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Siebentes Kapitel.

 

»Der Journalismus ist eine Pest.« Löffler über die Gesetzgebung der Presse.

 

Darum gerade mußte die Relegation für die Brüder so schmerzhaft seyn, weil diese Mine in einem Augenblick sprang, wo sie es am wenigsten erwarteten. Sie hatten bei dem bevorstehenden Winter sich vorgenommen, ihre Eingeweide in Erz zu verwandeln, wie es von jenem alexandrinischen Grammatiker heißt: er war so außerordentlich fleißig und konnte so anhaltend arbeiten, daß man glauben mochte, er hätte einen ehernen Unterleib. In dem Augenblick ließ die Clique den Mordschlag springen, und die vier Brüder waren relegirt.

»Ich sage, dies ist ein Glück für uns,« tröstete der Aelteste. »Ein Kaufmann fallirt lieber bei Zeiten, als daß er durch zu langes Hinhalten seines zerrütteten Zustandes sich um alle Möglichkeit bringt, durch Credit wieder aufgerichtet zu werden. Besser, sie weisen uns ab, wo wir noch nichts geleistet haben, als daß sie unsern Fleiß und lange ihrem Reglement geopferte Jahre durch ihren unverbesserlichen Haß zunichte machen. Der Kessel unsers Dampfbootes sprang am Ufer und noch nicht auf der hohen See. Nun gilt's einen tiefen und entschlossenen Griff in die Urne des Schicksals.«

Besser, meinten die Brüder, sie könnten recht tief und entschlossen in ihren Geldbeutel greifen: denn in diesen schiene Sonn' und Mond hinein. Die Zubuße der Aeltern wäre Wasser auf einen glühenden Stein und hälfe nichts mehr, als durch kleine Bezahlungen die Wunde ihrer Schulden nur in ewiger Eiterung zu erhalten. Das Verhältniß mit Celinden wäre auch abgebrochen, und die Sophokles-Vorlesung trüge nichts mehr ein. Von Sophien zu borgen wäre doppelt schamlos. In ihrer Lebensart könnten sie nichts herabstimmen, da Schmalhans längst ihr Küchenmeister wäre.

Die Brüder Däumlings im Mährchen konnten nicht verzweifelter über ihre Lage rathschlagen, als die Söhne Blasedows über die ihrige. Ueber den kleinen Stock, den man ihnen mit der Relegation vorgehalten hatte, sprangen sie schon hinweg; aber sie waren rasch aufgeschossene Knaben, viel zu alt, um die Scharten ihres Rufes so bald wieder ausbessern zu können und zu hungern vor den Leuten. Alboin sprach von einer Auswanderung nach Amerika, was ihnen nur erst dann lächerlich vorkam, als sie einsahen, daß sie dort Handarbeiten hätten verrichten müssen. Theobald schlug vor, unter die Soldaten zu gehen; allein die Landesuniform war so geschmacklos, daß sie ihrer Phantasie nicht zusagte. Sie ergriffen das Wochenblatt und durchliefen die Reihe von Dienstanerbietungen in den verschiedensten Fächern; aber nichts war dem Adel ihrer, wenn auch noch so mangelhaften, Bildung angemessen. Und nun schlägt wohl zuweilen der Blitz mitten in eine solche Nacht hinein und zündet so schnell, daß im Nu ein ganzes Gebäude in lichterlohen Flammen steht; alle Zweifel sind besiegt, keine Rücksicht wirft uns mehr Hindernisse in den Weg, die Abhülfe einer Noth ist mit der größten Wollust verbunden, und so fuhren Alle, wie von einem elektrischen Schlage getroffen, empor, als Schlachtenmaler den blitzschnellen Gedanken, der ihnen mehr als blitzhelle aus der Münze kommende Thaler war, auf den Tisch warf und ausrief: »Wir geben ein Journal heraus!«

Die jungen Leute geberdeten sich, als wären sie von der Tarantel gestochen. Sie turnten über Stühle und Tische fort, wieherten vor innerm Jubel wie junge Rosse, schlugen mit geballten Fäusten auf sich ein, drückten sich unter einander, daß ihnen Hören und Sehen verging, trommelten mit Händen und Füßen, als gält' es, die ganze Welt auszupochen, und Amandus schlug so viel Räder im Zimmer, daß wirklich eine Wasserflasche darüber verloren ging, und sie sich erst sammelten, als sie die Scherben sammelten. Was hatte nun der Registrator noch nöthig, seine Mißbilligung des Lärms durch ein ihm vom Wirth gestattetes Anpochen auszudrücken? Er mußte noch immer wie der Todtenkäfer, der in der Wand wühlt, sich zu erkennen geben und hatte diesmal eine schlechte Stunde zu seinem memento mori gewählt: denn Schlachtenmaler, der ruhig am Fenster gestanden und die Steine der Straße gezählt hatte, als wären es Abonnenten, wandte sich um und sagte auch: »Der Schuft ahnt nicht, welche Waffe wir in diesen Augenblick gegen ihn gefunden haben. Der Journalismus ist das geistige Recht des Stärkern in unserer Zeit geworden. Dieser Actenschreiber hat mitgeholfen, uns in die Dinte zu bringen; bringen wir ihn in die Druckerschwärze, so wird er den Unterschied merken. Seine aus vertrockneten Galläpfeln gefertigte Verleumdungsdinte schlägt durch das Fließpapier unserer Unschuld hindurch; aber unsere Druckerschwärze könnte ihm Schriften darauf setzen, die allgemein leserlich und unauslöschlich sind.«

