Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Heimat

März

Braune Scholle am Märzentag,
Kahles Gehügel und dürrer Hag.

Raget im blassen Sonnenschein
Einsam ein Pflug am Ackerrain.

Fern am Berge leuchtet die Stadt.
Wasser rauschen noch trüb und matt – –

Huschet leise, fast nicht zu sehn,
Rosiger Schimmer, duftiges Wehn.

Und im zerwühlten Ackergrund
Dränget Geheimnis in weiter Rund,

Strecket verstohlen Finger ans Licht,
Tastet und tastet zum Sonnenlicht.

Will aus der frischen Erde blühn,
Will mit Blüten die Welt durchziehn,

Frühling will werden mit Sang und Tanz,
Seelen und Bäume umblühet der Kranz,

Jubel und Jauchzen durchhallet den Hain,
Klinget und knospet in buntem Gedeihn –

Sauge den Odem, fühle es wehn,
Lausche, wie heimlichem Liebesgetön – –

Sitz auf dem Pfluge am Ackerrain,
Träume und träume vom Frühlingsein.

*

Verheißung

Lieder, klar wie Frühlingsquellen,
rein, wie tauige Gänseblume,
die, ein neues Sonnenwunder,
zwischen totem Grase glüht –
die, zum Staunen meiner Seele,
frisch erstandnes Leben dränget,
aus der winterfeuchten Krume,
ein verschlafnes Kleinod, blüht...

Ach! solch klares Frühlingsklingen,
solches Wehen und Verheißen
hebt sich über Wintergründen,
wachet leis und wogt in mir –
möchte suchend, tastend schweben,
wo es eine Seele fände,
möchte klingen, möchte beben,
seelenselig sein mit dir!

*

Stiller Abend sinkt –
Sterne blinken leise –
weiße Wolken ziehn –:
friedevolle Weise: –
Wasser rauschen hin.

Und so kühl und weich
ahn ich Frühlingslüfte,
aus dem Erdreich ziehn
Anemonendüfte,
hüllen mir den Sinn.

Und ich lausche still:
Friedevolle Weise –:
weiße Wolken ziehn –
Sterne blinken leise –
Wellen tosen hin.

*

Holde Überraschung

Als wenn im Traum ich kommen
in stillen Winter hinein:
so hüllen weiche Flocken
Täler und Lüfte ein.

Nur wie ein heimliches Leuchten
scheinet durchs Flockenkleid
ein rätselhaftes Schimmern,
als wär's doch Frühlingszeit!

Und staunend steh ich stille
und über den leuchtenden Hag
tanzen Flocken... nur Flocken:
Was das wohl werden mag?

So ich ein Zweiglein streife,
die weiche Last zerrinnt,
und goldne Blättchen schimmern,
die kaum geboren sind.

Jawohl – es ist der Frühling
unter dem weißen Kleid!
Wiesen und Büsche blühen –
es ist die Maienzeit...

Die Frühlingswasser rauschen
klar und rege geschwellt –
es ist doch Frühling worden
in der weiten, weiten Welt.

Nur einmal noch zum Scherze
die Flockenspiele wehn –
es ist doch Frühling worden!
Nun hab ich es gesehn.

*

Auferstehung

Blütenblätter wehen...
holde Zeit!
Winterharte Starre
liegt so weit.

Graue Bürd und Tage
lichten sich...
Sturmes hohle Klage
lange wich.

Heilige Blumensterne
sprießen hell...
heilige Ströme rauschen...
heiliger Quell

plaudert seine Weisen,
wie ein Kind...
helle Vogelstimmen
bringt der Wind...

Tief in tiefer Seele
aufgetan
Quelle tiefer Ahnung
himmelan...

Schöpfungsdrängen eilig
aus dem Grund,
was die Seele füllet,
singt der Mund...

Staune auf die Quelle
selige Zeit,
schöpfe einen Tropfen
Ewigkeit.

*

Morgen will leuchten,
Sonne will sprühn,
Welle will schäumen,
Liebe will glühn.

Strahlend am Bache,
Taufrisch und blank,
Steht es in Flammen,
Flüchtig und schlank.

Jungfräulein – frühes! –
Lichtsaum dein Haar!
Schöpfst aus der Welle
Triefend und klar,

Schöpfst aus der Welle
Frisch mir zum Mund,
Beugst im Erröten dich
Tief übern Grund.

