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Neuntes Kapitel.
Am großen Kanal


Wer die Mittel hat, in dem schönen Venedig recht angenehm, recht behaglich, ja mit einem Worte recht comfortabel zu leben, und dies auch thun will, der nehme, nachdem er ein paar Tage in einem der großen Gasthöfe zugebracht, einen der vielen Commissionärs, die sich ihm anbieten, setze sich mit diesem in eine Gondel und fahre von Riva degli Schiavoni langsam durch den Canal grande, aber sehr langsam, nicht mit der gewöhnlichen Eile, mit der die kleinen schwarzen Schiffchen dahinschießen,– piano, piano! Die beiden Gondoliere vorn und hinten sollen sich unterhalten und nur zuweilen durch einen leichten Ruderschlag die Barke langsam vorwärts treiben.

Der Commissionär zeigt uns so im Vorübergleiten an den kleineren und größeren Palästen, welche derselben ganz oder theilweise zu vermiethen sind. Gefällt uns die Lage, die Form des Gebäudes, seine Fenster und dergleichen, so geben wir ein Zeichen, die Spitze der Gondel wendet sich leicht nach dem Ufer zu und bald schleift der Rand derselben an der steinernen Treppe. Der eine der Gondoliere, der, welcher uns beim Aussteigen behülflich ist und welcher schon weiß, was unsere langsame Fahrt auf dem Kanal bedeutet, beachtet wohl die Augen des Commissionärs und zuckt entweder die Achseln oder meint, eine angenehmere Wohnung als diese sei in ganz Venedig nicht zu finden. Doch der Angekommene verläßt sich auf sich selber und tritt über die breiten Steintreppen, an denen das Wasser des Kanals plätschert, in das Vestibul des Palastes.

Was man vor noch nicht gar langer Zeit von der Zerstörung, Vernachläßigung eines großen Theils der venetianischen Paläste, selbst am Canal grande, erzählt, gilt schon seit Jahren nicht mehr. Wie sich die ganze Stadt aus Trümmerhaufen glänzend verjüngt erhoben hat, wie die alten verfallenen Kanäle hergestellt und vertieft worden sind, wie die baufälligen Brücken neu gewölbt wurden, so ging auch damit Hand in Hand die Restauration der Privatgebäude; auch hier sind schon seit Jahren die ärgsten Schäden hergestellt und zugedeckt, und wo man früher die Hälfte der Privatquartiere, die Einem gezeigt wurden, wegen allzu großer Vernachläßigung nicht nehmen konnte, so findet man jetzt, namentlich an den Hauptkanälen und größeren Plätzen, eine Menge behaglicher, größerer und kleinerer Wohnungen. Wer freilich sehr nach Luft und Licht trachtet, der muß den Weg mit uns fortsetzen und sich eine Wohnung am Canal grande suchen.

Wir haben also gefunden, was wir gewünscht: einen der mittelgroßen Paläste, unten mit einem geräumigen Vestibul, groß genug, um an den Seiten die Dächer der Gondeln, die wohl bei sehr gutem Wetter abgehoben werden, aufbewahren zu können. Eine breite steinerne Stiege führt uns in den ersten Stock, wir sehen das Treppenhaus mit alten Fresken geschmückt, die wohl etwas verblichen sind, aber uns doch noch einen Begriff geben von altvenetianischer Pracht. Freilich müssen wir auch unsere Phantasie zu Hülfe nehmen; es sieht hier ziemlich nackt und kahl aus; dort pfeift der Wind durch ein paar zerbrochene Fenster; vielleicht wackelt auch das Geländer der Treppen, wenn wir uns allzu fest darauf stützen. Der Commissionär aber versichert uns, dergleichen Kleinigkeiten seien nicht zu beachten, und einmal die Wohnung eingerichtet, würden wir nichts Behaglicheres finden können. Und er hat Recht, aber es wird einiges Geld kosten. Gehen wir also weiter und sehen die Räumlichkeiten durch.