Inzwischen setzten die Brüder Stühle um den Tisch und fingen an, über Mittel und Wege nachzudenken, um zur Erfüllung der glänzenden Vorspiegelungen des Schlachtenmalers zu kommen. Er spann ihnen ein Netz von Vorschlägen und daraus begründeten Hoffnungen aus, in welches ganz Kaputh verstrickt war. Er setzte die Stadt auf dem Papier in Belagerungszustand. Er zeigte ihnen Weckenesel, wie er verzweifelte, daß er jede Mücke, die sich auf das Akademiegebäude setzte, tilgen konnte und nur die gedruckten Fliegenflecke nicht, die sie ihm an die Fensterscheiben seiner egoistischen Verwaltung des Instituts machen wollten. Er zeigte ihnen die Entrüstung Blaustrumpfs, wenn sie Elfenmährchen und Hofmann'sche Teufelsnovellen in das Journal aufnähmen und über den Somnambulismus berichteten. Und der Registrator, fuhr er fort, müsse immer in der Luft schweben, als geprellter Fuchs nämlich, indem sie alle Vier die Zipfel ihres Papiertuches ergriffen.

Man kann nicht sagen, daß die Brüder höhere Ideen mit diesen niedrigen verbunden hätten. Das Fürstenthum Sayn-Sayn war weit aus dem Zusammenhang mit den politischen und literarischen Wirren des Jahrhunderts herausgerückt. Es litt nicht einmal consensuell an dem fieberhaften Zeitgeiste und hatte gerade in der Chinarinde seiner chinesischen Mandarinenverwaltung auch schon Präservativ genug in sich, um vor dem Fieber der Revolution sicher zu seyn. Die Brüder waren ohnedies, da Sayn-Sayn nicht zum deutschen Bunde gehörte, allerdings der Censur, aber nicht den Weitläufigkeiten von Concessions-Einholungen und erst zu bestehenden Staatsprüfungen ausgesetzt. Sie hatten keine Abgaben zu zahlen, wie andere Blätter, welche neben dem Stempel der Gemeinheit auch immer den Landesstempel als schützendes Wappen auf sich zu stehen haben. Das Fürstenthum hatte bisher nur zwei Journale: das Kaputher und das Mispelheimer Wochenblatt – zwei Erscheinungen, die zwar an Perioden geknüpft waren, aber keine Epoche machten. Caution wurde keine verlangt, als höchstens vom Buchdrucker. »Der bisherige landesübliche Journalismus,« sagte Schlachtenmaler, »war nur das erste Kindeslallen der periodischen Presse dahier, Hercules in der Wiege, und doch soll er noch vorher eine Schlange erdrücken.« Die Brüder sahen ihn fragend an; aber er erklärte, sein Plan wäre noch nicht reif. Sie fuhren fort, die Umstände zu erwägen. Die Censur war gewiß gelind: denn es geht ihr wie den reißenden Thieren, sie werden erst wild, wenn sie einmal Blut geleckt haben. Noch waren aber von der Censur höchstens sinnentstellende Druckfehler in den Wochenblättern gerügt worden, und ihr Interesse weit weniger politisch, als grammatikalisch. Früher hatte man zwar keine Censur im Lande; allein, da die Kaputher Baulust, wie früher erzählt worden, und die Dichtkunst mit ihr in Schwung kam, wir meinen, da man anfing, auf jedes neue Haus auch eine passende Inschrift zu setzen, und mitunter wohl eine unpassende vorgekommen war, so hatte die Regierung einen eigenen Inschriften-Censor installirt, der den landesüblichen Lapidarstyl beaufsichtigen mußte. Man rechnete zu dem, was diesem Beamten zugewiesen wurde, nicht bloß die Häuser-Inschriften, sondern auch die Grabsteine und die Bibelsprüche, welche die Töpfer auf das Geschirr setzten. Wer möchte hier Blaustrumpf's Einfluß verkennen, und wer möchte zweifeln, daß Mörder dieses wichtige Amt zu versehen hatte! Blaustrumpf suchte die mystischen Wendungen zu hintertreiben, welche gewöhnliche Leute zu nehmen pflegen, wenn sie im Lapidarstyl sprechen. Hatten doch viele Besitzer neuer Häuser geglaubt, sie dürften Christus und seine bekannte Prophezeiung über den in drei Tagen wieder aufzubauenden Tempel auf seine Art mit ihrer Hausthüre in Verbindung bringen; aber Blaustrumpf befolgte den Grundsatz, daß erstens diese Stelle wahrscheinlich untergeschoben sey, und zweitens, daß die Erwähnung der Auferstehung und ähnlicher Beziehungen immer ein zweideutiges Licht auf das Baucollegium fallen lasse, weil dieses nur noch massiv baue, und Wörter wie Staub, Einsturz u. dgl. hier gar keinen passenden Sinn abgäben. Auf diese Art hatte Mörder alle Inschriften und sogar die der Töpfe und Schüsseln (»denn auch hieher,« sagte Blaustrumpf, »passen Sprüche aus Hufelands Kunst, das Leben zu verlängern, und aus Campe's Theophron mehr als Bibelverse«) zu beaufsichtigen. Das Kaputher Wochenblatt machte ihm weniger zu schaffen, als der Lapidarstyl.

