Carl Hauptmann
Schicksale
Carl Hauptmann

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Odela mit den Katzen

Zur Winterzeit war in dem Dorfe und Badeorte tiefe Stille und der Schnee fiel in weichen Flocken. Die beiden Bergkuppen, die in die quer gegen die Straße stehenden Bauernhäuser sahen, lagen blaugrau im Dunst. Und nur dann und wann ging ein Beamter der fürstlichen Brunnenverwaltung oder eine Bauersfrau die einsame Dorfstraße entlang.

Oben im Badebezirk lag nahe der langen, hölzernen, dorischen Brunnenwandelhalle ein mächtiges Anwesen mit langen Stallungen für Pferde und Kühe und einem großen Mühlengiebel, dann man Tag und Nacht die Räderwerke eintönig aber durchdringend klappern hörte.

Darin wohnte ein gewichtiger, breitspuriger Mann mit Weib und Kindern, die alle ein Zeichen hatten, alle unsäglich hochmütig waren. Außer der Mutter. Denn die Frau Müller Kampferbeck hatte noch die schlechten Zeiten der Mühlenwirtschaft mit durchgemacht, war von den kräftigen Kindern, die sie geboren, zusammengeschrumpft und demütig geworden und bat jetzt nur im heimlichen, kindlichen Beten zu Gott, daß er ihnen nur ja nicht anrechnen möchte, was der alte Kampferbeck und die zum Teil längst flügge Brut an übertriebenen und verstiegenen Lebenslaunen leisteten.

Daß der alte Müller mit den schönsten Pferden zum Wochenmarkte in die Kreisstadt fuhr, in einem Wagen, wie sonst nur vornehme Stadtherren fahren. Daß er selber dann im vollen Biberpelze einherlief, wie es der oberste, fürstliche Brunnenverwalter keinesfalls tun konnte. Das war noch immer die geringste seiner Sünden. Es war ja kein Zweifel mehr, daß die Kampferbecks reich geworden waren und nicht knausern brauchten.

Aber der Alte war in seine einzige Tochter, wie sie heranwuchs, derart verliebt, daß er ihr die allertollsten Späße und den verfänglichsten Unternehmungsgeist womöglich zum Ruhme anrechnete.

Die gute, demütige Frau Kampferbeck hatte wirklich an sich prächtige Kinder. Gesund und stattlich waren die Kampferbecks alle. Die Söhne hochaufgeschossen wie der Vater.

Aber schon mit den Söhnen hatte es sein Wesen gehabt.

»Meine Jungen haben genug ...« hatte der alte, gewichtige Müller schon immer gesagt, wenn der bebrillte, grauhaarige Dorflehrer ihrer einmal gar nicht Herr geworden war und zu Herrn Kampferbeck klagen kam.

Da war nie etwas zu holen gewesen.

Der alte Müller war so auseinandergegangen in dem Dünkel des Reichtums, daß er gar nicht hätte begreifen können, wie ein solcher Hungerleider und Magerherr, wie der alte Dorfschulmeister, sich an den kraft- und lebenstrotzenden, frechen Jungen nicht auch nur erfreuen konnte.

Der gewichtige Müller selber hatte im Leben nie etwas anderes gelernt als sein gutes Mühlenhandwerk. Und doch war er der breiteste und mächtigste Mann im ganzen Orte geworden.

Wie der zweite Sohn, der Ernst hieß, einmal im Zorne, als ihn der Lehrer verwiesen, gewagt hatte, zur Selbsthilfe zu greifen und es zwischen ihm und dem etwas mürrischen Dorfpädagogen beinahe zu einer Schlägerei gekommen war, und der Ortspastor selber sich ins Mittel gelegt, auch da noch hatte nichts gegen das dicke Fell und die Atmosphäre der behaglichen Selbstberäucherung von sich und seinen Kindern beim alten Müller verfangen wollen. Und so vorsichtig auch der Herr Pastor Brömel die Anschuldigungen gegen Ernst vorgebracht und mit sanfter Stimme die Notwendigkeit strenger Erziehung und Heranbildung gerade für die Kinder reicher Leute befürwortet hatte. Der alte Müller mit dem wammigen Gesicht, in diesem Falle voller Gutmütigkeit gegen den Pfarrherrn, hatte im Lachtone einfach gesagt, daß Jugend nun einmal austoben müßte. Oder so eine bequeme Redensart. Und er hatte auch hier schließlich die Versicherung abgegeben, »daß seine Kinder ja genug hätten«, und ihnen trotz dieses bissel kecken Sinnes, der sogar oft sehr gut zu brauchen wäre, im Leben nie etwas fehlen würde. Der alte Kampferbeck war nun einmal verliebt in seine Söhne. In seine Garde, wie er sie nannte. Famose Kerls waren es. Und nun gar in seine Jüngste. In seine Odela. Denn so wollte das Mädchen genannt sein.

