Franz Grillparzer
Das goldene Vließ
Franz Grillparzer

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Dritter Aufzug

Vorhof von Kreons Burg. Im Hintergrunde der Eingang von der Wohnung des Königs; rechts an den Seitenwänden ein Säulengang zu Medeens Aufenthalt führend.

Medea im Vorgrunde stehend, Gora weiter zurück mit einem Diener des Königs sprechend.

Gora.
Sag du dem Könige:
Medea nehme Botschaft von Sklaven nicht,
Hab' er Werbung an sie,
Komm' er selbst,
Vielleicht hört sie ihn.

(Der Diener ab.)

Gora (vortretend).
Sie meinen, du würdest gehn,
Den Haß bezähmend und die Rache.
Die Törichten!
Oder wirst du es? Wirst du's?
Fast glaub ich, du tust's,
Denn nicht Medea bist du mehr,
Des Kolcherkönigs königlicher Sproß,
Der erfahrnen Mutter, erfahrnere Tochter;
Hättest du sonst geduldet, getragen
So lange, bis jetzt?

Medea.
Hört ihr's Götter? Geduldet! getragen! So lange! bis jetzt!

Gora.
Ich riet dir zu weichen,
Da du noch weilen wolltest,
Verblendet, umgarnt;
Als noch nicht gefallen der Streich,
Den ich vorhersah, warnend dir zeigte:
Aber nun sag ich: bleib!
Sie sollen nicht lachen der Kolcherin,
Nicht spotten des Bluts meiner Könige,
Herausgeben die Kleinen,
Die Schößlinge der gefällten Königseiche;
Oder sterben, fallen,
In Grauen, in Nacht! –

Wo hast du dein Gerät?
Oder was beschließest du?

Medea.
Erst meine Kinder will ich haben, –
Das andre findet sich.

Gora.
        So gehst du denn?

Medea.
Ich weiß es nicht.

Gora.
        Lachen werden sie dein!

Medea.
Lachen? Nein!

Gora.
        Was also sinnest du?

Medea.
Ich gebe mir Müh', nichts zu wollen, zu denken.
ob dem schweigenden Abgrund
Brüte die Nacht.

Gora.
        Und wenn du flöhest, wohin?

Medea (schmerzlich).
Wohin? Wohin?

Gora.
        Hier Lands ist nicht Raum für uns,
Die Griechen, sie hassen, sie töten dich.

Medea.
Töten? Sie mich? Ich will sie töten, ich!

Gora.
Auch daheim in Kolchis wartet Gefahr.

Medea.
O Kolchis! Kolchis! O Vaterland!

Gora.
Du hast wohl gehört, dir ward wohl Kunde,
Daß dein Vater gestorben, bald darnach,
Als du Kolchis verließest, dein Bruder fiel?
Gestorben? es klang anders, deucht' mir,
Daß er den Schmerz anfassend wie ein Schwert,
Gen sich selber wütend, den Tod sich gab.

Medea.
Was trittst du in Bund mit meinen Feinden
Und tötest mich?

Gora.
        Nun siehst du wohl.
Ich hab dir's gesagt, dich gewarnt.
Flieh die Fremden, sagt' ich dir
Vor allen aber ihn, der sie führt,
Den glattzüngigen Heuchler, den Verräter.

Medea.
Den glattzüngigen Heuchler, den Verräter! –
Sagtest du so?

Gora.
        Wohl sagt' ich's.

Medea.
                Und ich glaubte dir nicht?

Gora.
Glaubtest mir nicht und gingst ins Todesnetz
Das nun zusammenschlägt über dir.

Medea.
Glattzüngiger Heuchler! Das ist das Wort.
Hättest du so gesagt, ich hätt's erkannt;
Aber du nanntest ihn: Feind und verhaßt und abscheulich,
Er aber war schön und freundlich und ich haßt' ihn nicht!

Gora.
So liebst du ihn?

