Balduin Groller
Vom kleinen Rudi
Balduin Groller

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Die Lesestunde.

Vielleicht und hoffentlich täusche ich mich nicht, wenn ich jetzt doch schon auch bei meinen Lesern einiges Interesse für meinen kleinen Freund Rudi voraussetzen zu dürfen glaube. Was man selbst für interessant und wichtig hält, ist es nicht immer für andere. Bleiben 61 wir bei den Kindern. Wer hat denn nicht schon die Erfahrung gemacht, daß ein zärtlicher Vater recht langweilig werden kann – einer Mutter sieht man die imgrunde verzeihliche Schwachheit eher nach –, wenn er sich redselig über die herrlichen Eigenschaften seines Sprößlings verbreitet? Ja doch, dieses Wunderwerk der Natur hat nicht seinesgleichen, aber was geht das uns an? Wie erkünstelt ist doch die Teilnahme und die Zustimmung, mit welcher in der Regel die Zuhörer die entzückten Lobreden der p. t. Herren Eltern aufnehmen. Auf die Dauer wird so was doch ungemütlich. Man ist froh, wenn der Gegenstand so lebhafter Neigung und Bewunderung wieder hinausgebracht wird, und man ist bemüht, in möglichst wenig auffälliger Weise dem Gespräche eine andere Wendung zu geben. Mir täte es um meinen kleinen Freund leid, wenn er durch mich anderen Leuten zuwider werden sollte.

Wie viel habe ich nicht allein schon über die Vorbereitungen zum Lesenlernen erzählt und noch immer sind wir nicht bis zu der einen, wirklich großen Tatsache vorgeschritten, daß er nun auch wirklich lesen lernt. Das ist nur ein kleines Thema, wo bleiben die tausend anderen? Bei einem so kleinen Menschlein ist eben alles von außerordentlicher Wichtigkeit. Man beobachtet, oder man beobachtet nicht; tut man das erstere, dann muß man stark ins Detail gehen; denn mit einer Schilderung so obenhin ist nichts getan, das gibt nur konventionelles Zeug, das jedenfalls wertlos ist. Geht man aber ins Detail, dann gewinnen die Kleinigkeiten Wert, dann häuft sich aber auch das Material in einer 62 Weise, daß es für ein dickes Werk ausreichen würde, so stattlich, daß kaum ein Verleger die Courage fände, sein gutes Geld daran zu wagen.

Ach, ich habe den kleinen Bengel, meinen sehr geschätzten Freund, beobachtet, fast von der Stunde seiner Geburt an, und dabei habe ich eine ganze Menge gelernt, wovon man mir in der Schule gar nichts erzählt hatte. Ich kümmerte mich um alles. Ich lernte ihn trockenlegen und ihn herumtragen. Sie wissen, daß letzteres keine leichte Sache ist. Ich bin kein Schwächling; ich stemme und hebe ganz respektable Gewichte, und auch in sonstigen athletischen Übungen stelle ich manch einem meinen Mann; aber wenn ich den Wurm eine Viertelstunde im Zimmer auf und ab getragen hatte, war es mir anfänglich immer, als müßte mir der Arm abfallen vor lauter Müdigkeit. Sein zartes Mütterlein konnte ihn stundenlang auf dem Arme halten. Sie sehen, wie die Natur die Fähigkeiten weise verteilt. Stärke war das nicht – seien Sie überzeugt, daß ich stärkere Lasten heben und tragen kann – es war einfach angeborenes Talent. Später habe ich es dann allerdings auch gelernt, aber es ist schwer gegangen und Zeit hat es gebraucht, denn ich war sehr ungeschickt. Mit einer so heiklen Last hat man sein wahres Kreuz; man darf sie nicht stürzen, nicht fallen lassen, vor Nässe kann man sie nicht, aber vor Druck muß man sie bewahren. War mir nun der eine Arm wie abgeschlagen vor Müdigkeit, so wußte ich mir nicht zu helfen, wie ich den hoffnungsvollen Jüngling auf den anderen Arm hinüberbringen sollte. Da legte ich 63 ihn denn ruhig und mit größter Behutsamkeit auf den Fußboden, ging im Halbkreis um ihn herum und hob ihn dann von der anderen Seite auf. Das war nun allerdings etwas umständlich und ich wurde dafür auch gebührend ausgelacht, aber es war doch sicher und dabei konnte ihm wenigstens nichts geschehen.