Odela war schlank wie eine junge Birke. Und von einer Schmiegsamkeit des Leibes, daß alles sich an ihr wiegte. Damals war sie etwa sechzehn Jahre alt. Obgleich andere Mädchen im Orte in dieser Zeit in irgendeine bessere Erziehung gebracht ein oder zwei Jahre draußen unter fremden Leuten sich tummeln mußten, hatte Frau Kampferbeck derartige Wünsche von vornherein unterdrücken müssen.

»Ach Unsinn, Mutter ... das Mädel ist erzogen genug ... dreht mir die Welt nicht um ... das Mädel ist erzogen genug und hat genug ... die kann einmal einen Prinzen heiraten ... und außerdem ... was wäre unsere alte Mühle ohne Odela? ... nichts wird draus!« sagte der alte, wammige Mann.

Und obgleich Odela in der Dorfschule nie etwas gelernt, nie anders als mit ausgelassenen Heimlichkeiten sich über den alten, verärgerten Lehrer und seine Bibelsprüche und Gesangbuchlieder lustig gemacht, und wirklich auch nicht einen Gesangbuchvers hätte richtig hersagen können, so lief sie mit ihren sechzehn Jahren erst recht wippend und in kräftigen Hüften sich wiegend im Dorfe herum, allen zur Freude an ihrer strotzenden Jugend, und allen auch ein bissel zum Ärger, immer wie eine junge Hexe.

*

Der Hochmut des Vaters und seine Verliebtheit in das Mädchen hatte sie früh aus ihrer kindlichen Anlage herausgebracht.

Als Kind hatte Odela immer Tauben um sich. Wenn sie mit zehn Jahren im Bauernhofe gestanden, kamen auch alle Hühner und Gänse um sie mit Flattern und Fluge. Und es war weit und breit im Bauernhofe ein richtiges Geschrei, wenn sie sich irgendwo blicken ließ. Damals waren die Leute auch schon am Zaune stehengeblieben, wenn die weißen Tauben in Scharen von allen Dachfirsten und Giebeln herabflogen. Sich einzelne gelegentlich auf ihre Schultern setzten. Und alles um sie durcheinander flatterte und gurrte und schnatterte und krähte. Jetzt mit sechzehn oder siebzehn Jahren waren es Katzen.

Die Fremden im Badeorte kannten Odela alle. Sie lief mit Katzen. Mit Katzen im Arm. Mit Katzen auf der Schulter. Mit Katzen im aufgerafften Kleiderzipfel und mit Katzen am Stricke hinter sich. Zum Teil seltsamen, bösen Dingern. Ausländischen Katzen, die der alte Kampferbeck seiner Odela umständlich und weit her verschrieben hatte.

Und im Winter, wenn es im Orte ganz still war, saß dann Odela oft in dem verräucherten, von alten Gewürzen wie einbalsamiert riechenden, schmutzigen, niedrigen Laden der ebenso verräucherten und klebrigen und einbalsamierten, kleinen Witwe Horant, weil sie da mit den beiden Söhnen verliebte Neckereien austauschen und sich balgen konnte.

Damals begann sie schon nicht immer mehr fein zu sein.

Mit Bruno konnte sie richtig gewalttätig werden, der ein etwas italienischer, sehr innerlicher und jähzorniger Jüngling war. Und der als Schlosser bereits ausgelernt hatte. Wenn sie mit Bruno Horant allein im Laden war, ruhte sie gewöhnlich nicht eher, als bis ihre Späße zu Handgreiflichkeiten führten. Denn nichts gefiel ihr besser, als dann wie ein an den Boden genagelter Leib mit ausgespreizten Armen dazuliegen und die Kraft dieses sie mit heißen Augen ansprühenden fremdartigen Menschen an Leben und Armen zu fühlen.