Oben empfängt uns ein großer Vorplatz, weit, geräumig, mit Säulen versehen, etwas spärlich beleuchtet, vielleicht Abends zu einem Tanzsalon zu verwenden, jedenfalls aber vortrefflich zum Speisezimmer, in der heißen Jahreszeit. Dann ist es hier kühl und schattig, und man fühlt sich recht behaglich da, besonders wenn man durch die Thürspalten – und deren gibt es viel in Italien – die glühende Sonne schimmern sieht, die draußen brütend und lähmend auf Straßen und Plätzen und Kanälen liegt. Um diesen Vorplatz liegen die Wohnzimmer; vorn heraus, das heißt auf den Kanal, ein größerer Salon; zu ihm gehören die hohen Fenster mit den zierlichen Säulen, über ihnen die steinernen Kleeblätter, welche wir von unten gesehen und die uns so außerordentlich gefielen. Freilich sieht auch hier das Innere etwas öde, kahl und leer aus, doch versichert uns der Commissionär einmal über das anderemal die Herrschaft wolle nur die Größe der Zimmer in Augenschein nehmen und die Disposition derselben; das Andere fände sich zu einer wahrhaft freudigen Ueberraschung.

Gut denn, der Palast – hier heißt alles palazzo – seine Lage und bauliche Einrichtung hat uns gefallen. Der Miethpreis ist auch gerade nicht übertrieben, wir schließen unfern Accord für die Zeit des Aufenthaltes, und der Lohnbediente bringt uns nach Haus, um uns eine Stunde später die Bekanntschaft seines genauen Freundes, des Signor Giuseppe, machen zu lassen, einer der ehrlichsten, billigsten, freundlichsten und gefälligsten Seelen von ganz Venedig, dem alles daran gelegen ist, daß der Fremde seine Stadt lieb gewinne, und der nebenbei die Gefälligkeit hat, gütiger Weise für die Möblirung leerstehender Paläste zu sorgen. Aber er thut das nur rein aus Gefälligkeit für seinen Freund, den Commissionär. Und daß er diesem zu Liebe seine Preise so ansetzt, daß er begreiflicherweise nichts dabei verdient, das versichert er den Fremden einmal über das anderemal. Dem sei nun, wie ihm wolle, wir nehmen sogar an, daß Signor Giuseppe doch etwas Ordentliches bei seinem Geschäfte verdiene, so können wir ihn doch allen Fremden mit voller Ueberzeugung empfehlen. Er wohnt auf dem Campo San Stefano, dort, wo es zur Eisenbahnbrücke geht, in dem Hause Nr. 42 – ein kleines Gebäude mit grünen Läden neben dem schwarzen Palaste der Caraffa, der nicht weit von der Kirche San Stefano steht und jedermann wohl bekannt ist.

Welche Wunder Signor Giuseppe gewirkt, sieht der Fremde, wenn er nun nach einigen Tagen wieder nach dem Palaste fährt, der ihm damals trotz seiner schönen Lage etwas vernachläßigt und öde erschienen. »Wenn uns aber die Einrichtung nicht gefällt?« so hat der Fremde zum Commissionär gesagt, da er sieht, daß derselbe beschäftigt ist, die zahlreichen Gepäckstücke auf eine andere Gondel zu laden und vorauszuschicken. Worauf der pfiffige Geschäftsmann antwortet: »das kann nicht möglich sein, Excellenza, Giuseppe hat die Einrichtung mit Vergnügen besorgt und sie ist gelungen; darauf lege ich meine Hand ins Feuer.«

So fährt man nun auf dem Canal grande dahin, voraus die Barke mit dem vielen Gepäck und der Dienerschaft, dann die Gondel mit der Herrschaft. Diese besteht aus zwei Personen, – einer Dame, welche bequem in den schwarzen Atlaskissen ruht, und einem Herrn, der vor dem Gondelhäuschen steht und immer wieder, so oft er auch schon hier vorbei kam, die alten merkwürdigen Gebäude mit dem größten Interesse betrachtet.