Die erste körperliche Funktion, die ich an ihm wahrnahm, war, daß er nießen mußte, als ich vor seine Wiege trat. Ich sagte »Helf' Gott!« und habe es ehrlich gemeint. Über die erste geistige Funktion bin ich nicht recht im klaren. Es gibt da drei Äußerungen zu verzeichnen, die vielleicht nicht ganz gleichwertig sind, die ich aber geneigt bin, als Kundgebung eines besonders scharfsinnigen Geistes aufzufassen. Also erstens: ich behaupte, daß er mich angelächelt hat, als ich das dritte oder vierte Mal vor seine Wiege trat. Herr und Madame G. und die Amme, also allerdings sachkundige Autoritäten, behaupten freilich mit seltener Einmütigkeit, daß das nicht wahr gewesen sei, und gingen sogar so weit, mich dieser meiner Wahrnehmung halber zu verhöhnen. Ich selbst und die alte Kindsfrau, die Zeuge war, bestehen aber darauf, daß es damit seine volle Richtigkeit gehabt habe. So steht Meinung gegen Meinung und Behauptung gegen Behauptung. Wer soll, wer kann Richter sein? Die zweite geistige Großtat, die ich von ihm kenne, ist folgende: als ich zum erstenmal seine Wange streichelte, riß er den Schnabel weit auf. Der Schlaukopf wußte also ganz genau, daß jemand in der Nähe sei, der ihm gerne etwas zu essen geben würde; das freilich konnte er noch nicht wissen, 64 daß er sich bei mir doch an die unrichtige Adresse gewandt. Auch die Bedeutung dieser Tatsache wurde, ich kann es nicht in Abrede stellen, geleugnet und ich abermals ausgelacht mit meiner Schlußfolgerung. Ich komme nun zur dritten Tatsache, und die Beweiskraft dieser lasse ich mir, man sage was man wolle, nicht abstreiten. Vierzehn Tage lang hatte ich dem winzigen Rudi mit den Händen vor den Augen herumgefuchtelt, um zu erproben, ob er wohl blinzeln werde. Er ließ mich ruhig fuchteln und zuckte nicht mit der Wimper, sondern sah ruhig und ungestört zur Zimmerdecke hinauf. Am fünfzehnten Tage aber begann er zu blinzeln! Da war ihm also der Verstand gekommen, das Bewußtsein der Gefahr und die Erkenntnis, daß man seinen Augapfel zu hüten habe. Das war nun eine Tatsache, an der sich nicht rütteln ließ, weder von Mama G., noch von Papa G., noch von sonst irgendeinem Neider. Ich habe sie auch für wichtig genug gehalten, von ihr brieflich einem tiefen Denker und Menschenbeobachter, einem der hervorragendsten Lyriker deutscher Zunge, meinem hochgeschätzten Freunde Albert Moeser Nachricht zu geben. Moeser hat über diesen Vorfall auch ein sehr treffliches Gedicht gedichtet. Rudi kam also sehr frühzeitig in die Literatur hinein. Von meinen Feuilletons über ihn rede ich nicht, obschon sie von hundert deutschen Blättern nachgedruckt worden sind, und obschon Grollers »Weltliche Dinge« von seinen zarten Schultern getragen werden, aber er ward schon im Leitartikel großer Blätter behandelt und mit ganzen eigensinnigen Völkern verglichen, die mitten in der 65 Nacht das Nashorn, ausgerechnet das Nashorn haben wollen; große Künstler, wie Stella Hohenfels und Lewinsky vom Burgtheater deklamierten seine Taten; ein Moeser hat ihn verdichtet – nur vertont ist er noch nicht.

