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10.

In der Burg zu Hasela ging es am Abend vor der Ankunft der Villinger lebhaft her. Überall sah man Vorbereitungen zum Empfang derselben.

In der Küche unter dem Rittersaal hantierte der gräfliche Koch mit seinen Küchenjungen, als ob morgen eine Hochzeit stattfände.

Der Jäger kam, zerlegte den Rehbock und fragte ob Wildbret genug da sei.

»Ich weiß nit«, schimpfte der Oberkoch Clevi, »was unsere Herren für einen Narren gefressen haben an den Villingern, weil sie Geld bringen für die verkaufte Herrschaft, die man besser behalten hätte. Ich muß zurichten, wie wenn der König käme.

Ich war Küchenjunge, als die Könige Rudolf und Adolf in der Burg Gäste waren, aber so was an Überfluß hat man nicht aufgetragen.«

Nach diesen Worten stieß er einen Feuerhaken, der ihm im Weg lag, mit dem Fuß weit in die Küche hinaus und befahl einem Jungen, Feuerstein, Stahl und Zunder zu holen und Feuer zu machen unter dem Herd, es müßten Hühner gebrüht werden.

»Nicht so brummelig, Clevi«, beschwichtigte Rudi, der Jäger, »du bekommst sicher ein gut Trinkgeld morgen, wenn die Herren von Villingen bei uns speisen; du weißt ja, daß die besseren Bürger in der Beziehung lieber was fliegen lassen als die Ritter und die Edelknechte.

Und dann mußt wissen, daß von den letztern auch noch einige kommen, und denen kann man doch nicht nur Kuhfleisch und Rüben vorsetzen. Die wissen, daß du die besten Kapaunen in Nägelebrüh machst, und spitzen den Mund sicher jetzt schon darnach. So was wird ihnen nicht zuteil auf ihren alten Burgställen.«

»Es muß sein, Jäger«, erwiderte geschmeichelt Clevi, »daß noch mehr Leute erwartet werden als nur die Villinger, denn die Gräfin hat mir befohlen, ein Essen zu richten für etwa 30 Herren, ohne den Troß. Aber was tun denn die Ritter und Edelknechte dabei? Sie werden doch nit helfen müssen das Geld zählen, so die Villinger bringen!«

»Sie müssen helfen«, meinte verschmitzt lächelnd der Jäger, »aber nicht Geld zählen. Ich könnt' dir was verraten, Koch, aber es sind zuviel Ohren in der Küche. Ich will dir drum nur das sagen, daß du mir morgen vom Reh- und Hirschbraten auch was aufhebst. Ich hab' die Viecher erlegt, ich will sie auch verkosten.

Doch, horch, da kommt jemand die Wendeltreppe herunter. Du wirst Befehl erhalten von oben.«

Eine jugendlich schlanke Gestalt mit schwarzem Lockenkopf erschien alsbald an der Mündung der Treppe. Es war Rumo, der Leibknappe des Grafen Götz, noch ein Knabe von kaum fünfzehn Jahren.

»Clevi«, sprach er rasch und freundlich, »Ihr sollt unseren zwei Herren einen Hirschbraten mit Speck und Pastetchen richten auf den Abend. Sie speisen heute im kleinen Saal, da die gnädige Frau mit den Mägden im Rittersaal beschäftigt ist, ihn auszuschmücken, für morgen.«

»Wer ist denn alles geladen, Rumo?« fragte der Jäger. »Du weißt es noch besser als ich, der nur die Ritter und Edelknechte diesseits der Kinzig geladen hat.«

»Das kann ich Euch sagen«, entgegnete der Knabe. »Von hier Hartwig Vasant, der Schultheiß, und die zwei ältesten Räte, ferner die zwei Edelknechte von Schnellingen, Krispin und Wirich, der Ritter Hug von Waldstein und seine zwei Nachbarn, Thamme und Kunrat von Ramstein, Friedrich und Künlin von Büchorn, Walter von Sneit genannt von Grebern, Töbelin von Vischerbach, der Jung, Fritschi und Johans von Sulzbach, Ottli und Künlin von Bärenbach und Alber von Gippichen. Sieben Herren kommen von Villingen und dazu unsere zwei Grafen – wird einige zwanzig Personen ausmachen.«

