Carl Hauptmann
Schicksale
Carl Hauptmann

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Der Freund des Kardinals

Auch der Gott Temiel stand in einem der Zimmer, in der weiten Zimmerflucht im Stadtschlosse des Herrn Severin.

Ein jedes dieser Zimmer war einzig.

In dem einen waren nur wenige japanische Matten auf dem spiegelnden Parkett ausgebreitet. Und irgendwo in einer Zimmerecke stand eine schöne japanische Vase auf einem japanischen Tischchen, darin nickte wie leicht eingeschlafen ein schlanker Bogenzweig, behangen mit goldgelben Blüten einer japanischen Orchis.

Wenn Herr Severin einmal Laune bekam, sich an Japan zu erinnern, so kauerte er sich mit einem seiner vielen reichen Freunde auf eine solche Kokosmatte und sprach von den Teemädchen in Tokio und von dem Liebeserlebnis oben in der Totenstadt. Und zeigte gleichsam aus dem Register seiner inneren Sehenswürdigkeiten dieses wundersame, blumenbestickte Blatt, wie ein Schmetterlingssammler einen schillernden, exotischen Bläuling mit angehaltenem Atem aus seinem Glaskasten herausholt.

Herr Severin saß dann der Erinnerung ganz hingegeben wie ein Derwisch. Peinlich stäubte er nur dabei das kleinste Staubkörnchen von seinem scharf gebügelten Beinkleid ab. Und der Sonnenstrahl, der durch den kostbaren japanischen Perlenvorhang am Fenster hereinschnitt, blinkte blaß in der großen, grauen Perle seines schneeweißen Hemdlatzes.

Herr Severin war ein sehr reicher Herr. Er hatte schon mit sechsundzwanzig Jahren die Riesenerbschaft seines Vaters allein angetreten. Und er wechselte am Tage mindestens dreimal sorgfältig seine Wäsche und seine Kleider.

Und Herr Severin konnte da lange auf der japanischen Matte neben seinem vornehmen Freunde hingekauert sitzen. Er hatte das Land des Sonnenaufgangs mit der Leidenschaft des Sammlers nach allen Richtungen hin durchstreift. Innen und außen war diese Wunderwelt seinem Reichtume eingefügt. Wenn er die Geheimschränke des Japanraumes aufgetan hätte, hätte ein nach erlesenen, sanften Blumenfarben und Linienspielen sehnsüchtiges Auge tagelang staunen und lächeln können. Genug, was Herr Severin jetzt von der sanft miauenden, kleinen Birnenblüte in die Luft und in die spielenden Sonnenkringel gedankenvoll vor sich hinsprach. Das war ein Liebeserlebnis, so fein, wie in feinsten Silberfäden auf Seide gestickt. Das war wirklich ein Liebeserlebnis so reinlich wie eine Birnenblüte. Herr Severin saß jedesmal lange im japanischen Zimmer, um diese Kostbarkeit innerlich anzuschauen, sorgfältig eingerahmt als Bild und Besitz in seiner weiten, feierlichen Zimmerflucht.

Denn seit durch Frankreich und durch Amerika und durch Deutschland irgend woher der Ruf erklungen, daß Japan das Land des Heils wäre, darin der Mensch von Geschmack seine Erfüllung fände, hatte sich auch Herr Severin von dieser Wahrheit leidenschaftlich durchdringen lassen, hatte mit wärmster Emphase dieses Evangelium weiter verkündet, und hatte selber seinen Geschmacksadel in diesen köstlichen Japanmantel eingehüllt.

Dieser Herr Severin, der vom Kopfe bis zu Fuße jeden Augenblick so peinlich gepflegt aussah wie ein japanischer Blütenzweig selber. Und der sich die Welt, wenigstens soweit sie für ihn in Betracht kommen sollte, jetzt nur noch nahen ließ, wie sie in Blumen und bunten Früchten in seinen üppig gepflegten, weiten Gewächshäusern, oder in den auch mit Perlen im Hemdlatz geschmückten Freunden, und Männern und Machthabern der großen Gesellschaft und deren seiden- und diamantenglitzernden Damen, oder sonst etwa noch kostbar auf Japanpapier hingemalt sich darstellte.

