Anastasius Grün
Nibelungen im Frack
Anastasius Grün

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Wie der Merseburger Hofpoet gesungen haben würde.

    Baß ist der Regens Chori, der Donner in Geigenwettern,
Der Eichstamm, den die andern Tonblumen schmiegsam umklettern,
Der Riesenleib, den die Rüstung memnonschen Metalls umklingt,
Neptunus, der der Tonflut Rebellen mit dem quos ego! zwingt.

Und herrscht der Baß als Kaiser, der streng zu Recht erkennt,
Darf stolz Baßgeige heißen ein fürstlich Instrument;
Drum strich sie Herzog Moritz, strich sie in Freud', in Sorgen,
Strich sie im Schloß und Garten, strich sie am Abend und am Morgen,

Daheim zu eigner Freude, im Dom zu Gottes Ehre,
Strich sie bei langer Predigt, als ob's ein Schnarchen wäre,
Strich sie so stark und freudig, daß schwellend sich vom Schloß
Wie Landessegen über ganz Merseburg der Klang ergoß!

Und Segen ist im Lande, der Fürst so fromm vergnüglich,
Fürtrefflich sein Minister: geigt überaus vorzüglich.
Im Takt ist's gut arbeiten! ruft Gerber froh und Bräuer,
Statt Silbers bringt der Bauer ein Klümpchen Geigenharz als Steuer.

Sonst wintert's in deutschen Landen, Zugvögel westwärts fluten,
Ihr Schwaben, scheu entsprungen dem Käfig und den Ruthen,
Salzburger, Wandervögel, aus Alpenschlüften ziehend,
Ein leuchtend Kreuz im Gefieder, den Landesvater Raben fliehend!

Chursachsen, deren Schwingen zum Meeresflug zu schwach,
Die nebst Hufeisen, Thalern der starke August brach,
Fleugt her in unser Ländchen, pickt keck und frei die Brocken!
Und hört ihr nicht die Klänge, des Finklers Weisen, lieblich locken?

Statt Kämmerlings beim Herzog ein Fiedelstrich dich künde,
Ein Stradivari verfechte Bittschriften, statt der Gründe;
Uns Dichtern welch ein Leben! Censur ist todverblichen:
Im Merseburgeramte wird gar nichts, als der Baß, gestrichen.

Des Herzogs Favorite, dem Seckel nicht zu theuer,
Nur Colophonium naschend, ein reizend Ungeheuer!
Hochbusig, schwanenhalsig, gewölbt der Hüften Masse,
Französin nach der Stimme, denn redend nur im rauhen Basse.

So vieler Reize Umfang hat Raum nicht in der Karosse.
Sie fährt im Erntewagen, davor vier stolze Rosse;
Seht, wie sich Favorite und Gattin gut verstunden,
Die Herzogin hat selber mit Blumen ihr das Haupt umwunden.

Denn Liebe soll, wie Gottheit, bar aller Selbstsucht sein;
Nicht sei gebannt die Andacht an Gottes Dom allein!
Wohlauf zu Bergen und Thalen! ihr müßt doch seiner denken,
Frisch in den Wald! es könnte die Nachtigallen sonst noch kränken.

Ein Priesterthum ein mildes übt auch die Liebe so,
Die Lippe, die sie küßte, werd' auch des Liedes froh,
Der Arm, der sie umschlungen, darf auch den Pokal kredenzen;
Sie wird, was du liebst, lieben und Harfe dir und Becher kränzen.

Und als ein rosig Kindlein die Herzogin geboren,Die Gemalin des Herzogs Moritz Wilhelm war Henriette Charlotte, geborne Prinzessin von Nassau-Idstein, nach Büsching eine Dame von fürstlicher Miene, schweigend, ernst. Pöllnitz sagt von ihr: On ne pourrait être plus aimable. C'est un air de douceur, de bonté et de sagesse, repandu dans toute sa physionomie. Son esprit est de la même nature que sa beauté; aimable sans parade et sans ostentation. Als sie ein Mädchen geboren, mußte sich dieses dem wunderlichen Vater durch eine mitgebrachte Baßgeige legitimiren. Die Herzogin starb 1731 wenige Wochen nach ihrem Gemahl und wurde ebenfalls in der herzoglichen Gruft zu Merseburg beigesetzt.
Der Herzog prüft nicht lange die Aeuglein, Nase, Ohren;
Daß ganz es seinem Vater als ächtes Kind sich zeige,
Als Anrecht aus dem Jenseits mitbracht' es eine kleine Geige.

Und ist des Kindes Antlitz, drin sich der Vater erkennt,
Ein makelrein und lesbar geschriebnes Document,
So ist das Kindergeiglein, von Mütterchen geschenkt,
Des Fürstenwappens Kapsel, die an dem Pergamente hängt.


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