»Dann kannst du noch einen Rehbock schießen heute nacht bei Mondschein, Jäger!« nahm der Koch das Wort, »denn wenn die hungrigen Edelknechte unserer Nachbarschaft, welche Rumo eben genannt hat, alle kommen, so langt's mir nit, denn von denen ißt, ich kenn' sie, jeder für drei.«

»Fällt mir nit im Schlaf ein, Clevi«, gab der Rudi zurück, »aber ich stehe dir dafür ein, daß es reicht, das Essen wird nit so lange dauern.«

Einer der Küchenjungen, welcher indes Wasser vom Ziehbrunnen im äußern Burghof geholt, kam in die Küche zurück und meldete, eben sei der Edelknecht Wirich von Schnellingen eingeritten.

»Der reitet schon einige Tage hier ein und aus, er muß was Besonderes haben«, meinte der Koch.

»Ja«, gab Rumo kindlich zurück, »er ist bei den Herren der Nachbarschaft gewesen und hat sie nochmals besonders geladen. Graf Götz wollt' es so haben. Unser Herr hat den Wirich dieser Tage lange in seiner Kemenate gehabt.

Aber jetzt, Clevi, könnt Ihr für drei Herren Hirschbraten richten, denn der von Schnellingen ißt jedenfalls mit unsern Grafen. In einer Stunde komm' ich und hole die Platten.«

Nach diesen Worten eilte Rumo wieder die Wendeltreppe hinauf.

»Ist ein lieber Bub, dieser Rumo«, begann der Koch. »Er kommt jeden Tag ein paarmal in die Küche und ist immer so bescheiden und freundlich. Ich steck' ihm manche Süßigkeit zuerst zu, weil ich ihn so mag.

Und ein netter Bub mit seinen schwarzen Locken und seinen Augen, die leuchten wie feurige Kohlen. Unseres Grafen Söhne sind Bauernkinder gegen den Rumo. Und wenn er als mit dem jungen Grafen Hug Ball spielt, meint man, er sei des Grafen Kind.«

»Er hat eben welsches Blut in sich«, sprach der Jäger.

»Sein Vater, der Harnascher am Bach drunten, hat sein Weib mitgebracht aus dem Welschland, aus Treves, wo er als Waffenschmied lange in Arbeit stand und wohin ja alle Harnascher in die Fremde gehen.

Und bei unsern Herrn, vorab beim Grafen Götz, da gilt der Rumo mehr als die eigenen Buben, weil er viele Minnelieder, auch welsche, von seiner Mutter her, kann und zur Harfe singt wie eine Nachtigall. Wenn der Graf von übler Laune oder von Langeweile geplagt ist, so muß der Rumo zu ihm in den Saal, und beide singen wie zwei Kameraden.

Du wirst sehen, Clevi, der Rumo wird nicht zwanzig Jahr' alt, so schlägt Graf Götz ihn zum Ritter und gibt ihm ein Lehen und eine Burg. Der alte Hug von Waldstein hat keine Kinder; und wenn der stirbt, was keine zehn Jahre mehr geht, bekommt der Rumo seine Sach', wenn nicht noch was Besseres frei wird.«

»Graf Götz ist überhaupt für die Welschen sehr eingenommen«, schloß der Oberkoch. »Drum gilt der Rumo wohl auch seiner schönen, welschen Mutter wegen. Auch ich soll manches nach welscher Art präparieren, und welsche Lieder werden dann dazu gesungen. Doch jetzt geh', Jäger, ich muß den Braten richten, du kannst später wieder kommen, dann gibt's was für dich.« –

»Willkommen Wirich«, rief im kleinen Rittersaal Graf Götz dem dort eben eintretenden Edelknecht entgegen. »Hast alles besorgt, kommen sie?«

»Alles in Ordnung, Herr«, entgegnete der Angeredete, ein junger, rothaariger Mann mit unheimlich leuchtenden kleinen Augen und einem bartlosen Gesicht. »Eben komme ich noch vom alten Hug von Waldstein. Der war guter Dinge. Er hat diesen Morgen mit seinem Nachbar im Tal draußen, mit dem Töbelin, an der Kinzig einige Kaufleute von Rottweil gerupft, die von der Straßburger Messe kamen. Er meinte, er habe heute schon Blut gerochen und mache morgen um so lieber mit.