Wellen umflinkern
Blinkende Hand,
Leuchtende Knospe
Streift dein Gewand.

Rieselnde Fluten
Drängen und ziehn
Über dein schneeweißes
Füßchen dahin – –

Mittag ist's worden,
Heiße Beschwer.
Finde den Bach – nur
Die Füßchen nicht mehr.

*

Der Morgen lohte glühend auf
In weitem Strahlenscheine.
In Wellen zückte junges Licht.
Am Bache stand alleine

Ein goldumfloßnes jung Fräulein
Im Morgentau – die Reine,
Die schöpfte Wasser aus der Flut,
Die Flüchtge, Frühe, Feine – –

Und wenn ich einmal durstig bin
Im heißen Mittagscheine,
Dann seufz ich leise vor mich hin:
O Flüchtge, Frühe, Feine!

*

Über Bergen goldne Ketten,
Dunkel noch im tiefen Tale –
Leise haucht ein Rosenschein,
über Bergen goldne Ketten,
Stare pfeifen Frühlied in der Linde.
Murmelbäche rauschen drein.

Klarer wird's mit einem Male:
Bergeswogen – blaue Hügel –
Und im Grunde blinkt ein Teich.
Klarer wird's mit einem Male,
Sonnensaum umsprühet schon die Gipfel
Und enthüllet weites Reich.

Und nun steh ich ganz im Scheine
Deiner goldnen Strahlen, Sonne!
Alles rauscht und alles glüht.
Und nun steh ich ganz im Scheine
Deiner ewig reichen Wonnen, Frühling,
Und mein einsam Bergnest blüht.

*

In die Dämmerwelt
Fällt ein Morgenstrahl.
Graue Silbernebel
Spinnen noch im Tal.

Zückt und sprüht es auf
In Gebirgeshöh –
Wie ein Demant glüht
Silberlicht vom See.

Und die Sonne strahlt –
Dann verblaßt sie ganz.
Lichte Silbernebel
Trinken ihren Glanz.

Alles wie im Traum.
Weiße Schleier wehn.
Morgenwelt versank.
Hab sie nie gesehn.

*

Mir immer wieder unbegreiflich,
Wenn ich in meinem Dorfe geh
Und plötzlich unter goldnem Maien
Am Bach ein wildes Dirnlein seh –
Dann denk ich gleich,
Das muß doch rein
Vom Himmel niederfallen sein.

Und wenn dazu die Amsel singt,
Der schwarze Vogel im Blütenweiß,
Und ich der wilden Dirne breche
Vom Busch ein blaues Fliederreis –
Dann denk ich gleich,
Ich muß doch rein
Vom Himmel niederfallen sein.

*

Rosentage – wunderreiche!
Busch und Bäche rings in Blüten.
Wiesen leuchten. Blumenseelen
Taumeln zart auf bunten Flügeln.
Wenn ich stumm im Grase liege,
Tauchen weite blaue Himmel,
Tiefe blaue Meere tauchen
Rauschend auf vor trunknen Blicken.
Und in üppgem Schwellen drängen
Blüten, Wogen, goldne Strahlen,
Wollen Ton in meinem Liebe,
Wollen seliges Klingen sein.

*

In den Wind – in den Wind
      sing ich mein Lied.
Frage nicht, frage nicht,
      wohin es flieht.

Treiben Blüten, treiben
      Liederseelen her,
frage nicht, frage nicht,
      woher?

Wer gäb Antwort je,
      woher? wohin?
Treibe selbst ein wehend
      Lied dahin.

In den Wind – in den Wind,
      kaum erwacht,
bin verweht, bin verweht
      über Nacht.

*

Junge Trauerfrau,
Bleich wie erster Schnee –
Daß ich immer dich
Unter Blumen seh!

Stehst in bunter Wiese,
Weinst aus weiten Augen,
Die sich brünstig heiß
In die Ferne saugen.

Träumt ein Glück heran.
Kinderseelenschein
Lächelt bald mit dir
In die Welt hinein.

*

Johannisnacht

Auf Bergeshöhe Johannisnacht.
Ein Reisigfeuer lodert und kracht –
Und dann und wann flüstert ein leises Wort –
Von Kindermund, vom Alten dort.
Und du – wie eine Lilie weiß –
Trittst lautlos in den Feuerkreis
Und strömst aus innerstem Gemüt
Ein jubelnd unbegreiflich Lied.

