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6.

Ein milder Frühlingsnachmittag des Jahres 1298 liegt über dem Kinzigtal. Rings um die Stadt Hasela sind Bürger und Bauern, Männer und Frauen beschäftigt in Gärten und Feldern. Stille ist's innerhalb der Mauern, und nur auf dem freien Platze vor der inneren Burg hört man die Stimmen laut spielender Knaben.

Es sind des Grafen Egino jüngere Söhne, Johans Im 13. und 14. Jahrhundert finden wir in Urkunden des Kinzigtals nie den Namen Hans, sondern nur Johans. und Götz, beide in Hasela geboren. Sie schlagen Ball, während ihre Eltern von einem Söller des Palas ihnen zuschauen.

Da kommt der Wächter vom äußern Burgtor – das innere Tor war offen – dahergelaufen.

»Was gibt's Neues, Diebold?« frägt der Graf von oben herab.

»Gnädiger Herr«, antwortete der Gefragte, »der Herr Schultheiß von Büchorn ist am Tore und will Euch sprechen. Kann ich ihm öffnen?«

»Und da frägst du noch lange, dummer Kerl, ob du dem die Zugbrücke herablassen sollst?«

»Der Burgvogt hat befohlen, weil Kriegsvolk um den Weg sei, niemanden ohne Anfrage in die Burg einzulassen, heiße er, wie er wolle.«

»Du bist ein braver Kerl, Diebold. Aber jetzt laß meinen Schultheißen ein; der könnt' sonst glauben, ich hätte meinen Bürgern Fehde angesagt«

Der Wächter eilt davon, und gleich darauf schreitet hastig der Schultheiß im Wappenrock und mit dem Schwert umgürtet über den Hof dem Palas zu, wo der Graf ihn in dem Rittersaale empfängt.

»Was führt Euch, Junker Schultheiß, zu so ungewohnter Stunde in die Burg?«

»Herr Graf, eben meldet mir der Wächter vom obern Tor, es sei vor der Zugbrücke ein Ritter mit zwölf Reisigen und erkläre, er sei des Königs Adolf Reichsmarschalk, Hilteprand von Pappenheim; er verlange Einlaß, um zum Grafen Egino von Fürstenberg zu gelangen. Und ich komme nun, anzufragen, ob wir die Tore öffnen sollen. Da der Herzog Albrecht, dem König feindlich, mit einem Heere am Oberrhein steht, wird es sich fragen, was wir tun sollen.«

»Was wir tun sollen, Schultheiß?« entgegnet der Graf. »Da bin ich gleich besonnen und sage, den von Pappenheim einlassen, weil der König mit seinem ganzen Heere von Ulm her im Anzug und schon aus dem Donautal heraufgestiegen ist. So hat mir mein Lehensmann im obern Kinzigtal, Heinz, der Schenk von Zell, schon vorgestern berichtet. Und der Reichsmarschalk kommt sicher, um den König anzumelden. Der Nassauer steht also näher als der Österreicher, und wehren können wir uns im Ernst gegen keinen.«

Der Schultheiß entfernte sich mit dieser Botschaft, und bald ritt ein Zug Reisiger, voran in glänzendem Harnisch Hilteprand von Pappenheim, in die äußere Burg von Hasela ein. Doch saß keiner der gemeinen Reiter ab, nur ihr Führer stieg rasch vom Pferde. Dann schritt der Reichsmarschalk durch das innere Burgtor, wo der Graf ihm entgegenkam.

Der Ankömmling reichte ihm zum Willkomm die eiserne Hand und sprach: »Gott halt' Euch, Herr Graf, ich bring' Euch Botschaft von unserm König und Herrn!«

»Gott vergelt Euern Gruß, und seid willkommen in meiner Burg, um so mehr, als der König Euch sendet. Ich höre gern Eure Botschaft. Doch laßt mich droben in dem Rittersaal sie vernehmen«, entgegnete der Herr von Hasela.

»Ich muß schon bitten«, meinte der von Pappenheim, »meinen königlichen Auftrag hier zu vernehmen, ich soll alsbald zurückreiten, da des Königs Heerhaufen zum Teil schon im Kinzigtale stehen. Drum hab' ich meine Leute nicht absitzen lassen.«

»Wenn's Euch genügt, höre ich Eure Botschaft auch hier unten an«, gab der Graf zurück.