Was wollen aber alle diese geistigen Funktionen besagen gegen jene, die er jetzt zu verrichten hat: er lernt lesen! Er steht vor den weitgeöffneten Toren der Wissenschaft.

Wie es dazu kam, habe ich bereits erzählt. Es hatte zwischen Herrn und Madame G. manche häusliche Szene gegeben, ehe man sich darüber einigte, wer von beiden den Unterricht auf sich nehmen soll. Den Vorhalt der größeren Gelehrsamkeit und tiefen literarischen Bildung hatte Herr G. pariert, indem er auf die vollständige Irrelevanz und Wertlosigkeit dieser Eigenschaften hinwies und dagegen nicht Worte genug zum Ruhme des Mutterherzens ins Treffen zu führen wußte. Nur ein liebendes Mutterherz sei imstande, die ungeheure, aber auch unerläßliche Geduld aufzubringen, die zu diesem Geschäfte erforderlich sei. Das gab aber nicht einmal den Ausschlag, sondern ein anderer, für Herrn G. günstiger Umstand. Herr G. ist etliche Jahre älter als seine Gattin, nicht allzuviel, gerade wie sich's gehört, aber dieser Unterschied war entscheidend. Herr G. wurzelt noch in der alten Schule, seine blonde Hausehre aber schon in der neuen. Das ist ein ganz gewaltiger Unterschied; Herr G. konnte buchstabieren, aber nicht lautieren, und darum war er trotz literarischer Bildung und hoher Gelehrsamkeit nicht tauglich, ein Kind auch nur für die zweite Klasse der Volksschule 66 vorzubereiten. Machen wir die Sache an einem praktischen Beispiele klar. Herr G. hatte gelernt a und b heißt abe, auch Abbé, oder m und a heißt zusammengezogen ema oder auch Emma. Die Sache ist widersinnig, aber es wurde vielleicht ein Jahrtausend lang so gelehrt. Madame G. aber wußte schon, daß b nicht be und m nicht em heiße, das ist nun schon eine große wissenschaftliche Errungenschaft, und von der sollte auch Rudi profitieren.

Mir wurde die besondere Begünstigung zuteil, einigen Lehrstunden beiwohnen zu dürfen, ich kann daher nach eigener Wahrnehmung Bericht erstatten. Es ging nicht leicht mit dem Rudi. Nicht etwa, weil er zu dumm gewesen wäre – o, wo denken Sie hin! Im Gegenteil, er war zu klug. Sein älterer Bruder hatte sich einfach foppen lassen, wie es ans Lesenlernen ging. Man hatte ihm ein Lesespiel angehängt und er ging auf den Leim. Er spielte mit dem Ding und ehe man sich's versah, konnte er lesen. Rudi aber hatte den Braten beizeiten gerochen. Lernen ist lernen, sagte er sich und ging der Geschichte weit aus dem Wege. Er spielte mit dem Kongospiel, mit dem Wettrenn- und Kriegsspiel, er schoß nach der Scheibe mit Bogen, Gewehr und Pistole, er setzte den Tschako auf, blies in die Trompete und schlug in die Trommel, er zog den Bierwagen, den Wasserwagen, den Gepäckwagen, den Eisenbahn- und Tramwaywaggon, er vollführte mit dem Säbel unerhörte Heldentaten – aber vom Lesespiel wollte er nichts wissen. Es mußte also Ernst gemacht werden.

