Fritz Grünbaum
Die Schöpfung und andere Kabarettstücke
Fritz Grünbaum

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Tante Sali

        Die Tante Sali war immer dagegen.
Sie ist meiner Mutter in den Ohren gelegen:
»Schau, dein Fritz ist so nett in der Näh',
Was läßt du den Buben zum Cabaret?
Im feinsten Geschäft wär' er untergekommen,
Polnauer hätt' ihn sicher genommen,
Kaiserlicher Rat könnt' er heute schon sein.
Aber nicht genug an dem Unglück allein,
Daß er statt als Kaufmann als Dichter dasteht –
(Ich schwörs, daß unser Vater im Grab sich umdreht!) –
Läßt er sich auch noch im Cabaret sehn,
Ich war noch nicht drin, die Schand' in der Näh sehn!«

Bei dieser Predigt ist meine Mama
Gestanden zuerst ganz trübselig da,
Dann hat sie gesagt: »Ja schau, liebe Sali,
Der Fritz ist kein Mann für Natron und Kali
Oder andre Artikel der Industrie,
Jeder hat eben ein andres Genie.
Außerdem ist das Theaterspiel'n heut
Nicht so verrufen wie seinerzeit.
Auch da ist man nobel, besonders als Mann,
Schau dir den Ritter von Sonnenthal an.«
Da schrie die Tant' Sali, vor Ärger ganz rot:
»Wo soll ich ihn anschaun? Er ist doch schon tot!
Aber du siehst natürlich schon adlig den Sohn.
Ritter von Grünbaum! ... Wo rittert man schon?!«
»Ich red' nicht vom Adel,« sprach meine Mama,
»Ich mein' die Erfolge, und die sind da.
Du müßtest dir einmal nur anhör'n die Sachen,
Wie die Leute im Cabaret über ihn lachen!«
Da sagte die Tante: »Und das find'st du schön?
Was schon für Leut' heut' ins Cabaret geh'n!
Heut' tun sie lumpen und morgen verkrachen,
Auch eine Ehre, wenn die schon lachen!
Ob du mirs glaubst, man sagt in ganz Wien:
›Der Grünbaum ist gut, aber schad' ist um ihn!‹
Er ist ja beliebt als Künstler, gewiß,
Aber was mir der Bankverein lieber is!
Heut' wär' er dort mindestens schon Prokurist,
So gesund soll ich sein, was das besser ist!
Und der Epstein hätt' ihm die Tochter gegeben ...
Ein braves Mädel – soll ich so leben! –
Gebildet, häuslich und aufgeweckt ...
Und die Mitgift hätt' ihm gar nicht geschmeckt?!
Aber nein, er fühlt sich nur wohl bei den Räubern.
Zieht sich herum mit Theaterweibern,
Daß die ihn wurzen, sieht er ja nicht,
Meint, das geht auf sein schönes Gesicht!
Nu, soll er bleiben bei diesen Damen!
Was kann man da machen? Von mir aus? Amen!
Die Epstein, behauptet er, ist ihm zu häßlich,
Zwei linke Füß', sagt er, sind ihm zu gräßlich,
Wenn er sie anschaut, wird ihm schon mies ...
Bei zweihundert Mill will er noch schöne Füß'!
Der Fritz ist dein Sohn, also sei mir nicht bös,
Aber die Epstein ist mir lieber als sechs Cabarets!
Beim Theater vielleicht wirds Schönere geben,
Dafür hätt' er da ein Familienleben,
Könnt' ausgehn als bessrer Familienvater
Am Samstag in' Tempel, am Sonntag ins Theater,
Am Montag wieder ins Grünfeldkonzert,
Wie sichs für anständige Menschen gehört,
Dienstag bei Seligs, Mittwoch bei Steins,
Donnerstag ist doch der Jour bei den Kleins,
Freitag beim Schwiegerpapa zum Exempel,
Und Samstag geht man wieder in' Tempel!
Das ist Manier, das ist guter Ton.
Aber natürlich, drauf pfeift ja dein Sohn!
Wirklich, Gott soll mir die Sünde verzeih'n,
Er lebt wie ein Vieh in den Tag hinein,
Und alles für was? Für Not und für Schulden!
Was kann er verdienen? Hundert Gulden!
Ein Mensch soll von Dichten leben heut' und Schmus ...
Mein Roserl stoßt ihn nicht weg mit dem Fuß!«

Bei dieser Predigt ist meine Mama
Gestanden zuerst ganz trübselig da,
Dann hat sie gesagt: »Vielleicht hast du recht,
Aber eins muß ich sagen: der Fritz lebt nicht schlecht!
Zweitausend Kronen hat er monatlich fix,
Und ebendasselbe verdient er wie nix
An Tantiemen, hat er gesagt.
Es ist ja nicht nobel, aber – es tragt!«
Da hat die Tant' Sali so Augen gemacht:
»Soviel verdient er? Wer hätt' das gedacht?«
»Was hat er davon?« hat gesagt die Mama,
»Gesellschaftlich steht er als Niemand da!«
Die Tant' aber hat nur gemurmelt für sich:
»Viertausend Kronen – monatlich!«
»Und,« hat dann weiter gesagt die Mama,
»Siehst du, darüber kränk' ich mich ja.
Geld und Erfolg, ich freu' mich nicht drüber,
Wär' er beim Bankverein, wär' es mir lieber!«
Da gibt sich die Tant' einen heftigen Ruck
Und sagt zur Mama: »Du, jetzt hab' ich genug!
Wie kann man das Glück seines Kindes verschrein!
Was willst du, ich bitt' dich, vom Bankverein?!
Er müßt' doch dort jährlich von dem werden satt,
Was er beim Cabaret monatlich hat.
Die Zeiten von früher sind, Gott sei Dank, tot,
Heut muß man eins sein: Mann für sein Brot!
Hat man schon so etwas jemals gehört?
Die Mutter soll über den Sohn sein empört?
Ein Mann, der verkehrn kann, mit wem es ihm paßt?
Ich versteh' dich nicht, was du für Ansichten hast! – – –
Übrigens, was hab' ich nur wollen sagen? – –
Ja! ... Roserl hat mir doch aufgetragen,
Dein Fritz soll sich wieder bald anschauen lassen,
Siehst du, die zwei möchten zusammenpassen,
Da wär'n zwei verwandte Naturen vereint ...
No, ich hab' nix gesagt, ich hab' nur gemeint!
Das mit der Epstein, das war nur ein Spaß.
Zweihundert Mill? No, was nutzt ihm das?
Sie hatscht mit den Füßen, es lacht schon ganz Wien.
Siehst du, mein Roserl, das wär' was für ihn!
Der Epstein soll er den Laufpaß geben
Mitsamt ihrem faden Familienleben.
Dein Sohn hat eben ein eignes Genie,
Das ist kein Mann für die Industrie,
Für solche Artikel wie Natron und Kali ...
Sag', ich hab's gesagt, deine Schwester, die Sali!
Er hat einen Platz, wo man glänzen kann –
Schau dir den Ritter von Sonnenthal an!
Er hat Erfolge beim Cabaret,
Was sind dort für Leut'? Lauter haut-volée,
Der braucht keine Jours, keinen Stuß und den Schmus,
Die Epstein stoßt er nicht weg mit dem Fuß,
Für den weiß ich eins, aber das ganz genau:
Für Fritz ist mein Roserl – die einzige Frau!«

 


 


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