»So hört! Unser Herr, der König, kommt von Ulm her, »Der Weg des Königs ging von Ulm weg durchs Donautal über die rauhe Alb und den Schwarzwald längs der Gutach nach Haslach, von da über das Gebirg in die Rheinebene gegen Freiburg.«
F. W. Roth. Geschichte des römischen Königs Adolf I. von Nassau. Wiesbaden 1879.
wo der Herzog ihm nicht zur Schlacht gestanden sondern an den Oberrhein gen Waldshut ausgewichen ist. Der König will ihm nun drüben bei Freiburg den Weg verlegen nach Mainz, wo die vom rechtmäßigen Reichshaupt abgefallenen Kurfürsten seiner warten. Drum zieht er dem Kinzigtal zu und von hier durchs Elztal in die Rheinebene.

Er läßt Euch um Durchgang bitten, da durch Hasela der Weg ins Elztal führt, und fordert zugleich den Herrn Grafen Egino von Fürstenberg als einen Lehensmann des Reiches auf, ihm Zuzug zu leisten.

Die Antwort soll ich alsbald dem König zurückbringen, der in der vergangenen Nacht auf der Burg zu Schiltach genächtigt hat und sich jetzt wohl dem Städtchen Husen nähern wird.

Er gedenkt, wenn Ihr die Tore öffnet, die kommende Nacht in Eurer Burg ein Quartier zu finden.

Und wie es um die Feinde des Königs in der Nähe aussieht, kann ich Euch auch vermelden. Euer Schwager, Graf Albert von Hohenberg, mußte seiner Frau, Eurer Schwester, bald nachfolgen im Tode.«

»Was, mein Schwager tot? Erst vor vierzehn Tagen war er noch hier zu Besuch? Erzählt mir, Herr von Pappenheim, was ist geschehen?« ruft erstaunt der Graf.

»Er ist vor wenig Tagen gefallen als des Königs Feind. Bei Oberndorf wollte er, des Herzogs Anhänger und Vetter, nächtlicherweile den Nachtrab des königlichen Heeres, den der Herzog Otto von Niederbayern und die Grafen von Kirchberg und von Landau befehligten, überfallen. Die Herren bekamen aber Wind davon und griffen den Hohenberger zuerst an. In dem Treffen verlor dieser Leben und Sieg.«

»Ich hab' ihn, als er hier war, verwarnt, nicht so scharf gegen den König aufzutreten, obwohl er des Herzogs Vetter ist, wie ich«, antwortete Graf Egino.

»Es war aber vergebens, so wie er vergeblich mich bestimmen wollte, des Herzogs Sache zu der meinigen zu machen.

Ihr könnt, Herr von Pappenheim«, fuhr Egino fort, »aus diesen meinen Worten schon erkennen, welche Antwort ich Euch geben werde. Sie lautet kurz: Unser König ist in meiner Burg willkommen und seinem Heere der Durchzug durch Hasela nicht verwehrt. Über meinen Zuzug will ich mit dem königlichen Landesherrn selber reden.

Aber ehe Ihr abreitet, Herr Reichsmarschalk, müßt Ihr und Euere Ritter und Knechte einen Trunk tun von meinem Herrenberger. Es ist warm heute und durstig Wetter.«

»Den Trunk wollen wir nehmen, aber auf den Pferden sitzend. Wir haben Eile. Und wenn Ihr, Herr Graf, unsern Hengsten, während wir trinken, jedem ein Stück Brot und einen Schluck Wasser geben lassen wollet, werden wir im Reiten einbringen, was wir beim Trinken versäumt haben.« –

Im großen Rittersaale der Burg Hasela ging's einige Stunden später, nachdem der von Pappenheim abgeritten war, lebhaft her. Der König war eingetroffen. Sein Heer lagerte oberhalb der Stadt auf dem ersten Wiesengrün des Jahres 1298.

Die Ritter und Edelknechte nahmen auf den Abend Quartier bei den Geschlechtern von Hasela. Die freien Herren, die Grafen, der Herzog Otto von Bayern und der König waren gleich in die Burg geritten und vom Fürstenberger ehrenvoll empfangen worden.

Hier saß er nun, der Mann, den seine Feinde »den Pfaffenkönig« nannten, weil die geistlichen Kurfürsten vorab ihn erwählt, ein stattlicher Herr von fünfzig Jahren, ein vollendeter Ritter, tapfer und edelsinnig – aber von denen, die ihn gewählt, verlassen und darum entschlossen, mit dem Schwerte in der Hand sein Recht zu wahren.

Die Herren waren alle in seidenen Wappenröcken, unter denen die Eisenhosen hervorblinkten, an der Abendtafel erschienen, und der König hatte zwischen dem Burgherrn und seiner Hausfrau Platz genommen.