Er ergab sich auch nicht leicht. Zu jeder Lektion bedang er sich vorher eine Aufmunterung und nachher 67 eine Belohnung. Die Aufmunterung bestand immer in einer Geschichte, die ihm vor Beginn der Lektion erzählt werden mußte, die Belohnung nach derselben in Naturalien, Äpfeln, Nüssen, Back- und Zuckerwerk. Es betrübte mich aufrichtig, melden zu müssen, daß er es mit dem Pakt nicht immer ganz genau nahm und daß seine Rechtsanschauung an Korrektheit gelegentlich doch recht viel zu wünschen ließ, das heißt auf pünktliche Erledigung von Aufmunterung und Belohnung hielt er immer sehr streng, dagegen nahm er es mit der Gegenleistung oft sträflich leicht. Er hatte seine Launen, und wenn er nicht wollte, da wollte er eben nicht, und dagegen gab's keine Hilfe. Sie meinen, ein paar tüchtige Pracker? Nein, die waren ins Programm nicht aufgenommen. In dem großen Rate, zu dem beigezogen zu werden auch ich gewürdigt worden war, hatte man sich einstimmig dahin geeinigt, die Pracker nur in den allerdringendsten Fällen der Not in Aktion treten zu lassen. Durchgebläut ist ein Kind ja bald, aber namentlich beim Lernen muß man sich davor hüten, daß dem Kinde nicht auch ein für allemal ein gründlicher Widerwille vor der ganzen Lernerei eingebläut werde. Ich leugne nicht, ein schwieriger Fall, ein Kind konsequent zu täuschen und ihm das Lernen als einen wahren Hochgenuß einzureden, wo es doch sehr bald spürt, was an der ganzen Sache eigentlich dran ist – aber das Schlagen taugt doch nichts.

Rudi mußte also immer mit Güte herumgekriegt werden, nach dem Beschlusse des hohen Rates. Nun, auch so ein Beschluß ist bald gefaßt, aber die 68 Ausführung war oft recht schwer. Kein Zweifel, da war die Mutter am Platze, ein liebendes Vaterherz hätte den Bengel schon hundertmal erdrosselt oder erschlagen. Es gibt Lektionen, wo er mit aller Gewalt nicht bei der Sache zu erhalten ist. Er schwatzt vom Hundertsten ins Tausendste, fragt dies und das, spielt mit den Händen, bohrt in der Nase, schaukelt mit den Beinen, wetzt auf seinem Sitze, erzählt selber Geschichten, hat alle Augenblicke ein anderes Anliegen, sitzt einmal zu hoch, einmal zu tief, verlangt, daß sein Säbel neben ihn hingelegt werde, nicht auf diese, sondern auf die andere Seite, und dann anders 'rum, mit dem Griff ihm zugekehrt, dann muß er trinken, dann etwas anderes – und bei alledem ist kein Buchstabe aus ihm herauszukriegen – es ist rein um aus der Haut zu fahren.

Ein anderes Mal ist seine Abneigung gegen das Lernen eine partielle. Man ist beim M. Er will alles lesen, nur das M nicht. Warum gerade das M nicht? Das M ist so fad! Ich bitte Sie, das M ist fad! Wieso, warum? Weshalb fader als die anderen Buchstaben? Kein Mensch weiß es, aber Rudi behauptet es, und er bleibt dabei. Oder ein anderes Beispiel. Man hält beim B.