Bruno Horant war der erste, der so hoffnungslos in ihre Netze geriet. Die Katzen, die sie mitgebracht hatte, immer eine ganze Herde, miauten dann um sie. Und wenn die vergraute und klebrige, kleine Witwe Horant wieder in den Laden kam, machte sie ein besorgt lachendes Gesicht und war außer sich, wenn das allerfeinste Seidenkleid mit Ausschnitt und Einsätzen am schmutzigen Boden vollkommen ruiniert war. Und wenn Bruno der sich toll wehrenden Odela in seiner erregten Sucht die Goldspangen von den bloßen Armen und Ringe von den Händen herunterstreifte oder riß, mit denen sie sich immer auffällig schmückte.

Odela durfte auch ruhig den alten Müller Kampferbeck selber derb ins Gesicht klapsen und mit ihren gespreizten, feinen Fingern tüchtig an den Ohren ziehen. Alles an ihr und von ihr sah reizend aus. Nicht nur das drollige Spiel der mit Milch gewaschenen Händchen, die auffallend ebenmäßig und sanft waren. Und ihr längliches, frisches, flaumiges, wie geschminktes Gesicht, mit Blicken, so braun und so stutzig, wie ein furchtsames Reh. Sie war auch immer äußerlich derart hergerichtet, daß sie sogleich in jedem städtischen Salon hätte tanzen können. Und mit den elegantesten Ballschuhen lief sie einfach im dichtesten Regen über die Dorfstraße.

Das war Odela Kampferbeck.

Damals war Bruno Horant schwelend nach ihr. Aber das amüsierte sie nur. Wenn sie aus dem Laden der Frau Horant hinauskam, konnte ihr jeder Mann auf der Straße gefallen, der ihr nachsah. Und dem sie dann auch übermütig nachsah und übermütig zulachen konnte. Denn dazu trug schon ihre reiche Katzenbegleitung immer den nötigen Grund in sich.

Odela war stattlich und groß. Und voller Ebenmaß.

»Die kann einen Prinzen heiraten!« sagte der alte Kampferbeck in dieser Zeit, wenn er sie schmunzelnd ansah.

Denn Odela war auch königlich im Gange. Ihr kräftiger Kopf war von dichten Zöpfen umlegt und ragte im Raume wie noch besonders erhoben. Ihre Nackenlinie war eine Freude an Freiheit. Und siegessicherer konnten die braunen Augen einer Versucherin nicht hinter sich lachen. Sie war eine richtige Hexe von Verführung.

Bruno Horant zerriß sich das Herz nach ihr. Wenn er sich mit ihr gebalgt hatte, wenn alle seine Sinne nach ihr heiß geworden waren, konnte er ihr nachblicken mit Augen wie kühler Jett. Haß und Schwermut in ihnen. Da konnte er sehen, wie sie die Dorfstraße dann mit ihren Katzen wieder in das große Mühlengut der Kampferbecks tänzelte und keinen Mann mit ihren Blicken unverfolgt ließ.

*

Im Sommer, wenn die Brunnenanlagen und Logierhäuser voll fremder, vornehmer Menschen waren, lief sie nicht zehn, zwanzigmal am Tage, jedesmal neu und auffälliger aufgetakelt mit ihren Katzen im Dorfe herum. Und wußte sich ihrer Verlänglichkeiten gar nicht zu erwehren.

Der alte Kampferbeck sah das nicht ein, daß es für ein Mädchen nicht passend ist, mit einem beliebigen Fremden gelegentlich in einer Bierstube zu sitzen, Witze zu machen und aus einem Glase zu trinken. Aber Ddela, wenn ihr irgendein Mann gefiel, tat das alles mit heiterem Gelächter. Da konnte sie ausgelassen ihre Anmut verstreuen. Ganz gleichgültig, ob auch die es sahen, die sie im Winter im einsamen Orte zum Zeitvertreibe brauchte.

Bruno Horant sah einmal durchs Fenster, wie sie sich von einem jungen Weinreisenden am Schenktisch küssen ließ. Raste an den Schenktisch hinein und gab dem Fremden einen Stoß vor die Brust. Und warf ihn obendrein noch, wie er sich wehren wollte, mit stählernen Armen an die Zimmerwand. Und Odela lief schreiend hinaus.

Das war schon, wie die alte Mutter Kampferbeck im Herbste vorher gestorben war. Da hatte Odela Mitte Sommers doch die dunklen Trauerkleider plötzlich nicht mehr ertragen können, weil sie die Lebensgier allzusehr unter den schwarzen Flören brannte.