*

Herr Severin hatte übrigens allein in seinem Stadtschlosse dreißig und mehr Zimmer. Und er hatte nur Freunde, die auch alle viele Zimmer und viele Schätze hatten.

Wenn er nicht im japanischen Zimmer saß, was jetzt im Jahre nur etwa einmal noch vorkam, denn auch die Japanreise lag schon etwas zurück, saß er in dem Zimmer, wo die großen Inkareliquien sehr geschmackvoll in dem gewölbten Räume verteilt herumstanden. Seltsame Steingestalten. Da konnte Herr Severin sehr ernst werden. Ein wenig gewissermaßen selber zu Stein erstarren. Nachgrübeln. Nachstarren einer ganzen, großen, längst in den Sand versickerten Kulturwelle. Erhabene Dinge. Erhabene Dinge ergriffen Herrn Severin besonders.

In diesem Inkazimmer war wirklich ein Weiheraum. Das Menschliche trat zurück. Dieses Zimmer war nicht umsonst in den Reigen der Räume eingefügt.

Herr Severin hatte auch in Peru ausgiebig gesammelt.

»Man muß auch Erhabenes bei sich beherbergen!« hatte er damals gesagt. Und wer es hören wollte, konnte eine genaue Aufstellung der kolossalen Kosten persönlich von Herrn Severin erhalten, mit denen er die gewaltigen Tempeldenkmale und Tempelzierden zu Schiffe umständlich mit heimgebracht.

Und Herr Severin sprach dabei über die Geheimnisse der Inkakultur wie ein Bauer über seinen Kuhstall und seine Düngergrube. Herr Severin hatte auch, wie er sich ausdrückte, mit wahrer Inbrunst die Inkakultur studiert und hatte sich in die religiösen Vorstellungen dieses sonderbaren Volkes nicht weniger leibhaftig hineingedacht, wie in dessen politische Einrichtungen und Ideale.

Nur liebte er hierbei immer einen Witz mit schwermütigen, großen, blauen Augen zu wiederholen: Augen, die tief in einem knochigen, ziemlich kräftigen, aber sehr bleichen Gesicht saßen, und die seine reichen Freunde sehr gütig anlächeln konnten. Er meinte jedesmal, daß man allerdings aus einer so in den Sand verlaufenen Kulturwelle nirgend mehr etwas Lebendiges für seine Erinnerungen hätte sammeln können. Womit er auf die kleine echte Liebesgeschichte sanftmütig anspielte, der er nachsah, wenn er zum Beispiel auf der japanischen Matte saß.

*

Herr Severin hatte alle Reiche und Länder der Menschen gesehen. Einmal war er um ganz Afrika herumgefahren. Das war noch im Anfang seiner Weltreisen gewesen. Ein seltsames Zimmer enthielt noch von damals eine Negerhütte. Eine Art mit Fell überspannter Pritsche stand unter einem Zeltdach. Und es hingen große Rohrtrommeln am Pfosten. Und Muschelschmuckketten. Und sonderbare Schurzfelle. Allerlei Zierate, die einmal früher an bronzenen Mädchenleibern gehangen hatten.

Aber wenn hier Herr Severin in seiner ganz entstaubten Reinlichkeit doch noch einmal durchschritt, nahm er gewöhnlich eiligere Schritte. Als wenn ihn eine häßliche Erinnerung bedrängte. So daß gar keine Zeit blieb, sich auf dieser gelinden Flucht überhaupt ernstlich an etwas zu erinnern, von dem dieses Zeltdach und das primitive Bettgestell eine verklungene Sammlermelodie antönte. Denn jetzt, nachdem auch schon das Wunder der farbenzarten, miauenden Birnenblüte verklungen war, erschreckte Herr Severin richtig vor der einfältigen Gebärde, mit der einmal eine nackte, afrikanische Königstochter unter Palmen in der Löwen- und Antilopenwildnis hündisch zärtlich an seinem Halse gehangen. Und er verwarf in der Erinnerung gänzlich dieses Blatt, darauf ein Reisender im Tropenhelm der Tochter Tippu Tipps im geräumigen Häuptlingszelt ihres Vaters für ihre Liebkosungen zwei große Goldtaler hinhielt.