So ergab sich denn, daß die jungen Journalisten nur eine Schwierigkeit zu beseitigen hatten, nämlich Druck und Papier. Sie hatten schon die lachende Fernsicht in eine mit Abonnenten gesegnete Zukunft aufgezeichnet, ein Tempel von Ruhm und harten Thalern winkte ihnen; aber, um ihre spätern Schlachten zu liefern, mußten sie Vorschüsse haben. Ihre Casse war leer. Der einzige Buchdrucker in Kaputh war Besitzer des Wochenblatts und würde sich gehütet haben, ohne Bezahlung sich durch Beförderung eines Nebenbuhlers selber wehe zu thun. Sie rechneten: Nehmen wir für das Blatt jährlich zwei Thaler, so werden wir hundert und zwanzig Abnehmer haben müssen, um die Kosten zu decken. Diese zu finden, schien ihnen ein Leichtes in einer Stadt, welche sich durch wissenschaftliche und Kunst-Anstalten auszeichnete, Sitz eines feingebildeten Hofes und der höchsten Landescollegien, wie auch gerade jetzt im Winter Sitz eines Theaters war. Es fehlte nur ein Drangeld, ein Anstalt für das Ensemble, welches sie mit dem Buchdrucker aufführen wollten. Schlachtenmaler besann sich, war lange stumm und erklärte dann, er wüßte ein Mittel, zu Geld zu kommen; dasselbe hätte die Eigenschaft, auch noch eine Rache zu kühlen, sonst aber etwas gefährlich zu seyn. »Indessen,« fuhr er fort, »könnte Einer von uns im Nothfalle dazu kommen, acht Tage sitzen zu müssen. Die französische Journalistik kömmt ja aus den Gefängnissen gar nicht heraus, und ich wette noch, daß ich die Sache wenden kann, wie ein Advocat.«

Hätte Schlachtenmaler auch nicht leiser gesprochen, die Brüder würden doch errathen haben, auf wen er sein Vorhaben gemünzt hätte. Sie sahen ihn als die eigentliche Ursache ihrer Relegation an und rechneten ihm sein mehrmaliges Anfragen, ob sie denn heute nicht in die Schule gingen, als heimtückischen Spott an. Schlachtenmaler flüsterte: »Er soll erstens in's Wasser und dann noch Geld zahlen, daß wir ihn wieder herausziehen.« Er sprach so leise, daß die Muse abbrechen muß und nur aus dem, was folgt, auf den Inhalt seiner Worte rathen kann.

Niemanden vergeht die Zeit so schnell, als Schriftstellern, die für sie schreiben. Der Journalist hat nie Langeweile; versteht er seine Aufgabe, er kann nie Hypochonder werden. So jagen jetzt auch schnell die Horen im wilden Tanze an uns vorüber. Die Brüder leben in ihren Planen und üben sich in der Sprache. Sie dichten und beurtheilen sich untereinander. Sie schreiben Recensionen über Bücher, die sie nicht gelesen, über Schauspieler, die sie nicht gesehen haben. Sie gleichen jenen Advocaten in Neapel, die im Gerichtshof, wenn Fremde kommen, über Criminalfälle disputiren, welche nur erfunden sind und ihre Beredsamkeit zeigen sollen. Sie übten sich an Türkenköpfen, um künftig im Turnier christliche zu treffen. Schlachtenmaler vergaß die Akademie, Amandus die Ofenfabrik, die sie doch noch immer besucht hatten. Oscars Talent zu einem zweiten Wouvermann kam immer mehr außer Uebung. Er zeichnete Carricaturen, um das Journal damit zu schmücken. Die Theaterkritik trat er, während die Jüngeren Gedichte und Novellen schrieben, an Amandus ab; er sagte: »Eigentlich sollte sie der schreiben, der am wenigsten Bart hat, oder der sich selbst rasirt.« Er erklärte ihnen dies: Man könne unmöglich humoristischer und satirischer Schriftsteller, d. h. auch Theaterrecensent seyn und zu gleicher Zeit sich von einem Andern rasiren lassen. Wer könnte einen Kopf voll lustiger Einfälle einem Barbier anvertrauen? Alle seine Gesichtsmuskeln wären oft zum Lachen verzerrt, ein drolliges Bild falle ihm unter der Hand des Barbiers ein, und seine Nase wäre stets auf das Spiel seiner Einbildungskraft gestellt! Er könne nicht glauben, daß Swift und Moliere sich hätten rasiren lassen: und der Tyrann Dionysius, wüßte man nicht bestimmt, daß er mehr zum Schauderdrama, als zum Lustspiel geneigt war, würde deßhalb für einen Humoristen gehalten werden können, weil er sich seinen Bart mit heißen Nußschalen abzwicken ließ.

