Fritz Grünbaum
Die Schöpfung und andere Kabarettstücke
Fritz Grünbaum

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Der Haupttreffer

            Ich hab' einen Wunsch, da werden Sie lachen:
Ich möcht um kein Schloß einen Haupttreffer machen.
Also wenn ein Haupttreffer auf mich fällt,
Bin ich der unglücklichste Mensch auf der Welt.
Wie Sie mich nämlich da vor sich sehn,
Unverdorben und blühend schön,
Im Schmuck meiner braunen Dichterhaare
Und in der Vollkraft der Mannesjahre,
Bin ich der Typus von einem Mann,
Der es sich besser nicht wünschen kann.
Da gibt's nichts zu streiten und nichts zu schlichten.
Ich nähre mich, wie ja bekannt, von Gedichten,
Die ich bei Tag persönlich verfasse
Und nachts im Kabarett dann vom Stapel lasse.
(Mir gefall'n sie ja eigentlich nicht,
Wenn man schon alles so offen bespricht,
Aber dem Publikum gefallen sie ja,
Und dazu sind die Gedichte doch da!
An meinem Gefallen braucht gar nichts zu liegen,
Ich schreib' sie doch nicht zu meinem Vergnügen!)
Also das Geld, das ich so ins Verdienen bringe,
Das reicht mir grad' für die nötigsten Dinge:
Essen, Trinken – die Kultussteuer –
(Letztere ist ja ein bisserl teuer
Für Jünger des Testamentes, des Alten!
Oder haben Sie mich für katholisch gehalten?)
Also am Ersten, wenn der Monat ist aus,
Komm' ich grad' mit graden Gliedern heraus.
Ich kann allerdings keine Sprünge machen,
Weiber, Brillantenboutons und so Sachen,
Aber – und das fällt am schwersten ins Gewicht:
Kopfzerbrechen habe ich nicht!
Wenn ich aber jetzt einen Haupttreffer mache,
Sehn Sie, da ändert sofort sich die Sache.
Zunächst tritt die Frage an mich heran:
Was fang' ich mit so viel Vermögen jetzt an?
Nehmen wir an eine Viertelmillion Gulden!

Schön! Also erst, nicht wahr? zahlt man die Schulden.
Ein Freund von mir hat mir, Gott soll es ihm lohnen,
Erst neulich geholfen mit neunzehn Kronen,
Die er mir freundlich als Darlehen gab.
Also die ziehn wir einmal gleich von der Viertelmillion ab!
Bleibt aber noch immer ein Haufen Geld,
Und ich bin aufs neue vor die Aufgabe gestellt,
Das ganze Vermögen vor allen Dingen
Auf irgendeine Art zur Verwendung zu bringen.
Denn da ich bis jetzt ohne Leibeserben,
So würde später, nach meinem Sterben,
(Wogegen ich freilich mich jetzt noch verwahre,
Gott erhalt' mich noch hundert Jahre,
Aber unsterblich ist doch nur das, was ich dicht',
Der physische Grünbaum hingegen noch nicht!)
Es wird also, sollt' ich vielleicht einmal sterben,
Mein Haupttreffergeld der Max Rosenblatt erben.
Das ist ein entfernter Cousin von mir,
Er lebt in Prag und macht Papier
Und hat mich niemals leiden können.
Und dem soll ich also die Erbschaft gönnen?
Ausgeschlossen, fällt mir nicht ein!
Da müßt' ich doch wirklich ein Esel sein!
Da mach' ich noch lieber die gräßlichsten Dinge,
Wenn ich nur sicher mein Geld anbringe,
Lieber – was weiß ich – nehm' ich täglich ein Bad,
Aber nur keinen Kreuzer dem Rosenblatt!
Ich werde mir also einen Rennstall kaufen
Und laß' dann so sechs, sieben Rennpferde laufen.
Das ist ein Geschäft, wo ein jeder Mann
Sein Geld mit Leichtigkeit loswerden kann!
Aber was nützt das mir? Ich kenne mich doch:
Schlemihl, wie ich bin, gewinn' ich noch!
Bei meinem Pech kommt noch Geld in Haufen,
Und ich steh' dann da und kann die Haare mir raufen!
Denn dürstende Saatfelder sind doch die Frau'n,
Und wir Männer sind die Ochsen, die Geld anbau'n,
Und so ein Ochse will ich ja sein!
Sie wissen, ich will doch mein Geld verstreu'n!
Aber da sind wir auch wieder beim Punkt angelangt,
Wo leider Gottes die Sache krankt!
Es wird mir nämlich niemals gelingen,
Bei Frau'n einen Kreuzer Geld anzubringen!
Wie soll ich bei Weibern mein Geld hinausschmeißen,
Wo sich doch alle direkt um mich reißen!
Bei Frau'n, wo ein andrer für Geld desparat is',
Da siege ich spielend: mich lieben sie gratis!
Das Resultat meiner Liebesgebärden
Ist also einfach, um rasend zu werden!
Mein Geld kann ich loswerden keinesfalls
Und hab' außerdem noch ein Verhältnis am Hals!
Das geht doch direkt gegen meine Natur!
Und wer ist dran schuld? Der Haupttreffer nur!

Ich könnt' ja versuchen, auf andere Weise,
Vielleicht durch teures Getränk oder Speise,
Mit Austern, Pasteten und ähnlichen Dingen,
Das elende Geld einmal anzubringen.
Kaviar, hab' ich gehört, ist heuer
Plötzlich geworden so furchtbar teuer,
No, und der echte Champagnerwein
Soll effektiv nicht mehr zum Erschwingen sein!
Das wär'n doch für mich die geeignetsten Sachen,
Aber bei mir ist das nicht zu machen.
Mein Magen hat immer in Sehnsucht getrieben
Nach harten Eiern und Gänsegrieben,
Aber feine Sachen, Austern und Wein
Bring' um kein Schloß ich in ihn hinein!
Und wenn ich mich auf'n Kopf stell', ich kann's nicht vertragen,
No! Reden Sie also mit meinem Magen!
Ich bin der unseligste Mensch auf der Welt.
Der Haupttreffer hat auf den Kopf mich gestellt.
Essen soll ich erst allerhand,
Was mir am meisten bis jetzt widerstand,
Dann soll ich mir einen Rennstall kaufen,
Wo ich doch, wie ich kann, anfang' zu laufen,
Wenn, Gott behüt', ich einmal in der Näh'
Schon so ein Roß von Rennpferd nur seh',
Und außerdem soll ich mich auch noch bequemen,
Mir ausgerechnet ein Verhältnis zu nehmen,
Wo ich mich niemals in Liebe betätig' – –
Also sagen Sie selber: hab' ich das nötig?

Und sagen Sie jetzt, wer Schuld dran hat.
Der Haupttreffer? Nein! Der Rosenblatt!
Denn wär' nicht der Rosenblatt in Prag,
Dann wär' es für mich der schönste Tag,
Ein Tag, an welchem das Glück mir lachte,
Der Tag, an dem ich den Haupttreffer machte
Ich wüßt' schon, was anfangen mit dem Vermögen!
Ich weiß ein Papier, wo es anzulegen
Mit sieben Prozent mit Leichtigkeit sei,
Und was noch die Hauptsache: sicher dabei!
Aber ich soll mich lassen begraben,
Und Rosenblatt soll dann noch Freude dran haben
Und nehmen den Treffer mit frechem Gesicht?
Da gift' ich mich lieber gleich und mach' ihn gar nicht.
Und drum hab' ich gesagt, und jetzt werd'n Sie nicht lachen!
Ich möcht' um kein Schloß einen Haupttreffer machen!

 


 


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