Das Lied verklang. – Lang ist es tot.
Am Hügel leuchtet Morgenrot.
Ein Einsamer steht am Waldesrand.
Die Reiser sind längst zu Asche verbrannt –
Nur drinnen im heimlichsten Seelenraum,
Da dämmert ein lange vergessener Traum,
Es dunkelt wie klare Johannisnacht,
Drin singende Liebe ist aufgewacht.

*

In meiner Träume Heimat
Blühst du noch,
Klingt noch dein Lied.

In meiner Träume Heimat
Kann keine Blume verwelken,
Kein Lied kann verwehn.

In meiner Träume Heimat
Ist lichter Frühling
Weithin in die Zeit –
Du klingst und blühst darin,
Und Lied und Blüten
Fallen in die Ewigkeit
Zu unsrer Liebe Ruhme.

In meiner Träume Heimat
Kann keine Blume verwelken,
Kein Lied kann verwehn.

*

Es schläft ein stiller Garten
      auf tiefstem Seelengrund;
      drin Wunderblumen blühen;
      drin klingt ein roter Mund.

Die bunten Blumen alle –
      wer hat sie nur gesteckt?
      Die glühn wie Morgenröten
      in Nächten aufgeweckt.

Und eine Wundermäre
      erzählt der rote Mund – –
      Es jubelt unvergessen
      im tiefsten Seelengrund.

*

Empor über Knorren und Steine
Durch duftendes Blaubeerkraut!
Da mischt ins Buchenrauschen
Sich ferner Sterbelaut.

Aus goldnen Kuppeln nieder
Ein Schauern und Flüstern und Ziehn –
Drein immer wieder klingen
Die Sterbemelodien.

Nun bin ich aufgestiegen
Auf hohen Felsenberg,
Nun stehe ich über der Erde,
Ein kleiner Menschenzwerg –

Tief unten im fernen Tale
Da klagt's und klingt's immerfort –:
Ein Zwerglein ward begraben
An seinen Ruheort.

*

Wenn ich hoch oben geh,
Schwinden die Qualen,
Fängt mir die Sonne an,
Schlösser zu malen.
Und rings die weite Welt
Ist für mich hingestellt.
Wenn ich hoch oben geh,
Wird mir so frei.

Wenn ich hoch oben geh
Unter den Sternen,
Längst unter Wolken ruhn
Täler und Fernen,
Und rings nur Felsen stehn,
Und starke Lüfte wehn.
Wenn ich in Höhen geh,
Wird mir so frei.

Wenn ich zu Tale geh,
Klingt es dann weiter.
Was mir hoch oben klang,
Wird mein Begleiter.
Wandle durch tiefe Nacht,
Hab es doch heimgebracht.
Was über Wolken klingt,
Nur das macht frei.

*

Aus lichtem Abgrund hinter den Bergen
Entflattert der Morgen auf purpurnen Flügeln.
Grau qualmt in die dunkele Höhenwelt
Ein Köhlerfeuer aus waldigen Hügeln.
Und einsames Rauschen im Tale klingt,
Und der Wind in entblätterten Kronen singt,
Der Morgenwind.

Und ich, ich bin in Träumen gefangen,
Denn träumend erwacht ich, aus zehrenden Träumen.
Nun weit ich die Augen und hör den Klang.
Gespenstisch rinnt's, wie ein letztes Zerschäumen –
Und sprühendes Leuchten das Tal erfüllt.
Und das siegende Licht meine Sehnsucht stillt,
Das Morgenlicht.

*

Dämmerreigen

Der Winter stöbert
und wirbelt so frank,
und im Ofen das Feuer
gibt heimlichen Klang.

Wie Stimmen singt's
aus dem lodernden Licht.
ich höre es leise...
und seh es nicht,

und ist doch, als hätte
ein Mädchenchor
sich eingeschlichen –
so flüstert's hervor,

entschwebet im Dämmer
dem Feuerschein,
wie heimliches Singen
im Ringelreihn.

Und es singt und flüstert
ein altes Lied –:
wie die Liebe glüht,
und der Frühling flieht..

Und dann ist verstummt
so Sang und Klang –
und um mich der Winter
heult krank und bang ...

