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Ein Plauderstündchen mit dem Ehepaare Hirundo.

Frau Frosch, Frau Frosch!« rief mir eines Abends im Frühling jemand zu, und als ich aufblickte, sah ich, daß es der Schwalberich Hirundo war. Er und seine Frau pflegten manchmal zu meinem See zu kommen, und daher kannte ich ihn.

»Frau Frosch, Frau Frosch!« rief er wieder, ehe ich noch geantwortet hatte. »Ziwitt, Ziwitt! Bist du schon aufgewacht? Ziwitt, Ziwitt! Du Siebenschläferin!«

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Ich dachte gar nicht daran, zu antworten, denn ich wußte wohl, wenn Hirundo einmal im Zuge war, da konnte man kein Wort einwerfen. Ich bin nun etwas langsamer Natur, weißt du. Und Hirundo, der flattert hin und her, bald ist er hier, bald ist er dort. Ich blieb darum ganz still im Gras sitzen, das nach dem Regen so prächtig naß war. Da erklang es schon wieder:

»Ziwitt, Ziwitt!«

»Ach, dieser Störenfried,« dachte ich, »kann er mich denn nicht in Ruhe lassen.« Aber jetzt war es Frau Hirundo, die sich auf einen blanken Faden in der Luft niederließ. Wie sie sich setzte, kam ein ganzer Regen klarer Tropfen vom Faden herunter. Es waren Regentropfen, und weißt du, Regentropfen sind nun einmal meine Passion.

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»Guten Tag, guten Tag, Frau Frosch!« rief die Schwalbenfrau vom Faden herunter.

»Guten Tag,« sagte ich.

»Wir kommen eben heim, Hirundo und ich, – das freut mich aber, dich und alle hier wieder zu sehen.«

»Ist schon recht,« sagte ich.

»Freust du dich denn nicht auch über den Frühling, Frau Frosch, baust du denn kein Nest und erwartest du denn keine kleinen Kinder? Ich weiß nicht, du bist so still und stumm, ich möchte dich am liebsten schütteln. Worüber grübelst du denn nach? Sei doch vergnügt wie alle anderen!«

Frau Hirundo rief mir noch eine ganze Menge Dinge zu, aber ich konnte nicht alles hören, denn sie saß keinen Augenblick still, sondern flog auf und setzte sich wieder. Als sie fertig war, sagte ich:

»Ein jeder nach seiner Art, ich bin nun einmal nicht von so redseliger Natur wie manche anderen, aber da du mich fragst, will ich dir schon antworten.«

Kaum hatte ich das gesagt, so schoß Frau Hirundo in die Höhe und begann zu rufen:

»Hir-Hir-Hirundo!« und als er es hörte und herangeflogen kam, sagte sie: »Es ist schon spät und du wirst nach der langen Reise der Ruhe bedürfen, lieber Hirundo, setze dich doch hier auf den Faden zu mir. Frau Frosch hat versprochen, uns etwas zu erzählen.«

»Was will sie denn erzählen?« fragte er.

»Nun, wie es ihr im Winter ergangen ist,« zwitscherte die Schwalbenfrau und duckte sich zu einem Ballen zusammen, denn es war hier wohl nicht so warm, wie es die verwöhnte Dame gewohnt war.

»Na, was hast du denn erlebt, Frau Frosch?« fragte der Schwalberich ein bißchen von oben herab.

»Darf ich euch zuerst etwas fragen?« sagte ich. »Wo wart ihr denn gestern?«

»Auf der Reise natürlich?«

»Und vorgestern?«

»Auf der Reise, auf der Reise.«

»Und wo wart ihr denn noch früher, vor-vor-vor-vorvorgestern?«

»O, da waren wir weit weg, da liegt Land und Wasser, viel Land und Wasser dazwischen – im warmen Lande waren wir, wo es keinen Winter gibt.«

»Und wo, glaubt ihr, war ich?«

»Auf dem Grunde des Sees, im Schlamm, im tiefen Schlamm, wo du schläfst und schläfst, dein halbes Leben verschläfst. Das hast du ja selber gesagt,« zwitscherte das Schwalbenpaar durcheinander.

»Im Winter, ja, da schlafe ich, aber im Frühling, im richtigen Frühling, von dem ihr gar nichts wißt, da wache ich auf.«

»Im richtigen Frühling! Jetzt ist doch der richtige Frühling,« sagte die Schwalbenfrau.

»Was Frau Frosch zusammenschwatzt – natürlich ist jetzt der richtige Frühling,« bestätigte der Schwalberich.

»Ja, für euch vielleicht, aber mein Frühling war früher. Als ich herauskroch und mich umsah, da raschelten in meinem See die Eisschollen und überall lag noch der Schnee.«

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»War das nicht furchtbar?« fragte Frau Hirundo und erschauerte.

»Nein,« antwortete ich, »ich fand alles so schön, daß ich zu singen anfing: Koak, koak, brekekequex, brekekequex, koak, koak! Und gleich antworteten mir andere mit demselben Lied. Aber am allerschönsten sang der Froschpapa. Er und ich und wir alle, wir sangen und sangen, Abend für Abend bis tief in die Nacht. Ja, seht ihr, das war der richtige Frühling.«

»Aber wo befindet sich denn Herr Frosch jetzt?« fragte Hirundo.

»Froschpapa? Der hüpft seiner Wege und ich hüpfe meiner Wege.«

»Das wäre nicht nach meinem Geschmack,« sagte Frau Hirundo.

»Nach meinem auch nicht,« versicherte der Schwalbenherr.

»Aber uns gefällt es am besten so,« sprach ich.