*

Herr Severin war auch heute noch nicht verheiratet, obwohl er schon fünfunddreißig Jahre alt war. Er war nur verheiratet mit seinen Schätzen innen und außen. Er hatte immer behauptet, daß Verheiratetsein ein zu äußeres Geschäft wäre. Er behauptete es noch jetzt. Er liebte nur seinen Besitz.

»Ich habe für so viele Dinge im Leben zu sorgen ... das wäre eine schöne Geschichte, auch noch für ein Weib und Kinder sich abzuplagen!«

In der Tat lagen Herrn Severin genug große Verpflichtungen ob. Auch wenn er nicht auf Reisen sammelte und kaufte. Auch wenn er nur in seinem Stadtschlosse residierte.

Herr Severin gehörte unter die Eingeweihten. Er fühlte sich durch und durch als Geschmacksmensch. Als einen wahrhaften Kenner, den nie Nebenleidenschaften trübten, und nie Rücksichten oder Vorurteile von der wahren Bewertung der Dinge ablenken konnten. Er fühlte sich als einer der Männer, die mit Herrenmacht und Herrengefühl am Sinne der Kultur mitschufen.

So stand Herr Severin auch mit dem Opernglase in der Hand und im Frack bei jeder Premiere in seiner Loge im ersten Balkon im Schauspielhause.

Er beäugte derart gespannt und sicher das ablaufende Werk und die Spielgebärden, daß schon die Art, wie er sich vertiefte, den Eingeweihten verraten mußte.

So trat Herr Severin auch in der Pause unter die anderen Künstler und Kenner, um mit sehr verbindlicher Miene und pfiffig in den Augen Wert und Erfolg des Gesehenen in den plaudernden und lauschenden Gruppen mit herumzuflüstern.

So stand auch der befrackte Herr Severin mit der großen grauen Perle im Hemdlatz unter den vornehmsten Herren und Damen und Uniformen, wenn seine Majestät selber oder ein Regierungsvertreter die große Ausstellung im Palaste der bildenden Künste der großen Menge auftat. Und konnte dabei mit verzehrender Sehnsucht in seinen großen, blauen, schwermütigen Augen und mit der erlesensten Würde an den vielen buntbehangenen Wänden nach dem köstlichsten und beglückendsten Werke herumsuchen.

Denn das gehörte vornehmlich zu seiner Lebenskunst, aus den Quellen des eigensten, letzten Gefühls mit leuchtender Güte die Überzeugung auszustrahlen, die gleichzeitig die ganze, vornehme Gesellschaft in wortloser Übereinkunft für das vollkommenste und höchste Kunstwerk auftrieb.

Deshalb hingen auch in Herrn Severins Sälen nur die berühmtesten Bilder in feierlicher Ordnung an den Wänden herum. Nur die berühmtesten Musiker waren gewürdigt in seinen Salons Konzerte zu geben. Und nur die Politiker konnten seine fürstlichen Tafeln oder erstrahlenden Nachtfeste bestaunen, die die schlagendsten Worte ins Land gerufen. Auch von Herrn Severins Zimmerfluchten aus empfingen die Künste und die Taten der Menschen ihre Sanktion. Auch Herr Severin fühlte die Pflicht, für alles, was dem alltäglichen Leben als Letztes und Berühmtestes und Höchstes gelten sollte, mit sicherem, sanftem Gefühl die Parole auszugeben.

*

Der Gott Temiel stand schon zwei Jahre in einem der Zimmer der weiten Zimmerfluchten des Herrn Severin.

Einmal war Herr Severin in Asien in einer Landschaft gefahren, die unsäglich rein, fast himmlisch war. Hauptsächlich, weil Idyll und Einsamkeit um schöne, weiße, mächtig gehörnte, pflügende Stiere auf weitem Ackergrund gebreitet lag. Und die Menschen still und duldsam und doch hochaufgereckt dahinter schritten.

In dieser Landschaft im Hause eines Dorfältesten hatte der Götze oder Gott Temiel gestanden.