Kaum hatte Schlachtenmaler dies ausgesprochen, als sich im untern Hause ein Lärm erhob, und eine zeternde Stimme die Treppe heraufdrang. Schlachtenmaler hatte das neueste Wochenblatt, das er vom Hauswirth zu leihen pflegte, noch ganz naß in der Hand und warf einen verstohlenen Blick hinein. Indem stürzte der Registrator Wiesecke und der Wirth, dessen Ehehälfte und Geselle in's Zimmer und verlangten im Chor nach dem Wochenblatt. Wiesecke schlug die Hände über den Kopf zusammen: denn er hatte es schon gelesen, und die Brüder wußten gar nicht, was sie zu diesem Ueberfall sagen sollten. »Entschuldigen Sie, Herr Blasedow,« sagte Wiesecke lauernd und leichenblaß; »zeigen Sie einen Augenblick das Wochenblatt. Lasen Sie's noch nicht?« Schlachtenmaler entfaltete es und stellte sich, als säh' er nicht, was er längst gesehen hatte. Der Hauswirth setzte die Brille auf, seine Frau stand auf den glühendsten Kohlen der Neugierde, und der Gesell blickte schadenfroh auf den Registrator, der mit zitternden Händen in dem Blatte suchte, es dann dem Schuhmacher hinhielt und wie vernichtet ausrief: »Lesen Sie!«

Dieser buchstabirte: »Zehn Thaler Belohnung demjenigen Menschenfreunde, welcher im Stande ist, mir den Verfasser eines frechen, ehrenrührigen, alle meine Privatverhältnisse auf das schimpflichste entstellenden und gestern zugesandten anonymen Briefes nachzuweisen. Wiesecke, Registrator.«

Schlachtenmaler sagte trocken: »Wenn Sie dergleichen schändliche Briefe erhalten, Herr Registrator, so würd' ich doch an Ihrer Stelle das Publicum nicht so offenherzig davon in Kenntniß setzen.«

»Ei, so sagen Sie mir nur,« entgegnete Wiesecke, »warum ich das Aufsehen mache? Mein Jesus! Wann hab' ich denn jemals einen anonymen Brief bekommen? Diese ganze Geschichte ist ja rein aus der Luft gegriffen und von Jemand anders bloß in das Wochenblatt eingeschwärzt.« Da nun der größte Theil der Anwesenden lachte und damit wie in einem russischen Dampfbade nur auf den feurigen Ofen des Registrators mehr Wasser spritzte und die Schweißtropfen ihm auf die Stirne dicker brachte, so rief er nun, indem er noch einen durchbohrenden Blick auf die Brüder und besonders den Schlachtenmaler warf und dann ging, aus: »Nun aber zwanzig Thaler Belohnung demjenigen, welcher dieses Publicandum geschmiedet hat und, um mich vor der ganzen Stadt in ein falsches Licht zu setzen, den Anwalt gegen Verleumdungen spielt, die mir Niemand auf Gottes Erdboden geschrieben hat!«

Als er hinaus war, und die Wirthsleute kopfschüttelnd ihm nachfolgten, flüsterte Schlachtenmaler: »Bis zu diesem Punkte wollt' ich ihn haben. Er setzt das Doppelte auf Entdeckung jenes unberufenen Freundes. Einer von uns muß es freilich gewesen seyn, der die Annonce hat einrücken lassen; allein die zwanzig Thaler sind der Grundstein unserer Hoffnungen; ich wußte keinen andern Weg, sie anzuschaffen. Wir lesen, wer der Thäter gewesen, und ich versichere euch, die Gerechtigkeit wird ihm kein Haar krümmen. Eine Injurie ist die Aufforderung nicht gewesen, sondern nur die Unterstellung einer solchen. Eine Namensfälschung ist sie freilich, allein ohne dolus malus, ohne Interesse. Es kann hier Alles stattfinden, nur keine Klage. Nur den Schwanz zwischen die Beine, die Ohren herunter und dann – vorwärts!«

Die Brüder fanden den Fall allerdings schwierig; aber Amandus sagte auch: »Was haben wir groß zu verlieren? Alle Wege sind gesperrt; nun laßt Einen von uns auch noch acht Tage in den Thurm kommen. Jetzt möchte ich es selber seyn, um nur recht viel schreiben zu können.« Hatte er ruhmredig gesprochen, so hätte man ihn, da wirklich das Los des Verbrechens auf ihn fiel, muthlos sehen können. Er schlug aber ein Schnippchen und sagte: »Hätte Napoleon den Enghien nicht erschießen lassen, wer weiß, ob dieser nicht ihn!« – Der dumme Junge!