Aha, dort liegt der Palazzo, den wir neulich gesehen. Wahrhaftig, schon vor der Treppe sieht es jetzt bereits wohnlicher aus; die Pfähle im Wasser sind bunt und freundlich, ihre Farben scheinen aufgefrischt; über die steinernen Stufen hängt ein Teppich herab, dessen Fransen hie und da von dem anspielenden Wasser empor gehoben werden; auch liegt eine elegante Gondel da, die beiden Gondoliere derselben sind einfach, aber geschmackvoll gekleidet, wie es sich für die Leute eines vornehmen Hauses schickt. Am Hause emporblickend, sieht man auch da Einiges nicht unangenehm verändert. Die damals so fest verschlossenen Fensterflügel sind geöffnet, und man bemerkt einen dunkelrothen seidenen Vorhang sich leicht vor dem Winde bewegen. Vom Nebenzimmer des Salons geht es aus eine kleine Terrasse, die etwas öde aussah, sich aber jetzt wie mit einem Zauberschlage in einen reizenden Garten verwandelt hat.

Der Commissionär, der zusammengekauert neben dem Herrn sitzt, hört mit sichtlichem Wohlbehagen, daß dieser in das Gondelhäuschen hinein spricht: »Er hat recht gehabt, es schaut jetzt ganz behaglich aus,« und murmelt, wie in sich hinein: »Ja, mein Gevatter Giuseppe, was der in die Hand nimmt, wird vortrefflich besorgt!« Damit erhebt er sich rasch und dirigirt mit einem einzigen Wort die Barke mit dem Gepäck in den Seitenkanal hinein, der das Haus von der Nebenseite bespült und wo an einer kleinen Thür die Kisten und Koffer ausgeladen werden. Die Gondel mit der Herrschaft fährt am Haupteingange vor, und da, wie vorhin bemerkt, hier Teppiche liegen, so schmiegt sich jetzt das kleine Fahrzeug leicht und unhörbar dort an.

Der junge Mann, der vorne steht, reicht der Dame die aus dem Häuschen hervorkommt, die Hand und läßt sie auf die Treppe treten, worauf er selbst folgt. Sie geht ins Haus, er bleibt noch einen Augenblick stehen, um die gegenüberliegenden Paläste zu betrachten, sowie mit Vergnügen zu sehen, daß er von seinem Fenster aus bei der Dogana di Mare vorbei etwas vom Grün der Giardini Publici sehen wird, sowie die Kuppel von San Giorgio Maggiore und noch von den Gebäuden dieser kleinen Insel, deren röthliche Farben so wohl thun im einförmigen Grau der weiten Lagunen.

Der Commissionär hat unterdessen, den beiden Gondolieren gewinkt, die mit abgezogenen Mützen näher treten und nun von dem pfiffig lächelnden Geschäftsführer vorgestellt werden: Marco und Paolo. Nicht wahr, ein paar vielversprechende Namen? Sind aber auch Kapitalbursche, wenigstens einer davon sicher bei der Regatta. Dann setzt er in französischer Sprache hinzu: »Kennen die ganze Stadt, Excellenza, jedes Haus aus- und inwendig, in jeder Hinsicht brauchbar und verschwiegen, wie ein venetianischer Gondolier sein soll. Beide vortrefflich, doch Paolo immer noch um eine Idee zuverläßiger.«

Der Fremde nickt mit dem Kopfe und läßt sich von einem Bedienten ein kleines Kästchen reichen, welches zu den Füßen der Signora stand und das er nun selbst mit sich ins Haus nimmt. Der Commissionär ist die Treppen voraus hinausgeeilt und erreicht die Signora noch auf der obersten Stufe.

»Excellenza,« sagte er mit tiefer Verbeugung, »ich bin trostlos, daß es mir nicht vergönnt war, drunten die beiden Gondoliere vorzustellen, die ich vorläufig engagirt. Natürlicherweise können sie Excellenza behalten oder fortschicken, wie es ihnen beliebt; ich muß mir aber erlauben, in aller Devotion zu bemerken, daß es keine bessern Leute in ganz Venedig gibt, kennen nicht nur jeden Kanal wie ihre Taschen, sondern auch jeden Gondelführer, und wissen am Abend, wenn es verlangt wird, ganz genau zu sagen, wo dieser oder jener ihrer Kameraden gewesen ist.«

»Gut,« versetzt die Dame, wobei ihre dunklen Augen sich gegen die Treppe wenden, an deren unterster Stufe die Gondoliere mit abgezogenen Mützen stehen und ehrerbietigst hinaufblicken.