Herr Severin hatte vorher nie von diesem Gotte gehört.

Aber die Leute hatten gesagt, sie wären Anhänger dieses Gottes. Und weil die Brust des Herrn Severin voll des Gefühls der himmlischen Reinlichkeit und Duldsamkeit und des ländlichen Friedens war, hatte er sich ein Gottesbild aus purem Golde und echten Steinen genau nach dem Muster des Götterbildes anfertigen lassen. Und hatte auch seinen reichen Freunden Nachbildungen davon mit heimgebracht.

Seitdem er dieses Bild in seinem Stadtschlosse aufgestellt hatte, betete er gradezu kindlich diesen Gott der elementaren Gefühle an, des Ackerpfluges und der Goldähren und der ursprünglichen Erdkraft, den Gott der einsamen, menschlichen Betriebsamkeit.

Mit den Ringen am Finger vergaß Herr Severin zu tändeln, wenn er auch nur an diesen Gott dachte.

Der Gott Temiel war das letzte Glanzstück, das er seiner Seele und seinen Sammlungen eingereiht. Ihn hatte er gefunden als ein Sesam. Als einen letzten Anker und letzten Halt. Ihn konnte er keinem seiner Freunde zeigen und keiner lächelnden Dame aus der Gesellschaft eingehend und liebend erklären, ohne nicht in seinem knochigen, bleichen Gesicht über und über davon rot zu werden und oft mit Tränen in den Augen.

Herr Severin vergaß dabei nie zu versichern, daß er es im Leben kaum je erwartet hätte, auf seinen Reisen der Verkörperung gerade dieser erhabenen Idee zu begegnen, die ihm ins Blut hinein die letzte Einfachheit des menschlichen Gefühls und die letzte Einigkeit mit seiner irdischen Bestimmung predigte.

*

Übrigens tat sich Herrn Severins Stadtschloß langsam zu, schon als er siebenunddreißig Jahre alt geworden war. Einer seiner reichen Freunde war plötzlich gestorben. Und in der gleichen Zeit hatte ihn auch eine Geliebte bestohlen, die er wie eine Königin ausstaffiert hatte. Die aber noch kurz vorher eine einfache, junge Ladnerin gewesen war.

Da war Herr Severin wie ein Derwisch ewig nicht von der japanischen Matte aufgestanden. Immer das zarte Schemen der miauenden Birnenblüte aus Tokio oben in der Totenstadt im Auge. Und er war dann sofort auf Reisen gegangen. Und er hatte lange nicht mehr heimgefunden, weil allerlei Dränge und Verwirrungen in ihm nicht zur Ruhe kamen.

Das war der Anfang größerer Einsamkeit gewesen.

Auf dieser Reise hatte er zufällig einen Priester kennen gelernt. Einen inbrünstigen, sehnigen, jähen, feinen Menschen. Der war vom Diener ans Coupé geführt worden und war in die erste Klasse eingestiegen, wo auch Herr Severin saß.

Gleich anfangs hatte Herrn Severin eine richtige Leidenschaft für diesen verhältnismäßig jungen Mann ergriffen, der nicht viel älter sein mochte wie er selber. Denn Herr Severin hatte heimlich beobachten müssen, mit welcher fanatischen, zergrabenen Art dieser priesterliche Mensch Gebete hersagte, länger als eine Stunde lang.

Herr Severin hatte sich sofort gesagt, daß er ein solches verzehrendes Ringen mit Gott nur noch aus der Bibel und dem Gleichnis von Jakob kannte. Und es zog ihn unaussprechlich zu diesem Manne hin, von dem er natürlich auch längst mit dem sichersten Gefühl erkannt hatte, daß es ein höchster Würdenträger der Kirche, nämlich ein Kardinal war.

Das war mehr wie der Gott Temiel.

Das war ein leibhaftiger, lebendiger Gottesbekenner, dem der Glaube den Mund vibrieren machte und das Herz zerriß. Ein ewiges Beispiel für den ewig ringenden Menschen, wie Herr Severin jetzt in seiner inneren Bedürftigkeit vor sich selber bekannte.