Der Registrator rannte wie ein angeschossenes Wild über die Flur die Treppe hinunter und trug einen Zettel in der Hand, den er an der Luft trocknete, weil er vielleicht fürchtete, der Streusand könne ihm den Sinn seiner Ankündigung verwirren. Die Brüder waren gefaßt. Sowie der Abdruck im nächsten Wochenblatt erfolgte, entschloß sich Schlachtenmaler, zu dem Preissteller zu gehen und ihm zu sagen: »Mit schmerzlichem Bedauern hab' ich sehen müssen, daß die Anstiftung des Scherzes, dem Sie so viel Ernst und Geld widmen, von meinem Bruder ausgegangen ist. Ich kann Ihnen wohl sagen, daß ich glaubte, mich rührt der Schlag, als ich den ersten Entwurf der Anzeige mit Strichen und Verbesserungen unter den Papieren des Schlingels fand. Wenn ich die Summe, die Sie dem glücklichen Entdecker ausgesetzt haben, nicht zurückweise, Herr Registrator, so denk' ich dabei nur an meine andern Brüder, die, wenn Sie den Thäter zur Rechenschaft ziehen sollten, um eine unserer Existenz sehr nothwendige, geschickte und gutbelohnte Arbeit desselben gebracht werden. Die Gerechtigkeit muß ihren Lauf haben.« So wollte Schlachtenmaler sprechen. Er, der die Natur seines Vaters geerbt hatte und wegen einer Anleihe von zehn Thalern zehn Nächte nicht hätte schlafen können, entblödete sich nicht, einen Mann, den er und der ihn haßte, zu prellen. Er tröstete sein Gewissen nicht einmal mit der Wendung, die Gelegenheitsdieben von Bildung eigen ist, daß sie hoffen, ihr Verbrechen in Kürze wieder gut zu machen.

Inzwischen wurden die Bausteine zu dem Journal von allen Seiten hergetragen. Man brach die classischen Gebirge der deutschen Literatur an und holte sich Auszüge als Quadersteine für das Backwerk, welches die Brüder aus dem Lehm ihrer eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten zusammenkneteten und im Ofen der Kritik des Schlachtenmalers zu leidlich massiven Steinen brannten. Die Wochenschrift sollte den Titel führen: Nichts. Ein Wochenblatt für Alles. Zu den Vorbereitungen gehörte auch eine künstliche Fehde, welche sie, um dem Publicum Angst und Vergnügen zu machen, aufführen wollten. Sie wollten sich über des Kaisers Bart streiten und griffen sich mit satirischen Lanzen an, welche an der Spitze abgeplattet waren, ohne daß das Publicum es ahnen konnte. Es war ein dramaturgisches Stiergefecht, wo die Wuth der gehörnten Kämpfer lediglich nur von einem bunten Lappen erregt wurde, wobei aber schmerzhafte Wunden vorkamen, aus versteckten Blasen nämlich, die sie mit Fischblut gefüllt hatten. Sie schnitten sich mit Hülfe phantasmagorischer Täuschungen gegenseitig die Hülfe ab und verschluckten die giftigsten Schlangenperioden. Dabei nannten sie sich nicht etwa Hugo, der Rauschebart, Theodor Hell oder Giacomo Descamisado, sondern frischweg Pfarrer Ebeling im W.....schen, Doctor Schnupperer in G., u. s. w. Einstweilen lagen solche künstliche Fehden fertig ausgearbeitet da über 1) die Hundesteuer bei den alten Griechen; 2) das gestrichene F der Primadonna; 3) über die Abschaffung des Klingelbeutels beim Gottesdienste; 4) über die historische Größe des Alterthums; 5) über Deutsch oder Teutsch; 6) über die wichtige Frage: Wer war ein größerer Dichter, Schiller oder Goethe? 7) über Vernunft und Offenbarung; 8) über den Cölibat; 9) über die Emancipation der Juden; 10) über den Dativ oder Accusativ, die das Zeitwort kosten regiert. Und war einstweilen dies nicht Sand genug für die Augen der Abonnenten?

Schlachtenmaler aber wußte, daß ein Prospectus das Schicksal der Zeitschriften entscheidet, und wandte noch die letzten Blätter Papier, die die Brüder, von allen Hülfsmitteln jetzt gänzlich entblößt, aus ihren Schulbüchern vorn und hinten geschnitten hatten, dazu an, die Erscheinung dieses periodischen Nichts-Alles würdig einzuleiten. – Er schrieb:

 

Denknisse Nicht, um bescheiden zu seyn und uns noch keine Gedanken zuzutrauen, sondern um den Beifall der gelehrten Welt zu gewinnen, machen wir gleich zum ersten Wort unsers Journals eine Note. A. d. R.  über den Journalismus,

als Einleitung in das neue Journal:

Nichts.  Ein Wochenblatt für Alles.