»Ihr wißt, Herr Graf', hub gleich zu Beginn des Mahles der König an, »daß ich auf der Kriegsfahrt bin. Man hat mich gezwungen, zum Schwert zu greifen. Die Wahlfürsten, vorab der Erzbischof von Mainz, sind gegen mich, weil ich ihre Sonderzwecke nicht begünstigt und mich und des Reiches Ehre nicht lediglich in ihren Dienst gestellt habe.

Voriges Jahr, am Pfingstfest, als der Erzbischof den König von Böhmen zu Prag krönte, haben die Herren paktiert mit ihrem bisherigen Feinde, dem Herzog von Österreich. Seitdem wurde gegen mich gehetzt, bis ich losschlug und dem, der des Reiches Krone statt meiner haben möchte, entgegenzog, damit die Waffen entscheiden.

Der Herzog hat sich offen gegen mich, den König, empört, trotzdem er vor wenig Jahren zu Hagenau mir huldigte und von mir mit Österreich, Steier und Krain belehnt wurde.

Wer es mit ihm hält, ist drum auch des Reiches Feind. Daß Ihr, Herr Graf, nicht unter meine und des Reiches Feinde gegangen seid, dafür dank' ich Euch, sowie für den ehrenden Empfang, der mir von Euch, Eurer Hausfrau und Euern Bürgern zuteil geworden.«

»Und ihr werdet mit uns ziehen«, fiel der Herzog Otto von Niederbayern ein, »und uns helfen gegen die Abtrünnigen!«

»Ich bin des Reiches Lehensmann«, nahm jetzt Graf Egino das Wort. »Hasela und Villingen, der Fürstenberger Hauptorte, sind unserm Hause vom Reich verliehen. Mit ihnen werde ich dem rechtmäßig erwählten Könige dienen. Morgen schon will ich die Geschlechter dieser meiner Städte aufrufen, auch meine Ritter und Edelknechte in der Herrschaft Hasela, und ich hoff in den nächsten Tagen mit einer schönen Anzahl Glefen zum Heere stoßen zu können.«

»So ist's recht, Fürstenberger!« riefen alle am Tische, und der König und der Herzog schüttelten dem Grafen freudig die Hand.

Unten an der Tafel aber erhob sich der freie Herr Hermann von Hohen-Geroldseck, des Königs Landvogt im Breisgau und in der Mortenau und sein Bannerträger im Heere, trat zum Herrn von Hasela und sprach: »Freund und Nachbar Egino! Laß dir von mir doppelt Glück wünschen zu dem tapfern Entschluß, trotz der Vetterschaft mit dem Österreicher auf die Seite des rechtmäßigen Herrn zu treten.«

»Aber jetzt bitte ich Euch, holde Hausfrau, um Entschuldigung«, nahm der König, zur Gräfin gewendet, wieder das Wort, »daß wir vor lauter Politik vergessen haben, der Burgherrin die gebührende Achtung zu schenken.«

»Es bedarf keiner Entschuldigung, hoher Herr«, erwiderte Verena, des Hauses anmutige Wirtin. »In Kriegszeiten gilt keine Rücksicht auf Frauen, da geht in alleweg die Politik vor, und einsam müssen wir in solchen Zeiten auf unsern Burgen sitzen, und niemand kümmert sich um uns. Wir Frauen sind das gewohnt und fügen uns darein.«

»Ihr werdet mir also nicht zürnen, holde Frau, wenn ich Euern Gemahl mitnehme ins Kriegslager?« fragte der König lächelnd. »Meine eheliche Wirtin Imagina weilt auch allein inmitten ihrer Kinder tief drunten im Reich auf der Burg Nassau.«

»Das ist uns Frauen der Ritterzeit nichts Ungewöhnliches«, entgegnete Frau Verena; »unsere Herren sind ja meist abwesend, bald im Krieg, bald auf Fehden, bald ziehen sie sonst weit fort, um ein Turnier mitzumachen. Daß mein Gemahl mit Euch, unserm König, zieht, find' ich nur recht und billig. Möge Gott ihn nur heil wieder heimkommen lassen und Euch, königlicher Herr, den Sieg verleihen.«

»Das sind schöne Worte einer Frau, und ich dank' euch dafür, edle Gräfin«, sprach der König. »Ich hab' in Ulm bei einem Goldschmied zwei Ringe gekauft für meine Frau, die Königin. Ihr müßt mir gestatten, daß ich einen davon zurücklasse zum Andenken an meinen Besuch hier und als Dank für die Aufnahme, die ich in der Burg zu Hasela gefunden. Aber nun laßt mich auch Euere Kinder sehen, heute noch, denn morgen in der Frühe müssen wir abreiten. Es ist hohe Zeit, hinüber zu kommen ins Rheintal. Morgen abend hoff ich auf Hachberg bei der Frau Gräfin Bruder Gast zu sein.«

»Gern nehm' ich einen Ring von des Königs Hand«, erwiderte die Gräfin, »denn Könige kommen selten nach Hasela. Ihr, hoher Herr, seid der erste, der unsere Burg beehrt, seitdem ich hier bin. Vorher soll Kaiser Rudolf schon da gewohnt haben.