Ich bin nun bei allen nochmals gewesen; alle, vom Bärenbacher bis hinab zu dem vom Grebern, werden rechtzeitig zur Stelle sein, und alle kennen die Parole.«

»Gut, Wirich«, sprach der Graf, der stehend den Bericht angehört, »setze dich jetzt zu uns und iß mit uns zu Nacht. Wirst Hunger und Durst haben.«

»Durst hab' ich immer, Herr, doch den Hunger hab ich beim Ritter Hug gestillt. Sein Weib, die Brigitta, hatte einen Gansbraten am Spieß zu Ehren des Fanges vom Morgen.«

»Den Durst sollst du stillen, Wirich, und auch dein Bruder, der Krispin. Du weißt, daß die meisten Reben über eurer Burg uns gehören, aber, wenn die Sache morgen gut ausfällt, geb' ich euch zwei Schnellingern das große Stück über eurer Burg zu Lehen. Bin euch sowieso verbunden für die guten Meldungen, die ihr bringt, wenn Vögel jenseits der Kinzig einfallen.«

»Vergelt's Gott, Herr Graf, für diese Worte. Für arme Edelknechte, die zu viert Wirich und Gripping (Krispin) von Schnellingen hatten noch zwei unmündige Brüder, Heinrich und Johans. ein Bürglein haben, ist das eine goldene Rede. Unser Vater, der Ritter Rudolf, hat zuwenig Burgen und zuviel Buben hinterlassen.« –

Der Wächter auf dem Kirchturm stieß elf Mal ins Horn, als der Wirich, ziemlich angeheitert und mit sich selbst laut redend, über die Kinzigbrücke ritt, seiner malerisch gelegenen Burg zu. –

Am andern Morgen begann ein Feiertag in Hasela. Niemand wollte arbeiten an dem noch nie erlebten Tage, da durch das obere Stadttor ein ganzer Wagen voll Geld kommen sollte.

Die Bürger standen gruppenweise vor den Häusern und besprachen das Ereignis. Auch Bauersleute, die davon gehört, kamen scharenweise zu den Toren herein.

»Ein denkwürdiger Tag heute«, begann in einer solchen Gruppe am obern Tor Rudi Maier, ein Metzger, »denn mit ihm wird Hasela die eigentliche Hauptstadt unseres Grafenhauses. Seither war es Villingen, und die Villinger haben uns immer über die Achsel angeguckt, wenn einer oder der andere hier durchkam. Und Geld müssen sie auch tüchtig schwitzen und es noch selber bringen, das freut mich. Drum stecke ich gerne Maien vor mein Haus.«

»Soviel Geld, wie heute zum Tor hereinkommt, sehen wir nie mehr«, meinte Ulin Bock, ein Sattler. »Ich hab' meinem Weib, meinen Buben und Maidlen diesen Morgen schon gesagt: ›Paßt auf heute, daß euch der Geldwagen nicht ungesehen vor der Nase vorbeifährt, denn das ist eine Merkwürdigkeit für Hasela, wo das Groß- und Kleingeld allzeit rar ist und rar war.‹«

»Ja, aber spenden könnten die Grafen auch was an solch einem Tage«, räsonierte Bertschi Häberle, ein durstiger Nagler. »Es liegt noch Wein genug im Zehntkeller bei der Kirche. Ich war noch ein kleiner Bub, als der Graf Egino hier einzog; aber damals lief der Sebastianibrunnen den ganzen Tag mit Wein, und wir tranken Herrenberger wie Wasser.«