»Aber, Frau Frosch,« rief plötzlich die Schwalbenfrau und sah so erschrocken aus, daß ich glaubte, sie würde von ihrem Faden herabpurzeln. »Wo hast du denn deine Kinder? Liegen die noch im Ei? Und wer gibt denn auf sie acht? Und hast du denn kein Nest? Und brütest du denn deine Eier nicht aus?«

»Lehm für dein Nest ist ja in deinem eigenen See,« sagte der Schwalberich.

»Und etwas Weiches, um es auszupolstern, hättest du doch auch irgendwo finden können.«

»Frau Frosch, Frau Frosch, was machst du denn eigentlich? Ich begreife gar nicht, wie du so müßig und ruhig dasitzen kannst.«

So sprachen sie noch eine gute Weile auf mich ein und ich dachte mir, daß es am besten sei, sie schwätzen zu lassen. Als sie sich ein bißchen beruhigt hatten, fragte ich:

»Wie viele Kinder habt ihr denn gewöhnlich?«

»So fünf, sechs,« erwiderte die Schwalbenfrau.

»Wie viele hast denn du?« fragte der Schwalberich.

»Rate einmal.«

»Vielleicht sieben,« meinte die Schwalbenfrau.

»Oder sagen wir mal – zehn,« der Schwalbenherr.

»Könnt ihr weiter zählen?« fragte ich.

Da sahen sie alle Leide so verlegen aus, daß ich schon merkte, wie es damit stand.

»Ja, seht ihr, meine Stärke ist das Zählen ja auch nicht, aber eines weiß ich: da könntet ihr ebenso gut versuchen, die Mücken zu zählen, die hier über dem See tanzen, wie meine Kinder. Die sind eben unzählig. Wundert ihr euch, noch, daß ich ihnen kein Nest baue und sie nicht ausbrüte und ihnen kein Futter hole?«

Aber da antworteten weder der Schwalbenherr noch die Frau ein Sterbenswörtchen. Sie saßen mäuschenstill da. Und da benützte ich die Gelegenheit, um ihnen noch etwas mehr zu erzählen.

»Eine Art von Nest baue ich ihnen doch, und da liegen sie viel lieber als in euren Tonschalen. Jedes kleine Ei lege ich in ein weiches, zähes Schleimklümpchen, und diese Schleimklümpchen haften aneinander fest, so daß sie zusammen einen gewaltigen Klumpen bilden. Den versenke ich in meinen eigenen See. Aber seht ihr, da fangen die Schleimkügelchen an, Wasser einzusaugen, je mehr sie trinken, desto mehr schwellen sie an und desto leichter werden sie – und plötzlich fängt der ganze Klumpen an, sich zu bewegen und in die Höhe zu steigen. Schließlich wiegt sich die ganze Kinderschar auf dem Wasserspiegel, wo die Sonne sie wärmt und das Wasser lau und leicht gekräuselt ist.«

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»Ja, aber weißt du,« sagte die Schwalbenfrau, »da hast du es ja eigentlich ganz praktisch für deine Kinder eingerichtet.«

»Na, unsere Tonschalen, wie Frau Frosch sich ausdrückt, sind mir doch lieber,« meinte der Schwalberich und streckte sich etwas beleidigt in die Höhe.

»Aber Frau Frosch,« rief die Schwalbenfrau und wippte im Eifer auf und nieder, »sage mir nur, wer füttert deine Unzähligen, wer füttert sie, wenn sie aus den Eiern kriechen?«

»Ja,« sagte der Schwalbenherr, »wer füttert sie, das möchte ich auch gerne wissen?«

Ich fragte ganz still: »Kann man eure Tonschalen essen?«

»Essen!« rief das Schwalbenpaar, »das Nest essen? Wo denkst du hin?«

»Ja, ich frage nur, ob es als Futter taugt?«

»Na, hör einmal,« sagte der Schwalberich, »man ißt doch nicht sein eignes Haus auf.«

»Ja, siehst du, das tun meine Unzähligen gerade.«

»Nein, aber so etwas,« rief das Schwalbenpaar.

»Ja, ja, es ist wahr, das Schleimkügelchen ist ihre Wiege und ihr Nest und ihre Kinderfrau und ihr Futter, alles auf einmal. Und ich habe den Unzähligen die Schleimkügelchen gegeben – jedes hat eines bekommen, so daß man wirklich nicht sagen kann, daß ich nichts für meine Kinder tue.«

»Aber, liebe Frau Frosch,« sagte die Schwalbenfrau, »wir wußten ja nicht, wie du es eingerichtet hast.«

»Nein, das wußten wir nicht,« sagte der Schwalberich, »aber du scheinst es ja in deiner Weise gar nicht so schlecht zu machen.«

»Aber weißt du, unsere ist mir schon lieber,« flüsterte er dann der Schwalbenfrau zu.

»Mir auch,« flüsterte diese zurück. »Aber für Froschkinder ist es ja gar nicht so übel. Unsere Kinder sind ja Schwalbenkinder. Aber weißt du, Hirundo, ich bin jetzt furchtbar schläfrig.«

»Sagen wir Frau Frosch gute Nacht, die wird ja immer lustiger, je später es wird,« flüsterte der Schwalberich zurück, und dann hoben sie die Flügel und riefen:

»Gute Nacht, Frau Frosch, gute Nacht! Besten Dank für das gemütliche Plauderstündchen.«

»Koak, koak,« antwortete ich, »schlaft gut, liebe Schwalben.«

Aber weißt du, ich blieb noch lange sitzen und quakte vor Vergnügen, weil ich mir vorstellte, wie prächtig es meine Kinder in ihren Schleimkugeln hatten. Es geht ihnen dort ebenso herrlich, wie es dir in einem Pfannkuchenberg gehen würde. Ja, die Kinder haben es herrlich, dachte ich und quakte vor Freude: Koak, koak, brekekequex.

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