»Mit den Schriftzeiten nahmen die Zeitschriften zu, würde Saphir oder ein Narr bei Shakespeare sagen. Ich würde gern mit einem Citat aus Cicero oder Calderon anfangen, wenn diese Männer bereits meinen Gegenstand gekannt hätten. Unscheinbar, wie die Quellen des Ganges, sind die Anfänge des Journalismus gewesen. Erst, als der Strom eine reißende Gewalt bekommen hatte, Strudel und Wirbel in ihm gährten und kreisten, erwachte das volle Bewußtseyn über diesen neuen Hebel der Geschichte, und die Menschen fingen an, ihn als solchen anzusetzen und für das zu nehmen, was er durch Zufall geworden war. Der Gebrauch dieser Waffe wurde indessen so allgemein, daß ihr Werth nur noch in der Geschicklichkeit besteht, mit der man sie handhabt. Früher ließ man die Sichelwagen der Journalistik auf Gerathewohl in den Feind hineinfahren, sie mäheten nieder, was ihnen begegnete. Jetzt trifft nur noch der Schuß, welcher gut gezielt ist. Die Journale sind kurzathmige Bücher, Kapitel eines größern Werkes geworden. In ihrer Form liegt nichts mehr, das für unser Jahrhundert etwas Außerordentliches wäre.

»Neu jedoch ist jene Gattung von Schriftstellern, welche wie Amphibien halb auf dem festen Lande der Literatur, halb im Strome der öffentlichen Begebenheiten leben. Die Journalisten sind die Geburtshelfer und Todtengräber der Zeit. Sie sind in ihren Fehlern leer wie gewöhnliche Blasen, aber in ihren Tugenden wie Hausenblasen, mit welchen man den abgestandenen Wein der Wahrheit aufklärt. Sie sind in ihrer Zweideutigkeit der Speichel, der dem Jahrhundert verdauen hilft. Das Stick- und Sauerstoffgas ihrer Umtriebe und falschen Eide ist ein nothwendiges Element der Lebensluft geworden. Sie leisten nichts, das eine Form hätte, sie sind mit jener mathematischen Linie zu vergleichen, welche unsichtbar und fingirt und doch der Durchmesser der Erde ist, um welchen sie sich dreht.

»Die Literatur war eine feste Insel, welche der sie umgebende Wassergürtel der Journalistik allmählich aufgeweicht hat. Was in der Natur nicht geschehen würde (denn dort nimmt das feste Land eher wie in Egypten zu, als wie in Holland ab), das ist im Reich des Geistes geschehen. Literatur und Journalistik bilden zusammen eine breiartige Masse von Erde und Wasser, von Bestehendem und Auflösendem, und erst die Sonne einer schöneren, beruhigtern Zeit, als die jetzige (wo aber auch der Sonnengott seine Pfeile ablegen müßte), wird diese Mischung austrocknen und Dichtung und Gestaltung begünstigen. Vielleicht wird es aber unserm eigenen tüchtigen Streben schon möglich, eine Scheidung der Masse hervorzubringen, und viel wird dazu beigetragen seyn, wenn Charaktere wie diese, welche ich jetzt schildern will, statt der Schreibfeder durch Verzauberung plötzlich nur noch einen stinkenden Fuchsschwanz in der Hand tragen:

»Einen aufgeschwollenen Podagristen, beleibt wie ein Schwamm, mit gläsernen, erloschenen Augen, zeig' ich dir. Sein Haar ist von einem Galgenstrick gestohlen, er trägt eine Flachsperrücke, die flach und enganschließend auf dem fettigen Hirnschädel, dem Deckel heimlich erschlagener Gebeine, liegt. Diese matte Menschenpflanze richtet sich nur des Mittags ein wenig auf, wenn der Speiseduft und die Eiseskälte des Champagners sie erfrischt und die erschlafften Nerven kitzelt. Dann fängt die Nase an, einige frivole Modulationen zu versuchen, und wackelt den plumpen Scherzen voran, welche das träge Rhinoceros seinen Nachbarn zum Besten geben wird. Er ist Junggesell, nie hat ihn ein liebendes Weib umschlungen, nie hat ihm ein Säugling, von dem er rühmen könnte: Er ist mein! Lächeln und Thränen zugleich entlockt. Die Gasthofreisenden des Mittags sind seine Familie, des Abends sind Spieler im Casino seine Verwandte. Man weiß, daß er die Zeitungen liest, und daß er ein Gewerbe davon macht, die Politik zu verstehen. Frägt man ihn um eine Neuigkeit des Tages oder die Wendung, welche die Völkerschicksale im Allgemeinen durch sie erhalten würden, so antwortet der Gefragte nur durch ein Stück Trüffelpastete, in welches sich seine kurzsichtigen Augen vertiefen; er erklärt: daß nicht nur Alles beim Alten bleibe, sondern auch ewig das Unrecht Recht, Larifari Zeitgeist, Mensch Mensch, und was man sonst an Sprüchen dieser Art hat. Und doch hat dieser Mann (der für lebend gilt, da er doch erstorben scheint in Allem, wie eine Auster, deren Schaale erbrochen ist) einen höchst wichtigen Einfluß auf die Geschichte seiner Zeit sich zu eigen gemacht. Er schreibt in die meisten politischen Blätter Deutschlands Correspondenzen, aber selten welche von dem Orte, wo er lebt. Er ersinnt Berichte von der Grenze jener Staaten her, die ihn für seine aufgedrungenen Dienste, denen er eine große Wichtigkeit anzudichten wußte, bezahlen. Er lebt am Rhein und weiß in die Zeitungen Nachrichten zu bringen, als kämen sie aus Siberien. Kämpft eine Nation für ihre Freiheit und ihren alten Ruhm, ein solcher Schmarotzer am Tische Gottes weiß sie in Allem zu verdächtigen, aus Siegen macht er Niederlagen, aus dem Größten das Kleinste. Niemand ahnt den Versteck, aus welchem es einer Feder gelingen kann, die öffentliche Meinung zu verwirren. Das ist ein Journalist, dessen Nachruhm an einem Laternenpfahl verewigt zu werden verdient.

