Fritz Grünbaum
Die Schöpfung und andere Kabarettstücke
Fritz Grünbaum

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Entwürfe für ein Grünbaum-Monument

Grünbaum

                  Grünbaum ist ein entsetzlicher Name!
Er wär' nicht so schrecklich bei einer Dame;
Denn wenn sie ledigen Standes ist
Und das Unglück des Namens Grünbaum genießt,
Dann ist es nicht nötig, daß lang es sie schauert,
Weil das doch nur bis zur Hochzeit dauert.
Dann hört sich nach des Gesetzes Lauf
Das Grünbaumheißen endgültig auf,
Und sie wird, wenn die Lichter des Traualtars brennen,
Sich künftig statt Grünbaum Abeles nennen.
Das ist zwar auch noch kein Meisterstück,
Aber gegen Grünbaum ist's noch ein Glück!
Man sieht also, daß der entsetzlichste Name
Sich harmlos erweist bei der ledigen Dame.
Schwieriger wär's schon, wenn als Vermählte
Sie mit dem Namen Grünbaum sich quälte.
Da, geb' ich zu, wird er schwerer sie drücken,
Denn in der Ehe bleibt er ihr picken,
Aber geschieht ihr ganz recht, sie soll sich nur schämen,
Wer hat ihr geschafft, einen Grünbaum zu nehmen?
Sie wollt's ja nicht anders, jetzt hat sie's davon.
Hätt' sie nicht heiraten können den Cohn?
Das ist zwar auch noch ein bissel stark,
Aber mit C geschrieben, ist's nicht so arg!

Übrigens ist es noch immer möglich,
Wenn einer Frau ihr Name zu kläglich
(Weil sie z. B. Grünbaum heißt!),
Daß sie von dieser Kette sich reißt.
Was braucht sie den eigenen Namen zu hassen?
Soll sie vom Grünbaum sich scheiden lassen!
Die Scheidung ist hier der bequemste Rat,
Weil nur eins dazu nötig: ein Advokat,
Und da braucht sie nicht lange zu fragen sich schwer:
Wo nehme ich jetzt Advokaten nur her?
Wo sie hineingeht, wohnt einer grad',
Wer ist heute nicht Advokat?
Klagend wird sie um Rat ihn fragen,
Wird ihm das Leid ihres Namens klagen,
Und was wird der Advokat dazu sagen?
No, was wird er sagen? Er wird dann klagen!
Erst wird einen Vorschuß vom Leib er ihr reißen
Und dann hat sie Grünbaum ausgeheißen.
Mit Expensen und Vorschuß kommt's allerdings teuer,
Dafür aber heißt sie jetzt Wolf oder Mayer
Oder, weiß ich, wie früh'r sie geheißen hat ...
Für Geld trifft das Schwerste der Advokat!
Nur rat' ich der Frau, daß sie Vorsicht übe
Und sich nicht in den Advokaten verliebe,
Damit er sich nicht aus dem Scheidungsbeirat
In den Gatten verwandle im Wege der Heirat.
Den Grünbaum wär' sie dann allerdings los,
Doch ihr Unglück wär' trotzdem nicht weniger groß,
Weil so ein Herr Advokat doch zumeist,
Wenn er nicht Grünbaum heißt – Rosenbaum heißt.
Etwas Botanisches ist es gewöhnlich,
In dieser Branche heißen alle ähnlich.

Item, die eine Sache steht fest,
Daß der Frauenname sich ändern läßt.
Doch was soll man tun, wenn man Grünbaum heißt
Und bei näherer Betrachtung als Mann sich erweist?
Wie komm' ich dazu, daß so übel ich dran bin?
Kann ich denn wirklich dafür, daß ich Mann bin?
Hab' ich's mit Absicht mir vorgenommen,
In männlicher Form auf die Welt zu kommen?
Trifft mich die Schuld, daß es so sich verhält?
Hab' ich mir diese Fasson bestellt?
Durch Zufall ein Mann muß als Mann ich verrosten!
Klapperstorchwitze auf meine Kosten!
Was glauben Sie, hat mir der Grünbaum geschadet,
Seit man mich nach der Geburt hat gebadet?
Keiner weiß es besser als ich,
Wie sehr mich mein Name macht lächerlich.
Wenn's ginge, ich hätt' ihn schon liegen gelassen,
Ich trau' mich im Winter nicht mehr durch die Gassen,
Im Sommer, da geht's ja noch, schön, also ja,
Aber im Winter ein Grünbaum? Wie steh ich da?
Im Schnee macht ein Grünbaum schlechte Figur:
Ich verschandel' die Einheitlichkeit der Natur.
Es ist nur ein Glück, daß als Dichter ich weiß,
Wie ein Baum zu benehmen sich hat im Eis.
Knarren und stöhnen und schwanken im Wetter
Und vor allem: es haben zu fallen die Blätter.
Das alles besorg' ich im Wintergrau,
Sogar den Blätterfall mach' ich genau,
Ich schreib' ein Theaterstück – was will man mehr? –
Und dann fall'n die Blätter – über mich her.
No, ist denn die Kritik mit Unrecht verstimmt,
Wenn sie als Dichter nicht ernst mich nimmt?
Leute, die Grünbaum genannt herumlaufen,
Haben eben Tuch zu verkaufen,
Sie eignen für lyrische Stoffe sich nie,
Brünner Stoffe, das ist was für sie!
No, sehn Sie, wie sehr mir mein Name schadet,
Trotzdem effektiv ich poetisch begnadet!
Ich schwitze die Verse nur so heraus,
Aber wie man Grünbaum hört, ist es schon aus!
Was nützt mir mein Geist, wenn mein Name mich schädigt?
Ein Dichter, der Grünbaum heißt, ist schon erledigt!

Aber ab morgen ist das vorbei.
Morgen geh' ich zur Statthalterei,
Ich änder' den Namen, ich pfeife darauf,
Und außerdem geb' ich das Dichten auf.
Und wenn Sie mich wieder einmal auf Erden
– So Gott will, in Freuden! – begegnen werden
Und werden mir sagen – ich hör's schon im Geist! –
»Sie sind doch der Dichter, was Grünbaum heißt!
Ich kenn' Sie, ich bin ein Verehrer von Ihnen!«
Dann werd' ich Sie anschau'n mit fragenden Mienen
Und werde Sie messen als Kavalier:
»Pardon, mein Herr, was woll'n Sie von mir?
Ich mache in Damen- und Herr'nkonfektion,
Ich habe die Ehre, mein Name – ist Kohn!«

 


 


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