Meine Kinder will ich Euch gleich vorführen, aber unser jüngstes und liebstes, die Anna, ruht schon in ihrer Kemenate. Unser zweiter Knabe, Egino, weilt im Kloster Gengenbach; er soll Latein lernen, er will zu den Johannitern in Villingen Egino von Fürstenberg-Haslach starb als Komtur dieses Ordens hochbetagt 1363 zu Klingnau.; der älteste ist der Knappen einer, die seither an der Tafel gedient haben. Dort steht er, unser Heinrich, und füllt eben dem Herrn Landvogt von Geroldseck den Becher.«

»Das ist ja ein feiner Knabe, etwas blaß, aber vornehm. Bitte, laßt ihn näher treten«, sprach der König.

Die Mutter rief; der Knappe kam. Er ließ sich auf ein Knie nieder und küßte dem König die Hand.

»Du wirst wohl auch mitreiten, mein Sohn, mit den Glefen des Vaters?« – redete der König ihn an, als der Junker sich wieder erhoben hatte.

»Meine einzige Freude wäre es, o König«, erwiderte bescheiden der junge Fürstenberger, »meinem Herrn Vater folgen zu dürfen.«

»Herr Graf, Ihr gestattet es doch?« fragte der König.

»Gewiß, er ist zwar etwas zart, aber in allen ritterlichen Übungen gewandt«, antwortete Vater Egino.

»Also, ihr kommt beide«, schloß der König, »und am ersten Morgen, da ihr in meinem Lager eintreffet, erhält der junge Heinrich von Fürstenberg den Ritterschlag, und die goldenen Sporen schenkt ihm der König.«

Der Sohn dankte nochmals, freudig bewegt, mit Kniebeugung und Handkuß. Sein Vater aber meinte: »Soll er nicht erst seine Tapferkeit zeigen und was leisten im Felde, ehe er ein Ritter wird?«

»Das ist nicht vonnöten«, gab der König zurück; »wenn er vor der Schlacht Ritter ist, wird er um so tapferer kämpfen in der Schlacht«

»Nun will ich noch«, nahm die Gräfin wieder das Wort, »dem königlichen Herrn unsere zwei jüngsten Knaben holen, den Johans, der zwölf Jahre zählt, und den Götz (Gottfried), einen elfjährigen Wildfang, der schon gleich mit zur Tafel wollte, um den König zu sehen.«

Die Gräfin erhob sich und kehrte bald darauf mit den zwei Knaben zurück.

Der jüngste war ein bildschöner Knabe mit großen, blauen Augen und blonden, wallenden Haaren. Er schaute keck in die Welt und musterte, nachdem er den König, wie die Mutter es ihn gelehrt, ehrerbietig gegrüßt hatte, diesen und die fremden Herren mit ebenso neugierigem als unbefangenem Blick.

»Ihr Götz, Frau Gräfin«, meinte der König, »ist der herzigste Knabe, den ich je gesehen.«

»Aber er ist auch der wildeste Bub in ganz Hasela«, sprach die Mutter, ihrem Liebling mit der Hand durchs Lockenhaar fahrend. »So lang er im Frauenzimmer war, hatten ich und meine Mägde die liebe Not mit ihm. Er will nur draußen sein und springen, reiten, fechten und Speere werfen.«

»Kannst du denn schon fechten?« fragte ihn jetzt der König.

»O ja, Herr König«, erwiderte der unerschrockene Knabe, »der Burgvogt hat mich's gelehrt und auch einen Vers dazu aus dem ›Hildebrandslied‹; wie er sagt, sei der Vers von einem Königssohn.«

»Wie heißt denn der Vers?« frug lächelnd und gespannt der König.

»Lernt' ich von Weibern fechten,
das war' mir eine Schand'.
Ich han's von Rittern, Knechten
in meines Vaters Land,
Von Freien und von Grafen
an meines Vaters Hof.«

»Sehr gut!« riefen die Herren alle ringsum mit dem König.

»Ja«, sprach nun der kecke Knabe, »ich kann noch mehr Verse.«

»Ich habe«, so fiel schnell seine Mutter ein, »eine Handschrift vom Parzival des Ritters Wolfram von Eschenbach. Ein Mönch vom Kloster Tennenbach in der Nähe meiner Stammburg Hachberg hat sie geschrieben, und mein Vater hat sie mir geschenkt.