»Ich zeig' euch einen andern Unglücklichen, dem Hunger, Trägheit oder vielleicht Zufall jene Bestimmung gaben, für welche mehr, als vielleicht für die Abfassung von Büchern, Festigkeit der Grundsätze und Adel der Gesinnung erfordert wird. Er gehört jenem Stamme an, welchen die Entziehung politischer Rechte neuerdings vielfach veranlaßt hat, statt mit Schreibfedern zu schachern, mit ihnen zu schreiben. Die Literatur ist die duldsamste Macht. Sie fügt sich Jedem, der ihr mit einiger Entschlossenheit den Sattel aufzulegen weiß. Sie fragt den Geist und Witz nicht, ob er getauft oder beschnitten ist. Der Journalist aber, von dem ich rede, verdiente am wenigsten diese Nachgiebigkeit. Grimassen gibt er für Witz aus, Lügen für geistreiche Erfindungen. Leider gibt es einen abgelegenen Winkel in der Journalistik, wo man Niemanden hindern kann, sein Bedürfniß zu verrichten. Dies ist die Theaterkritik. Hier waltet der Journalist wie ein Berufener. Er hat in dem Blatte, das er herausgibt, eine Macht. Die Schauspieler fürchten den Buchstaben, nicht deßhalb, weil er Geist enthält, sondern, weil er gedruckt ist. Sie können das Geschriebene nicht auslöschen, und selbst der Unsinn (die Verleumdung ohnehin) findet Gläubige. Der Journalist trägt auf der Straße immer einen allgemein kenntlichen Rock. Er unterschreibt seine Kritiken, um sie desto furchtbarer zu machen, mit: »Die bekannte rothe Halsbinde!« Der Jude ist eitel, und in seiner Flachheit strebt er nach äußerm Glanz. Er überhängt sich mit Uhrketten und mit Ringen, er will vergessen machen, daß er früher Bänder über den Arm hängen und zu verkaufen hatte. Er schwimmt immer in einer aromatischen Atmosphäre, die sich auch auf die Productionen des Journalisten übertragen und ihnen jene duftende, pomadige Schmierigkeit geben, die doch immer erkennen läßt, daß das Vehikel des Aroms gewöhnliches Schweinefett oder Hirschtalg ist. Wovon lebt dieser Journalist? Sein Talent ist viel zu oberflächlich, als daß es seiner Zeitung Zug verschaffen kann. So muß die Bestechung aushelfen. Auf Lob und Abwendung des Tadels steht ein Preiscourant. Der Journalist thut nichts aus innerm Ueberzeugungsdrang. Das ausgezeichnetste Talent hält er so lange über dem Wasser, bis es sich von dem naßkalten Bade seiner Kritiken durch eine Summe losgekauft hat. Wenn ein Künstler dies Sprudelbad der journalistischen Entrüstung nicht fürchtet, so wird der getäuschte Recensent nie Großmuth üben oder den Anstand wahren, sondern er dichtet Mängel an, wo keine sind, oder weiß das ursprüngliche, warme und unmittelbare Colorit des Genies als für seinen Geschmack lächerlich hinzustellen. Kömmt aber der Stümper, der in einer Flut gemachten Lobes von Stadt zu Stadt schwimmt, ein Stümper, der in Blick und Geberde schon von Bestechung trieft, so hat Garrick lange genug für den Ersten seines Faches gegolten. Selbst treffliche Künstler gerathen in Verlegenheit dem Gewissen dieses Mannes gegenüber. Sie kaufen sich von seinen Umtrieben zwar nicht durch Geld los, aber dadurch, daß sie ihm Gelegenheit geben, welches zu verdienen. Schickt ihm eine Sängerin einen silbernen Leuchter, so läßt sie die Adresse des Ladens, wo sie ihn erstand, unterm Fuße desselben sitzen, damit er eilen kann, den Leuchter da wieder zu verkaufen, wo er eben erstanden ist. Oder der Journalist wird vom Künstler gefragt, ob er ihm nicht Autographen geben könne, da er eine Sammlung davon hätte? O ja, sagt der Journalist, und gibt ihm einige abgeschmackte Aphorismen, die er und seine Mitarbeiter auf goldgerändetes Papier geschrieben; der Künstler glaubt, wenigstens das Papier bezahlen zu müssen, und schickt dem Journalisten für jedes Blatt einen Ducaten. Endlich hat ein Componist, dessen neue Oper von dem erbärmlichen Gewissen des Journalisten abhängig ist, oder ein Sänger, der sich selbst die Lieder setzt, die er als Couplets einlegt, den Einfall, von dem Journalisten einen Liedertext zu verlangen. Dieser versteht die Maske und dichtet entweder selbst einen oder schreibt ihn aus einer Chrestomathie in Kürze ab. Der Künstler belohnt die Mühe weit über Verdienst und erreicht seinen Zweck. Wie jener erste Journalist die politische Meinung verwirrt, so verwirrt dieser die gesellschaftliche und artistische. Dort werden die Geschichte und die ewige Gerechtigkeit, hier der Geschmack und das gesunde Urtheil zweifelhaft.