Medea.
        Ich? Ihn?
Ich haß ihn, verabscheu ihn,
Wie die Falschheit, den Verrat,
Wie das Entsetzlichste, wie mich!

Gora.
So straf ihn, triff ihn,
Räche den Vater, den Bruder,
Unser Vaterland, unsre Götter,
Unsre Schmach, mich, dich!

Medea.
Erst meine Kinder will ich haben,
Das andre deckt die Nacht. –
Was glaubst du? wenn er daherzög'
In feierlichem Brautgeleit
Mit ihr, die ich hasse,
Und vom Giebel des Hauses entgegen
Flög' ihm Medea zerschmettert, zerschellt.

Gora.
Der schönen Rache!

Medea.
        Oder an Brautgemachs Schwelle
Läge sie tot in ihrem Blut,
Bei ihr die Kinder, Jasons Kinder, tot.

Gora.
Dich selber trifft deine Rache, nicht ihn.

Medea.
Ich wollt' er liebte mich,
Daß ich mich töten könnte, ihm zur Qual! –
Oder sie? Die Falsche! Die Reine!

Gora.
Näher triffst du schon!

Medea.
        Still! still!
Hinab, wo du herkamst, Gedanke,
Hinab in Schweigen, hinunter in Nacht!
(Sie verhüllt sich.)

Gora.
Die andern alle, die mit ihm zogen
Den frevelnden Argonautenzug,
Alle haben sie, rächend, strafend,
Die vergeltenden Götter erreicht,
Alle fielen in Tod und Schmach;
Er nur fehlt noch – und wie lang?
Täglich hör ich, emsig horchend
Hoch mich erlabend, wie sie fallen,
Fallen der Griechen strahlende Söhne,
Die aus Kolchis, vom Raube gekehrt.
Den Orpheus erschlugen thrakische Weiber;
Hylas versank im Wellengrab;
Theseus, Pirithous stiegen hinab
In des Aides finstere Wohnung,
Der Schatten gewaltigem Herrn zu rauben
Die strahlende Gattin, Persephoneia,
Doch der fing sie und hält sie gefangen
In ehernen Ketten, in ewiger Nacht.

Medea (rasch den Mantel vom Gesicht ziehend).
Weil sie kamen das Weib zu rauben?
Gut! Gut! – So tat auch er, tat mehr noch!

Gora.
Dem Herakles, der sein Weib verließ,
Von anderer Liebe gelockt,
Sandte sie rächend ein leinen Gewand;
Als er das antat, sank er dahin
In Qual und Angst und Todesschmerz,
Denn sie hatt' es heimlich bestrichen
Mit argem Gift und schnellem Tod.
Hin sank er und des Öta waldiger Rücken,
Sah ihn vergehn, in Flammen vergehn.

Medea.
Und sie selbst webt' es, das Gewand?
Das tödliche?

Gora.
        Sie selbst!

Medea.
                Sie selbst!

Gora.
Des Meleager rauhe Gewalt,
Des kaledonischen Eberbezwingers,
Tötet' Althea, die Mutter das Kind.

Medea.
Verließ sie der Gemahl?

Gora.
        Er erschlug ihren Bruder.

Medea.
Der Gatte?

Gora.
        Der Sohn!

Medea.
Und als sie's getan, starb sie?

Gora.
Sie lebt.

Medea.
        Tat es und lebt! Entsetzlich! –
So viel weiß ich und so viel ist mir klar:
Unrecht erduld ich nicht ungestraft.
Aber was geschieht, weiß ich nicht, will's nicht wissen!
Verdient hat er alles, das Ärgste verdient,
Aber – schwach ist der Mensch;
Billig gönnt man zur Reue Zeit!

Gora.
Reue? – Frag ihn selbst ob's ihn reut;
Denn dort naht er mit eilendem Schritt.