Seitdem nun unser Götz vom hiesigen Leutpriester lesen gelernt, sitzt er mir, so oft er kann, über dem Buch und übt sich. Kaum kann er aber etwas lesen, so sagt er's schon auswendig her.«

»Nun laß uns auch was hören aus dem Buch deiner Mutter«, sprach der Herzog von Bayern zu dem Knaben, der alsbald begann, die ersten Strophen des Parzival in kindlich schönem Tone herzusagen:

»Der Königinnen Zier und Preis,
Das war die Frau von Kanvoleis.
Ihr Auge war wie Stern so licht
Und himmlisch mild ihr Angesicht
Mit seinen reinen Mienen;
Gut war es, ihr zu dienen.

So hold wie sie, so fromm und mild
Gab es kein ander' Frauenbild.
Es war von hehrem Mut und Sinn
Die tugendliche Königin.

Doch weh! In Schmerz und Leide
Stand schwer Frau Herzeleide,
Das war der ernste Name
Der kummerreichen Dame.

Verstorben war ihr Ehgemahl
Herr Gachmuret, ein Mann von Stahl,
Ein König ohne Gleichen,
Berühmt in allen Reichen
Im Speerkampf und im Schwerterstreit
Durch seines Armes Tapferkeit.

Das Abendland und Morgenland,
Die warben um des Helden Hand;
Doch ach, ihm ward nur schlechter Lohn!
Die Könige von Babylon
Bezwangen ihn mit Zauberlist
Zu Alexandria, da ist
Der edle Herr gefallen,
Beklagt, beweint von allen.«

»Ein Prachtsbub das!« rief der Herzog; der König aber zog freudestrahlend den Knaben an sich, küßte ihn und sprach:

»Was willst du denn werden, mein lieber Götz? Du wirst doch nicht auch unter die geistlichen Herren gehen wie dein Bruder Egino?«

»Nein«, erwiderte rasch und laut der Knabe, »ich will ein Held werden wie Parzival, der den roten Ritter besiegt hat und zum König Artus in den heiligen Gral geritten ist.«

»Du wirst ein wackerer Ritter werden«, meinte, erfreut über die kecke Rede, der König.

»Aber vor dem Ritter kommt der Knappe, und das sollst du bei mir werden. An meinem Hof sollst du das höfische Leben kennen lernen, und Vater und Mutter werden dich gern in des Königs Burg drunten an der Lahn senden.«

»Herr König«, fiel jetzt der Vater Egino ein, »das ist ein Wort, so ich mit Freuden vernehme. Seit Wochen spreche ich mit des Knaben Mutter darüber, wohin wir ihn schicken sollen, damit er Zucht lerne und im Edeldienst höfischen Lebens geübt werde. Meine Vettern in Freiburg und mein Schwager auf Hachberg nähmen ihn wohl, aber ich fürcht', dort folgt er nicht und ist der Heimat zu nahe.«

»Laßt uns den Krieg glücklich beenden, mein lieber Graf«, entgegnete der König, »und dann schickt Ihr mir den prächtigen Buben, euern Götz. Er soll erst höfische Zucht lernen in meinen Burgen und dann mein Knappe werden und mir aufwarten bei Spiel, Fehde und Krieg. Und in freien Stunden mag er auch den Frauen Verse sagen und singen.

Kommst du gern zu mir, Götz?«

»Ja, denn Parzival ritt auch, als er in die Fremde zog, zuerst an eines Königs Hof.«

»Nun gib mir die Hand, mein Sohn, zum Abschied und zum Versprechen, daß du, sobald der Krieg zu Ende, an meinen Hof kommst«, schloß der König und entließ die Knaben.

Lange noch saßen die Herren an der Tafelrunde und besprachen ernste Dinge beim Trunk. Die Wachskerzen auf dem Kronleuchter im Saal waren fast am Auslöschen, als der König die Tafel aufhob und jeder die Ruhe suchte.

Am frühen Morgen ritt des Königs Heer unter Trompeten- und Hörnerklang durch Hasela dem Elztal zu. Wenige Tage später folgte ihm Graf Egino mit seinen Glefen.

Drei Monate hernach starb König Adolf in der Schlacht bei Göllheim den Heldentod. Der Graf von Hasela und sein Sohn Heinrich kehrten heil zurück, während ihr Nachbar, der Geroldsecker, seine Treue zum Könige in der gleichen Schlacht mit dem Tode besiegelt hatte.


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