»Der Größere ist Marco, der Kleinere Paolo,« sagt der Commissionär und fährt dann in französischer Sprache mit leiserer Stimme fort: »Beide ganz vortrefflich, doch Marco immer noch um eine Idee zuverlässiger.«

Allen Respekt vor Signor Giuseppe, das Haus ist in der That nicht mehr zu erkennen, jeder Winkel athmet Behaglichkeit und Eleganz. Wie sah schon unten der Vorplatz so wohnlich aus! Wo die Teppiche aufhören, fangen feine ostindische Matten an, und diese scheinen an der Stiege wieder bescheiden zurückzuweichen vor dicken französischen Treppenläufern, die auf den Fuß den Effekt machen, als trete man auf eine wattirte Unterlage. An der Wand neben der Hausthüre – diese Wand war vor einigen Tagen noch ganz kahl – sieht man jetzt von dunklem Eichenholz geschnitzte Bänke, wo Gondolier und Dienerschaft auf ihre Herrschaften warten können. Und über diesen Bänken streckt sich, wie aus der Mauer selbst, eine bronzene Riesenfaust hervor, die eine zierliche Laterne trägt, ganz so wie im Palazzo Vendramin. Dort hatte sie der fremde Herr bewundernd angeschaut, und als er nun ähnliche hier wieder findet, klopft er lächelnd dem Commissionär auf die Achseln, der sich unter dieser schmeichelhaften Berührung bückt und sich dabei lächelnd die Hände reibt.

Bald aber erhebt er sein Haupt wieder stolz, während er voranschreitend ein Zimmer um das andere öffnet. Und er hat das Recht dazu, denn er und sein Gevatter Giuseppe haben sich mit Ruhm bedeckt; eines der Gemächer übertrifft das andere an eleganter und wohnlicher Einrichtung. Da ist der große Salon mit seinem neuen Marmorkamin, mit seinen dicken Teppichen, schweren Vorhängen und seinen zahlreichen Divans, Sophas, Fauteuils, alles bunt, aber nicht ohne Geschmack durcheinander gestellt; dort ist das Schlafzimmer, es liegt so, daß es Morgens um zehn Uhr einen Sonnenblick erhält; seine Einrichtung ist von einem Raffinement, welches nichts zu wünschen übrig läßt; es hat zur Seite Toilette- und Badezimmer, ist mit grünen Seidestoffen neu tapezirt worden, von denen die braunen Brocadellvorhänge um Fenster und Betten so warm, so behaglich abstechen und ein stillheimliches Ensemble bilden, daß man sich nirgendwo angenehmer fühlt als gerade in diesem Gemache. Es ist ganz geeignet, um sich nach des Tages Last und Hitze bei und in sich selbst zurückzuziehen; dabei bildet sein einziges großes Fenster einen Erker, der ein Sopha darstellt, von welchem aus man zwischen den seidenen Vorhängen durch hinauf und hinab den großen Kanal schauen kann.

An den Salon der Signora stößt das Empfangszimmer des Sua-Excellenza, und dann kommt dessen Arbeitszimmer. Und hier hat der umsichtige Commissionär sein ganzes Talent entfaltet; in den wenigen Tagen, die der fremde Herr im Gasthofe zubrachte, hat er wohl bemerkt, daß es ihm Vergnügen macht, bei Ausflügen in die Stadt oder auch vom Fenster aus dies und das zu zeichnen. Hatte Excellenza doch sogar ein vollkommenes Malergeräth bei sich, und daß er damit umzugehen wußte, hatte der Commissionär wohl gesehen an dem famosen Entwurf, den der fremde Herr auf ein Stückchen Malerleinwand in Farben von dem Kopfe des alten Griechen gemacht, der Stunden lang seine Pfeife rauchend dort neben der Thüre des Hotels vor dem kleinen Kaffeehaus zu sitzen pflegte.