»Das weiß ich auch noch, Bertschi«, nahm der Metzger wieder das Wort. »Mein Vater hat damals alles kurz und klein geschlagen, als er heimkam, so voll war er. Mich – es gedenkt mir noch wohl – warf er unter seine Bettlade.«

»Seid versichert, Mitbürger«, meinte der Ulin, »es kommt auf den Geldwagen und auf das Verzieren der Häuser hin ein Trunk. Hab' vorgestern den Turniersattel des Grafen Götz in der Burg abgeliefert, und da sagte mir der Burgvogt, wir müßten nicht umsonst festen, wenn die Villinger kommen, er hab's schon vernommen; aber an dem Tag selbst gehe Wichtiges vor in der Burg, und da könne man die gräflichen Keller nicht öffnen.«

»Ich nehm' den Trunk, wenn er kommt«, rief jetzt der Nagler; »wenn er nur nicht ausbleibt, bin ich schon zufrieden und will heute meine alte Hütte herausputzen, so gut ich kann. Ich will jetzt gleich noch in den Urwald und einige Lärchenbäume holen. Vor vier Uhr nachmittags kommen die Villinger doch nicht, und drum ist's noch Zeit genug, Maien zu stecken und sich ins Sonntagshäs zu kleiden.« –

Am Nachmittag herrschte regstes Leben im Städtle. Die Häuser waren geschmückt, die Maien gesteckt, und weil dies alles beendet, machte sich jung und alt auf die Straßen, viele vor das obere Tor hinaus, um den Geldwagen zu erwarten. Eine Anzahl Buben war weit hinauf gezogen bis zum Wald, am »geschwigen Loch«, und sie brachten im Galopp daherspringend kurz vor der vierten Stunde die Nachricht ans Tor: »Die Villinger kommen!«

Bald darauf nahte der Zug, voraus der Schultheiß und die Ratsherren in voller ritterlicher Wehr. Ihre Harnische und Helme funkelten in der Sonne. Dann kam der Wagen mit zwei Fässern Geld, gezogen von sechs weißen Hengsten; auf den dreien zur linken Hand saß jeweils ein geharnischter Knecht. Hinter dem Wagen zogen zwölf Stadtknechte einher, mit Armbrusten bewaffnet und in stattlichem Rüstzeug.

Die Villinger Herren staunten nicht wenig, als sie durchs Tor eingeritten waren und überall festlichen Schmuck und staunende Leute in festlichen Gewändern sahen.

Vor der Burg angekommen, erwarteten sie hier die beiden Grafen, die Ratsherren und die Ritter und Edelknechte, alle in friedlicher, höfischer Tracht und nur mit dem Schwert umgürtet.

Unter dem äußern Burgtor fand die Begrüßung der von ihren Pferden gestiegenen Villinger Herren statt. »Gott zum Gruß, ihr Herren von Villingen«, sprach Graf Götz, »das heiß' ich Wort halten!«

»Wir kommen«, entgegnete ziemlich ernst Hug Stähelin, der Schultheiß, »um die Loskaufsumme in der gewünschten Form namens der Stadt Villingen abzuliefern, und bitten die Herren Grafen, sie entgegenzunehmen. Es sind, wohl gewogen, ohne Fässer 5000 Pfund Silber Pfund und Mark waren in jener Zeit meist gleichwertige Münzeinheiten, und waren zu 20 Schillinge ein Pfund oder eine Mark Silber, d. i. etwa so viel als heute 100 Mark. in lauter Pfennig und Hellern Villinger Gewäges und gemünzt. Hier ist die Gewichtsurkunde unseres Münzmeisters.«

Der Schultheiß übergab dem Grafen nach diesen Worten ein Pergamentpapier, das er beim Absteigen aus der Satteltasche genommen hatte.

