Sterbsakramente zu empfangen, aus meiner eigenen unwürdigen Hand, und im Schoße unserer Kirche zu sterben. – Er hat mir für Dich, geliebter Bruder, ein Schriftstück übergeben lassen, das ich jedoch nur Dir persönlich auszufolgern habe. Ich nehme also an, daß ich, obzwar der Anlaß tieftraurig ist, die Freude haben soll, Dich bald zu umarmen

als Dein niedriger Bruder in Christo
Canisius S. J.«

Pater Bonaventura, der nur die Zeitungsnotiz genau und die Zeilen des Paters Canisius sehr flüchtig, ja gegen den Schluß hin gar nicht las (es fiel ihm beschwerlich, deutsche Handschrift zu lesen), erbat sich von seinem Obern einige Tage Urlaub zur Reise nach Frangart; er ging dabei von der Meinung aus, daß er im gegenwärtigen Moment der Witwe und dem jungen Baron Fritz mit Rat und Tat nützen könne.

Einige Stunden nach Mittag befand er sich schon auf der Fahrt nach München–Innsbruck –Bozen. Er saß kaum im Zuge, da traf im Ordenshaus ein Telegramm des Alten auf Choiseul ein, das die merkwürdigen Worte enthielt: »Wissen Sie, daß Baron Frangart tot ist? Sie brauchen nicht zu seiner Beerdigung zu fahren, da ich wahrscheinlich selbst hinkomme. Choiseul.«

Da Pater Bonaventura nun schon einmal unterwegs war, hielt man es im Hause nicht für nötig, ihm diese Depesche nachzusenden.


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