Daß das Arbeitszimmer des Herrn nach Norden gelegen, war schon eine kleine Aufmerksamkeit; daß aber der Commissionär aus dem dem Palaste gegenüber liegenden berühmten Alterthums-Magazin hier die ganze Einrichtung auf's sinnreichste zusammengestellt hat, verdient gewiß alles Lob, und als Excellenza sein Appartement betrat, war er in der That freudig überrascht, da ein Atelier zu finden, wie er es sich wohl früher einmal in seinen kühnsten Träumen ausgemalt. Da waren Damastvorhänge von jenem alten schweren venetianischen Stoff in den glühendsten Farben und in den seltsamsten eigensinnigsten und malerischsten Falten auf den Boden niederhängend; da waren alte Waffen, geschnitzte Möbel, Gefäße der verschiedensten Art, kurz, jener ganze Kram, von dem jedes einzelne Stück für sich allein am Ende nicht viel sagen will, der aber richtig zusammengestellt ein Ensemble gibt, an dem sich das Auge eines Künstlers wohl erfrischen kann. Daß Signor Giuseppe eine Staffelei nicht vergessen hatte, versteht sich von selbst; doch war dieselbe zierlich, wie es sich für einen Dilettanten geziemt, etwas schwach, aber von Mahagoniholz.

Als der fremde Herr und die Dame durch ihr Appartement schritten und, nachdem sich der Commissionär bescheiden zur Dienerschaft zurückgezogen, nun noch einmal allein das Ganze durchsahen, da bemerkte man wohl, wie der Blick der schönen Dame an dem Auge ihres Begleiters hing und wie ihr alles um sie her nur alsdann schön und elegant erschien, wenn der Ausdruck seines Gesichtes oder auch nur der Strahl seines Auges Zufriedenheit ausdrückte. Daß er aber seinen Beifall gar zu häufig oder in Worten gespendet hätte, können wir gerade nicht behaupten; er nahm alles das so hin, als wenn es sich von selbst verstände, und sogar die in der That malerische, ja poetische Einrichtung seines Arbeitszimmers nöthigte ihm nur ein leichtes Lächeln ab.

Aber schon dieses leichte Lächeln schien die schöne Frau auf's innigste zu erfreuen; sie hatte ihre Rechte auf seine Schulter gelegt, ließ sie jetzt an seinem Arme herabgleiten und hob dann seine Hand empor und legte sich dieselbe um ihren Hals, worauf sie sich zärtlich an ihn schmiegte. Er war weit größer als sie, und nun blickte er kopfnickend mit einem Aufblitzen in seinen Augen auf sie nieder, wobei das Lächeln von vorhin noch fortdauerte, und ging dann, alles flüchtig betrachtend, mit ihr noch einmal durch die Zimmer, wobei seine Finger lässig von ihrer Schulter herabhingen, während man bemerkte, daß sie zuweilen tief und schnell athmete.

Der Intendant oder Haushofmeister der fremden Herrschaft, zugleich der Kammerdiener der Dame, war ein alter Franzose mit grauem Haar, welches er ziemlich kurz geschnitten aufwärts gekämmt zu tragen pflegte. Er hatte ein gutes freundliches Gesicht, welches durch die weiße Halsbinde, die er beständig trug, etwas stark kolorirt erschien – wir müssen hinzusetzen eigenthümlicher Weise, denn Monsieur Ferrand war die Mäßigkeit selber, überhaupt ein vortrefflicher Diener, ein wahrer Schatz von einem Haushofmeister.

Während sich die Herrschaft in ihr Schlafzimmer begab, um Toilette zu machen oder vielleicht auch, um von dem Erker aus auf den großen Kanal zu schauen, ließ sich Monsieur Ferrand die Rechnung des Signor Giuseppe, die Einrichtung des Hauses betreffend, vorlegen.