»Hätt's nicht nötig gehabt, mir Brief und Siegel zu geben, Schultheiß«, antwortete der Graf, »ich glaub's doch, daß Ihr uns zum Abschied nicht betrügen werdet. Ich wünsche überhaupt, daß wir als gute Freunde scheiden nach den langen Kämpfen. Hab' drum auch meine Stadt Hasela heute festlich schmücken lassen und, wie Ihr seht, Herren vom Rat und meine nächsten Dienstmannen geladen zur Friedensfeier mit euch Villingern. Die Herren kennen sich wohl gegenseitig alle aus guten und bösen Tagen. Wir wollen aber heute verkehren wie in guten Zeiten. Nochmals heiß' ich Euch herzlich willkommen!«

Darauf gaben die Grafen den Villinger Herren die Hand, und im äußern Burghof grüßten sich dann ebenso alle Gäste.

»Führt den Wagen in den innern Hof, bringt die Fässer in das kleine Gewölbe im Turm und sorgt für Pferde und Mannschaften!« befahl indes Graf Götz dem Burgvogt Veit Oswald.

»Ihr Herren von Villingen«, fuhr er, zu diesen sich wendend, weiter fort, »werdet froh sein, eure Harnische los zu werden. Es war keine Kleinigkeit, bei der Hitze in voller Wehr von der Baar herabzureiten ins Kinzigtal. Wir haben noch drei Tage bis Sankt Johann zur Sonnenwende, und es wärmt.«

»Wir hätten gerne höfische Kleider angelegt, Herr Graf«, meinte Walther der Lecheler, ein Rats- und Handelsherr, »aber der Teufel weiß, wie es einem heutzutag gehen kann bei einem Geldtransport. Wir Kaufleute sind ohnedies nicht sicher, wenn wir reisen!«

»Wenn wir Rittersleute an den Heerstraßen hin euch Krämer nicht von Zeit zu Zeit leichter machten, würdet ihr zu reich werden. Ihr habt ohnedies das große Geld«, gab lachend Graf Götz zurück und fuhr dann fort: »Ich frage die Herren nochmals, wollt ihr's euch nicht bequemer machen und ein Bad nehmen, ehe es zu Tisch geht? Wir werden ein Festmahl halten heute, euch zu Ehren, und über Nacht seid ihr selbstverständlich auch meine Gäste. Morgen setzen wir dann die Verkaufsurkunden auf und siegeln sie.«

»Wir haben in einem Tröglein auf dem Geldwagen höfische Röcke, die wollen wir jetzt antun«, erwiderte der Schultheiß. »Bei der Rückkehr wird's ohnedies nicht mehr nötig sein, geharnischt zu reiten.«

»Da braucht ihr keine Harnische mehr«, sprach der Graf. –

Die Sonne stand noch helle über dem Strickerwald und warf ihre wärmsten Strahlen auf die Burg von Hasela, als man sich im Rittersaal zur Tafel setzte. Neben jeden Villinger hatte der Hausherr zwei seiner Dienstmannen sitzen lassen, der Unterhaltung wegen, wie er vorgab.

Die Villinger hatten, um es sich recht leicht und behaglich zu machen nach den Strapazen, selbst ihre Schwerter abgelegt und ihren Knechten überantwortet.

»Wo ist die gnädige Frau Gräfin, daß sie uns nicht die Ehre ihrer Anwesenheit bei Tisch gibt?« fragte gleich zu Anfang des Mahles Schultheiß Stähelin ihren neben ihm sitzenden Gemahl.

»Meine Hausfrau läßt sich entschuldigen, ich hätt' dies beinahe vergessen«, antwortete Graf Götz. »Unser Mägdlein, die Herzeleide, ist krank seit einigen Tagen, und da will sie nicht von dem Kinde weichen. Es ist unsere einzige. Morgen vor der Abreise wird sie aber die Herren noch begrüßen.«

Noch einige Zeit ward zwischen Mahl und Trunk über einzelne Familienglieder, Freunde und Bekannte gesprochen; denn die Geschlechter von Hasela und Villingen waren sich vielfach verwandt und bekannt.