Mit diesem Eklat in der Schenkstube, der im ganzen Orte bald ruchbar geworden, hatte die Beziehung zu Bruno Horant, dem sie im Winter vorher in den Trauerkleidern schon manche Vertraulichkeit mehr erlaubt hatte, natürlich ein jähes Ende. Nein. Doch nicht. Das ist nur eine Sache, die erst später kommt. Denn einstweilen hatte sie zum Schrecken des Vaters den jungen Weinreisenden statt des Prinzen für die Ehe erkoren.

Sie war achtzehn Jahre. Und sie war schön. Wenn man einen jungen, jachen Mädchenleib mit der schmiegsamsten, stählernsten Bewegung, einen kühn geschwungenen Raubvogelhals und Blicke, die ins Blut rinnen und heiße Sinnlichkeit aufpeitschen, schön nennen will.

Odelas braune Augen lachten ohne Scham. Sie konnte jeden hart betrachten, sicher funkelnd, wie wenn Sterne in der kalten Nacht blinzeln. So hatte sie auch den Herrn Weinreisenden Turke angeblinzelt.

Herr Turke war ein junger, harmloser Mann von ganz angenehmen Manieren. Er wurde auch mit dem Gelde des alten Kampferbeck gleich in die Lage gebracht, Mitinhaber eines Weingroßhandels zu werden, der sich in der nahen Kreisstadt bereits eines Namens erfreute. Denn der alte Kampferbeck hatte schließlich zur Hauptbedingung gemacht, daß er sich nicht weiter von seiner Odela trennen brauchte.

Da kam nun Odela mit ihren achtzehn, neunzehn Jahren und ihren Katzen wirklich auch einmal unter die Haube. Und das ging, solange wie es eben ging.

Schon nach einem halben Jahre waren die Kämpfe mit Herrn Turke, der immer ein sehr gewiegtes Auftreten hatte, derart ins Kraut geschossen, daß der Horizont gleich sehr verfinstert aussah. Die Balgereien, die Odela liebte, waren dem jungen, ernsten Herrn auf die Dauer zu anstrengend. Und Odela wieder fand ihn mit der Zeit einfach schwächlich und langweilig.

Deshalb lief sie, so oft sie ins Dorf zurück kam, wieder in den verräucherten Balsamladen der Horants und suchte mit allen Mitteln die kleine, klebrige Witwe zu bereden, sie mit Bruno endlich zu versöhnen. Sie kam natürlich täglich. Der alte Kampferbeck hatte ja der Tochter Wagen und Pferde mitgegeben. Sie konnte jeden Augenblick aus der Kreisstadt ins Dorf kommen. Denn sie war nach der gelungenen Versöhnung ganz in Brunos Banne.

In der Zeit geschah es auch, daß sie dann plötzlich dem Fasse mit Herrn Turke einfach den Boden vollends ausschlug.

Nämlich Herr Turke kam jetzt oft nicht mehr rechtzeitig nach Hause. Auch an einem Wochenmarktstage nicht. Aber Odela hatte gerade Rebhühner vom Dorfe mit in die Stadt gebracht und hatte sozusagen ein festliches Mahl bereiten lassen. Vielleicht doch auch zur heimlichen Übertönung. Da standen nun die schönen, in Speck gehüllten Rebhühner gebraten auf dem Tisch. Und sie wartete. Vielleicht doch vom schlechten Gewissen ein wenig gepeinigt. Denn sie hatte im Dorfe mit Bruno Horant schon ein heißes Mahl gegessen. Hatte sich an dem Morgen von seinen Schwermutsblicken bis ins Mark versengen lassen.

Aber Herr Turke kam nicht. Da war gleich einer von ihren Gewaltakten aus ihr aufgequollen. Sie hatte nur flüchtig einen kostbaren Hut mit großer Feder auf ihre dicken Zöpfe gedrückt. Und gar nicht gesehen, daß sie sich ihre Seidenschürze nicht abgebunden. Einfach. Sie lief, was sie wiegend und wippend mit ihrer Salonschleppe nur laufen konnte. Sie lief durch einige Straßen. Zum Gasthause hin, wo Herr Turke unter den Geschäftsmännern aus dem Kreise noch beim Biere saß. Denn sie fieberte jetzt in Wut. Sie ließ Herrn Turke vom Hausknechte sofort in den Durchgang bitten, den man vom Marktplatze aus übersah. Und sie besann sich auch gar nicht weiter, trotzdem alle möglichen Leute im Flure und draußen vor der Tür herumstanden. Sie hatte nur gleich, wie Herr Turke sein weingerötetes, glänzendes Gesicht durch den Türspalt aus der Gaststube heraussteckte, mit ihrem Arme kräftig ausgeholt und Herrn Turke zwei derbe Ohrfeigen rechts und links versetzt. Das war natürlich genug, daß Herr Turke nicht nur sehr verwundert unter Staunen und Gelächter von hundert Leuten drinnen und draußen ins Gastzimmer zurücktaumelte. Daß auch die Geschichte mit ihm und Odela ein Ende hatte.

