Anastasius Grün
Nibelungen im Frack
Anastasius Grün

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Der Herzog besiegt die Hydra der Rebellion.

            Dem Schlosse gegenüber am Pult der Anwalt sitzt,
Ausbleiben die Gedanken, wie er den Kiel auch spitzt.
Traun, seltsam! Wie's im Hirne ihm sonst gebärend kocht!
Der Klempner unter ihm hämmert, der Küfer neben ihm klopft und pocht!

»Der Geigensturm vom Schlosse macht taumeln mich und schwindeln,
Erwürgt die Geisteskinder mir schon in zarten Windeln:
Tyrannenlist, die freie Gedanken also jocht!«
Der Klempner heut nicht hämmert, der Küfer heut nicht klopft und pocht.

Er steckt den Kopf durch's Fenster: »Ihr lieben Nachbarsleut',
Ruht heut das fromme Handwerk und feiert Sonntag heut,
Daß Hammer hält und Schlegel, karthäuserschweigsam, Friede,
Und nicht mit gewohntem Klange mir einwiegt die Gedankenschmiede?«

Der Küfer ruft: »Vom Schlosse klingt's so verstimmt, vertrakt;
Will ich den Schlegel schwingen, gleich bin ich aus dem Takt!«
Der Klempner schreit: »Dieß Fiedeln, mich bringt es noch von Sinnen!
Wer mag sein stilles Handwerk mit innrer Sammlung da beginnen?«

Zinngießer seufzt: »O Zeiten! Zum Bettel wird's mich bringen!
Löthharz kaum zu bestreiten! Die Geigen es ganz verschlingen!«
Da stöhnt der Stolz des Weichbilds, der Merseburger Brauer:
»Dieß Geigendonnerwetter macht mir das Bier im Keller sauer!«

»Die Sage von der Riesin Schildkröt' ihr Alle kennt,
Die stumm zu Fall einst wühlte des Domes Fundament;
Jetzt hat der Fürst die Schale mit Saiten ihr bespannt,
Sie lebt und wühlt noch immer und untergräbt das ganze Land!« –

Ein Mann aus wälschen Landen wallt just vorbei die Stätte,
Trägt auf dem Kopf Figuren von Gyps auf einem Brette;
Am Draht nickt jeder Schädel, ja! ja! nickt Kopf und Schopf.
Der Anwalt ruft: »Der Starke! Den ganzen Landtag auf dem Kopf!

»Ja ganz der letzte Landtag! O neues Postulat:
Den Hofzwerg ausstaffire das Land mit Kleiderstaat!»Nach dem Landtage (1727) wurden die Stiftsstände, wie gewöhnlich, bei Hofe gespeist. Bei der letzten Mahlzeit wurde noch eine Kollekte für den Hofzwerg angelegt. Jede Stadt gab 16 Groschen.« S. Landtagsverfassung im Hochstifte Merseburg von J. G. Gbl. Leipz. 1796.
Ihr gipsernen Landesväter, wollt ihr eur Brüderlein,
Das Zwerglein, neu bekleiden? Ihr nickt! Sagt endlich doch: Nein, nein!

»Da bringt Lauchstädt die Höslein, Schkeuditz die Schühlein gut,
Das Röcklein steuert Lützen, Mersburg als Haupt den Hut;
Nun rechnet euren Antheil! O unerhörter Druck!
O wär's für Mausoleen, wär's für der Krieger Waffenschmuck!

»Wär's für die Cosel, die seufzen tief unsre Nachbarn lehrt!
So schöne Augensterne sind ja des Seufzens werth:
Doch Länder auszupressen für solchen winzgen Gecken!
Merkt auf, es wird den Enkeln der Zwerg sich noch zum Riesen strecken!«

Und: »Nieder mit dem Zwerge!« und: »Nieder mit dem Basse!«
Rief's durch die Schaar; wilddrohend drängt sich zum Schloß die Masse;
Die Trepp empor mit ihnen zum Saal der Anwalt steigt,
Wo in der Treuen Mitte zu Thron der Herzog sitzt und geigt.

Rings viel der tapfern Fiedler! Am untern End' der Kleine,
Der fest die Violine als Baß zwängt zwischen die Beine;
Als Flügelmann der Riese am andern Ende droben,
Der seinen Baß als kleine Armgeige spielend hält erhoben. –

»In jenes Harfners Saiten lag solch blutdürstger Klang,
Daß selbst der fromme Erich in Wuth nach Waffen sprang:
So hat, o Fürst, das Dröhnen der Geig' in deiner Hand
Dein Volk gehetzt zum Wahnsinn, daß zorngewaffnet es aufstand!«

Der Anwalt glüht im Eifer, der Herzog aber schweigt,
Im Chore murrt die Menge, der Herzog aber geigt.

Er geigt ein Flageoletto, wie Wasser über Kieseln,
Ihr hört das Bächlein wallen, durch Wiesen murmelnd rieseln;
Kaltschaudernd ziehn die Geiger die Beine auf die Stühle,
Der Redner bangt der Nässe, daß ihn das Fußbad überkühle. –

»Dich schäme so schön zu spielen! Philipp zum Sohn es sprach.
Und Alexanders Laute Antigonus zerbrach:
Dir ziemt ein Arm zum Herrschen, doch nicht zum Spiel der Zitter!
Auch du, Fürst, dich ermanne und wirf den Geigentand in Splitter!«

Der Anwalt sprüht's im Eifer, der Herzog aber schweigt,
Im Chore murrt die Menge, der Herzog aber geigt.

Es plätschert sein Ligato, ein Gießbach, dessen Gischt
Sich jetzt zerstäubt an Felsen, jetzt durch den Mühlgang zischt;
Die kalten Fluthen steigen der Schaar bis zu den Bäuchen,
Sie fühlt sich schwindelnd, taumelnd, ergriffen von des Mühlrads Speichen.

Doch kreischt noch eine Stimme: »Der Schmach ist's allzuviel!
Statt Zepters einen Bogen, statt Trommeln Saitenspiel!
Die Hunde macht es bellen, doch schlägt es nicht die Türken;
Laß einmal Fiedelbogen das Wunderamt des Schwertes wirken!«

Der Anwalt spricht sich heiser, der Herzog aber schweigt,
Die Menge murmelt leiser, der Herzog aber geigt.

Und arpeggiando fallen die Geigen Aller ein!
Da bricht's durch Fenster, Thüren, wie Fluthenschwall herein,
Die Wellen sich überstürzen und bäumen sich, tosen und toben,
Und Tisch' und Stühle scheinen vom Wasser schaukelnd aufgehoben.

Das ist ein Schrein und Flüchten! Zur Pforte welch Gedränge!
Hinaus zur Thüre rudert, Ertrinkenden gleich, die Menge.
Die Stufen hinab welch Springen! Der Katarakt doch saust,
Nachstürzend, hinab die Treppe, bis mählich er am Markt verbraust.

Und Friede war's! Wie genesen vom Otternbiß das Rasen
Des Kranken, dem die Flöte ward über die Wunde geblasen,
So heilte des Herzogs Geige der Meutrer Fieberhitzen; –
Die Neuzeit hat erfunden dafür Pariser Feuerspritzen.


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