Als aber der Wein seine Wirkung zu zeigen anfing – Graf Götz hatte mächtige Züge getan aus seiner silbernen Kanne, und seine Edelknechte saßen schon ziemlich gerötet auf ihren Stühlen – da begann der Graf:

»He, Herr Schultheiß, habt Ihr schon mit den Herzogen von Österreich abgemacht? Was zahlen sie für die Herrschaft, welche Ihr heute bei uns abgelöst habt?«

»Es ist noch gar nichts abgemacht, Herr Graf«, entgegnete etwas befangen und unangenehm berührt der Angeredete. »Einen Herrn werden wir wohl wieder suchen müssen, sonst gibt uns der König einen. Reichsfrei zu werden können wir nicht hoffen und wollen es auch nicht sein.«

»Wir haben zur Zeit zwei Könige«, antwortete der Graf, »und der eine davon ist ein Österreicher, der wird euch ohnedies für einen Habsburger Herrn sorgen wollen. Aber tut nit so verschämt, Schultheiß. Schon im vorigen Jahre, da ich auf der Burg Trausnit Bürge war für den gefangenen König Friedrich, hab' ich bei seinen Brüdern gemerkt, daß sie gerne Herren in Villingen wären.

Ich gönne es meinen Habsburger Vettern und euch. Sie werden euch Villinger kennenlernen, und ihr werdet Herren bekommen, gegen die nicht soviel auszurichten ist wie gegen die Fürstenberger von Hasela.

Es ist zweifellos zwischen euch und dem Herzog Albrecht was im Gange, und er hat euch gewiß auch schon geholfen, die 5000 Mark Silber aufzubringen.«

»Herr Graf, niemand hat uns geholfen«, erwiderte der Schultheiß. »Ich und die anwesenden Ratsherren können es beschwören, daß alles Geld von der Bürgerschaft aufgebracht wurde. Es ging wahrlich schwer genug her; unsere Frauen haben keinen Schmuck mehr, und alle Kleinodien aus den Häusern sind geopfert worden, um die Summe zusammenzubringen, die wir heute abgeliefert haben.«

»So ist es, wir können es beschwören!« riefen einstimmig die Ratsherren von Villingen.

»Um so besser«, sprach schon aufgeregter Graf Götz. »Daß ihr das Geld allein aufgebracht habt unter solchen Opfern, zeigt, daß ihr es nicht erwarten konntet, von uns loszukommen. Ich kann mich aber nicht so leicht von euch trennen, und die Herzoge von Österreich sollen euch auch noch was beisteuern zu euerem Lösegeld.«

Jetzt erhob sich der Graf, schlug auf den Tisch und rief mit lauter Stimme: »Von Stund' an seid ihr meine Gefangenen, und die Herzoge von Österreich sollen euch lösen!«

Bei diesen Worten griffen die Edelknechte und Ritter nach ihren erschrockenen und wehrlosen Nachbarn von Villingen, und auf den Schlag, den Götz auf den Tisch getan, kamen die reisigen Knechte des Hauses und solche vom Troß seiner Dienstmannen in den Saal hereingestürzt und halfen die Ratsherren von Villingen überwältigen.

»Ist das Gastrecht bei Fürstenberg?« rief empört der Schultheiß von Villingen. »Schmach und Schande über Euch, Graf Götz, und über Euere Helfershelfer!«

»Ich bitt' Euch, Herr Graf«, fuhr jetzt mannhaft auch Clevi der Zoller, der älteste Ratsherr von Hasela, auf, »zu erklären, daß wir Herren vom Rat Euerer Stadt Hasela unwissend und unschuldig sind dieses Angriffs auf unsere Vettern von Villingen.«

»Das kann ich euch bezeugen«, entgegnete Götz, »aber euch auch mahnen, keine Hand zu rühren zur Befreiung dieser Herren. Es haben sonst noch mehr Ratsherren Platz in meinem Hauptturm!«

»Schmach und Schande rufe ich nochmals über Euch!« schrie Hug Stähelin, der Schultheiß, dem eben einige Knechte die Hände in Fesseln legten. »Wehrlose Fremdlinge niederwerfen ist Raubritters Art, aber wehrlose Gäste überfallen, das tut kein Wegelagerer!«

