Fritz Grünbaum
Die Schöpfung und andere Kabarettstücke
Fritz Grünbaum

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Die Schöpfung

                    Wenn man so näher betrachtet die Welt,
Die ganze Schöpfung: den Wald und das Feld,
Die Ochsen zu Land und im Wasser die Fischel,
Die Christen in Linz und die Juden in Ischl,
Die Sonn', die bei Tag ist, und den Mond, der bei Nacht ist –
Kurz, wenn man bedenkt, wie schön das gemacht ist,
Und weiß, daß das Ganze mit Haut und Haar
Doch eigentlich nur eine Postarbeit war,
Weil alles, der Körper, der Geist und die Seele,
Die Hunde, die Pferde, das Schwein, die Kamele,
Die Antisemiten und Israeliten,
Die Rosen, die Lilien und die Banditen,
Die Bankdirektoren, die Schuster und Affen,
Kurz, alles in nur sieben Tagen geschaffen –
Da kann man nur sagen, bewundernd die Pracht:
»Besser, pardon, hätt' ich's auch nicht gemacht!«

Schau'n Sie zum Beispiel nur an so ein Haus:
Parterre fängt es an und beim Dach ist es aus!
No, ist das nicht einfach bewunderungswert?
Jetzt stell'n Sie sich vor, es wär' umgekehrt:
Der Dachstuhl wär' unten und oben's Parterre!
Das wär' nicht nur blöd, sondern auch ein Malheur.
Hab' ich es nötig, die Folgen zu malen?
Da wär' eine Dachwohnung nicht zu bezahlen!
Denn wenn bis zum Dachstuhl das Steigen nicht wär',
Dann wär's dort so teuer wie heut' im Parterre!
Man wende mir aber hier ja nur nicht ein,
Dann möcht' das Parterre wieder billiger sein,
Weil das dann so hoch wie der Dachstuhl heut wär' –
Ein Hausherr gibt schon was billiger her!
Vertrau'n Sie der Schöpfung, die braucht keinen Rat,
Ich schwör Ihnen, die hat gewußt, was sie tat!

Mit Weisheit sind all ihre Werke vollbracht:
Wie gut ist zum Beispiel das Tierreich gemacht!
Alles voll Rücksicht und immer mit Schonung,
Jede der Bestien hat ihre Wohnung,
Der Löw' in der Wüste, die Flöhe im Bett –
Umgekehrt wär' es nicht halb so nett!

Sie lachen? No, ich möcht' dabei sein können,
Wie Sie an der Kerz' einen Löwen verbrennen!
Nein, für das Bett ist der Löwe kein Tier,
Da eignen sich eher Kamele dafür;
Fürs Ehebett sind sie beinahe Juwele:
Ehemänner sind meistens Kamele!
Pardon, daß man ja mich nicht ungerecht nennt:
Es stell'n auch die Ochsen ihr Kontingent!
Ich meine, die dummen nur! Denn die gescheiten
Dienen doch besser als Beefsteak den Leuten,
Während die Esel hinwiederum man
Nur für die Ehe verwenden kann!
Kurz, alles im Tierreich hat seinen Zweck:
Die Gans gibt die Federn, das Schwein gibt den Speck;
Das Kalb kommt zum Markt, und der Hund kommt zum Schinder,
Das Schaf bringt die Wolle, der Storch bringt die Kinder –
(Und bringt er sie nicht, so glaubt man es doch,
Und glaubt man es nicht mehr, ist schöner es noch,
Man weiß aus Erfahrung dann Kinder zu kriegen,
Und diese Erfahrung ist auch ein Vergnügen!
Für Kinder sehr nötig, für Große bequem,
Der Storch ist auf jeden Fall angenehm!)
Man sieht, auch die Tiere sind praktisch erschaffen;
Zum Reiten die Pferde, für Schönbrunn die Affen.
Das Huhn legt die Eier, der Mensch frißt sie weg ...
Umgekehrt hätt' das doch weniger Zweck!