»Einen dritten Journalisten zeitigte eine andere Verzettelung der Literatur. Er ist vorzugsweise der Notizenkrämer. Er stöbert mit einem Quersack und einem langen Zahnstocher in allen Büchern und Journalen umher, ein literarischer Chiffonier oder Plundermatz. Für diesen Journalisten ist nichts im Zusammenhange da. Alles vereinzelt er, von Allem sucht er eine Notiz loszubröckeln. Sein Feld ist der Steiß der Journale. Dort auf dem Anekdotenhügel, den Lückenbüßer-Plattheiten, kleinen Chroniken und Correspondenzen-Abhängen thront er. Um Alles und Jedes bekümmert er sich, aber nur deßwegen, weil er davon ein Excerpt geben will. Was ist Schiller für ihn mit der geschlossenen, gedrungenen Ganzheit seines Charakters! Er weiß nur, daß Schiller beinahe röthliche Haare hatte. Was ist ihm Goethe in dem stetigen Fortschreiten seines Lebens, welches, wie ein Teich, immer unruhig war und doch immer auf derselben Stelle blieb? Er kennt nur die Art, wie Goethe sich mit der Vulpius über Hals und Kopf (und Herz) vermählte. Das Wissen dieses Journalisten ist eine Mosaik von Zufälligkeiten, die er zuweilen über das Publicum ausschüttelt und dann ruft: Kennt ihr die hohe Bedeutung des Journalismus? Er wirft sich zum Ritter auf, wenn Jemand mit Recht drucken läßt, daß der Journalismus der Verderb der Literatur ist, ihr zersetztes Blut, ihr Krebsschaden; er hält sich für einen Sanct Georg des Jahrhunderts, spricht von den Journalisten als den Wächtern auf der Zinne. Und womit motivirt er seine außerordentliche Wichtigkeit? Durch Auszüge aus allen Blättern, durch Einregistrirung jedes literarischen Skandals. Was er schreibt, sieht wie ein mit Visitenkarten gespickter Spiegel aus oder wie ein Quodlibet von Etiketten, welches die Kupferstecher vor ihre Fenster hängen. Haben unsere beiden ersten Journalisten sich durch die schlechte Gesinnung um den Verfall des Zeitungswesens verdient gemacht, so ist dieser letzte gerade dadurch so lächerlich und gefährlich, daß er der abstracte Journalist ist, nur dies und nichts Anderes; daß er glaubt, im Journalismus könne ein Selbstzweck und eine Harmonie liegen, welche aufzufinden die zweite Quadratur des Cirkels wäre. Gefährlich, sag' ich, denn was hat dieser Mann mit seinen Notizen zu verlieren? Welchen Namen, welche Ehre setzt er aufs Spiel, wenn er die Feder ergreift und den Namen und die Ehre Anderer ausbeutet, um davon sein Brod zu essen? Selbst schrieb er nichts; auch weiß er nicht einmal Alles, was die Andern geschrieben haben; nur das weiß er, was über Alles geschrieben ist. Bücher liest er nicht, er liest nur Kritiken. Er wird nie einen Schriftsteller bei seinen Werken citiren, sondern immer nur sagen: Dies ist der, von welchem Jener sagte, u. s. w. Journalisten, die sich eine solche Echo-Aufgabe stellen, verstärken selten den Schall, den die Ehre eines Namens verdient; sie wiederholen lieber das, was, da es das erste Mal gesagt wurde, schon unnütz war, und den Skandal, der Aufsehen macht. Journalismus, als etwas für sich Bestehendes, Organisches, und wer ihn so ansieht, ist gefährlich. Wir sollen Sorge tragen, daß die Zersplitterung der Geister durch Anschluß der flankirenden Journalistik an das literarische Centrum hintertrieben wird. Fort mit Jenen, die den ohnehin breit genug in der Journalistik aufgerollten Teig der Literatur immer noch dünner rollen und ihn in langen Fadennudeln bis in alle Ewigkeit hinausziehen wollen!

»So ist die Lage jener Literatur, die wir durch einen neuen Beitrag anfangs nur zu verschlimmern scheinen. Doch wird der Erfolg das Publicum eines Bessern belehren. Wir versprechen wenig, damit wir mehr halten, als man von uns erwarten durfte.«

 


 


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