Die eine Stimme
so seltsam klar!
Ich wüßt es gleich,
wer die Stimme war:

die klang, als wenn
aus dem Herbstlaub glitt
eine dunkle Rose –
und nahm sie mit.

Ach! klinge weiter,
du singender Mund,
heimlich und selig
tu du mir's kund –

und flüstere wieder
das süße Lied –:
daß der Frühling kommt
und die Liebe blüht

*

Wohin?

Nun ich den Sturm höre, der sehnsüchtig stöhnt,
Bin ich mit meinem Schicksal versöhnt.
Habe doch einen Gramgenossen.
Ruhelos klagender Wandergeist,
Klagst auch, weil du dein Ziel nicht weißt!
»Gott!« – in Erden und Himmelsgründen
Könnt ich dich finden!
Wollt ich wie Jakob dich eisern umklammern,
Bis du erhörtest unser Jammern.
Ziehn wir in Licht? so wollt ich dich fragen,
Ziehn wir in ewige Nacht hinein?
Werden wir einmal, wenn wir entschlafen,
Wieder erwachen in goldenem Schein?
Tut denn das Licht sich ewig genug?
Ist auch das Glühen nur flüchtiger Trug?
Werden wir fühllose Erde sein?
Herr und Gott, ist alles nur Spiel?
Zeig uns ein Ziel!

*

Lichtes Leid

Im Dämmer der Nacht,
in Mondesluft –
es wehten die Schäume
Nebelduft
aus felsiger Klamm,
wo der Zacken grollt:
Da schien mir Licht
mein dunkles Leid.
Und alle Tropfen,
die niedergerollt,
strahlten heimlich
wie Augenschein.
Und alle Freude
aus ferner Zeit
sprang, wie die Flut,
von Stein zu Stein
in die schaurige Tiefe
hinab.

*

Auf Schneeschuhen

Zaubersames Sausen
hin durch Winternacht,
aus Gebirgen nieder –
wenn in dunkler Höhe
Stern an Stern erwacht.

Kühnes Talwärtsfliehen
über jähen Hang
wie auf weichen Flügeln –
nur ein flüchtiges Stäuben
meine Spur entlang.

Durch verschneite Wälder,
die verwunschen stehn,
an verschlafnen Wassern –
und an Tann und Felsen
leis vorüberwehn –

bis die Mühle schlummert
am gefrornen Teich –
und ein Fenster schimmert –
und ein Lachen klinget
wie im Himmelreich.

*

Winter

Wo eine leise Quelle
im tiefen Winter rauscht,
da hab ich stillgestanden
und heimlich zugelauscht.

Die weichen Flocken tanzen
und sinken in tiefer Ruh –
und nur die lose Quelle
murmelt immerzu.

Und fern ein silbernes Klingen
aufwacht aus tiefem Traum,
das huschet eilig von dannen,
hinschwebet wie Ahnung kaum ...

Und ist die Nacht gekommen
mit ihrem Schleierschein,
deucht rings die weiche Erde
ein Mummenschanz zu sein.

Die Schattenflocken tanzen,
verwunschen steht Baum und Haus
ein winziges Märchenfenster
sendet sein Strahlen aus –

Und fern ein silbernes Klingen
aufwacht aus tiefem Tod –
und nur die Quelle plaudert
geheim vom Morgenrot ...

Wo eine leise Quelle
hinmurmelt in Winternacht,
fühlt ich mein eigen Herze
pochen – ganz sacht, ganz sacht.

*

Heimat

Bin wieder einsam und stark und frei,
Fern den Menschen, die mich umschnüren.
All das Hasten und Drängen und Schüren
Ist nun vorbei.
Atme taureine Winterluft,
Und der Blick über Reifwälder streift –
Keine städtische Mauergruft –
Ach! – und die einsame Seele schweift.
Abendlicht ist hinter Bergen versunken,
Weiß steht der Himmel,
Schneeig mein Haus –
Einsames Trachten und Träumen und Sehnen
Wachet und lebet,
Dränget und bebet.
Hebt sich und schwebet
Weit ins Kristalland der Berge hinaus.
Eisiger Nachtwind mein Haupt umweht.
Hat mit Demanten mein Haar besät –
Bin wieder einsam ins Weite gestellt,
Fliege mit Adlern über der Welt.

*


 << zurück weiter >>