Wohin man nur schaut, muß man staunen und gaffen.
Zum Beispiel: wie hat sie die Sprache geschaffen!
Die Einteilung schon ist Übersicht:
Die Menschen reden, die Dinge – nicht.
Ich bitte, bedenken Sie nur, was das heißt,
Wie klug sich da wieder die Schöpfung erweist!
Vor allem, was wär' schon gewonnen am End',
Wenn z. B. ein Klubfauteuil reden könnt'?!
Wie liegt denn der Fall, bitte, gegenwärtig?
Man setzt sich hinein und die Sache ist fertig.
Wenn das Fauteuil aber Sprache besitzt,
Schreit es im Augenblick, wo man's benützt:
»Unberufen, hab'n Sie ein Gewicht!«
Das wär' das End', wenn ein Klubfauteuil spricht!
Oder es kommt der Herr Isidor Stein
(Der Mann ist verreist!) zur Frau Löbl herein,
Sie nickt errötend, er grüßt sie keck,
Und hinten das Sofa steht ruhig im Eck.
Auf eben dem Sofa dann nehmen sie Platz.
Zuerst hört man gar nichts, dann hört man: »Mein Schatz!«
Dann schnalzt es. – – Dann heißt's: »Aber Isidor,
Ich bitt dich, was tust du? Wie kommst du mir vor?«
Darauf sagt er: »Du Süße, du weißt, was ich will.«
Das Liebespaar plaudert, das Sofa ist still!
Die Ordnung der Dinge muß jeden erfrischen:
Was braucht sich das Sofa hineinzumischen?
Man muß vor der Weisheit der Schöpfung sich neigen:
Die Menschen reden, die Möbel schweigen!
Empörend wär' es nur umgekehrt,
Wenn plötzlich das Sofa man reden jetzt hört':
»Verzeihung, Herr Stein, was sind das für Witze?
Ich bin dazu da, daß man still auf mir sitze,
Aber wie jetzt sich die Sache verlauft,
Dazu, pardon, bin ich nicht gekauft!«
No, wär' das so schön, wenn die Möbel brummen?
Das Sofa soll reden und der Mensch soll verstummen?
No sehn Sie! Das hat auch die Schöpfung bedacht,
Das mit dem Sofa ist glänzend gemacht!

Oder –: betrachten Sie sich eine Frau!
Da war die Schöpfung zum Beispiel ganz schlau.
Schau'n Sie den weiblichen Körperbau an.
Gar kein Vergleich mit den Formen beim Mann!
Während der schmucklos ist, architektonisch,
Ist die Fassade der Frau mehr – balkonisch.
Gott, wie da alles so formenreich bunt ist,
Wie das gewölbt ist ... und wie das rund ist ...
Und auch die Rundung verschieden verschoben!
Hinten ist's unten und vorn ist es oben;
So daß, wenn ein Fräulein vorüber wo rennt,
Keiner sich irrt, sondern jeder gleich kennt,
Wie er sie nur hat genommen aufs Korn:
Da ist sie hinten und da ist sie vorn!
No, hat das die Schöpfung entzückend gemacht?
Und alles so zweckmäßig untergebracht:
Hinten zum Sitzen und vorn die Gefühle ...
Da für das Herz und da für die Stühle ...
Und, daß nur keine Verwechslung geschehe,
Jedes Objekt in verschiedener Höhe,
Die Liebe mehr oben, das Sitzen zuletzt ...
Noch keine hat sich – auf die Seele gesetzt!
Wirklich, ich rede doch nie übereilt,
Aber alles ist fabelhaft eingeteilt:
Oben zum Seufzen und unten zum Ruh'n ...
Oder – will jemand es umgekehrt tun?
Nein, wie es jetzt ist, so ist es gut,
Sehn Sie, die Schöpfung weiß, was sie tut.

 


 


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