»Rebellen sind keine Gäste«, antwortete ihm bitter Graf Götz. »Ihr Villinger habt von jeher unser Haus um seine Rechte zu bringen gesucht, unser Haus, dem ihr nur Wohltaten verdankt. Und wenn ich heute Unrecht gegen Unrecht setze, so ist's nur Wiedervergeltung. Ihr habt, ich weiß es, in eurer Ratsversammlung jeweils nur von Bettelgrafen gesprochen, wenn von meinem Bruder und mir die Rede war. Ich will euch nun Gelegenheit geben, diese armen Teufel zu bereichern.

Ich verlange als Lösegeld aus eurer Gefangenschaft noch weitere 2500 Mark Silber. Die Habsburger sollen sie euch geben und soviel, als ihr heute gebracht habt, dazu. Dann will ich mit diesen, nicht mit euch, einen Verkauf abschließen.

Schickt den Jüngsten von euch heute abend noch mit euern Stadtknechten heim. Er mag das in Villingen melden. Die andern aber bleiben in meiner Burg als Gefangene. Ich will euch aus besonderer Gnade nicht ins unterste Verlies bringen, sondern ob der Erde zu den drei Züricher Krämern tun lassen, die auch sitzen bleiben, bis sie sich ausgelöst und ihre Stadt mir Urfehde geschworen hat. Ihr könnt euch miteinander unterhalten über Handel und Wandel. Seid ja alle von dem gleichen Metier. Könnt auch schimpfen über mich, aber bezahlen müßt ihr!

Ihr Villinger habt zuviel Freiheiten – alle von uns erpreßt – drum sollt ihr auch einmal erfahren was Unfreiheit heißt – Und nun ab mit euch in den Turm! Ihr Dienstmannen aber kommt, wenn die Herren versorgt sind, wieder in den Saal; wir müssen das Festessen zu Ende führen.«

Die Stadtknechte der Villinger im äußern Burghof, schon vorher wehrlos gemacht und überwältigt, ergaben sich willig in ihr Schicksal und tranken den Unmut, der nicht gar groß war, mit den andern Knechten hinunter. Konrad, der Hainbürge, der jüngste vom Rat, kam nur zu frühe, um ihnen zu befehlen, sich alsbald reisefertig zu machen. Es müßte diesen Abend noch aufgebrochen werden.

Still und trüben Sinnes ritt dieser Ratsherr vor Einbruch der Nacht noch zum obern Tor hinaus und talaufwärts. Die sechs weißen Hengste, so den Geldwagen gezogen, hatte der Graf auch noch als Beute erklärt und zurückbehalten.

In ganz Hasela besprach man auf den Gassen und in den Herbergen noch spät und lebhaft den Vorfall mit den Villingern, den uns ein Chronist jener Tage, Johann von Winterthur hinterlassen hat.

In der Taberne zum Bären waren die uns schon bekannten Bürger wieder beisammen, und Henni Iselin, der Harnascher, meinte: »Jetzt wissen wir, was der Oberjäger gestern verheimlicht hat.«

»Aber unsere Grafen wagen auch alles«, äußerte Dietmar, der Wirt; »es könnte ihnen doch einmal fehlschlagen.«

»Gewalt ist Recht zu allen Zeiten, Dietmar«, gab der Harnascher zurück. »Der Rudi hat mich gestern so belehrt, daß ich nie mehr anders denke und rede.«

»Aber so was ist doch noch nie vorgekommen, daß man einem einen Wagen voll Geld bringt und eingesperrt wird«, redete kleinlaut Lenz Becherer, der Strumpfwirker.

In der Burg drüben aber klangen die Kannen und jauchzten die Dienstmannen bis lange nach Mitternacht.

Am andern Nachmittag schmunzelte auf dem Gerüst am Münster zu Villingen einer vor sich hin: »Denen gönn' ich's von Herzen, daß sie dem Grafen Götz in die Falle gegangen.« Es war Bertschi Neugart, der Steinmetzmeister. –


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