So hat sich auch Herr Severin diesem neuen höchsten Beispiel sofort in seiner Schwermut hingegeben. Zuerst nur heimlich schlürfend und wahrhaft entzückt. Ganz nur tastend, wie endlich die Gebetsstunde zu Ende war, so daß der Herr Kardinal das sammtene Gebetbuch zuschlug, in die Brusttasche schob und zum ersten Male durchs Coupéfenster in die Landschaft hinaussah.

Sie fuhren im Apennin. Kleine Dörfer wie verlassene Trümmerburgen lagen grau im grünen Lande. Und die Mandelbäume blühten über den Hügeln.

Da war Herr Severin dem Kardinal nur ganz demütig zuerst mit Fragen nach dem Heile genaht. Hatte gezeigt, daß er die Welt kannte. Daß er das Leben in allen Formen genugsam angeschaut und aufgesammelt hatte. Daß er auch die Bitternisse und Irrungen kannte, die kein Menschenleben verschonen. Und hatte dann durchblicken lassen, daß er nach keinem Dinge so hungrig ausgeschaut hätte, als einmal die letzte, zerreißende Inbrunst eines selbstgewissen Glaubens aus der Welt mit heimzubringen.

*

Von der Zeit an war Herr Severin ein Freund des Kardinals. Eigentlich sein Anbeter. Wenn er ihm auf die zitternden, betenden Lippen sah, konnte er sich nie des Gedankens erwehren, daß dieser Kardinal einmal Papst werden würde. Er nannte ihn den berühmtesten Kardinal in Rom. Er sagte, man brauchte nur einmal die sämtlichen Kardinale in ihrer Morgenandacht, in der Kapelle des heiligen Julius nebeneinander zu beobachten, wie es dann gar keine Frage wäre, daß gerade dieser Kardinal das Gotteswunder in höchster Potenz verkörpere: Das letzte Wunder im Menschenleben überhaupt, wie der Mensch seinen Gott sichtbar und leibhaftig ins eigene Blut herniederränge und herniederzwänge.

Der Kardinal war natürlich auch gleich ein Freund des Herrn Severin. Er erkannte in Herrn Severin die weiche Wachsseele. Und begann in seiner jähen Verzehrtheit langsam das Bekehrungswerk. Wie Herr Severin dreiundvierzig Jahre alt geworden war, war es dem Kardinal gelungen, Herrn Severin völlig dem katholischen Glauben zuzuwenden.

Herr Severin hatte natürlich längst seinen neuen Palazzo in Rom dem Kreise der Kardinäle weit aufgetan. Der vornehme, sanfte Mann sah jetzt in seinen Zimmerfluchten die scharfgeschnittenen, glattrasierten, antiken Gesichter und leicht gebeugten Häupter der höchsten, weltüberlegenen Kirchenherren, die mit ihren dunklen, schwankenden Gewändern sehr vertraut durch die weiten Säle gingen, und die vielen Reichtümer darin immer von neuem mit Staunen betrachteten.

*

In dieser Zeit lebte Herr Severin gar nicht mehr daheim. Er war kränklich. Er brauchte jetzt die beständige Wonne des Südens. Und konnte vor allem die große Stillung durch die versunkene Inbrunst in geflüsterter Gottesandacht nicht mehr entbehren. Und wenn auch nur als ein Laienfreund des Kardinals, saß er dann noch mehr als zwei Jahrzehnte lang Winterszeiten im Peter in der Juliuskapelle auf einer der großmächtigen Mahagonibänke, der großen, feierlich strömenden Musik gleichsam im Arme, und in brünstigem Geflüster mit Gott, wie der Kardinal selber.

Und wie er mit fünfundsechzig Jahren in einem großen Gewölbezimmer seines Palazzos in Rom starb, da hat ihm der Kardinal persönlich mit bischöflichen Helfern die letzte Hostie zwischen die Lippen geschoben und den Kelch gegen den rubinigen Dämmerschein und gegen das Kreuz seines Betpultes hochgehoben, nachdem der reiche Einsiedler seinen ganzen Riesenbesitz der heiligen Kirche testamentarisch hinterlassen hatte.


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