Medea.
Mit ihm der König, mein arger Feind
Der ihn verlockt, der ihn verführt.
Ihm entweich ich, nicht zähmt' ich den Haß!
(Geht rasch dem Hause zu.)
Aber will er, will Jason mich sprechen,
So heiß ihn treten zu mir ins Gemach,
Dort will ich reden zu ihm, nicht hier,
An der Seite des Manns, der mein Feind.
Sie nahen. Fort! (Ab ins Haus.)

Gora.
        Da geht sie hin!
Ich aber soll reden mit dem Mann
Der mein Kind verderbt, der gemacht,
Daß ich mein Haupt legen muß auf fremde Erde,
Des bittern Kummers Tränen verbergen muß,
Daß nicht drüber lacht fremder Männer Mund.

(Der König und Jason kommen.)

König.
Was flieht uns deine Frau? Das nützt ihr nichts.

Gora.
So floh sie denn? Sie ging. Weil sie dich haßt.

König.
Ruf sie heraus!

Gora.
        Sie kommt nicht.

König.
                Doch sie soll!

Gora.
Geh selbst hinein und sag ihr's, wenn du's wagst.

König.
Wo bin ich denn und wer? daß dieses Weib
In ihrer Wildheit mir zu trotzen wagt?
Die Magd fürwahr das Bild der Frau, und beide
Das Bild des dunkeln Landes, das sie zeugte.
Noch einmal: ruf sie her!

Gora (auf Jason zeigend).
        Den will sie sprechen
Und hat er Mut dazu, tret' er ins Haus.

Jason.
Verwegne geh! mein Haß von Anfang her!
Und sag ihr, daß sie komme, die dir gleicht.

Gora.
O gliche sie mir doch! ihr trotztet nicht!
Doch sie wird's noch erkennen und dann weh euch!

Jason.
Ich will sie sprechen!

Gora.
        Geh hinein.

Jason.
                Das nicht!
Sie soll heraus! und du geh hin und sag ihr's!

Gora.
Nun wohl ich geh, euch länger nicht zu sehn,
Und sag ihr's an, doch kommt sie nicht, das weiß ich,
Zu sehr fühlt sie die Kränkung und sich selbst.
(Ab ins Haus.)

König.
Nicht einen Tag duld ich sie in Korinth.
Die sprach nur aus, was jene finster brütet;
Allzu gefährlich dünkt mir solche Nähe!
Auch deine Zweifel, hoff ich, sind besiegt.

Jason.
Verfahre, Herr, in deinem Richteramt!
Sie kann nicht länger stehen neben mir,
So gehe sie; noch mild ist diese Strafe.
Denn wahrlich, minder schuldig doch als sie,
Trifft mich ein härtres Los, ein schwerers.
Sie zieht hinaus in angeborne Wildnis,
Und wie ein Füllen, dem das Joch entnommen
Strebt sie hinfort in ungezähmten Trotz:
Ich aber muß hier still und ruhig weilen,
Belastet mit der Menschen Hohn und Spott,
Dumpf wiederkäuend die verfloßne Zeit.

König.
Du wirst dich wieder heben, glaube mir's.
Dem Bogen gleich, der raschen Schwunges losschnellt
Und fliegend zu dem Ziele schickt den Pfeil,
Sobald entfernt was seinen Rücken beugte,
Wirst du erstarken, ist nur sie erst fern.

Jason.
Ich fühle nichts in mir, das solcher Hoffnung Bürgschaft.
Verloren ist mein Name und mein Ruf,
Ich bin nur Jasons Schatten, nicht er selbst.

König.
Die Welt, mein Sohn, ist billiger, als du.
Des reifen Mannes Fehltritt ist Verbrechen,
Des Jünglings Fehltritt ein verfehlter Tritt,
Den man zurückzieht und ihn besser macht.
Was du in Kolchis tatst, ein rascher Knabe,
Vergessen ist's, zeigst du dich nun als Mann.

Jason.
Könnt' ich dir glauben, selig wär' ich dann!


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