*

So kam Odela wieder ins Dorf zurück. Und Vater und die hochmütigen Herren Brüder und Odela lebten wieder in der großen Mühle zusammen. Der Alte schon ein bissel wacklig geworden. Um so größere Herren die Söhne. Und die Tochter trotzdem nicht weniger eine schöne Verliebte.

Und nun ging es noch eine Weile mit Bruno Horant.

Aber dem finsteren, schwermütigen und süchtigen Menschen, der sich nach einem Weibe sehnte, war es dann doch bald zum zweiten Male begreiflich geworden, daß Odela keine Seele hatte. Er ließ sie kaum nach einem halben Jahre verächtlich laufen. Nun für immer. Er hatte es jetzt noch tiefer eingesehen, daß die schöne, verliebte Odela mit ihrer Katzenbegleitung im Orte herumging, alles verführend und lockend. Und mit Augenblickssüchten, die sie in jedem Augenblicke lachend wegwarf.

Mancher Mann erzählte, daß sie schweigsam und sanft, süß und geheimnisvoll sein könnte wie eine schmiegende, weiche Katze. Daß ihr Auge verglimmen könnte und aus ihr eine Glutwelle herausschlagen, die das Blut des Mannes jäh machte bis zum Zerspringen. Nur bräche dann auch bald ihr verachtendes Lachen aus. Ihre rohe Gewißheit. Die noch je und je alle süßen Phantasmagorien der Liebe verscheuchte. So daß jedem Manne nichts als ein kalter Stein im Herzen und in der Hand zurückblieb.

*

Das Ende von Odela. Nein. Das Ende der Kampferbecks. Fünfzehn Jahre sind ins Land gegangen. Drüben in dem Nachbardorf liegt ein schindelgedecktes Stellerhäuschen. Schwarze Querbalken auf weißem Grunde. Ein ganz kleines Häuschen. Mit einer einzigen Stube und ein paar Kammern. Im Stalle mit zwei Kühen. Alles sehr kümmerlich. Darin wohnt der jüngste Sohn des alten Müllers Kampferbeck.

Nämlich die drei jungen Herrn Kampferbeck, die große Herren waren, hatten die Mühle verkauft und das Geld bald verlebt. Zwei davon waren in die Welt gegangen, nachdem sie noch das letzte Seidenkleid der alten Frau Müller Kampferbeck in einer geringen Schenke an die Wirtsfrau verhandelt hatten. Man wußte im Dorfe nicht mehr, wo die großen Herren jetzt geblieben waren.

Nur der jüngste Sohn hatte wieder als Tagelöhner zu arbeiten begonnen. Ganz im Kleinen. Er saß jetzt in der Hütte im Nachbardorf und aß im Schweiße seines Angesichts sein mageres Schwarzbrot. Der lebte jetzt ehrlich und demütig. Denn er war der Mutter Kampferbeck Armutsblut.

Ja und Odela!

Odela hatte noch immer die Katzen gern. Sie saß noch immer in ihrem Heimatsdorfe. Sie lockte jetzt die Dorfkatzen an sich. Sie war erst Mitte der Dreißig. Aber völlig verwahrlost und dem Trunke ergeben.

Sie wohnte im Armenhause.

Sie trug manches von ihrem einstigen Salonstaat noch als Lumpen am Leibe. Und ging noch manchmal unter Seidenlumpen mit Ballschuhen, die gänzlich zerfetzt und verschmutzt waren.

Sie lockte alle Katzen an sich, die nachts ums Armenhaus einen entsetzlichen, miauenden und fauchenden Skandal machten. Denn sie teilte mit ihnen, was sie vor den Türen erbettelte.

Im Dorfe hieß sie deshalb noch immer Odela mit den Katzen ...

Und der alte Müller Kampferbeck lag in der Erde. Der gewichtige, wammige Hochmut war jetzt nur Staub und Knochen. Die Herrlichkeit der Kampferbecks war aus.


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