Es war das eine hübsche ansehnliche Rechnung, und der Intendant schüttelte einmal über das anderemal den Kopf; doch hatte der schlaue Italiener alles so genau spezificirt und wußte seine Ansätze so schlagend zu motiviren, daß Monsieur Ferrand am Ende nicht anders konnte, als zur Bezahlung der enormen Summe zu schreiten, was er denn auch mit einem tiefen Seufzer that und dabei sprach: »Ich versichere, Monsieur Josefé, daß ich mit der Summe selbst in Petersburg, wo alles recht hübsch theuer ist, ein kleines Hotel für bleibende Zeiten einrichte.«

Der Andere zuckte hierauf die Achseln lächelnd, mit einem Gesichtsausdruck, auf dem deutlich zu lesen war, daß er den Haushofmeister der fremden Herrschaft für den famosesten Spaßmacher der ganzen Welt halte. Und als hierauf Signor Giuseppe mit dem Commissionär schmunzelnd das Zimmer verließ, sagte Einer zum Andern in italienischer Sprache, von der sie wohl wußten, daß Monsieur Ferrand sie vollkommen verstand: »Das ist unbedingt der erste Intendant, den es gibt, ein außerordentlich vortrefflicher Herr; es ist eine Ehre, ein Vergnügen, ihm zu dienen.«

Der außerordentliche und vortreffliche Intendant aber schien über die Fortgehenden nicht so zu denken; er ballte die Faust gegen die nun geschlossene Thüre und sagte: »Ihr Spitzbubenzeug! Wenn ich freie Hand hätte, so wollte ich Kerls, wie ihr seid, eine solche Einrichtung allein überlassen. Aber was kann man machen, wo nichts, was Unsereins beschafft, für gut genug befunden wird und man obendrein die Commissionäre und dergleichen Gesindel noch dadurch verdirbt, daß man durchblicken läßt, Comfort und Eleganz sei die Hauptsache, das Geld werde nicht beachtet. – Nun, das kann noch einige Jahre so fortgehen, dann aber muß irgendwo ein Einhalt geschehen.«

Er verschloß die Papiere seufzend in eine Kasette und ging nach der Küche, um dort seine Verhaltungsbefehle zu geben.

Indessen war der Herr in sein Zimmer gegangen, und während sein Diener beschäftigt war, allerlei nöthige und unnöthige Sachen aufzustellen, nahm er aus einem Kistchen eine kleine feine Havanna-Cigarre, die er anzündete, aber gleich darauf wieder wegwarf, da sie nicht zog, um eine andere zu nehmen, worauf er sich alsdann in einen Fauteuil warf, den Kopf in die Hand stützte und hinausschaute nach der Lagune, von der sich das Sonnenlicht wie vom blanken Stahle abspiegelte.

Die Dame war auf ihrem Sopha in dem Erker geblieben; dort lag sie ausruhend, blickte still lächelnd an die Decke empor und ließ eine Perlenschnur langsam durch ihre feinen Finger gleiten. Im Nebenzimmer waren Bediente mit dem Auspacken der schweren Koffer beschäftigt und besorgten dies Geschäft nach Anleitung eines auffallend schönen Kammermädchens, die etwas sorglos gekleidet war und irgend etwas gefunden zu haben schien, was ihr Stoff zum Lachen bot. Wenigstens wandte sie ihre schönen braunen Augen mit einem unbeschreiblichen Ausdruck der Schelmerei zuweilen nach der Thüre des Nebenzimmers, wo die Herrin ruhte, und wenn sie dann so komisch lächelnd den Mund verzog, so preßte sie gleich darauf ihre frischen Lippen heftig auf einander und beschäftigte sich auffallend emsig mit dem Weißzeug, das sie aus den Händen der Bedienten nahm, um es in den verschiedenen Schränken niederzulegen.

Als der Intendant, Monsieur Ferrand, in der Küche alle nothwendigen Anordnungen getroffen, trat er hinaus auf das Vestibul und gab dem dort befindlichen Portier genau die Stunden an, zu welchen Dejeuner und Diner stattfinde, sowie die Zeit, in welcher die Herrschaft für allenfallsige Besuche nicht zu Hause sei, und bezeichnete ihm auf's bestimmteste, wann er die Klingel in den obern Stock ziehen dürfe, um irgend jemand zu Herrn und Madame Woldemar führen zu lassen.


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