»Was ist das für ein Buchstabe?«

»Das sage ich nicht!«

»Warum sagst du es nicht?«

»Weil ich das B nicht leiden kann.«

»Was kannst du nicht leiden?«

»Das B.«

»Und was wirst du nie sagen?«

69 »B.«

»Geh, sag's.«

»Nein, ich kann das B nicht leiden und werde nie, nie B sagen!«

Der wissenschaftliche Zweck ist erreicht, er hat den Buchstaben, auf den es ankommt und den er nicht leiden kann und den er nie aussprechen wird, doch so ein halbdutzend Mal genannt, aber wenn auch der wissenschaftliche Zweck erreicht ist, der Genius der Pädagogik steht doch mit verhülltem Haupte dabei und weint bitterlich. Wenn nur dieser Genius einmal den Mund auftun wollte, um zu sagen, was man da machen soll. Ich weiß es wahrhaftig nicht. Zum Glück hat Rudi kein nachtragendes Gemüt, seine Abneigung gegen das B ist am nächsten Tage vergessen, leider aber nicht seine Aversion gegen das M. Von dem behauptet er mit unerschütterlicher Beharrlichkeit, es sei furchtbar fad, und er behauptet das leider ohne Anführung von Gründen. Hier ist aber das Unglück doch nicht so groß, denn wenigstens hat er sich nicht verschworen, diesen Buchstaben jemals auszusprechen. Auf ein Detail darf ich nicht vergessen hinzuweisen. Der kurze Dialog, den ich weiter oben angeführt habe, ist leichter niederzuschreiben, als zu sprechen. Ich erwähnte schon, daß Rudi nach der Lautmethode lesen lernt, er hat also keine Ahnung davon, daß der Buchstabe B eigentlich Be heißt. Das darf man ihm gar nicht verraten, sonst würde er, seinem kleinen gesunden Menschenverstande folgend, b a nicht ba, sondern bea lesen. So wird ihm gegenüber B, M, H usw. nur als 70 Konsonant und nicht in Begleitung eines Vokals ausgesprochen. Das geht aber recht schwer und kostet Anstrengung, das B wird als Bh hervorgebracht, beim M werden die Lippen zusammengepreßt und der Buchstabe, so gut es geht, markiert; das H ist ein leise gesäuselter Hauch. Der Bursche ist nun eigensinnig. Wenn ihm A und O laut und sonor vorgesagt werden, wünscht er dieselbe Klangfülle bei den Mitlautern, und das ist ein unbilliges, weil unerfüllbares Verlangen.

»Warum sagst du das P und das B und das H so leise?«

»Das kann man nicht lauter sagen.«

»Du mußt es lauter sagen.«

»Ich kann's nicht.«

»Dann bin ich bös!«

Die arme Lehrmeisterin strengt sich an, aber der grausame Schüler beharrt auf seinem Wunsch und verlangt immer noch lauter, lauter! Die in die Enge getriebene Mama gibt sich alle Mühe, daß er nur nicht böse werde. Denn wenn er bös ist, lernt er nicht mehr weiter. Das ist für ihn sehr vorteilhaft und davor muß man sich also hüten.

Sein liebster Buchstabe ist das O. Warum? Ich weiß es nicht. Wenn er im Buche vorausblickend eines O ansichtig wird, da hellen sich seine Züge auf, das O ist ihm, was dem Wanderer in der Wüste die Oase. Das liebe, gute O, das O habe ich so gern! O ist also der bravste Buchstabe im ganzen Alphabet. Die Freude an dem O ist ihm von weitem anzusehen. Übrigens habe ich zur Erklärung dieser Vorliebe doch 71 eine Konjektur. Seine liebe, kluge Mama ist bei dem Unterrichte seinem Fassungsvermögen zu Hilfe gekommen, indem sie, wo es nur anging, mit jedem Buchstaben eine bestimmte Vorstellung in Verbindung brachte, durch ein Bild, oder einen Vergleich. Sie will, ohne sich gerade selbst davon bestimmte Rechenschaft zu geben, von der Wirkung der Gesetze der Ideenassoziation Nutzen ziehen. Nun hatte sie ihn beim O darauf aufmerksam gemacht, daß es aussehe, wie ein Ringerl, ferner auch darauf, daß man, wenn man es aussprechen wolle, auch mit den Lippen ein Ringerl machen müsse. So etwas ist nun sehr unterhaltend, und die Ringerln sind so lieb – die hat er so gern –, es ist nur natürlich, daß seine Sympathie sich auf ihr Symbol, auf das O übertrug. Darum kann man ihm auch die Freude am O schon von weitem ansehen. Denn nicht nur, daß sein Gesicht leuchtet, es formieren auch seine Lippen ihm selbst unbewußt in reiner Reflextätigkeit ein Ringerl. Er spitzt und rundet dabei den Schnabel gerade so, wie ihn die jungen Spatzen aufreißen, wenn Fütterung in Sicht ist, aber schon lange vorher und viel früher, als es eigentlich notwendig wäre. Rudi hat noch zwei Zeilen hin bis zu seinem geliebten O, aber der Schnabel ist schon in Bereitschaft, und alles, was dazwischen noch gelesen wird, ist nichts anderes, als unwillkommene Störung. 72

 


 


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